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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 23.07.2008
Aktenzeichen: 31 Wx 37/08
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB, PStG


Vorschriften:

BGB § 1592 Nr. 1
BGB § 1594 Abs. 2
EGBGB Art. 19 Abs. 1
PStG § 20
PStG § 21
Die Eintragung eines Vaterschaftsanerkenntnisses im Geburtenbuch kann abgelehnt werden, wenn der Personenstand der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt aufgrund eigener früherer, wechselnder Angaben zweifelhaft ist. (Fortführung von OLG München vom 19.10.2005 = StAZ 2005, 360).
Gründe:

I. Das Mädchen S wurde am xxx von der Beteiligten zu 1, welche im November 1992 ohne eigene Ausweispapiere in das Bundesgebiet eingereist war und nach eigenen Angaben Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina ist, im Kreiskrankenhaus T. geboren. Der Geburtenbucheintrag des Standesamts T. vom 7.10.2005 enthält keine Angaben zum Kindesvater. Bereits vor der Geburt des Kindes, am 16.8.2005, hatte der deutsche Staatsangehörige F.S.J. seine Vaterschaft notariell anerkannt.

Das Standesamt hat mit Bescheid vom 23.1.2006 abgelehnt, dem Geburtenbucheintrag des Kindes die Vaterschaftsanerkennung durch F. S. J. beizuschreiben. Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 22.11.2006 beantragte die Kindesmutter beim Amtsgericht, das Standesamt anzuweisen, die Beischreibung vorzunehmen. Sie sei zum Zeitpunkt der Geburt von S nicht verheiratet gewesen, es habe lediglich eine nichteheliche Lebensgemeinschaft mit F. H. bestanden. In verschiedenen früheren Verfahren hatte die Kindesmutter wechselnde Angaben zu ihrer Person (verschiedene Geburtsdaten und variierende Geburtsorte) gemacht. Sie erhielt am 20.11.1997 von der Botschaft von Bosnien und Herzegowina ein auf den Familiennamen "H." (gleichlautend mit dem Familiennamen des F.H.) ausgestelltes und am 31.8.2004 ein auf den Familiennamen "M." (welchen die Kindesmutter auch im vorliegenden Verfahren führt) lautendes Ausweisdokument. Zu ihrem Personenstand hat die Kindesmutter bislang vor deutschen Behörden ebenfalls wechselnde Angaben gemacht:

- Sie sei seit August 1990 mit F.H. verheiratet, Eheschließung in Srebrenica;

- sie sei seit 10.3.1989 mit F.H. verheiratet, Eheschließung in Srebrenica;

- sie habe bisher keine Ehe geschlossen;

- sie sei seit ca. 1997/1998 von F.H. geschieden.

Die deutsche Botschaft in Sarajevo hat - auf die Anfrage eines Standesamts anlässlich der Geburt eines anderen der insgesamt mindestens 9 Kinder der Beteiligten zu 1 hin - mitgeteilt, dass eine Eheschließung der Kindesmutter mit F.H. in den Registern des Standesamtes Srebrenica nicht registriert sei. Im selben Verfahren hatte F.H. eine Bescheinigung des Standesamtes Srebrenica vorgelegt, dass er bislang keine Ehe geschlossen habe. Im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wurde von der Kindesmutter eine Familienstandsbescheinigung des Standesamts Srebrenica vorgelegt, in welcher es heißt, dass "die am 20.11.1968 in Lijesce, Landkreis Srebrenica, geborene N. M." freien ehelichen Standes sei.

Die dem Verfahren gemäß § 48 Abs. 2 PStG beigetretene Standesamtsaufsicht ist der Ansicht, dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass die Kindesmutter (noch immer) mit F.H verheiratet ist, weswegen eine Beischreibung der Vaterschaftsanerkennung des F.S.J. nicht erfolgen könne. Der Familienstand der Kindesmutter sei aufgrund der von dieser selbst in anderen Verfahren gemachten, variierenden Angaben zur Person, insbesondere zum Personenstand, ungeklärt.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 9.3.2007 das Standesamt angewiesen, dem Geburtseintrag des Kindes die Vaterschaftsanerkennung durch F.S. J. beizuschreiben. Auf die sofortige Beschwerde der Standesamtsaufsicht hat das Landgericht mit Beschluss vom 15.1.2008 den Beschluss des Amtsgerichts vom 9.3.2007 aufgehoben und den Antrag der Kindesmutter auf Beischreibung der Vaterschaftsanerkennung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Kindesmutter.

