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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 14.03.2006
Aktenzeichen: 32 Wx 31/06
Rechtsgebiete: BGB, GBO
Vorschriften:
BGB § 880 | |
GBO § 45 Abs. 3 |
Gründe:
I.
Im Rahmen der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft, welcher sie auch angehörte, übertrug die Beteiligte zu 1 im Jahre 1992 ihren Gesamthandsanteil am verfahrensgegenständlichen Grundbesitz auf ihren Sohn und erhielt im Gegenzug ein Leibgeding, bestehend aus einem Wohnungsrecht für eine Wohnung im Haus und einem Recht auf Wart und Pflege. Am Tag, an welchem der notarielle Erbauseinandersetzungsvertrag unterzeichnet wurde, bestellte der Sohn für die Beteiligte zu 2 eine Grundschuld über 350.000 DM an dem verfahrensgegenständlichen Grundbesitz.
Ebenfalls am selben Tag unterzeichnete die Beteiligte zu 1 eine notariell beglaubigte Erklärung, der zufolge sie mit ihrem Leibgeding unwiderruflich und vorbehaltlos im Range in den Rechten hinter die Grundschuld für die Beteiligte zu 2 zurücktrete. Sie beantragte und bewilligt die Eintragung des Rücktritts im Grundbuch.
Die drei bezeichneten notariellen Urkunden wurden gleichzeitig vom Urkundsnotar als Boten dem Grundbuchamt zum Vollzug vorgelegt. Sie wurden in der Weise vollzogen, dass der Sohn der Beteiligten zu 1 als Eigentümer und ihr Leibgeding im Rang nach der bewilligten Grundschuld eingetragen wurde.
Der Sohn verstarb im Jahre 2004; sein Nachlass war überschuldet. Die Beteiligte zu 1 beantragte 2005 beim Amtsgericht - Grundbuchamt - die Berichtigung des Grundbuchs dahingehend, dass sie mit ihrem Leibgeding im Range der bewilligten Grundschuld vorgehe. Diesen Antrag wies das Amtsgericht zurück. Gegen die Zurückweisung erhob die Beteiligte zu 1 Beschwerde zum Landgericht mit dem Antrag, einen Amtswiderspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs im Hinblick auf die Rangverhältnisse einzutragen. Das Landgericht gab der Beschwerde statt, hob den Beschluss des Amtsgerichts auf und wies das Grundbuchamt an, den Amtswiderspruch gegen den Vorrang der Grundschuld einzutragen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2, die durch ihre anwaltschaftlichen Prozessbevollmächtigen eingelegt wurde.
II.
Die weitere Beschwerde ist gemäß § 78 GBO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der Form des § 80 Abs. 1 GBO eingelegt. Sie hat in der Sache Erfolg:
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Grundlage für die Vereinbarung der Rangfolge zwischen der Grundschuld und dem Leibgeding könne nicht § 880 Abs. 1 BGB sein, da ein Rangverhältnis nach dieser Vorschrift nur nachträglich vereinbart werden könne. Zum Zeitpunkt der Erklärung des Rangrücktritts sei die Beteiligte jedoch noch nicht als Berechtigte im Grundbuch eingetragen gewesen. Eine Rangbestimmung nach § 879 Abs. 3 BGB erfordere jedoch eine diesbezügliche dingliche Einigung zwischen dem Erwerber des Rechts und dem Eigentümer des Grundstücks; daran fehle es hier. Gleiches gelte für § 877 BGB.
2. Die Ausführungen des Landgerichts halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand:
Von der Beteiligten zu 2 wird zu Recht geltend gemacht, dass für das Verfahren des Grundbuchamts bei Eintragung von Belastungen eines Grundstücks gemäß § 19 GBO nicht das materielle, sondern das formelle Konsensprinzip von Bedeutung sei. Das Grundbuchamt hatte gerade nicht zu prüfen, ob eine wirksame materiell-rechtliche Einigung zwischen den Beteiligten vorlag, sondern lediglich, ob eine formgültige Bewilligung gegeben war. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt dabei nach § 20 GBO lediglich für den Fall der Auflassung eines Grundstücks.
