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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 22.02.2006
Aktenzeichen: 33 Wx 20/06
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB
Vorschriften:
BGB § 1899 Abs. 1 Satz 3 | |
BGB § 1908b Abs. 1 | |
EGBGB Art. 229 § 14 |
Gründe:
I.
Für den Betroffenen waren seit 2.7.2001 zwei Betreuer bestellt, und zwar für den Aufgabenkreis Vermögenssorge Rechtsanwalt S. und für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge eine Mitarbeiterin der Betreuungsbehörde der Stadt M. Mit Beschluss vom 21.9.2001 des Amtsgerichts M. wurden dem Betreuer S. auch der Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge sowie der weitere Aufgabenkreis Wahrnehmung der Gesellschafterrechte des Betroffenen übertragen. Auf eigene Bitte des Betreuers S., ihn für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge wieder zu entbinden, da ihm die Wahrnehmung dieses Aufgabenkreises auf Grund der räumlichen Distanz nicht möglich sei, wurde mit Beschluss vom 27.5.2002 der Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge wiederum einer weiteren Berufsbetreuerin übertragen.
Zuletzt wurde mit Beschluss des Amtsgerichts K. vom 3.12.2003 der Umfang der Betreuung erweitert auf die Aufgabenkreise: Sorge für die Gesundheit des Betroffenen, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Verwaltung eines Taschengeldkontos, Wahrnehmung der Gesellschaftsrechte an der Firma A. M. GmbH. Der neue Betreuer F. wurde bestellt; weiterer Betreuer für die Aufgabenkreise Vermögenssorge und Wahrnehmung der Gesellschaftsrechte blieb der bisherige Betreuer S.
Mit Beschluss vom 14.7.2005 hat das Amtsgericht K. den Betreuer S. entlassen und die diesem zugewiesenen Aufgabenkreise dem Betreuer F. übertragen, nachdem der Betroffene vorher erklärt hatte, es sei damit einverstanden, dass der Betreuer F. die alleinige Betreuung übernehme. Zur Begründung hat es sich auf die Neuregelung des § 1899 BGB bezogen.
Auf die durch den bisherigen Betreuer S. eingelegte sofortige Beschwerde bestätigte das Landgericht Kempten am 19.12.2005 diesen Beschluss, wobei es aber von einer Beschwerde des Betroffenen ausging. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte sofortige weitere Beschwerde des bisherigen Betreuers S., der auf seine langjährige Verbindung zur Familie des Betroffenen und seine persönliche Beziehung zu ihm verweist.
II.
Die zulässige sofortige weitere Beschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
Zu Recht habe das Amtsgericht einen wichtigen Grund für die Entlassung des Betreuers S. angenommen. Seien mehrere Betreuer bestellt, sei ein wichtiger Grund für die Entlassung eines Betreuers schon dann gegeben, wenn sich später herausstelle, dass die Voraussetzungen des § 1899 Abs. 1 BGB für die Bestellung mehrerer Betreuer von Anfang an nicht vorgelegen hätten oder später weggefallen seien. Dies folge nicht zuletzt aus der Neuregelung des § 1899 Abs. 1 S. 3 BGB, der den aus § 1897 Abs. 1 BGB folgenden Rechtsgedanken des Vorrangs der Einzelbetreuung betone. Nach § 1899 Abs. 1 BGB seien nur ausnahmsweise dann mehrere Betreuer zu bestellen, wenn die Angelegenheiten des Betroffenen hierdurch besser besorgt werden könnten. Wenn diese Voraussetzung später wegfalle, widerspreche es der in den § 1897 Abs. 1, § 1899 BGB zum Ausdruck gekommenen Wertentscheidung des Gesetzgebers und auch dem Wohl des Betroffenen, an der Betreuung durch mehrere Betreuer festzuhalten. Abgesehen davon sei aber auch zu Recht zu berücksichtigen, dass der Bereich der Vermögenssorge zwischenzeitlich durch den Betreuer S. offensichtlich nahezu abgewickelt bzw. vereinfacht worden ist. So sei das Geldvermögen des Betroffenen durch ein besonderes Gerichtsverfahren in Ö. sichergestellt und die A. -Z. firma des Betroffenen liquidiert. Da es danach aber nur noch um das Anlagevermögen des Betroffenen gehe, stelle dessen Betreuung keine übermäßigen Anforderungen mehr an den Betreuer. Liege danach aber der Regelfall der Betreuung vor, sei die Betreuung durch mehrere Betreuer nicht mehr angezeigt. Ein ausreichender Grund für die Entlassung eines Betreuers sei daher, dass die Voraussetzungen des § 1899 Abs. 1 BGB nicht mehr vorlägen. Auf Eignungsmängel und andere wichtige Gründe für die Entlassung eines Betreuers sei dabei nicht abzustellen. Diese seien allenfalls bei der Auswahl des zu entlassenden Betreuers zu berücksichtigen. Seien aber wichtige Gründe bei keinem der Betreuer gegeben, habe das Gericht den zu entlassenden Betreuer nach denselben Kriterien auszuwählen, die gemäß § 1897 BGB für die Auswahl eines Betreuers bei der Erstbestellung gelten. Nach den rechtsfehlerfreien Erwägungen des Amtsgerichts war daher zu Recht dem Betreuer F. der Vorzug zu geben, der bereit und in der Lage sei, die Betreuung im gesamten Umfang zu übernehmen. Im Gegensatz dazu sei der Betreuer Rechtsanwalt S. hierzu nämlich nicht bereit. Danach hatte das Amtsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung des Wohls des Betroffenen den Betreuer entlassen.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).
