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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 08.06.2009
Aktenzeichen: 31 Wx 62/09
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB, MSA, CPF (Togo)
Vorschriften:
BGB § 2 | |
BGB § 1773 | |
BGB § 1882 | |
EGBGB Art. 7 | |
EGBGB Art. 24 | |
MSA Art. 2 | |
MSA Art. 12 | |
CPF (Togo) Art. 265 | |
CPF (Togo) Art. 305 |
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS
Aktenzeichen: 31 Wx 062/09
Der 31. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Rojahn, der Richterin am Oberlandesgericht Förth und des Richters am Oberlandesgericht Wimmer
am 8. Juni 2009
in der Vormundschaftssache
wegen Beendigung der Vormundschaft,
beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss des Landgerichts München I vom 30 März 2009 und die Feststellungsverfügung des Amtsgerichts - Vormundschaftsgerichts - München vom 28. Januar 2009 werden aufgehoben.
Gründe:
I. Gegenstand des Verfahrens ist die Feststellung des Amtsgerichts, dass die Vormundschaft über den am 5.1.1990 geborenen A., Staatsangehöriger von Togo, wegen nach deutschem Recht eingetretener Volljährigkeit beendet sei. Der Betroffene wurde im Jahr 2006 in eine Asylerstaufnahmeeinrichtung in Deutschland aufgenommen; er ist zwischenzeitlich im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Das Amtsgericht stellte das Ruhen der elterlichen Sorge fest (die Eltern sind unbekannten Aufenthalts) und bestellte den Verein K. zum Vormund. Mit Verfügung vom 28.1.2009 stellte das Amtsgericht die Beendigung der Vormundschaft fest. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Landgericht mit Beschluss vom 30.3.2009 zurück. Mit der weiteren Beschwerde wird die Aufhebung dieser Beschlüsse begehrt.
II. Die zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
1. Das Landgericht hat, ebenso wie zuvor das Amtsgericht, angenommen, dass die Regelungen des Haager Minderjährigenschutzabkommens (MSA) dem autonomen deutschen Kollisionsrecht vorgehen und das vom MSA berufene Recht des Aufenthaltsstaates (Art. 2 MSA), hier das deutsche Recht, die Voraussetzungen sowohl für die Anordnung als auch für die Beendigung der Schutzmaßnahme bestimme (Art. 2 Abs. 2 MSA). Da das deutsche Vormundschaftsrecht die Minderjährigkeit des Mündels voraussetze (§ 1773 BGB), der Betroffene nach deutschem Recht aber zwischenzeitlich volljährig sei (§ 2 BGB), sei die Vormundschaft kraft Gesetzes beendet (§ 1882 BGB).
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Die Vorinstanzen haben verkannt, dass sich das anwendbare Recht mit der Vollendung des 18.Lebensjahres des Betroffenen nicht mehr nach dem Minderjährigenschutzabkommen, sondern nach Art 7 und Art. 24 EGBGB bestimmt; diese Vorschriften verweisen auf das Recht des Staates Togo als Heimatrecht des Betroffenen.
a) Zutreffend ist zunächst, dass das Minderjährigenschutzabkommen vom 5.10.1961 in seinem Anwendungsbereich sowohl das frühere Haager Vormundschaftsabkommen vom 12.6.1902 als auch das autonome deutsche Kollisionsrecht verdrängt. Es wird seinerseits durch - hier aber nicht einschlägiges - vorrangiges unmittelbar geltendes europäisches Recht verdrängt (vgl. etwa die sog. Brüssel IIa-Verordnung). Richtig ist auch, dass der Betroffene, als die Maßnahme der Vormundschaft über den damals 16-Jährigen angeordnet wurde, sowohl nach seinem togoischen Heimatrecht (vgl. hierzu noch unten) als auch nach deutschem Recht minderjährig war, wie Art. 12 MSA für die Anwendbarkeit des Übereinkommens voraussetzt. Es kann hier offen bleiben, ob die Anwendbarkeit des MSA deshalb ausscheidet, wie die Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen meinen, weil es an einem "gewöhnlichen Aufenthalt" des Betroffenen in Deutschland gefehlt habe. Auch bei einer - im Folgenden unterstellten - Anwendbarkeit des MSA erweist sich die vom Landgericht bestätigte Feststellung des Amtsgerichts, die Vormundschaft sei beendet, als unrichtig.
b) Mit der Vollendung des 18. Lebensjahres des Betroffenen am 5.1.2008 wurde das MSA unanwendbar, weil der Betroffene an diesem Tag nach deutschem innerstaatlichen Recht volljährig wurde (§ 2 BGB, Art. 12 MSA). Entfällt aber die Anwendbarkeit des MSA, so kann die Antwort auf die Frage, nach welchem Recht es sich bestimmt, wann eine unter der Geltung des MSA angeordnete Maßnahme endet, nicht mehr dem MSA entnommen werden. Ob die vom deutschen Gericht unter der Geltung des MSA angeordnete Schutzmaßnahme nach Wegfall von dessen Anwendbarkeit fortwirkt und wann sie endet, richtet sich vielmehr nach dem autonomen deutschen Recht unter Einschluss seiner Kollisionsnormen. Weisen diese (oder ein vorrangiger Staatsvertrag, hier nicht ersichtlich) auf eine andere Rechtsordnung und mangels Rückverweisung auf ein anderes (nämlich ausländisches) Sachrecht als das nach dem MSA anwendbare deutsche Recht, so kommt es zu einem Statutenwechsel (vgl. MünchKommBGB/Siehr 3. Aufl. - in der 4. Auflage leider nicht mehr ausführlich kommentiert - Art. 19 EGBGB Anh. I Rn. 269, 410; Staudinger/Kropholler BGB Bearbeitung 2003, Vorbem. zu Art. 19 EGBGB Rn. 544, 545; Hepting FamRZ 1975, 451/457).
Das ist hier der Fall. Mit der Vollendung des 18. Lebensjahres des Betroffenen trat Statutenwechsel ein. Zuvor galt der Betroffene für in den Anwendungsbereich des MSA fallende Maßnahmen als minderjährig; für die Anordnung und Beendigung der Schutzmaßnahme "Vormundschaft" galt das deutsche Recht. Nunmehr bestimmt sich beides nach dem Recht des Staates Togo als Heimatrecht des Betroffenen (Art. 7, Art. 24 EGBGB, kein Renvoi feststellbar). Nach togoischem Recht tritt Volljährigkeit, sofern sie nicht zuvor durch Mündigsprechung erlangt wird, mit Vollendung des 21. Lebensjahres ein (Art. 265 Code des personnes et de la famille, - CPF, vgl. auch Art. 241, 273 CPF). Erst zu diesem Zeitpunkt endet nach togoischem Recht die Vormundschaft (vgl. Art. 305 CPF), es sei denn, es würde schon vorher die derzeit ruhende elterliche Sorge wieder aufleben. Nach derzeitigem Sachstand besteht die angeordnete Vormundschaft jedenfalls fort.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten fallen weder in zweiter noch in dritter Instanz an (§ 130 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 KostO). Für die Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten des erfolgreichen Beschwerdeführers (vgl. § 13a Abs. 1 FGG) ist mangels eines anderen Beteiligten, dem die Kosten auferlegt werden könnten, kein Raum. Einer Geschäftswertfestsetzung bedarf es nicht.
Ende der Entscheidung
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