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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 25.04.2007
Aktenzeichen: 32 Wx 52/07
Rechtsgebiete: GVG, WEG


Vorschriften:

GVG § 17a Abs. 3
GVG § 17a Abs. 4
GVG § 17a Abs. 5
WEG § 46 Abs. 1
Die Frage, ob das Prozessgericht oder das Wohnungseigentumsgericht zuständig ist, ist vom Gericht der Hauptsache auch noch in der Beschwerdeinstanz zu prüfen, wenn das erstinstanzliche Gericht trotz eindeutigen Klageantrags zum Prozessgericht das Verfahren als Wohnungseigentumsgericht geführt hat, ohne vorab über die Frage der Verfahrenszuständigkeit zu entscheiden.
Gründe:

I.

Kläger und Beklagte sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft.

Die Beklagten, denen die Sondereigentumseinheit Nr. 20, verbunden mit einem Miteigentumsanteil von 331, 30/1000stel gehört, haben seit 1991 ihr Hausgeld nur teilweise gezahlt. In der Wohnungseigentümerversammlung vom 30.1.2006 fassten die Wohnungseigentümer unter Tagesordnungspunkt (TOP) 3 mehrheitlich folgenden Beschluss:

Die Versammlung möge beschließen, von den Eigentümern C., gemäß § 18 Abs. 1 und 3 WEG, die Veräußerung ihres Teileigentums Nr. 20 zu verlangen. Des Weiteren den bestehenden Anspruch durchzusetzen.

Von der Versammlung werden die Rechtsanwälte D. mit der Durchsetzung dieses Anspruchs beauftragt und bevollmächtigt. Die Anwälte D. werden explizit mit der Erhebung der Entziehungsklage beauftragt und bevollmächtigt. Die Bevollmächtigung beinhaltet auch einen später zu stellenden Zwangsversteigerungsantrag.

Mit Schriftsatz vom 7.4.2006 erhoben die anwaltlichen Vertreter der übrigen Wohnungseigentümer Klage auf Entziehung des Wohnungseigentums zum Amtsgericht Wolfratshausen. Trotz der eindeutigen Formulierung des Klageantrags wurde nicht das zuständige Prozessgericht tätig, sondern das Wohnungseigentumsgericht. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20.7.2006, bei dem keiner der Beklagten erschienen war, erließ das Wohnungseigentumsgericht folgenden Beschluss:

1.. Die Antragsgegner werden zur Veräußerung ihres 331/30/tausendstel Miteigentumsanteil am Grundstück Wohn- und Geschäftsgebäude S. straße - , verbunden mit Sondereigentum am Laden und Kellerräumen sowie je 6/1000stel Miteigentumsanteil verbunden mit Sondereigentum an den Garagen; im Aufteilungsplan bezeichnet mit Nr. bis , vorgetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Wolfratshausen, Band , Blatt verurteilt.

2.. Die Antragsgegner haben die Kosten des Rechtsstreits sowie die außergerichtlichen Auslagen der Antragsteller zu tragen.

Mit Schreiben vom 7.8.2006, eingegangen am selben Tag, legte der Beklagte zu 1 durch einen bevollmächtigten Vertreter gegen den Beschluss sofortige Beschwerde, hilfsweise "jedes andere gebotene" Rechtsmittel ein. Der Beklagte zu 2 erhob mit Schreiben vom 6.8.2006, eingegangen am 8.8.2006, "Einspruch gegen das Urteil vom 20.7.2006".

Nach eingehender Diskussion der Sach- und Rechtslage erließ das Landgericht am 6.2.2007 folgenden Beschluss:

1.. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht München II wird aufgehoben.

2.. Die Akten werden an das Amtsgericht Wolfratshausen zur dortigen Weiterführung des Zivilverfahrens zurückgereicht."

Gegen diese Entscheidung hat der nunmehrige anwaltliche Vertreter der beiden Beklagten am 21.2.2007 Rechtsmittel eingelegt. Er trägt vor, das Landgericht habe als Berufungsgericht durch Endurteil zu entscheiden gehabt. Der Beschluss sei daher aufzuheben.

II.

1. Die in Ziffer 1 des landgerichtlichen Beschlusses verfügte Absetzung des Termins zur mündlichen Verhandlung ist lediglich eine verfahrensleitende Zwischenverfügung und damit keine Entscheidung i.S.d. § 45 Abs. 1 WEG (BayObLG WE 1989, 59); sie kann folglich auch nicht mit der Beschwerde angegriffen werden.

