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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 15.01.2008
Aktenzeichen: 32 Wx 129/07
Rechtsgebiete: BGB, WEG
Vorschriften:
BGB § 683 | |
BGB § 670 | |
WEG § 16 Abs. 2 | |
WEG § 21 Abs. 2 |
Gründe:
I.
Antragstellerin und Antragsgegner sind Wohnungseigentümer in einem Altbau mit 9 Sondereigentumseinheiten. Die Antragstellerin, der die beiden im Dachgeschoss liegenden Wohnungen Nr. 8 und Nr. 9 gehören, hatte im Jahr 1999 beim Ausbau der Wohnung Nr. 9 die Dachterrasse, die über Wohnung Nr. 8 liegt, mit einer verzinkten Verblechung versehen lassen. Als im Herbst 2005 ein Wasserschaden im Bereich der Wohnung Nr. 8 auftrat, erklärte sich die Antragstellerin auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 16.9.2005 bereit, die Dachterrassenverblendung auf eigene Kosten reparieren zu lassen. Nach der Entfernung des Blechs im Juni 2006 zeigte sich, dass die darunterliegende Holzkonstruktion vermodert und nicht mehr tragfähig war. Der Antragsgegner zu 1, der sich bis dahin als Verwalter der Wohnanlage geriert hatte, weigerte sich, irgendwelche Maßnahmen zur Schadensbeseitigung zu veranlassen. Daraufhin gab die Antragstellerin am 20.6.2006 selbst den Auftrag zur Durchführung der notwendigen Sanierungsarbeiten, um weitere Gefahren abzuwenden. Die hierfür angefallenen Gesamtkosten in Höhe von 27.708 EUR hat die Antragstellerin zunächst vollständig selbst beglichen, nachdem sie mit dem Versuch gescheitert war, durch ein schriftliches Beschlussverfahren die Auflösung eines Kontos mit Rücklagen in Höhe von etwa 17.000 EUR und die Erhebung einer Sonderumlage für den Restbetrag zu erreichen.
Die Antragstellerin hat beantragt, die Antragsgegner zur Zahlung des jeweils nach dem vereinbarten Teilungsschlüssel auf sie entfallenden Anteils an den Sanierungskosten in Höhe von je 5.772,50 EUR nebst Zinsen zu verpflichten. Mit Beschluss vom 22.2.2007 hat das Amtsgericht den Anträgen in vollem Umfang stattgegeben. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht mit Beschluss vom 16.7.2007 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner, mit der sie ihr Ziel der vollständigen Antragsabweisung weiterverfolgen.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Die Antragstellerin könne als Notgeschäftsführerin gemäß § 21 Abs. 2 WEG sowie unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag von den Antragsgegnern jeweils anteilig den Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen. Aus den Zeugenaussagen und den vorgelegten Lichtbildern ergebe sich, dass dringender Handlungsbedarf bestanden habe. Da sich der Antragsgegner als faktischer Verwalter geweigert habe, tätig zu werden, und ein zustimmender Beschluss wegen der Mehrheitsverhältnisse in der Wohnanlage nicht zu erreichen gewesen sei, habe die Antragstellerin selbst die notwendigen Maßnahmen treffen dürfen. Nachdem die gemeinschaftlichen Mittel zur Befriedigung der Ansprüche der Antragstellerin nicht ausreichten und auch nicht in absehbarer Zeit ein entsprechender Beschluss zu erwarten sei, könne die Antragstellerin die Antragsgegner unmittelbar als Teilschuldner in Anspruch nehmen.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen und damit für den Senat verbindlichen Feststellungen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. § 559 ZPO) bestand wegen des Zustands des Dachs die Gefahr eines unmittelbar drohenden weiteren Schadens am Gemeinschaftseigentum, die es unzumutbar machte, die Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung zur Ersetzung eines Eigentümerbeschlusses abzuwarten. Damit liegen die Voraussetzungen einer Notgeschäftsführung nach § 21 Abs. 2 WEG vor.
