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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 03.04.2007
Aktenzeichen: 32 Wx 33/07
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 873
BGB § 892
BGB § 925
WEG § 4
1. Entsteht bei der Unterteilung eines Sondereigentums neues Gemeinschaftseigentum, bedarf es zur Wirksamkeit der Unterteilung der Auflassung des neuen Gemeinschaftseigentums unter Mitwirkung aller im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentümer und der Eintragung in das Grundbuch.

2. Die entgegen diesen Voraussetzungen in das Grundbuch eingetragene Unterteilung ist inhaltlich unzulässig und damit nichtig. Sie kann nicht Basis eines gutgläubigen Erwerbs sein.


Gründe:

I.

1. Das Grundstück, zu dem das verfahrensgegenständliche Wohnungseigentum gehört, wurde mit Teilungserklärung vom 2.3.1977 aufgeteilt; es wurde Wohnungs- und Teileigentum gebildet. Nach dem Verkauf einer Reihe von Wohnungen stellte sich heraus, dass die beiden Praxisräume des Hauses Nr. 1 nicht verkauft werden konnten. Der Grundstückseigentümer, in dessen Eigentum sich zu diesem Zeitpunkt die Praxisräume noch befanden, teilte in einem zweiten Nachtrag zur Teilungserklärung die beiden Praxisräume in jeweils zwei weitere Miteigentumsanteile für Wohnungen auf und begründete hier sein Sondereigentum. Bei dieser Aufteilung blieb jeweils ein ca. 2 qm² großer Teil der Praxis übrig, der keiner der beiden Wohnungen zugeschlagen wurde, weil er gemeinsamer Eingangsbereich war.

Die ursprüngliche Teilungserklärung war zusammen mit dem ersten Nachtrag am 20.7.1978 im Grundbuch vollzogen worden. Der 2. Nachtrag vom 21.7.1978 wurde am 7.3.1980 im Grundbuch eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 15 Wohnungseigentümer als solche in den Wohnungsgrundbüchern eingetragen.

In sämtlichen Kaufverträgen des Bauträgers mit den Wohnungseigentümern findet sich folgende Vollmacht:

Der Käufer erteilt dem Verkäufer unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB Vollmacht, die bezeichnete Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung zu ändern und zu ergänzen, soweit dies zum Vollzug im Grundbuch oder aufgrund der endgültigen Aufteilungspläne erforderlich sein sollte. Durch eine solche Änderung der Teilungserklärung dürfen sich jedoch die Miteigentumsanteile des Käufers und das von ihm nach diesem Kaufvertrag erworbene Sondereigentum nicht verändern, soweit nicht in diesem Vertrag anders geregelt, die Zahlungsverpflichtungen des Käufers dürfen sich durch eine solche Änderung nicht erhöhen.

Die durch den zweiten Nachtrag der Teilungserklärung gebildeten Wohnungen wurden seit Begründung des Wohnungseigentums mehrfach veräußert. Die Beteiligte zu 1 wurde am 7.6.1993 als Eigentümerin der Wohnung Nr. eingetragen.

2. Mit Schreiben vom 29.6.2006 beantragte die Beteiligte zu 2, die selbst Eigentümerin mehrerer Wohneinheiten ist, die Eintragung des Amtswiderspruchs bezüglich des Miteigentumsanteils Nr. . Diesen Amtswiderspruch trug das Grundbuchamt des Amtsgerichts am 11.7.2006 ein und bezog ihn auf die Einheiten , , und .

Gegen diese Eintragung richtete sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1. Das Beschwerdegericht gab mit Beschluss vom 22.1.2007 der Beschwerde statt und ordnete an, dass der Amtswiderspruch im Grundbuch der Wohnung der Beteiligten zu 1 zu löschen sei. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2, mit der sie erstmals auch beantragt, das durch die Unterteilung gebildete Wohnungseigentum zu löschen.

Das Grundbuchamt hat mittlerweile den Amtswiderspruch im Grundbuch der Wohnung der Beteiligten zu 1 gelöscht.

II.

Die gemäß § 78 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat in der Sache Erfolg:

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Zum Zeitpunkt der Eintragung des Amtswiderspruchs am 11.7.2006 sei das Grundbuch richtig gewesen, so dass die Voraussetzungen für die Eintragung eines Amtswiderspruchs nicht mehr vorlagen. Die verfahrensgegenständliche Wohnung sei mehrfach unter den Voraussetzungen des § 892 Abs. 1 BGB veräußert worden. Durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs werde die Beteiligte zu 1 geschützt.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand:

Die Rechtsbeschwerde hat deswegen Erfolg, weil das Grundbuch immer noch in der bezeichneten Weise unrichtig ist und deshalb die Eintragung eines Amtswiderspruchs gemäß § 53 GBO geboten ist.