2. Bezüglich Ziffer 2 des Beschlusses hat das Landgericht, das als Beschwerdegericht in Wohnungseigentumssachen tätig geworden ist, entweder in analoger Anwendung von § 46 Abs. 1 WEG einen Abgabeschluss an das Prozessgericht der unteren Instanz erlassen, oder eine sonstige instanzbeendende Entscheidung getroffen. Insoweit ist das Rechtsmittel der Beklagten entweder als sofortige Beschwerde in entsprechender Anwendung von § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. § 46 Abs. 1 WEG, §§ 21, 22 FGG oder als sofortige weitere Beschwerde nach § 45 Abs. 1 WEG zulässig ist.

a) § 46 WEG regelt nach seinem Wortlaut zwar nur die Abgabe durch das Prozessgericht an das Wohnungseigentumsgericht, findet aber auf den umgekehrten Fall entsprechende Anwendung (BGH NJW 1989, 714/715). Ein solcher Abgabebeschluss ist nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 130, 159) entsprechend den Grundsätzen der §§ 17a Abs. 3 bis 5 und 17b GVG zu überprüfen. Das Rechtsmittel der Beklagten wäre damit als sofortige Beschwerde nach § 17a Abs. 4 Satz 2 GVG i.V.m. §§ 21, 22 FGG zulässig.

b) Nach den Gründen des Beschlusses liegt es aber näher, dass das Landgericht zwar eine Endentscheidung für die Beschwerdeinstanz treffen wollte, in der "Rückreichung der Akten" aber keine bindende Verweisung nach § 46 WEG sah, sondern die Korrektur einer falschen Verfahrensführung. Für diese Annahme spricht auch die Tatsache, dass eine Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses nicht erfolgt ist. In diesem Falle ist daher die sofortige weitere Beschwerde nach § 45 Abs. 1 WEG gegeben.

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

a) Wie bereits ausgeführt, ist das Landgericht auf die Rechtsmittel der Beklagten hin als Beschwerdegericht in WEG-Sachen tätig geworden. Das Wohnungseigentumsgericht als Vorinstanz hat sich nämlich beim Erlass des Beschlusses vom 20.7.2006 nicht in der Art der Entscheidung "vergriffen", sondern die in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gegebene Form der Endentscheidung, den Beschluss, gewählt. Es hat aber in falscher Weise seine Verfahrenszuständigkeit angenommen. Für die Anwendung der Meistbegünstigungstheorie ist somit kein Raum. Vielmehr ist durch das Tätigwerden des Wohnungseigentumsgerichts in der nach der Verfahrensordnung von WEG und FGG vorgeschriebenen Form des Beschlusses auch der Rechtsmittelzug nach § 45 Abs. 1 WEG eröffnet (Vgl. Zöller/Gummer ZPO 26.Aufl. § 17a GVG Rn. 17).

b) Nach § 17a Abs. 5 GVG sind Rechtsmittelgerichte grundsätzlich an die, auch konkludent möglichen, Rechtswegentscheidungen der Vorinstanzen gebunden. Voraussetzung für den Ausschluss der Rechtswegfrage im Verfahren des Hauptsacherechtsmittels ist aber, dass in der ersten Instanz das Verfahren nach §17a GVG zur Verweisung an das zuständige Gericht von Amts wegen beachtet wurde (Vgl. Kissel/Mayer GVG 4. Aufl. § 17 Rn. 28). Wenn es das erstinstanzliche Gericht trotz Rüge eines Beteiligten versäumt, vorab über die Zuständigkeitsfrage zu entscheiden, ist die Prüfung der Verfahrenszuständigkeit auch noch in der Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeinstanz möglich (BayObLGZ WE 2001, 74/75 = NJW-RR 2000, 1540). Es fehlt nämlich an einer Rechtfertigung für die Beschränkung der Prüfungskompetenz, wenn das Gericht der ersten Instanz das bei Rüge gegebene Verfahren nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG nicht eingehalten hat.

c) Gleiches muss gelten, wenn bei einem Amtsgericht ein Klageschriftsatz eingereicht worden ist, aus dessen Wortwahl und Antragstellung eindeutig zu erkennen ist, dass er an das Prozessgericht gerichtet ist, und das Amtsgericht, ohne Verweisungsbeschluss, trotzdem als Wohnungseigentumsgericht tätig wird. In diesem Fall ist ebenfalls die Einhaltung des nach § 17a GVG, § 46 WEG gegebenen Verfahrens nicht beachtet worden, so dass der Ausschluss der Rechtswegfrage durch § 17a Abs. 5 GVG im Hauptsacherechtsmittelverfahren entfällt (vgl. Zöller/Gummer a.a.O.).

c) Das Landgericht hätte daher trotz § 17a Abs. 5 GVG im Beschwerdeverfahren, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses, eine bindende Rechtswegentscheidung treffen müssen.

aa) Nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG i.V.m. § 51 WEG ist für Entziehungsklagen nach § 18 WEG das Amtsgericht als Zivilprozessgericht verfahrenszuständig (zum Verhältnis der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Zivilgerichtsbarkeit vgl. Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. vor §§ 43 f. Rn. 5).

bb) Die Eröffnung des Verfahrens vor dem Wohnungseigentumsgericht war daher fehlerhaft und ohne jegliche Bindungswirkung. Im Übrigen wäre das Wohnungseigentumsgericht nach der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, der sich der Senat anschließt, nicht einmal bei Vorliegen eines Verweisungsbeschlusses an diesen gebunden, da er offensichtlich unrichtig wäre (BayObLGZ 1958, 234/244).

3. Für das Verfahren vor dem Prozessgericht wird auf die Entscheidung des 5. Zivilsenats des BGH vom 19.1.2007, Az. V ZR 26/06, zu § 18 WEG (WuM 2007, 155) hingewiesen.

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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