Die Grundbuchordnung sieht für eine anfängliche Rangbestimmung in § 45 Abs. 3 eine Möglichkeit vor, während die nachträgliche Rangänderung des § 880 BGB im Grundbuch nur mit Antrag und Bewilligung gemäß §§ 13, 19, 29 GBO vollzogen werden kann.
Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 GBO sind erfüllt. Am selben Tag wurden dem Grundbuchamt zum Vollzug ohne besondere Kennzeichnung einer Reihenfolge die Bestellung des Leibgedings, die Bestellung der Grundschuld und die Rangrücktrittserklärung der Beteiligten zu 1 vorgelegt. Zwar wurde bei der Grundschuldbestellung dieser die "nächst offene Rangstelle" zugewiesen, doch enthält dies keine Rangbestimmung (BayObLG Rpfleger 1976, 302/303). Dagegen enthielt die Rangrücktrittserklärung der Beteiligten zu 1 eine ausdrückliche Rangbestimmung, wenn auch ein Rangrücktritt zu diesem Zeitpunkt materiellrechtlich deswegen noch nicht möglich war, weil die Beteiligte zu 1 noch nicht als Berechtigte im Grundbuch eingetragen war. Sie konkretisierte aber in ihrer Erklärung den Antrag auf Eintragung des Leibgedings, der zum gleichen Zeitpunkt vorgelegt wurde. Eine Rangbestimmung kann sowohl in der Bewilligung als auch im Antrag enthalten sein. Ist sie im Antrag enthalten, bedarf sie der Form des § 29 GBO (BayObLG Rpfleger 1982, 334); dies war hier der Fall.
Der Antrag der Beteiligten zu 1 in der Rangrücktrittserklärung kann nur dahingehend ausgelegt werden, dass damit eine Rangbestimmung im Sinne des § 45 Abs. 3 GBO getroffen werden sollte. Als verfahrensrechtliche Erklärung ist der Eintragungsantrag einer Auslegung zugänglich (OLG Hamm Rpfleger 1992, 474). § 133 BGB gilt entsprechend (BayObLGZ 1984, 122/124). Demnach muss die Erklärung so ausgelegt werden, wie sie sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (BGHZ 59, 205/209). Unter Berücksichtigung dieser Umstände musste die Erklärung der Beteiligten zu 1 dahingehend verstanden werden, dass sie jedenfalls mit ihrem Recht im Grundbuch in der Rangstelle nach dem Recht der Beteiligten zu 2 eingetragen sein wollte. Dies lässt sich nur als Antrag im Sinne des § 45 Abs. 3 GBO auslegen.
Es fehlt demnach schon an einer Verfahrenswidrigkeit des Grundbuchamts. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht glaubhaft ist (vgl. BayObLGZ 1986, 515). Hätte es nämlich im Antrag der Beteiligten zu 1 keine ausdrückliche Rangbestimmung gegeben, wäre das Grundbuch schon deswegen nicht unrichtig geworden, weil die Beteiligte zu 1 ebenfalls in eine Rangänderung eingewilligt und diese beantragt hat. Dass die Beteiligte zu 1 zum Zeitpunkt der Erklärung noch nicht Inhaberin der Buchposition war, ist unschädlich, weil sie zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits als sog. "wahre Berechtigte" zwar noch keine Buchposition hatte, aber materiell rechtlich befugt war (vgl. hierzu BayObLGZ 1986, 493/495).
Der Senat hat im Hinblick auf die unterschiedlichen Entscheidungen im Verfahren der einfachen und der weiteren Beschwerde davon abgesehen, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 und 2 KostO.
Ende der Entscheidung
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