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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 11.11.2009
Aktenzeichen: 33 Wx 292/09
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1837 Abs. 2 | |
BGB § 1908b |
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS
Aktenzeichen: 33 Wx 292/09
Der 33. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Knittel, der Richterin Budesheim und des Richters Dimbeck am 11. November 2009 in der Betreuungssache auf die weitere Beschwerde der Betreuerin
beschlossen:
Tenor:
I. Die Beschlüsse des Landgerichts Passau vom 29. September 2009 und des Amtsgerichts Passau vom 2. März 2009 werden aufgehoben.
II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 € festgesetzt.
Gründe:
I. Das Amtsgericht hat die Mutter des Betroffenen am 12.1.1981 zu dessen Pflegerin und nach Überleitung in eine Betreuung am 20.3.1992 zur ehrenamtlichen Betreuerin bestellt. Zuletzt wurde die Betreuung am 3.6.2004 mit dem Aufgabenkreis "Alle Angelegenheiten, incl. Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Entscheidung über den Fernmeldverkehr" verlängert. Als spätester Überprüfungszeitpunkt wurde der 3.6.2009 bestimmt. Seit dem Jahre 2005 bemüht sich die im Jahre 1940 geborene Betreuerin um die Verlegung ihres Sohnes in eine Einrichtung in ihrer Nähe.
Mit Beschluss vom 2.3.2009 hat das Amtsgericht der Betreuerin verboten, ohne vorherige Zustimmung des Gerichts den Betroffenen in ein anderes Heim zu verlegen.
Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde der Betreuerin hat das Landgericht am 29.9.2009 zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Betreuerin mit ihrer weiteren Beschwerde.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass ein Wechsel des Heimes dem Wohle des Betroffenen widersprechen würde. Nach der ärztlichen Stellungnahme der Sachverständigen Dr. B. sei der Betroffene auf Kontinuität, feste Riten und gleichbleibende Bezugspersonen angewiesen. Der behandelnde Arzt Dr. Ba. befürchtete nach einem Wechsel eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit auto- und fremdaggressiven Verhaltensauffälligkeiten. Auch der Sachverständige Dr. Bo. bestätigte diese Einschätzungen, hielt aber eine Eingewöhnung des Betroffenen für möglich (nicht aber eine Prognose zur Dauer der Umgewöhnungszeit).
Der Kammer erscheine deshalb ein Heimwechsel für den Betroffen nicht zumutbar.
Die Nachteile würden durch von der Betreuerin erwartete Vorteile (namentlich häufigere Verwandtenkontakte) nicht aufgewogen.
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.
a) Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten zu dessen Wohl zu besorgen (§ 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB). Im Rahmen seines Aufgabenkreises führt der Betreuer die Betreuung selbständig und eigenverantwortlich (BayObLGZ 1999, 117/119; Staudinger/Bienwald BGB Neubearbeitung 2006 § 1908i Rn. 175). Gemäß § 1908i Abs. 1 Satz 1, §1837 Abs. 2 Satz 1 BGB hat das Vormundschaftsgericht über die gesamte Tätigkeit des Betreuers die Aufsicht zu führen und gegen Pflichtwidrigkeiten durch geeignete Gebote und Verbote einzuschreiten. Nicht statthaft nach § 1837 Abs. 2 Satz 1 BGB ist der Teilentzug eines Aufgabenbereichs (MüKo/Wagenitz BGB 5. Aufl. § 1837 Rn 19; Staudinger/Engler BGB § 1837 Rn 44). Auch kann im Rahmen des § 1837 Abs. 2 BGB das Vormundschaftsgericht nicht selbst an Stelle des Betreuers handeln (MüKo/Wagenitz aaO.).
b) Die Entscheidung des Landgerichts berücksichtigt diese rechtlichen Grundsätze nicht hinreichend. Mit dem Verbot eines Aufenthaltswechsels ohne gerichtliche Zustimmung entzieht das Gericht faktisch der Betreuerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht und setzt sich bei der Entscheidung über den Aufenthalt an ihre Stelle. Eigene Entscheidungen des Gerichts sind jedoch nur gemäß § 1846 BGB rechtlich zulässig, dessen Voraussetzungen unzweifelhaft nicht vorliegen, da eine Betreuerin bestellt und sie auch nicht verhindert ist.
c) Zwar sind auch bezüglich der Aufenthaltsbestimmungen einzelne Gebote und Verbote möglich, etwa den Aufenthalt in einem für ungeeignet erachteten Heim zu beenden oder auch das Verbot, den Aufenthalt des Betroffenen für eine bestimmte eng begrenzte Zeit etwa bis zur Entscheidung über die Bestellung eines neuen Betreuers mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung zu verändern. Diese Maßnahmen dürfen jedoch dem Betreuer das ihm als Aufgabe übertragene Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht vollständig entziehen. Dem steht auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in BGHZ 132, 157/163 = NJW 1996, 1825/1826 nicht entgegen. Dort hat der Bundesgerichtshof in einer nicht tragenden Nebenbemerkung die Möglichkeit bejaht, einem Betreuer, dessen Aufgabenkreis die gesamten Vermögenssorge und die Zuführung zur stationären medizinischen Behandlung sowie die Sicherstellung der häuslichen Versorgung umfasste, die Weisung zu erteilen, eine Heimpflege des Betreuten durch eine häusliche Pflege zu ersetzen. Dies stellt eine konkrete Einzelweisung dar und beseitigt ein eventuelles Aufenthaltsbestimmungsrecht des Betreuers nicht generell. Insbesondere stellt es nicht alle künftigen Aufenthaltsentscheidungen des Betreuers unter den Vorbehalt der gerichtlichen Zustimmung.
Wenn man mit den Instanzgerichten der Auffassung ist, dass ein Aufenthaltswechsel dem Betroffenen schweren Schaden zufügt, dann kann man einen Aufenthaltswechsel durch die Betreuerin nur verhindern, indem man sie zumindest für den Bereich der Aufenthaltsbestimmung gemäß § 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB entlässt, sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen. Dann ist zwingend für diesen Bereich, wenn wie hier insoweit der Betreuungsbedarf fortbesteht, gemäß § 1908c BGB ein neuer Betreuer zu bestellen. Die (teilweise) Entlassung des bisherigen Betreuers und die Bestellung eines neuen Betreuers kann nicht dadurch umgangen werden, dass dem Betreuer die eigenverantwortliche Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts untersagt und seine diesbezüglichen Maßnahmen der Entscheidung des Gerichts unterstellt werden.
d) Da die Entscheidung über die Verlängerung der Betreuung überfällig ist, wird das Amtsgericht in diesem Rahmen zu überprüfen haben, ob die jetzige Betreuerin ganz oder teilweise ungeeignet ist, die Betreuung zum Wohle des Betroffenen zu führen.
Die Begründung der Nichtabhilfeentscheidung vom 30.3.2009 gibt Anlass zu dem Hinweis, dass aus der Einlegung eines Rechtsmittels gegen eine gerichtliche Entscheidung keine Schlüsse zum Nachteil der Beschwerdeführerin gezogen werden können.
III. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 2 und Abs. 3 KostO.
Ende der Entscheidung
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