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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 24.06.2008
Aktenzeichen: 33 Wx 127/08
Rechtsgebiete: BGB, FGG
Vorschriften:
BGB § 1835a | |
FGG § 67a |
Tatbestand:
Der Betroffene wurde am 2.2.2007 in ein psychiatrisches Krankenhaus eingeliefert. Zur Anhörung des Betroffenen am 3.2.2007 zog das Gericht den Beteiligten zu 1 als Verfahrenspfleger bei. Anschließend bestellte es den Beteiligten zu 1 förmlich zum Verfahrenspfleger und genehmigte die vorläufige Unterbringung des Betroffenen bis 15.3.2007. Bei der Anhörung zur vom Sachverständigen befürworteten Unterbringung hatte der Betroffene zwar erklärt, freiwillig im Klinikum zu bleiben. Das Gericht legte aber ausweislich des Beschlusses über die Verfahrenspflegerbestellung zugrunde, dass der Betroffene insoweit nicht einwilligungsfähig sei. Mit dieser Begründung bejahte es auch "das Vorliegen einer anwaltspezifischen Tätigkeit", da sich ein juristischer Laie als Betreuer (gemeint wohl: als Verfahrenspfleger) zur rechtlichen Überprüfung anwaltlichen Rats bedient hätte.
Über die Anwesenheit bei der Anhörung hinausgehende Aktivitäten des Beteiligten zu 1 sind den Akten nicht zu entnehmen. Mit Beschluss vom 15.3.2007 stellte das Amtsgericht das Unterbringungsverfahren ein, da der Betroffene laut Auskunft der Klinik nunmehr freiwillig dort bleibe.
Den Antrag des Verfahrenspflegers vom 11.10.2007 auf eine Entschädigung in Höhe von 434,59 EUR nach § 1835 Abs. 3 BGB i. V. mit dem RVG wies das Amtsgericht am 6.11.2007 zurück, weil bei der Vertretung des Betroffenen eine anwaltsspezifische Tätigkeit weder ausgeübt worden noch erforderlich gewesen sei. Die gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht am 17.4.2008 zurückgewiesen und die sofortige weitere Beschwerde zugelassen.
Mit seinem am 5.5.2008 eingelegten Rechtsmittel gegen den ihm am 23.4.2008 zugestellten Beschluss begehrt er weiterhin den geltend gemachten Betrag. Er beruft sich darauf, dass die Erörterung und Beurteilung der Rechtserheblichkeit der Freiwilligkeitserklärung des Betroffenen eine typische anwaltliche Tätigkeit sei, die eine Vergütung nach dem RVG rechtfertige.
Gründe:
Das zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
Ob ein als Verfahrenspfleger bestellter Rechtsanwalt eine Vergütung nach dem RVG beanspruchen könne, hänge davon ab, ob ein nichtanwaltlicher Verfahrenspfleger mit höchstmöglicher eigener Qualifikation seinerseits in gleicher Lage einen Anwalt zu Rate gezogen hätte. Die Beurteilung der Frage, ob der Betroffene zu geplanten Unterbringungsmaßnahmen seinen Willen frei zu bilden vermöge, könne im Einzelfall zwar Schwierigkeiten aufwerfen und Rechtskenntnisse erforderlich machen. Vom Vorliegen derartiger Schwierigkeiten könne angesichts fehlender Protokollierung jedoch nicht ausgegangen werden.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.
a) Berufsmäßige Verfahrenspfleger erhalten den Ersatz von Aufwendungen (§ 67a Abs. 1 Satz 1 FGG i.V.m. § 1835 Abs. 1 und Abs. 2 BGB) und gemäß § 67a Abs. 2 Satz 1 FGG i.V.m. § 1836 Abs. 1 BGB zusätzlich eine Vergütung, deren Höhe sich in entsprechender Anwendung der §§ 1 bis 3 Abs. 1 und 2 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG) errechnet (§ 67a Abs. 2 Satz 2 FGG).
§ 1 Abs. 2 Satz 2 RVG eröffnet - wie die vorherige inhaltsgleiche Regelung in der BRAGO - Rechtsanwälten grundsätzlich die Möglichkeit, die Wahrnehmung bestimmter Einzelaufgaben über § 1835 Abs. 3 BGB abzurechnen, und zwar, trotz des Ausschlusses des § 1835 Abs. 3 BGB in § 67a Abs. 1 Satz 1 FGG, auch im Rahmen einer Tätigkeit als Verfahrenspfleger (vgl. BT-Drucks. 13/158 S. 41; BVerfG FamRZ 2000, 345/347; BtPrax 2000, 120/122; BGHZ 139, 309/311 f.; BayObLG FamRZ 2002, 1201).
