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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 26.03.2009
Aktenzeichen: 33 Wx 6/09
Rechtsgebiete: BGB, VBVG


Vorschriften:

BGB § 1836d
VBVG § 1 Abs. 2 S. 2
1. Muss der Betreuer erkennen, dass künftig eine Festsetzung gegen den Betroffenen wegen dessen allmählichen Vermögensverfalls nicht möglich sein wird, und stellt er gleichwohl schuldhaft den Vergütungsantrag im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren nicht so zeitig, dass er die Vergütung noch aus dem Vermögen des Betroffenen erhalten kann, so kann seine Vergütung nach den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben auf die Vergütung gekürzt werden, die für die Betreuung eines mittellosen Betroffenen anzusetzen wäre (vgl. BayObLGZ 2003, 261 = FamRZ 2004, 305).

2. Für eine derartige Entscheidung bedarf es konkreter Feststellungen dazu, wie sich das Vermögen des Betroffenen entwickelt hat und wann die Mittellosigkeit eingetreten ist.

3. Tritt die Mittellosigkeit binnen eines Monats nach dem Ende des Betreuungsquartals ein, wird man regelmäßig nicht davon ausgehen können, dass die Geltendmachung der Vergütung unmittelbar nach Quartalsende es noch ermöglicht hätte, die Vergütung aus dem Vermögen des Betroffenen zu entnehmen.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

Aktenzeichen: 33 Wx 6/09

Der 33. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Knittel, der Richterin Budesheim und des Richters Dimbeck

am 26. März 2009

in der Betreuervergütungssache

beschlossen:

Tenor:

I. Der Beschluss des Landgerichts München I vom 18. Dezember 2008 wird aufgehoben. Die Angelegenheit wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 623,16 € festgesetzt.

Gründe:

I. Für den Betroffenen hat das Amtsgericht zunächst am 14.3.2007, wirksam seit 15.3.2007, eine Diplom-Sozialpädagogin als vorläufige berufsmäßige Betreuerin bestellt.

Der Aufgabenkreis wurde mit Beschluss vom 25.5.2007 auch auf die Vermögenssorge erweitert. Mit Beschluss vom 17.8.2007 wurde die Betreuerin auf Dauer bestellt, wobei der Aufgabenkreis weiterhin auch die Vermögenssorge umfasste.

Der Betroffene lebte zunächst in der eigenen Wohnung und ab 1.8.2007 in einem Heim.

Am 7.4.2008 hat die Betreuerin die Festsetzung ihrer Vergütung in Höhe von 2.941,96 € für den Zeitraum vom 16.3.2007 bis zum 15.3.2008 beantragt, wobei sie bei den angesetzten pauschalen Stunden davon ausging, dass der Betroffene nicht mittellos war. Am 9.4.2008 hat sie mitgeteilt, dass der Betroffene nun nicht mehr vermögend sei und beantragt, die Vergütung gegen die Staatskasse festzusetzen. Am 26.5.2008 hat die Betreuerin mitgeteilt, dass der Betroffene seit etwa Mitte April 2008 mittellos sei und dazu einen Kontoauszug vom 31.3.2008 mit einem Kontostand von 4.917,14 € und einen vom 30.4.2008 über 2.699,07 € vorgelegt.

Mit Beschluss vom 11.7.2008 hat das Amtsgericht die Vergütung auf 2.318,80 € festgesetzt und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen.

Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht am 18.12.2008 zurückgewiesen und die sofortige weitere Beschwerde zugelassen.

Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde begehrt die Betreuerin weiterhin die Festsetzung in beantragter Höhe.

II. Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere vom Beschwerdegericht zugelassen sowie form- und fristgerecht eingelegt. Es hat auch, jedenfalls vorläufig, in der Sache Erfolg.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Die Höhe der Vergütung sei nach den Vorschriften für einen mittellosen Betroffenen zu berechnen, obwohl der Betroffene im Abrechnungszeitraum vermögend gewesen sei. Die Betreuerin habe es versäumt, einen Vergütungsantrag so rechtzeitig zu stellen, dass eine Festsetzung aus dem Vermögen des Betroffenen noch möglich gewesen wäre. Die Vergütung könne in Schritten von drei Monaten beantragt werden. Die Betreuerin habe im gesamten Zeitraum die Vermögenssorge innegehabt und sei abrechnungspflichtig gewesen. Deshalb habe sie Kenntnis vom jeweiligen aktuellen Vermögensstand des Betroffenen gehabt. Sie hätte sehen müssen, wann Mittellosigkeit eintritt. Zwar sei ein Betreuer nicht verpflichtet, zeitnah abzurechnen. Jedoch sei hiervon die Frage zu unterscheiden, zu wessen Lasten es gehen solle, wenn der Betreuer die Vergütungsanträge so spät stelle, dass eine Inanspruchnahme des Betroffenen ausscheide. Die Kammer sei weiterhin der Auffassung, dass es nicht gerechtfertigt sei, die Mehrvergütung für den vermögenden Betreuten der Staatskasse aufzuerlegen.

