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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 20.02.2008
Aktenzeichen: 32 Wx 2/08
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 1004
WEG § 13
WEG § 14
WEG § 15
Enthält eine Teilungserklärung die Bestimmung "Die einzelnen Eigentümer der Reihenhauseigentumseinheiten sollen wirtschaftlich soweit wie möglich gestellt werden, als ob sie Alleineigentümer der betreffenden Grundstücks- und Gebäudeeinheiten seien", sind Abwehrrechte der anderen Wohnungseigentümer gegen bestimmte Nutzungen und bauliche Veränderungen in der Regel ausgeschlossen, sofern nicht der Bestand von der Gemeinschaft dienender Anlagenteile als solcher beeinträchtigt oder gegen allgemeine nachbarrechtliche oder nachbarschützende bauordnungsrechtliche Normen verstoßen wird.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind Wohnungseigentümer der aus Reihenhäusern bestehenden Verfahrensgegenständlichen Wohnanlage. Die Teilungserklärung vom 9.8.1974 (Anlage K 1) enthält folgenden Abschnitt IV: "Die Aufteilung der Reihenhauseinheiten in Eigentumseinheiten nach dem Wohnungseigentumsgesetz erfolgt, da eine Realteilung nicht in Frage kommt. Die einzelnen Eigentümer der Reihenhauseigentumseinheiten sollen wirtschaftlich jedoch soweit wie möglich gestellt werden, als ob sie Alleineigentümer der betreffenden Grundstücks- und Gebäudeeinheiten seien. ..." § 3 Abs. 2 und 3 der Gemeinschaftsordnung (Anlage K 3) lauten: "(2) Der Haus- (Garagen-)Eigentümer ist berechtigt sein Sondereigentum nach Belieben zu nutzen, soweit sich nicht Beschränkungen aus dem Gesetz und dieser Gemeinschaftsordnung ergeben. Im Interesse des friedlichen Zusammenlebens ist der Gebrauch nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrsitte so auszuüben, dass weder einem anderen Hauseigentümern noch einem Hausbewohner über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß eine Beeinträchtigung oder ein Nachteil erwächst. (3) Entsprechend Abschnitt IV. hat jeder Hauseigentümer das Recht, die im Gemeinschaftseigentum stehenden aber im Bereich seines Sondereigentums befindlichen Teile des Grundstückes und des Gebäudes, dazu auch den bei seinem Haus befindlichen Garten unter Ausschluss der übrigen Eigentümer zu verwalten und in jeder Weise zu nutzen (Sondernutzung). Er hat demgemäß auch die gesamten Lasten und Kosten der zum Bereich seines Sondereigentums gehörenden Gebäudlichkeiten und Grundflächen, auch soweit diese im Gemeinschaftseigentum stehen, allein zu tragen und ist wirtschaftlich gesehen hinsichtlich seines Reihenhauses und seiner Gartenanteile wie ein Alleineigentümer zu behandeln."

Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2004 ersetzten die Antragsgegner die Holzverschalung ihrer Balkonbrüstung auf der Südseite des Hauses, die in der Anlage einheitlich in dunkel gebeiztem Holz gehalten ist, durch nicht gestrichenes helles Fichtenholz.

Das Amtsgericht gab dem Antrag die Antragsgegner zu verpflichten, die Brüstung des Balkons des verfahrensgegenständlichen Anwesens mit einem dem optischen Erscheinungsbild der Wohnanlage entsprechenden dunklen Farbanstrich zu versehen, mit Beschluss vom 23.3.2007 statt. Die dagegen vom den Antraggegnern eingelegte sofortige Beschwerde wies das Landgericht am 19.12.2007 zurück.

Gegen diesen am 27.12.2007 zugestellten Beschluss legten die Antragsgegner am 4.1.2007 formgerecht sofortige weitere Beschwerde ein, die am 28.1.2008 begründet wurde, ein mit dem Ziel der Beschlussaufhebung und Antragszurückweisung.

II.

Die zulässige sofortige weitere Beschwerde ist begründet.

1. Das Landgericht hat folgendes ausgeführt:

Die Antragsteller hätten einen Individualanspruch auf Farbangleichung nach § 1004 BGB, §§ 14, 15 WEG. Bei zutreffender Auslegung der Teilungserklärung stehe den Antragsgegnern nicht das Recht zu, ihre Hausfassade nach Belieben zu gestalten. Auch wenn nach der Teilungserklärung die Rechte der Antragsgegner wirtschaftlich den Rechten von Eigentümern entsprechen sollten, würden sie wegen § 3 Abs. 2 der Gemeinschaftsordnung nicht von den in §§ 14, 22 WEG statuierten Verpflichtungen befreit. Die andere Farbgestaltung sei ausweislich der in Augenschein genommenen Lichtbilder gut sichtbar und stelle eine erhebliche optische Beeinträchtigung des Gesamtbilds der Reihenhausanlage dar.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Darstellung im angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 43 Abs. 1 WEG, § 27 Abs. 2 FGG, § 546 ZPO), da sie die grundsätzliche Regelung des Abschnitts IV der Teilungserklärung, der die Rechte des einzelnen Wohnungseigentümers nach § 14 WEG modifiziert, bei der Auslegung der § 3 Abs. 2 der Gemeinschaftsordnung und bei der Anwendung der §§ 14, 15 WEG nicht ausreichend berücksichtigen.

