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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 03.08.2006
Aktenzeichen: 32 Wx 122/06
Rechtsgebiete: FGG, KostO


Vorschriften:

FGG § 69g Abs. 1
KostO § 2 Nr. 1
KostO § 130 Abs. 5
KostO § 131 Abs. 3
KostO § 131 Abs. 5
1. Legt ein nach § 69g Abs. 1 FGG Beschwerdeberechtigter, der zugleich Bevollmächtigter ist, eine Beschwerde ein, ohne kenntlich zu machen, dass er im Namen des Bevollmächtigten handelt, so haftet er für die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Veranlasser nach § 2 Nr. 1 KostO.

2. § 130 Abs. 5 KostO ist auch im Beschwerdeverfahren anwendbar (Aufrechterhaltung von BayObLG NJW 1964, 1474).


Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 10.04.2003 bestellte das Amtsgericht M. der Betroffenen für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Aufgabenkreis, sowie Organisation der ambulanten Versorgung eine Betreuerin. Am 22.10.2003 gab das Amtsgericht M. das Betreuungsverfahren an das Amtsgericht D. ab, das das Verfahren übernahm.

Mit Schreiben vom 01.06.2004 teilte der Beschwerdeführer, der Sohn der Betroffenen, dem Amtsgericht mit, dass die Betroffene ihm am 03.05.2001 eine umfassende Vorsorgevollmacht wirksam erteilt habe und er daher Aufhebung der vom Amtsgericht M. mit Beschluss vom 10.04.2003 angeordneten Betreuung der Betroffenen beantrage. Mit Beschluss vom 25.06.2004 wies das Erstgericht diesen Antrag zurück. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers vom 10.07.2005 wurde mit Beschluss des Landgerichts München II vom 22.10.2005 wegen Fehlens der Beschwerdebefugnis nach Einholung eines Ergänzungsgutachtens zur Geschäftsfähigkeit der Betroffenen am 03.05.2001, dem Zeitpunkt der Vollmachtserteilung, verworfen.

Mit Kostenrechnung vom 21.12.2004 wurden dem Beschwerdeführer 846,29 EUR (Gebühr 13,00 EUR zuzüglich Sachverständigenauslagen 833,29 EUR) berechnet. Auf die hiergegen erhobene Erinnerung änderte das Landgericht München II mit Beschluss vom 20.6.2006 die Kostenrechnung dahingehend ab, dass diese auf 833,29 EUR reduziert werde und wies die Erinnerung im übrigen zurück. Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 7.7.2006.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Die Kostenrechnung sei um 13 EUR zu reduzieren, da nach § 131 Abs. 3 KostO das Verfahren gerichtsgebührenfrei sei. Im Übrigen habe die Erinnerung aber keinen Erfolg. Der Erinnerungsführer hafte als Veranlasser für die Sachverständigenauslagen. Eine Anordnung, dass von der Erhebung der Auslagen nach § 130 Abs. 5 KostO abgesehen werde, komme nicht in Betracht, da diese Kostenvorschrift nach der Systematik des Gesetzes im Beschwerdeverfahren nicht anwendbar sei. Der eindeutige Gesetzeswortlaut des § 131 Abs. 5 KostO stehe einer entsprechenden Anwendung des § 130 Abs. 5 KostO entgegen. Gegen eine analoge Anwendung des § 130 Abs. 5 KostO im Beschwerdeverfahren spreche auch, dass im Rahmen der Neuregelung des Betreuungsrecht die Auslagenfreiheit im Beschwerdeverfahren nicht besonders geregelt worden sei.

2. Die Entscheidung hat im Ergebnis Bestand.

a) Zu Recht hat das Landgericht den Beschwerdeführer als Auslagenschuldner nach § 2 Nr. 1 KostO angesehen. Aus der Beschwerdeschrift vom 10.07.2004 im Ausgangsverfahren war nicht ersichtlich, dass die Beschwerde im Namen der Betroffenen eingelegt werden sollte. Der Beschwerdeführer brachte nur zum Ausdruck, dass er Beschwerde einlege. Ein Hinweis, dass die Beschwerde namens der Betroffenen aufgrund der Vorsorgevollmacht eingelegt wurde, ergibt sich aus dem Beschwerdeschreiben nicht. Daher hat das Landgericht die Beschwerde zu Recht dahingehend ausgelegt, dass sie durch den Beschwerdeführer im eigenen Namen eingelegt sein sollte, zumal die eigene Beschwerdeberechtigung des Beschwerdeführers als Sohn der Betroffenen nach § 69i Abs. 3 i. V. m. § 69g Abs. 1 FGG nicht völlig von der Hand zu weisen und zu prüfen war. Warum, wie der Beschwerdeführer anführt, nicht gleichzeitig über die Beschwerde und über die Kosten entschieden werden soll, ist nicht ersichtlich.

