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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 27.07.2007
Aktenzeichen: 33 Wx 139/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1908b Abs. 3
Ein nach pflichtgemäßem Ermessen zu beachtender Wunsch nach einem Betreuerwechsel setzt nicht voraus, dass der Betroffene bei dem erstmals ernstlich und nachvollziehbar geäußerten Wunsch nach einem anderen Betreuer sofort eine gleich geeignete und zur Übernahme bereite Person namentlich benennt. Es genügt, wenn er den konkreten Vorschlag z. B. nach Herstellung eines Kontakts zu dieser Person durch Vermittlung der Betreuungsbehörde vorbringt.
Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 18. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I. Für den Betroffenen wurde am 29.6.2006 der Beteiligte als berufsmäßiger Betreuer mit den Aufgabenkreisen "Aufenthaltsbestimmung; Gesundheitsfürsorge; Vermögenssorge; Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern" bestellt. Im Dezember 2006 beschwerte sich der Betroffene schriftlich beim Vormundschaftsgericht über seiner Meinung nach zu geringe Kontakte mit dem Betreuer und äußerte den Wunsch nach einem anderen Betreuer. Seinen Vorstellungen entspreche die ihm nicht namentlich bekannte Betreuerin eines ehemaligen Mitbewohners, die diesen wiederholt besucht und angerufen habe.

Daraufhin nahm das Amtsgericht Ermittlungen zur Eignung des Betreuers auf und ersuchte die zuständige Behörde um Vorschlag eines anderen Betreuers. Die Betreuungsstelle benannte die jetzige Betreuerin, die dem Betroffenen aus der Betreuung des ehemaligen Mitbewohners bekannt war und stellte den Kontakt zum Betroffenen her. Bei seiner richterlichen Anhörung am 1.3.2003 erklärte der Betroffene, er wünsche die jetzige Betreuerin.

Das Amtsgericht hat am 5.3.2007 den Beteiligten als Betreuer entlassen und die jetzige berufsmäßige Betreuerin unter Beibehaltung des Aufgabenkreises bestellt. Die gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde des Beteiligten hat das Landgericht am 18.5.2007 zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Beteiligte mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde.

II. Das zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Die Entlassung des Beteiligten sei jedenfalls nach § 1908b Abs. 3 BGB gerechtfertigt. Der Betroffene habe zwar in seinem Schreiben vom 14.12.2006 keinen bestimmten neuen Betreuer benannt. Bei seiner amtgerichtlichen Anhörung am 1.3.2007 habe er jedoch den eigenständigen Wunsch auf Bestellung der jetzigen Betreuerin geäußert. Auch bei seiner Anhörung im Beschwerdeverfahren am 30.4.2007 habe er an diesem Wunsch festgehalten. Dabei habe er auch ausgeführt, warum er mit dem Beteiligten unzufrieden gewesen sei und dass er deswegen die jetzige Betreuerin wolle. Der Betreuerwechsel laufe dem Wohle des Betroffenen nicht zuwider. Es handle sich nicht um eine bloße Unzufriedenheit und auch nicht um einen durch die Einflussnahme der Eltern hervorgerufenen Wunsch. Der Betroffenen habe im Einzelnen erklärt, dass er wegen mangelnder Unterstützung durch den Beteiligten kein Vertrauen zu ihm habe. Bei der jetzigen Betreuerin handle es sich um eine Berufsbetreuerin, die zur Übernahme der Betreuung bereit sei.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) Das Gericht kann den Betreuer entlassen, wenn der Betreute eine gleich geeignete Person, die zur Übernahme bereit ist, als neuen Betreuer vorschlägt (§ 1908b Abs. 3 BGB). Voraussetzung hierfür ist, dass der Betroffene aus eigenem Antrieb die Auswechslung des Betreuers anstrebt und auf Grund einer ernsthaften und auf Dauer angelegten eigenständigen Willensbildung einen bestimmten neuen Betreuer wünscht (BayObLG FamRZ 2005, 751 und 2005, 548).

Die Ermessensentscheidung des Gerichts der Tatsacheninstanz ist im Verfahren der weiteren Beschwerde nur beschränkt nachprüfbar, insbesondere darauf hin, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten wurden, das Tatsachengericht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und von zutreffenden und verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatsachen ausgegangen ist (vgl. BayObLG FGPrax 1997, 32; Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 23).

b) Soweit dem Senat danach eine Prüfung möglich ist, sind Rechtsfehler nicht zu erkennen. Das Landgericht hat alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und durfte auf der Grundlage seiner Tatsachenfeststellung davon ausgehen, dass ein ernst gemeinter, eindeutiger Betreuervorschlag im Sinne von § 1908b Abs. 3 BGB vorlag. Dabei ist es unschädlich, dass der Betroffene zunächst keine bestimmte Person benannt hat und dass das Amtsgericht und die zuständige Behörde dem Betroffenen bei der Suche nach einem geeigneten anderen Betreuer behilflich waren. Der Betroffene hat auch nicht etwa nur einen Vorschlag des Gerichts gebilligt (vgl. den Fall des OLG Celle im Beschluss vom 8.6.2000 - 15 W 9/00, zit. nach Juris, in dem es schon an einem eigenständigen Wunsch des Betroffenen nach einem Betreuerwechsel fehlte). Es ist nämlich nicht Sinn des § 1908b Abs. 3 BGB, in einschlägigen Fällen dem Vormundschaftsgericht die Prüfung zu ersparen, ob ein wichtiger Grund zur Entlassung des Betreuers nach Abs. 1 der Vorschrift vorliegt und dem Betroffenen den Wunsch nach einem Betreuerwechsel von außen her nahezulegen. Deshalb kann der entlassene Betreuer durch eine unter Missachtung der Voraussetzungen des § 1908b Abs. 3 BGB vollzogene Entlassung in seinen Rechten verletzt und zum Verlangen nach Überprüfung der Entscheidung befugt sein (vgl. OLG Celle aaO.).