Eine Abrechnung auf der Grundlage des RVG ist aber nur gerechtfertigt, wenn die zu bewältigende Aufgabe besondere rechtliche Fähigkeiten fordert und daher eine originär anwaltliche Dienstleistung darstellt (vgl. BVerfG FamRZ 2000, 345/348; BGH aaO). Es muss sich um eine Aufgabe handeln, für die ein anderer Verfahrenspfleger in vergleichbarer Lage vernünftiger Weise einen Rechtsanwalt herangezogen hätte, weil sie eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit einschließt (vgl. BVerfG FamRZ 2000, 1280/1282; 2000, 1284/1285). Abzustellen ist hierbei darauf, ob gerade auch ein Verfahrenspfleger mit einer Qualifikation, die ihm Anspruch auf Honorierung seiner Tätigkeit nach der höchsten Vergütungsstufe gibt, im konkreten Fall einen Rechtsanwalt zu Rate gezogen hätte (BGH NJW 2007, 844/846; BayObLGZ 2004, 339/345; BayObLGZ 2001, 368/371). Dies entspricht dem Maßstab des § 670 BGB, der auch für den Ersatz von Aufwendungen gemäß § 1835 Abs. 3 BGB den Rahmen absteckt (vgl. BayObLGZ 2002, 11/13). Als derartige rechtsanwaltsspezifische Tätigkeit anzusehen ist etwa die gerichtliche Geltendmachung oder Abwehr von Ansprüchen (vgl. BVerfG FamRZ 2000, 1284/1285; Küsgens BtPrax 2000, 242/244; Seitz BtPrax 1992, 82/86) sowie die außergerichtliche Vertretung in rechtlich besonders schwierig gelagerten Fällen oder Verhandlungen (vgl. BayObLGZ 2001, 368/372). Die bloße Tatsache, dass der Verfahrenspfleger in dem gerichtlichen Verfahren handelt, für das er bestellt ist, rechtfertigt nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 1 Abs. 2 Satz 1 RVG noch nicht die Annahme einer anwaltsspezifischen Tätigkeit. Daher kann sich, solange der Verfahrenspfleger nur in diesem Verfahren zu handeln hat, für seine Tätigkeit die Einstufung als besondere berufsspezifische Tätigkeit im Grundsatz nur aus der besonderen rechtlichen Schwierigkeit der Sache ergeben (BayObLGZ 2002, 11/14).
b) Auch in Verfahren über Unterbringungsmaßnahmen gelten die gleichen Maßstäbe (BVerfG FamRZ 2000, 1280/1283).
Es gibt nach der Konzeption des Gesetzes keinen Grundsatz, dass die in Unterbringungsverfahren angeordnete Verfahrenspflegschaft eine anwaltsspezifische oder dem Anwaltsberuf vorbehaltene Tätigkeit darstellt. Der Gesetzgeber hat sich nicht dafür entschieden, die Führung von Verfahrenspflegschaften in Unterbringungsverfahren einem Rechtsanwalt vorzubehalten (OLG Zweibrücken FGPrax 2001, 261/262; Kayser in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 70b Rn. 11). Es ist den Gerichten überlassen, geeignete Personen auszuwählen (OLG Zweibrücken a.a.O). Dies können neben Rechtsanwälten auch Sozialarbeiter oder Mitarbeiter von Betreuungsbehörden sein. Entscheidend ist, dass diese Personen angesichts der Schwere des mit einer Unterbringung verbundenen Grundrechtseingriffs Erfahrungen im Bereich der Psychiatrie haben, um die Rechte der Betroffenen effizient wahren zu können (Keidel/Kayser § 70b Rn. 8). Dem Betroffenen kann im Einzelfall zusätzlich ein Rechtsanwalt bestellt werden, wenn eine anwaltliche Vertretung erforderlich erscheint (Keidel/Kayser § 70b Rn. 11; Bassenge/Roth FGG RPflG 11. Aufl. § 70b Rn.1).
c) Der Beteiligte zu 1 hatte die Rechte des Betroffenen im Unterbringungsverfahren zu vertreten. Das Verfahren wies lediglich die jedem Unterbringungsverfahren immanenten Schwierigkeiten auf. Ob der Betroffene seinen Willen frei bestimmen kann, ist in Unterbringungssachen vielfach von Bedeutung. Denn eine Anordnung oder Genehmigung einer Unterbringung gegen den Willen des Betroffenen setzt voraus, dass dieser zu einer freien Bildung dieses Willens nicht in der Lage ist (vgl. BayObLG FamRZ 1993, 600 und FamRZ 2002, 908; OLG Düsseldorf BtPrax 1995, 29/30; OLG Hamm DAVorm 1997, 55). Spiegelbildlich hierzu stellt sich die Frage, ob umgekehrt eine ausdrückliche Erklärung der Freiwilligkeit des weiteren Verbleibs in der Einrichtung beachtlich ist (vgl. hierzu Knittel BtG § 1906 Rn. 9 m.w.N.), was aber vor allem eine Würdigung der Erklärung mit sachverständiger Hilfe im Rahmen von § 12 FGG erfordert (BayObLGZ 1996, 34 = FamRZ 1996, 1375).