II. Die sofortige weitere Beschwerde ist gem. §§ 48, 49 Abs. 1 Satz 1 PStG, §§ 27, 29 FGG fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Die weitere Beschwerde bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Es lasse sich nicht feststellen, ob das von F.S.J abgegebene Vaterschaftsanerkenntnis wirksam sei, da die Identität der Kindesmutter nicht abschließend geklärt und daher nicht auszuschließen sei, dass diese bereits vor ihrer Einreise nach Deutschland geheiratet hat, zumal sich die Kindesmutter mehrfach vor deutschen Behörden als verheiratet bezeichnet habe. In diesem Fall wäre aber nach § 1592 Satz 1 BGB der Ehemann der Kindesmutter der Vater des Kindes, was zur Folge habe, dass das Vaterschaftsanerkenntnis des F.S. J. gemäß § 1594 Abs. 2 BGB schwebend unwirksam sei. Die Prüfung, ob die Vaterschaftsanerkennung wirksam ist, liege im Verantwortungsbereich des das Geburtenbuch führenden Standesbeamten (§ 20 PStG). Da die Angabe der Vaterschaft im Geburtenbuch (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PStG) an der Beweiskraft der Eintragung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 PStG teilhabe, könne die Beischreibung nur erfolgen, wenn die rechtliche Vaterschaft feststehe. Da letztlich bereits die Identität der Kindesmutter nicht feststehe, könne aus den vorgelegten Bescheinigungen zum Familienstand nicht mit ausreichender Sicherheit entnommen werden, dass diese tatsächlich nicht verheiratet sei. Bei einem nicht nachgewiesenen Personenstand der Mutter könne nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass sie zur Zeit der Geburt des Kindes mit einem anderen als dem die Vaterschaft anerkennenden Mann verheiratet war. Das Landgericht hat sich hierbei auch mit der Entscheidung des Senats vom 19.10.2005 (StAZ 2005, 360) auseinander gesetzt, wonach ein Vaterschaftsanerkenntnis als wirksam zu bewerten sei, solange kein begründeter Verdacht bestehe, dass die Kindesmutter tatsächlich doch anderweitig verheiratet sein könnte.

2. Die Ausführungen des Landgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung stand (§§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die §§ 1592 ff. BGB vorliegend anwendbar sind, da das in T. geborene Kind im Bundesgebiet seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB. Zum selben Ergebnis führt die Anknüpfung an das Heimatrecht des Mannes, der die Vaterschaft anerkannt hat (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB), denn dieser ist deutscher Staatsangehöriger. Nach § 1592 Nr. 1 BGB wird ein während der Ehe geborenes Kind dem Mann als Vater zugeordnet, der zu diesem Zeitpunkt mit der Kindesmutter verheiratet ist. Hieran ändert auch die Vaterschaftsanerkennung durch einen Dritten nichts (vgl. nur Palandt/Diederichsen BGB 67. Aufl. § 1592 Rn. 3). Dessen Vaterschaftsanerkenntnis ist daher gem. § 1594 Abs. 2 BGB (schwebend) unwirksam (vgl. Palandt/Diederichsen § 1594 Rn. 6).

b) Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass bei Nichtverfügbarkeit einer Geburtsurkunde oder aus sonstigen Gründen nicht feststehender Identität der Kindesmutter für den Standesbeamten Anlass zu eigenen Ermittlungen besteht und dies auch im Rahmen des § 1594 Nr. 2 BGB jedenfalls dann gilt, wenn die konkreten Umstände das bewusste Verschweigen einer zum Zeitpunkt der Geburt bestehenden Ehe möglich erscheinen lassen (vgl. hierzu OLG Hamm StAZ 2006, 231; StAZ 2007, 18/21). Denn § 20 PStG verpflichtet den Standesbeamten zur Nachprüfung von Angaben, deren Richtigkeit er begründet anzweifelt, wobei sich diese Zweifel auch auf Umstände, die (nur) in rechtlicher Hinsicht bedeutsam sind, beziehen können (vgl. BayObLGZ 2004, 331). Insbesondere können in diesem Zusammenhang Rückfragen bei anderen Behörden getätigt werden und die so gewonnenen Erkenntnisse der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Sowohl die Frage, ob berechtigte Zweifel bestehen, als auch die Frage, ob diese Zweifel ausgeräumt werden konnten, liegt auf tatsächlichem Gebiet. Die Beurteilung obliegt im gerichtlichen Verfahren dem Tatrichter. Dessen tatsächliche Feststellungen können vom Gericht der weiteren Beschwerde nur darauf überprüft werden, ob der entscheidungserhebliche Sachverhalt ausreichend erforscht, alle wesentlichen Umstände in die rechtliche Würdigung einbezogen wurden und kein Verstoß gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze vorliegt (Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 42).

Die Würdigung des Landgerichts, dass vorliegend erhebliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Kindesmutter zum Zeitpunkt der Geburt von S nicht ledig, sondern verheiratet war, ist angesichts der konkreten, vom Landgericht in ausreichendem Umfang ermittelten und dargelegten Umstände nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Kindesmutter kann die Beischreibung eines Vaterschaftsanerkenntnisses nicht nur dann abgelehnt werden, wenn nachgewiesen ist, dass die Kindesmutter zum Zeitpunkt der Geburt mit einem anderen als dem die Vaterschaft anerkennenden Mann verheiratet, sondern schon dann, wenn berechtigte Zweifel daran bestehen, dass sie zu diesem Zeitpunkt ledig war. Anders als in dem der Entscheidung des Senats vom 19.10.2005 (StAZ 2005, 360) zugrundeliegenden Fall besteht vorliegend aufgrund der Tatsache, dass die Identität der Mutter nicht feststeht, auch nicht lediglich die rein theoretische, durch keinerlei konkrete Anhaltspunkte oder Verdachtsmomente gestützte Möglichkeit, dass die Kindesmutter zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet war. Die Beteiligte zu 1 hat vielmehr durch ihre eigenen Angaben in verschiedenen anderen Verfahren nicht nur Zweifel an ihrer Identität geweckt, sondern auch selbst den Anschein gesetzt, mit F.H. verheiratet zu sein. Zwar hat die Beteiligte zu 1 in einem späteren Verfahren geäußert, sie sei von F. H. schon seit einigen Jahren wieder geschieden, dieser Aussage kann aber für das vorliegende Verfahren schon deswegen keine entscheidende Bedeutung zukommen, da die Kindesmutter an anderer Stelle vorgetragen hat, niemals mit F. H. verheiratet gewesen zu sein, was selbstredend eine Scheidung von F.H. ausschließt.

Auch die tatrichterliche Würdigung des Landgerichts, vorliegend läge eine Täuschung der Kindesmutter über ihren Familienstand nahe, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die von der Beteiligten zu 1 selbst hervorgerufenen Zweifel an ihrem wahren Familienstand können vorliegend auch nicht durch die Urkunden, die den Personenstand der Kindesmutter belegen sollen, ausgeräumt werden; denn da die Beteiligte zu 1 insbesondere auch zu ihrem Geburtsdatum wechselnde Angaben gemacht hat, steht schon nicht fest, dass die Person, deren Personenstand in den vorgelegen Urkunden bezeugt wird, überhaupt die Beteiligte zu 1 ist (vgl. BayObLG StAZ 2003, 78).

Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände erscheint es vorliegend auch nicht unverhältnismäßig, die Beischreibung des Vaterschaftsanerkenntnisses zu verweigern. Für eine Beischreibung mit dem Zusatz, dass das Anerkenntnis - wenn auch schwebend, so doch derzeit - unwirksam ist, besteht ebenfalls kein Raum, da durch einen solchen Eintrag gerade nicht die Abstammung von einem bestimmten Vater, sondern nur das Vorhandensein eines Vaterschaftsanerkenntnisses nachgewiesen werden könnte.

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 war daher zurückzuweisen.

3. Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs. 2, § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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