a) Zu Recht nimmt das Landgericht an, bei Bestellung mehrerer Betreuer für unterschiedliche Aufgabenkreise ein wichtiger Grund für die Entlassung einer dieser Betreuer schon dann gegeben ist, wenn sich herausstellt, dass die Voraussetzungen des § 1899 Abs. 1 BGB für die Bestellung mehrerer Betreuer von Anfang an nicht vorgelegen haben oder später weggefallen sind (BayObLG Beschl. v. 22.10.2003 - 3Z BR 200/03, zitiert nach Juris). Das folgt nicht zuletzt aus dem Rechtsgedanken von § 1897 Abs. 1, § 1899 Abs. 1 BGB (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht MDR 2002, 886 = Rpfleger 2002, 445; Senatsbeschluss vom 7.11.2005, BtPrax 2006, 34). Dieser Grundsatz gilt in besonderer Weise, wenn die Bestellung eines Berufsbetreuers für einen Teil der Aufgabenkreise geboten ist und es bei Fortdauer der Bestellung des weiteren, ebenfalls berufsmäßig tätigen Betreuers zu einem Verstoß gegen § 1899 Abs. 1 Satz 3 BGB kommen würde. Nach dieser durch das 2. BtÄndG mit Wirkung vom 1.7.2005 eingeführten Vorschrift werden mehrere Betreuer, die eine Vergütung erhalten - außer in den gesetzlich genannten Fällen - nicht bestellt. Deshalb ist es gerechtfertigt, in entsprechenden Fällen einen wichtigen Grund für die Entlassung des weiteren Betreuers anzunehmen.
b) § 1899 Abs. 1 Satz 3 BGB in der ab dem 1.7.2005 geltenden Fassung ist auch bei Betreuungsbestellungen, die vor diesem Zeitpunkt angeordnet wurden, anzuwenden. Sinn und Zweck der Norm ist es, zusätzliche Kosten für mehrere Berufsbetreuer zu vermeiden, die dadurch entstehen würden, dass bei der Berechnung der Vergütung nach § 5 VBVG unabhängig vom Umfang des Aufgabenkreises ein pauschaler Stundenansatz angesetzt wird. Das sagt die Gesetzesbegründung (BtDrs-15/2494 S. 29) zwar nicht ausdrücklich. Es erschließt sich aber aus der Hervorhebung der "Vergütung" im Gesetzeswortlaut. Nach dem vor dem 1.7.2005 geltenden Recht wurde dagegen nach dem tatsächlichen Zeitaufwand abgerechnet, so dass insgesamt, da jeder Betreuer einen Teil des Aufgabenkreises hatte, der gesamte Zeitaufwand, sieht man von ausbleibenden der Synergieeffekten ab, nicht erhöht wurde. Nach Art. 229 § 14 EGBGB ist aber nach dem Nachtrag die Entschädigung für den Berufsbetreuer gemäß §§ 4, 5 VBVG zu berechnen, so dass auch der Grund für den Ausschluss mehrerer Berufsbetreuer besteht. Die Vermeidung von zusätzlichem Aufwand entspricht auch dem Wohle des Betreuten.
c) Eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung liegt entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht vor. Denn eine unechte Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig (BVerfGE 95, 64/86; 30, 392/402 f.; BGH FamRZ 2005, 612 ff.). Sie liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerfGE 101, 239, 263). Allerdings können sich auch insoweit aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Diese sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber als Folge der Regelung hingenommene unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszweckes nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfGE 30, 392, 402 f.; 95, 64, 86; 101, 239, 263; BGH aaO).
Vorliegend überwiegen weder die Interessen des Betroffenen noch des ehemaligen Betreuers gegenüber den Veränderungsgründen des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber hat auch bei nicht mittellosen Betreuten dafür zu sorgen, dass diese durch die Aufwendungen für die Betreuung nicht übermäßig belastet werden. Dagegen muss ein etwaiges Kontinuitätsinteresse des Betroffenen dann zurückstehen, wenn nicht dadurch ein Ausgleich geschaffen werden kann, dass der bisherige Berufsbetreuer für alle Aufgabenkreise bestellt werden kann oder für die nicht von ihm wahrgenommenen Aufgabenkreise ein ehrenamtlicher Betreuer gefunden werden kann. Dies gilt umso mehr, als der Betroffene mit der alleinigen Bestellung des Betreuers F. einverstanden war und dieser bisher schon für einen Teilbereich als Betreuer tätig war, so dass zumindest eine gewisse Kontinuität gewahrt ist. Da ein wichtiger Grund i. S. des § 1908b BGB nicht in der Person oder dem Verhalten des Betreuers liegen muss (Palandt/Diederichsen BGB 65. Aufl. § 1908b Rn. 4 ff.; vgl. auch BayObLG FamRZ 2000, 1457) und der Betreuer auch entlassen werden kann, wenn der Betreute eine gleich geeignete Person vorschlägt (§ 1908b Abs. 3 BGB), ist dem Interesse des Betreuers, die Betreuung fortzusetzen, ohnehin nur ein sehr geringer Stellenwert einzuräumen, der gegenüber den Veränderungsgründen des Gesetzgebers nicht überwiegen kann.
d) Die Abwägungen des Landgerichts bei der Auswahl des Betreuers F. nach § 1897 Abs. 1 BGB sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Da der bisherige Betreuer S. nicht für alle Aufgabenkreise zur Verfügung stand, konnte es diesen nicht als alleinigen Betreuer bestellen. Unter Beachtung des Kontinuitätsinteresses des Betroffenen konnte es daher nur den zur Übernahme aller Aufgabenkreise bereiten, bereits im Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge tätig gewesenen Betreuer F. bestellen.
III.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 2 KostO.
Ende der Entscheidung
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