Zweck der Vorschrift des § 1908b Abs. 3 BGB ist einerseits, dem Selbstbestimmungsrecht, das auch einem geschäftsunfähigen Betroffenen zusteht, so weit wie möglich Geltung zu verschaffen als auch sicherzustellen, dass die Betreuung dem Wohle des Betroffenen dient, indem es die Vertrauensbasis zwischen Betreuer und Betroffenen stärkt. Wegen der Fürsorgepflicht des Vormundschaftsgerichts (vgl. BVerfGE 10, 302 = NJW 1960, 811) und der Betreuungsstelle für den Betroffenen begegnet es keinen Bedenken, wenn diese den Betroffenen bei der Suche nach einem Betreuer, auch im Falle eines gewünschten Betreuerwechsels, unterstützen. Dies bedeutet nicht, dass die Gerichte jeder Laune des Betroffenen nachzugehen haben, da ein völlig unbegründeter Betreuerwechsel, insbesondere wenn er häufig in kurzen Abständen vorkommt, sich negativ auf die Führung der Betreuung auswirken kann.

Im vorliegenden Falle ist der Wunsch des Betroffenen nach einem Betreuer, der häufigeren persönlichen Kontakt zu ihm pflegt, aber durchaus nachvollziehbar. Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene bei seinem Betreuerwunsch von Dritten, etwa seinen Eltern, möglicherweise aus deren Eigeninteressen, beeinflusst war, haben sich nicht ergeben. Der Vorschlag des Betroffenen war beständig, da er diesen Wunsch auch noch bei seiner persönlichen Anhörung im Beschwerdeverfahren bestätigt hat.

Der Betroffene konnte sich sowohl durch seine Kenntnis von einer anderen von der jetzigen Betreuerin geführten Betreuung als auch in dem von der Betreuungsstelle vermittelten Gespräch ein eigenes Bild von der neuen Betreuerin machen und hat danach ausdrücklich deren Bestellung gewünscht. Das genügt, um die Voraussetzungen des § 1908b Abs. 3 BGB zu erfüllen. Die Vorschrift verlangt nicht, dass ein eigenständig und nachhaltig gebildeter Wunsch nach einem Betreuerwechsel bereits zeitgleich von einem konkreten Vorschlag einer bestimmten Person begleitet wird.

c) Bei dieser Sachlage brauchte das Beschwerdegericht nicht zu erörtern, ob darüber hinaus noch, wie vom Amtsgericht angenommen, der Betreuer auch wegen mangelnder Eignung oder sonst aus wichtigem Grund (§ 1908b Abs.1 BGB) zu entlassen war.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers veranlasst aber folgende Hinweise:

Das Betreuungsrecht geht von einer persönlichen Betreuung im Gegensatz zu einer rein aktenmäßigen "anonymen" Betreuung aus (§ 1897 Abs. 1 BGB). Der Betreuer soll persönlich Kontakt zu dem Betreuten suchen und das persönliche Gespräch mit ihm pflegen (Staudinger/Bienwald Neubearbeitung 2006 vor §§ 1896 ff. BGB Rn. 32 m.w.N.). Der Betreuer kann seine Pflichten nach § 1901 BGB nur dann erfüllen, wenn er auch den persönlichen Kontakt mit dem Betroffenen aufnimmt und hält. Dies ist gerade in der Anfangszeit einer Betreuung besonders wichtig, da nur so ein Vertrauensverhältnis mit dem Betroffenen aufgebaut werden kann und es dadurch dem Betreuer ermöglicht wird, die Wünsche und Vorstellungen des Betreuten zu erfahren.

Diese Grundsätze gelten auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) fort. Wenn ein Betreuer sich nicht in der Lage sieht, eine Betreuung nach diesen Vergütungssätzen zu führen, hat er zwar das Recht, die Übernahme der Betreuung abzulehnen. Zur Vernachlässigung der Pflichten nach § 1901 BGB berechtigen ihn die neuen pauschalen Vergütungsregelungen jedoch nicht. Die vom Beteiligten gepflogene, mehr aktenmäßige, Führung der Betreuung kann durchaus Anlass sein, an seiner Eignung als Betreuer ernsthaft zu zweifeln.

d) Die Rüge des Beteiligten, in erster Instanz habe der Richter anstelle des funktional zuständigen Rechtspflegers entschieden, greift nicht durch. Zwar behält § 14 Abs 1 Nr. 4 RPflG von den Geschäften des § 1908b BGB nur die der Absätze 1, 2 und 5 dem Richter vor, so dass es für die Entscheidung nach § 1908b Abs. 3 BGB bei der Zuständigkeit des Rechtspfleger nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a RPflG verbleibt. Gemäß § 8 Abs. 1 RPflG wird die Wirksamkeit der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht dadurch berührt, dass anstelle des Rechtspflegers der Richter entschieden hat. Im Übrigen hat das Amtsgericht seine Entscheidung auch auf § 1908b Abs. 1 BGB gestützt, wofür der Richter zuständig ist. Gegenstand der Überprüfung im Verfahren der weiteren Beschwerde ist nicht die Ermessensentscheidung des Amtsgerichts, sondern nur die des Landgerichts.

Ende der Entscheidung

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