Es hätte der Betreuerin im eigenen Interesse oblegen, ihre Anträge möglichst zeitnah zu stellen, um einer drohenden Verschlechterung der Vermögenssituation vorzubeugen. Unterlasse sie dies, sei es nicht sachgerecht, dass die Staatskasse und damit die Allgemeinheit für die Nachlässigkeit aufkommen müsse. Der mit der Vermögenssorge betraute Betreuer habe den besten Überblick über das Vermögen des Betroffenen und könne entsprechend auf Veränderungen reagieren. Bewege sich das Vermögen am Rande der Mittellosigkeit sei es dem Betreuer zumutbar, im Hinblick auf die stets mögliche Änderung der Verhältnisse im eigenen Interesse zeitnah durch Antragstellung zu reagieren. Diese Lösung entspreche auch der Absicht des Gesetzgebers, bei vermögenden Betreuten als Gegenleistung für den höheren Arbeitsaufwand bei der Vermögensverwaltung einen höheren Stundenansatz zu gewähren. Ein Kontostand, der sich um die Grenze der Mittellosigkeit herum bewege, begründe in der Regel einen solchen Mehraufwand nicht, so dass die Vergütung nach den Regeln für einen mittellosen Betroffenen nicht unbillig erscheine.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht in vollem Umfange stand.

a) Ist der Betroffene mittellos, kann der Betreuer die Vergütung aus der Staatskasse verlangen (§ 1836d BGB, § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG). Für die Feststellung des Vergütungsschuldners ist bezüglich der Mittellosigkeit auf den Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung abzustellen (BayObLG BtPrax 1996, 29; 1998, 79; FamRZ 2002, 1289). Dies gilt auch nach der Neuregelung der Betreuervergütung zum 1.7.2005 (Senatsbeschluss vom 18.9.2008 BtPrax 2009, 30 = FGPrax 2009, 21 = FamRZ 2009, 453).

Der Betreuer kann die Vergütung erst nach Ablauf von jeweils drei Monaten für diesen Zeitraum geltend machen (§ 9 Satz 1 VBVG). Der Vergütungsanspruch erlischt, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung beim Vormundschaftsgericht geltend gemacht wird (§ 2 Satz 1 VBVG), wobei als Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs der Ablauf des jeweiligen Betreuungsquartals anzusehen ist (Senatsbeschluss vom 5.12.2008 - 33 Wx 282/07; vgl. auch BGH FamRZ 2008, 1611).

Macht der Betreuer seine Vergütung innerhalb dieses Zeitrahmens geltend, so kann ihm eine Vergütung aus der Staatskasse nicht mit der Begründung versagt werden, dass bei einer ihm möglichen früheren Geltendmachung, etwa jeweils nach Ablauf eines Betreuungsquartals, noch eine Festsetzung gegen den Betroffenen möglich gewesen wäre bzw, dass er seine Vergütung bereits früher aus dem Vermögen des Betroffenen hätte entnehmen können, da der Betreuer dazu von Gesetzes wegen nicht verpflichtet ist (BayObLGZ 1997, 301/304 = FamRZ 1998, 507/508).

Für die Höhe der Vergütung, d.h. für die pauschalen Stundenansätze nach § 5 Abs. 1 oder Abs. 2 VBVG, kommt es auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen in der Betreuungszeit an (Senatsbeschluss aaO.; OLG Brandenburg FamRZ 2007, 2109; OLG Dresden BtPrax 2007, 256; OLG Hamburg FamRZ 2008, 91; OLG Frankfurt Rpfleger 2008, 419 = BtPrax 2008, 175).