b) § 131 Abs. 3 KostO betrifft auch, wie das Landgericht richtig angenommen hat, nur die Gebührenfreiheit und nicht die Auslagenfreiheit (Umkehrschluss aus § 131 Abs. 5 KostO; vgl. auch Bayerisches Oberstes Landesgericht 3. Zivilsenat Beschluss vom 11. Juli 2001, Az: 3Z BR 203/01 = FamRZ 2002, 764; OLG München 11. Zivilsenat Beschluss vom 13. Juli 2001, Az: 11 WF 984/01 = OLGR München 2002, 19 = FamRZ 2002,409).

c) Nicht zu folgen vermag der Senat der Auffassung des Landgerichts, dass § 130 Abs. 5 KostO im Beschwerdeverfahren nicht entsprechend anwendbar sei. Weder aus dem Gesetz noch aus der Begründung (vgl. Rohs/Wedewer KostO Stand 2006 § 131 Rn. 1) ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber bewußt eine unterschiedliche Regelung wollte. Es spricht viel für die Annahme, der Gesetzgeber habe nicht bedacht, dass zwar Auslagen auch bei Kostenfreiheit in der Regel nach § 131 Abs. 3 KostO zu erheben seien, in Ausnahmefällen das Gericht aber eine Auslagenfreiheit über § 130 Abs. 1 KostO anordnen könne und deshalb keine gesonderte Regelung erforderlich sei. Dieser Schluss liegt aus den in der Entscheidung des BayObLG vom 27.2.1964 (NJW 1964, 1474) dargelegten Erwägungen nahe. Ebenso wenig kann angenommen werden, dass dem Gesetzgeber diese Kostenproblematik bei der Schaffung des Gesetzes zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (BtG) vom 12.9.1990 bewusst war.

Im Übrigen gebietet die verfassungskonforme Auslegung der §§ 130 Abs. 5 und 131 Abs. 3, 5 KostO die entsprechende Anwendung, da ansonsten eine ungleiche Behandlung vergleichbarer Sachverhalte (Art. 3 Abs. 1 GG) eintreten würde: Entstehen für eine Beweisaufnahme in erster Instanz Kosten, so kann des Gericht die Kostenfreiheit - also auch die Auslagenfreiheit - nach § 130 Abs. 5 KostO anordnen. Hat aber die erste Instanz, weil sie eine Beweisaufnahme z. B. wegen einer anderen Rechtsansicht nicht für erforderlich gehalten hat, keinen Beweis erhoben und erhebt das Beschwerdegericht dann den Beweis, wäre eine solche Anordnung nicht möglich.

Der Beschwerdeführer hat auf das Verhalten des Gerichts keinen Einfluss. Die Frage, ob die Begünstigung des § 130 Abs. 5 KostO möglich ist, würde demnach ausschließlich von der Entscheidung der ersten Instanz abhängen, obwohl das Beschwerdegericht als Tatsacheninstanz umfassend Beweis erheben kann. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass ein nicht vergleichbarer Sachverhalt vorliege, da die Willensentschließung zur Beschwerdeeinlegung über diejenige bei bloßer Antragstellung hinausgehe, wenn bereits eine gerichtliche Entscheidung vorliegt und dem Beschwerdeführer eher zugemutet werden kann, mit dieser Entscheidung zu leben, als ohne jede Entscheidung.

d) Das vom Landgericht gefundene Ergebnis entspricht jedoch deswegen der tatsächlichen Rechtslage, weil die Beschwerde nicht auf einer unverschuldeten Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse beruhte. Dem Beschwerdeführer war bekannt, dass die Betroffene seit 1999 zunehmend geistig abbaute, wie er selbst gegenüber einer Mitarbeiterin der zuständigen Betreuungsbehörde angab. Hieraus hätte er unter Anwendung der erforderlichen Sorgfalt erkennen können, dass erhebliche Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung bestanden. Wenngleich von einem Laien keine eigenen medizinischen Kenntnisse zu erwarten sind, hätte er sich über die Frage der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen fachkundig beraten lassen können.

e) Die Auslagen für das Gutachten müssen auch nicht nach § 16 KostO unerhoben bleiben. Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne dieser Vorschrift liegt nämlich nur vor, wenn ein offen zutage tretender Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen oder ein offensichtliches Versehen unterlaufen ist (vgl. Korinteberg/Bengel/ Tiedtke KostO 15. Aufl. § 16 Rn. 2 m. w. N., zuletzt Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 18. November 2004, Az: 3Z BR 224/04). Dies kann vorliegend nicht festgestellt werden. Das Landgericht konnte im Ausgangsverfahren im Hinblick auf die Entscheidung des OLG Zweibrücken (a.a.O.) ohne weiteres davon ausgehen, dass der Bevollmächtigte ein eigenes Beschwerderecht hat. Auch wenn das Landgericht später zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, kann ein offen zutage tretender Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen oder ein offensichtliches Versehen nicht angenommen werden. Das Gutachten war bei Zugrundelegung eines eigenen Beschwerderechts des Betreuungsbevollmächtigten auch erforderlich, um die Wirksamkeit der Betreuungsvollmacht festzustellen.

3. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 14 Abs. 9 KostO).



Ende der Entscheidung

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