a) Es ist möglich durch die Teilungserklärung die Pflichten der Wohnungseigentümer nach § 14 WEG zu beschränken (Riecke/Schmid/Abramenko Fachanwaltskommentar Wohnungseigentumsrecht 2. Aufl. WEG § 14 Rn. 1).

b) Sowohl die Teilungserklärung als auch die Gemeinschaftsordnung sind vom Rechtsbeschwerdegericht selbständig auszulegen (BayObLGZ 1982, 1/4; Senatsentscheidung OLGReport München 2007, 462 ff.). Dabei kommt es nicht auf den Willen des Verfassers an, sondern, wie bei allen Grundbucheintragungen, allein auf den Wortlaut und Sinn, wie sich dieser für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt (BGHZ 59, 205/209; BayObLGZ 1983, 73/78).

c) Danach ergibt die Bestimmung, dass die Stellung des Wohnungseigentümers wirtschaftlich der eines Alleineigentümer entsprechen soll, für einen unbefangenen Betrachter, dass jeder Wohnungseigentümer im Innenverhältnis die Gestaltungsrechte haben soll, wie sie ein Eigentümer bei Realteilung hätte. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass nach der Teilungserklärung diese Regelung deshalb erfolgte, da eine Realteilung nicht möglich war (vgl. OLG Hamburg ZMR 2003, 445/446). Hieraus ergibt sich, dass die weitestgehende Gleichstellung der Wohnungseigentümer mit einem Alleineigentümer gewollt war.

Auch aus § 3 Abs. 2 der Gemeinschaftsordnung kann nichts anderes entnommen werden. Der Pflicht, im Interesse des friedlichen Zusammenlebens den Gebrauch nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrsitte so auszuüben, dass weder einem anderen Hauseigentümer noch einem Hausbewohner über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß eine Beeinträchtigung oder ein Nachteil erwächst, wird dadurch genügt, dass die einzelnen Wohnungseigentümer, als wären sie Alleineigentümer, die dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis immanenten Pflichten, insbesondere die §§ 906 bis 911 BGB, einhalten.

Auch der Begriff "wirtschaftlich" bedeutet nicht allein, dass der Sondereigentümer nur die Kosten des in seinem Bereich liegenden Gemeinschaftseigentums tragen soll. Vielmehr soll damit klargestellt werden, dass mit dieser Regelung keine rechtlich unmögliche Bestimmung getroffen werden kann. Dass der jeweilige Eigentümer aber nach seinem Belieben verfahren kann, sollte durch die Verwendung dieses Begriffs nach dem Gesamtzusammenhang der Regelungen in der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung nicht in Frage gestellt werden. Auch bauliche Veränderungen werden hierdurch bei objektiver Auslegung der Teilungserklärung nicht ausgeschlossen, sofern nicht der Bestand der Gemeinschaft dienender Anlagenteile als solcher beeinträchtigt oder gegen allgemeine nachbarrechtliche oder nachbarschützende bauordnungsrechtliche Normen verstoßen wird.

d) Nach den nachbarrechtlichen Regelungen besteht kein Anspruch auf Angleichung der Farbe der Balkonbrüstung.

aa) Eine nicht gewollte Farbgestaltung des Nachbarbalkons stellt keine Beeinträchtigung nach § 1004 BGB des Eigentums des Nachbarn dar. Eine Verletzung des ästhetischen Empfindens des Nachbarn begründet für sich allein in der Regel keinen Abwehranspruch (BGH NJW 1975, 170). Das Vorliegen eines Ausnahmefalles ist den Feststellungen des Tatrichters, die sich auch auf die vorgelegten Lichtbilder gründen, nicht zu entnehmen. Allein der festgestellte Eindruck der Uneinheitlichkeit vermag einen solchen Fall nicht zu begründen.

bb) Auch § 823 Abs. 2, § 1004 BGB i.V.m. Art. 8 BayBO kann keinen nachbarrechtlichen Anspruch auf Farbangleichung rechtfertigen, da Art. 8 BayBO ausschließlich zum Schutze des öffentlichen Interesses erlassen wurde und keine nachbarschützende Funktion hat (Simon/Busse BayBO Stand 2006 Rn. 933 zur Vorgängervorschrift Art. 11 BayBO a.F.). Darüber hinaus liegt nach den Feststellungen des Landgerichts jedenfalls noch keine Verunstaltung vor.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG; es war wegen der abweichenden Auffassung der Vorinstanzen angemessen, es bei der regelmäßigen, bis 1.7.2007 gesetzlich vorgesehenen Kostenverteilung im Wohnungseigentumsverfahren, nämlich dass jeder Beteiligte seine eigenen Kosten trägt, sein Bewenden haben zu lassen.

4. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.



Ende der Entscheidung

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