Muss der Betreuer erkennen, dass künftig eine Festsetzung gegen den Betroffenen wegen dessen allmählichen Vermögensverfalls nicht möglich sein wird, und stellt er gleichwohl schuldhaft den Vergütungsantrag im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren nicht so zeitig, dass er die Vergütung noch aus dem Vermögen des Betroffenen erhalten kann, so kann seine Vergütung nach den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben auf die Vergütung gekürzt werden, die für die Betreuung eines mittellosen Betroffenen anzusetzen wäre.Es reicht nicht aus, dass der späte Abrechnungszeitpunkt ursächlich dafür ist, dass die Staatskasse mit der Betreuervergütung in Anspruch genommen wird, vielmehr muss der Betreuer diese Folge auch zu vertreten haben, sie also vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt haben (vgl. BayObLGZ 2003, 261 = FamRZ 2004, 305).

b) Die Entscheidung des Landgerichts berücksichtigt zwar diese Grundsätze, doch beruht sie auf unzureichenden tatsächlichen Feststellungen.

aa) Weder aus der Entscheidung des Landgerichts noch aus dem übrigen Akteninhalt lässt sich ersehen, wie sich das Vermögen des Betroffenen entwickelt hat. Es steht daher nicht fest, ob und wann der Vermögensverfall für die Betreuerin vorhersehbar war oder ob sich das Vermögen des Betroffenen durch eine nicht vorhersehbare größere Ausgabe so verringert hat, dass er als mittellos anzusehen war.

Ohne Berücksichtigung der Vermögensentwicklung des Betroffenen lässt sich nicht feststellen, ob die Betreuerin es schuldhaft unterlassen hat, ihren Vergütungsanspruch früher geltend zu machen. Dabei ist auf die Erkenntnismöglichkeiten zu den jeweiligen damaligen Zeitpunkten abzustellen.

bb) Auch der Zeitpunkt, zu dem die Mittellosigkeit eingetreten ist, das Vermögen also nach Abzug der festzusetzenden Betreuervergütung unter den Schonbetrag von 2.600 € (§ 90 SGB XII) abgesunken ist, steht nicht fest.

Deshalb lässt sich, ehe man insoweit zu einer Verschuldensprüfung kommt, derzeit für das letzte Abrechnungsquartal vom 16.12.2007 bis zum 15.3.2008 nicht feststellen, ob die Vergütungsantragstellung am 7.4.2008 ursächlich dafür war, dass die Vergütung für dieses Quartal von der Staatskasse zu tragen ist.

Das Abrechnungsquartal hat mit Ablauf des 15.3.2008 geendet. Da der 16.3.2008 ein Sonntag war, hätte die Betreuerin frühestens am 17.3.2008 die Vergütung beantragen können. Geht man mit den Angaben der Betreuerin im Schreiben vom 9.4.2008 davon aus, dass der Betroffene an diesem Tag bereits mittellos war, wäre eine Inanspruchnahme der Staatskasse bei einer Antragstellung am 17.3.2008 nur zu vermeiden gewesen, wenn aufgrund einer Festsetzung des Amtsgericht die Betreuerin spätestens zum 8.4.2008, also am 22. Tag nach der Antragstellung, die Vergütung dem Vermögen des Betroffenen hätte entnehmen können. Auch bei der sehr zügigen Arbeitsweise des Amtsgerichts, wie sie aus den Akten ersichtlich ist, kann davon nicht zu Lasten der Betreuerin ausgegangen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass selbst wenn eine Festsetzung gegen den Betroffenen noch rechtzeitig möglich gewesen wäre, dies eine Inanspruchnahme der Staatskasse nicht zwingend verhindert hätte, da ein Rechtsmittel des Betroffenen gegen die Festsetzung gegen ihn möglich gewesen wäre.

Nach Auffassung des Senats wird man im allgemeinen bei einer Mittellosigkeit, die in einem Zeitraum von etwa einem Monat nach dem Ende des Betreuungsquartals eintritt, nicht davon ausgehen können, dass die Geltendmachung der Vergütung unmittelbar nach Quartalsende es noch ermöglicht hätte, die Vergütung aus dem Vermögen des Betroffenen zu entnehmen.

III. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 2 und Abs. 3 KostO und errechnet sich aus der Differenz zwischen der beantragten und der von den Tatsachengerichten festgesetzten Vergütung.

Ende der Entscheidung

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