a) Wird bei der Begründung von Wohnungseigentum ein prinzipiell sondereigentumsfähiger Raum nicht mit einem Miteigentumsanteil verbunden, so entsteht an dem Raum gemeinschaftliches Eigentum, weil die Bestandteile des Gebäudes, die Gegenstand des Sondereigentums sein können, prinzipiell auch gemeinschaftliches Eigentum sein können. Etwas anderes gilt freilich, wenn bei der nachträglichen Unterteilung eines Teil- oder Wohnungseigentums nicht das gesamte Sondereigentum mit einem Miteigentumsanteil verbunden wird, ein Teil des Sondereigentums also abgestoßen wird. Während bei der Begründung von Wohnungseigentum alles, was nicht Sondereigentum sein, kann automatisch Gemeinschaftseigentum wird (BGH NJW-RR 1990, 447), ist dies bei der nachträglichen Unterteilung von Sondereigentum nicht der Fall (BayObLG NJW-RR 1996, 721). Ein Wohnungseigentümer kann nämlich den übrigen Wohnungseigentümern nicht einen Teil seines Sondereigentums als Gemeinschaftseigentum "aufdrängen" (vgl. Demharter, isolierter Miteigentumsanteil bei Wohnungseigentum, NZM 2000, 1196).

b) Bei der Unterteilung der Praxiseinheiten und blieb jeweils ein ca. 2 m² großer Flur übrig, der keiner beiden Wohnungseigentumseinheiten zugeordnet wurde. Das "Vergessen" dieses Raumes bewirkte die Nichtigkeit der Unterteilung (BayObLG DNotZ 1988, 316/ 318). Ein Sondereigentum ohne Verbindung mit einem bestimmten Miteigentumsanteil verstößt nämlich gegen zwingendes Recht; ein isoliertes Sondereigentum ist nicht denkbar (BayObLG a.a.O). Das so entstandene isolierte Sondereigentum wurde nicht wirksam in Gemeinschaftseigentum umgewandelt.

Zwar findet sich in sämtlichen Kaufverträgen die Ermächtigung für den Bauträger, die Teilungserklärung in entsprechender Weise zu ändern. Diese Ermächtigung reicht jedoch nicht, wobei offenbleiben kann, ob der Bauträger bei der Erklärung des zweiten Nachtrags zur Teilungserklärung tatsächlich von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht oder ausschließlich in eigenem Namen gehandelt hat. Zur Umwandlung von Sondereigentum in gemeinschaftliches Eigentum bedarf es nämlich gemäß § 4 Abs. 1 und 2 WEG der Einigung aller Wohnungs- und Teileigentümer in der Form der Auflassung (§ 925 BGB) und der Eintragung in das Grundbuch (BayObLG DNotZ 1998, 379/383 und BayObLGZ 1987, 390/394); dies ist nicht erfolgt.

c) Die Änderung der Aufteilung von Sondereigentum hin zum gemeinschaftlichen Eigentum betrifft das Grundverhältnis der Mitglieder der Gemeinschaft und die sachenrechtliche Zuordnung der Flächen, Gebäudeteile und Räume (BayObLGZ 1986, 444/446). Sie betrifft gerade nicht das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander i.S. von § 5 Abs. 4, § 10 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 WEG (vgl. im Übrigen BayObLG DNotZ 1998, 379/383).

Deswegen würden ohnehin auch die vorweggenommenen Zustimmungen der bereits eingetragenen Wohnungseigentümer ausscheiden: Da diese Rechtsvorgänge unter die §§ 873, 925 BGB sowie § 4 Abs. 1 und 2 WEG fallen, sind nicht die §§ 10 29 WEG anwendbar.

d) Da die Unterteilung nicht nur fehlerhaft, sondern nichtig war, führte ihr Vollzug im Grundbuch zu einer inhaltlich unzulässigen Grundbucheintragung. Diese kann nicht Grundlage für einen Erwerb kraft öffentlichen Glaubens des Grundbuchs sein (BayObLG DNotZ 1988, 316/319, BayObLG RPfleger 1986, 372; OLG Frankfurt Rpfleger 1975, 305).

e) Wenn die Rechtsbeschwerdeführerin anregt, das im Grundbuch eingetragene Wohnungseigentum zu löschen, soweit es aus der Unterteilung der Praxen hervorgegangen ist, kann dies als Erweiterung des ursprünglichen Antrags nicht Gegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde sein. Hierüber ist zunächst vom Grundbuchamt zu befinden.

3. Der Senat verkennt nicht, dass das Ergebnis aus wirtschaftlicher Sicht unbefriedigend ist, sieht aber angesichts der klaren rechtlichen Lage keine Alternative.

Die Kostenfolge ergibt sich aus dem Gesetz. Ein Anlass, eine Anordnung gemäß § 13a FGG zu treffen, bestand schon wegen der unterschiedlichen Entscheidungen in verschiedenen Instanzen nicht.

Ende der Entscheidung

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