b) Bei einer Notgeschäftsführung dürfen in der Regel nur solche Maßnahmen veranlasst werden, die den Eintritt des unmittelbar drohenden Schadens verhindern und die Gefahrenlage beseitigen, da es grundsätzlich der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Verwalter obliegt, für Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zu sorgen (BayObLG ZWE 2001, 418). Nachdem im vorliegenden Fall nicht nur ein weiterer Wasserschaden drohte, sondern für das Dach sogar Einsturzgefahr bestand, war die in Auftrag gegebene Dachsanierung noch von der Notgeschäftsführung umfasst (§ 21 Abs. 2 WEG) und entsprach auch dem mutmaßlichen Willen der übrigen Wohnungseigentümer (§§ 683, 670 BGB). Damit ist ein Aufwendungsersatzanspruch aus Notgeschäftsführung bzw. aus Geschäftsführung ohne Auftrag dem Grunde nach gegeben.
c) Ein Notgeschäftsführer oder Geschäftsführer ohne Auftrag handelt für die Gemeinschaft und erzeugt damit Kosten im Sinne von § 16 Abs. 2 WEG.
Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2005, 2061) und nach den Regelungen des nunmehr in Kraft getretenen neuen Wohnungseigentumsrechts ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer rechtsfähig, soweit sie im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt. Sie ist damit auch Trägerin der für sie als Gemeinschaft gesetzlich begründeten Pflichten und somit einem Notgeschäftsführer/Geschäftsführer ohne Auftrag zum Ausgleich seiner Aufwendungen verpflichtet (KK WEG Rieke/Schmid/Drabek , 1. Aufl. 2005, § 21 Rn. 69).
Daneben steht dem Notgeschäftsführer nicht das Recht zu, seine Aufwendungen direkt bei einem Miteigentümer einzufordern (KK aaO, Rn. 70). Auch in einer Situation wie der vorliegenden wird die Antragstellerin damit nicht rechtlos gestellt. Sie kann nämlich auf das vorhandene Verwaltungsvermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft zugreifen, das deren Ansprüche gegen die Wohnungseigentümer und gegen Dritte, insbesondere Banken, bei denen Gemeinschaftskonten geführt werden, umfasst. Bei einer Titulierung der Aufwendungsersatzforderung kann die Antragstellerin damit zum einen die Pfändung des Rücklagenkontos erwirken und zum anderen, soweit sich die Mehrheit der Wohnungseigentümer weigert, für die Restsumme eine Sonderumlage zu beschließen, auf den Anspruch des Verbandes auf ordnungsmäßige Verwaltung zurückgreifen.
d) Eine Haftung der Antragsgegner kommt auch nicht aus § 10 Abs. 8 Satz 1 WEG n.F. in Betracht. Danach haben Gläubiger der Gemeinschaft die Möglichkeit, wegen Verbindlichkeiten der Gemeinschaft wahlweise auch unmittelbar gegen die einzelnen Wohnungseigentümer im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile vorzugehen.
Diese Vorschrift betrifft aber nur die Haftung der Wohnungseigentümer gegenüber Dritten. Dies wird dadurch deutlich, dass die Vorschrift beim Umfang der Haftung auf den Miteigentumsanteil abstellt und nicht auf den tatsächlichen Verteilungsschlüssel der Wohnungseigentümer untereinander.
Darüber hinaus ist § 10 Abs. 8 WEG n.F. zwar grundsätzlich seit dem Tag des Inkrafttretens als geltendes Recht maßgebend, weil die Vorschrift nicht von der Ausnahmeregelung in § 62 Abs. 1 WEG umfasst wird, es ist jedoch zweifelhaft, ob diese Regelung auf bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens entstandene und fällige gesetzliche Ansprüche Anwendung findet.
e) Eine Inanspruchnahme der Antragsgegner aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung, die sich direkt gegen die einzelnen Wohnungseigentümer richten könnte (vgl. OLG München MietRB 2006, 172) scheidet aus, da die Notgeschäftsführung bzw. die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag den rechtlichen Grund für Leistungen und Eingriffe darstellen (Palandt /Sprau BGB, 67. Aufl., Einführung vor § 677 Rn. 10).
f) Eine Aufhebung und Zurückverweisung zur Gewährung rechtlichen Gehörs war nicht angezeigt, da die maßgebliche Rechtsfrage bereits durch den Schriftsatz des Antragsgegnervertreters vom 6.3.2007 aufgeworfen und vor Gericht auch erörtert worden ist.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Die Geschäftswertfestsetzung folgt aus § 48 WEG. Diese Vorschriften sind gemäß § 62 Abs. 1 WEG in der bis zum 30.6.2007 geltenden Fassung anzuwenden.
Ende der Entscheidung
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