Ähnliche Erwägungen gelten auch für jede Betreuung gegen den Willen des Betroffenen (vgl. § 1896 Abs. 1a BGB). Es handelt sich hierbei um die Beurteilung einer Grundvoraussetzung, die sich durch das gesamte Betreuungsrecht zieht. Hierfür ist seitens eines Verfahrenspflegers mit Anspruch auf die höchste Vergütungsstufe die Beiziehung eines Rechtsanwalts grundsätzlich nicht erforderlich. Dass die Rechtskenntnisse des Beteiligten zu 1 bei der Führung der kurzen und gegenständlich beschränkten Verfahrenspflegschaft nützlich waren, kann seinen Niederschlag in der Anwendung der höchsten Vergütungssätze des § 3 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG finden. Anhaltspunkte dafür, dass darüber hinaus den Einzelfall betreffende, besondere Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Unterbringung vorhanden waren, sind weder den Akten noch dem Vortrag des Beschwerdeführers zu entnehmen.
d) Ein Anspruch des Beteiligten zu 1 auf eine Vergütung nach dem RVG ergibt sich auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes.
aa) Ein Rechtsanwalt, der in einem Betreuungsverfahren zum Verfahrenspfleger bestellt worden ist, kann allerdings darauf vertrauen, einen Aufwendungsersatzanspruch nach dem RVG abrechnen zu können, wenn ihm der Richter bei seiner Bestellung auf den Einzelfall bezogene Tatsachen mitgeteilt hat, die im konkreten Fall die erforderliche Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erkennbar begründen (BayObLGZ 2002, 11).
bb) Auf den ersten Blick scheint der Beschluss vom 3.2.2007 die Annahme eines derartigen Vertrauensschutzes nahezulegen, da der Richter darin mit dem Hinweis auf die Frage der Wirksamkeit einer Freiwilligkeitserklärung eine - wenn auch im Ergebnis objektiv unerhebliche - konkrete Tatsache genannt hat. Jedoch ist hier zu bedenken, dass der Beschluss offensichtlich erst nach der Anhörung des Betroffenen erging, an welcher der Beteiligte zu 1 bereits in seiner Eigenschaft als Verfahrenspfleger teilgenommen hatte. Für seine Bestellung war also nicht der schriftliche Beschluss konstitutiv. Vielmehr ging ihr eine in den Akten nicht festgehaltene mündliche Beiziehung durch den Richter voraus. Zu deren Zeitpunkt konnte aber die erst während der Anhörung aufgetretene Frage der Freiwilligkeit eines weiteren Verbleibs des Betroffenen noch keine Rolle spielen, so dass der Beteiligte zu 1 sich nicht darauf berufen kann, er sei durch eine rechtserhebliche konkrete Mitteilung des Richters über die Notwendigkeit gerade einer anwaltlichen Verfahrenspflegschaft zu deren Übernahme veranlasst worden.
cc) Eine vom Beschwerdeführer nicht näher dargelegte allgemeine Zusicherung der Gerichte gegenüber den Verfahrenspflegern auf eine Vergütung nach dem RVG in allen Unterbringungsverfahren könnte, selbst für den Fall ihres Bestehens, angesichts der Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Vergütung eines Verfahrenspflegers nach dem RVG auch in Unterbringungssachen keinen wirksamen Vertrauensschutz begründen.
e) Der Beschwerdeführer kann auch nicht damit gehört werden, dass im Hinblick auf die Kostenstruktur seiner Anwaltskanzlei die üblichen Stundensätze des Berufsvormündervergütungsgesetzes nicht kostendeckend seien. Es ist nicht geboten, die Vergütung eines Verfahrenspflegers generell an seinem Hauptberuf auszurichten und die Kostenstruktur einer Anwaltskanzlei zu berücksichtigen. Soweit ein Rechtsanwalt zu den gesetzlich vorgesehenen Stundensätzen nicht kostendeckend arbeiten kann oder will, braucht er Verfahrenspflegschaften nicht anzunehmen (BVerfG FamRZ 2000, 1280/1282).
f) Ein Vergütungsantrag entsprechend § 67a Abs. 2 Satz 2 FGG i.V.m. §§ 1 bis 3 Abs. 1 und 2 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG) liegt bislang nicht vor und konnte daher auch nicht verbeschieden werden.
g) Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde bemisst sich gemäß § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO nach der beantragten Vergütung.
Ende der Entscheidung
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