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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 22.04.2009
Aktenzeichen: 33 Wx 85/09
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1812 Abs. 1
BGB § 1813 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 1835 Abs. 3
BGB § 1908i Abs. 1 S. 1
Die gesetzliche Vertretung des Betroffenen durch einen Rechtsanwalt als berufsmäßigen Betreuer beim notariell beurkundeten Verkauf eines Grundstücks begründet nur dann einen Anspruch auf Aufwendungsersatz für eine berufsspezifische Tätigkeit, wenn aus diesem Anlass auch ein Berufsbetreuer gleicher Vergütungsstufe, der kein Volljurist ist, anwaltlichen Rat eingeholt hätte. Als Indiz hierfür genügt weder die vom Käufer vorgenommene Auswahl des Notars, wenn Anhaltspunkte für Zweifel an dessen Unparteilichkeit fehlen, noch die Tatsache, dass die in der Immobilie vorhandenen Wohn- und Gewerbeeinheiten überwiegend vermietet sind.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

Aktenzeichen: 33 Wx 85/09

Der 33. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Knittel, des Richters Dimbeck und der Richterin Budesheim

am 22. April 2009

in der Betreuungssache

auf die weitere Beschwerde des Betreuers

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 18. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Der Beschwerdeführer ist seit 23.4.2004 als Berufsbetreuer mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge; Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Aufgabenkreis bestellt. Die im notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 20.7.2006 enthaltenen Erklärungen des Betreuers über den Verkauf eines Grundstücks des Betroffenen zum Kaufpreis von 1.784.500 € genehmigte das Vormundschaftsgericht mit Beschluss vom 28.7.2006. Die vom Betreuer mit Schreiben vom 8.7.2008 beantragte Entnahme einer Vergütung in Höhe von 10.691,91 € nach Anwaltsgebührenrecht von einem der Konten des Betroffenen wies das Vormundschaftsgericht am 18.7.2008 zunächst zurück.

Auf die mit ergänzendem Sachvortrag versehene Beschwerde des Betreuers hob es mit Beschlüssen vom 22.8.2008 die Entscheidung vom 18.7.2008 auf und genehmigte die beantragte Entnahme für anwaltliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem am 28.7.2006 genehmigten Immobilienverkauf. Auf die Beschwerde des Betroffenen bestellte das Landgericht für diesen eine Verfahrenspflegerin, hob am 18.2.2009 die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 22.8.2008 auf und stellte unter Zurückweisung der Beschwerde des Betreuers den amtsgerichtlichen Beschluss vom 18.7.2008 wieder her. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Betreuers.

II. Die weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere bedurfte sie nicht der Zulassung durch das Landgericht gemäß § 56g Abs. 5 Satz 2, § 69g Abs. 1 FGG. Das Antragsverfahren betrifft nicht eine Zahlungsfestsetzung nach § 56g Abs. 1, § 69e Abs. 1 FGG; es geht um die auch für einen Betreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge genehmigungspflichtige Entnahme eines Geldbetrags von mehr als 3.000 € von einem Konto des Betroffenen gemäß § 1812 Abs. 1, § 1813 Abs. 1 Nr. 2, § 1908i Abs. 1 BGB. Das Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

Dem Betreuer stehe eine RVG-Vergütung als Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3, § 1908 i Abs. 1 BGB nur für solche Dienste zu, für die ein nichtanwaltlicher Betreuer der höchsten Vergütungsstufe einen Rechtsanwalt zugezogen hätte. Grundstückskaufverträge würden in aller Regel auch von juristischen Laien, die nicht unter Betreuung stünden, ohne Zuziehung von Rechtsanwälten abgeschlossen. Die beiderseitigen Interessen würden durch den pflichtgemäß handelnden neutralen Notar wahrgenommen.

Erst recht würde ein erfahrener nichtanwaltlicher Betreuer der höchsten Vergütungsstufe in der Regel ohne Zuziehung eines Rechtsanwalts auskommen. Anderes könne gelten, wenn - etwa bei der Vermarktung einer größeren Wohnanlage - der Notar vom Bauträger ausgesucht worden und aufgrund seiner wirtschaftlichen Interessen zu besorgen sei, dass er entgegen seinen Neutralitätspflichten im Lager des Veräußerers stehe und Käuferinteressen nicht entsprechend wahrgenommen würden. Der Stellungnahme des Notars vom 15.12.2008 sei eine derartige Fallkonstellation nicht zu entnehmen. Bezeichnend sei, dass der Betreuer ausführe, bei denselben Vertragsformulierungen hätte er keine RVG-Vergütung berechnet, wenn der Notar nicht von der Käuferseite beauftragt worden wäre. Auch ein nichtanwaltlicher Betreuer hätte einen Vertrag zumindest durchgelesen, bevor er sich dafür entscheide, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Die Geltendmachung einer RVG-Vergütung könne dann nur noch davon abhängen, ob das Vertragswerk als solches Anlass zur Einschaltung eines Rechtsanwalts gebe. Der Veräußerer benötige keine rechtliche Beratung oder Unterstützung, um vertragserhebliche Belange in das Vertragswerk einfließen zu lassen, da es Aufgabe des Notars sei, einen interessengerechten Vertrag zu erstellen.

Insbesondere sei es nicht erforderlich, diesem Formulierungsvorschläge zu unterbreiten. Ausreichend sei, vertragserhebliche Belange zur Sprache zu bringen, für die der Notar dann interessengerechte Vertragslösungen zu finden habe. Über den Sachverstand des für seine Tätigkeit auch haftenden Notars hinaus werde der Vertrag ohnehin noch durch das Vormundschaftsgericht überprüft. Dieses bestelle in der Regel vor Erteilung der Genehmigung noch einen Rechtsanwalt als Verfahrenspfleger, der grundsätzlich auch keine RVG-Vergütung erhalte.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) Der Berufsbetreuer kann neben seiner Vergütung nach § 1836 Abs. 1 Satz 2, 3, § 1908i Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 3 ff. VBVG ausnahmsweise Aufwendungsersatz gemäß § 1835 Abs. 3, § 1908i Abs. 1 BGB verlangen, wenn die von ihm erbrachten Dienste zu seinem Beruf gehören. In diesem Fall kann der anwaltliche Berufsbetreuer trotz des grundsätzlichen Ausschlusses der Vergütungsregeln des RVG durch § 1 Abs. 2 Satz 1 RVG u.a. für Betreuer Erstattung seiner Aufwendungen nach der berufsspezifischen Gebührenordnung des RVG geltend machen, da § 1 Abs. 2 Satz 2 RVG die Sonderregelung des § 1835 Abs. 3 BGB unberührt lässt.

b) Ein Rechtsanwalt kann für eine im Rahmen der Betreuung ausgeführte Tätigkeit ein Honorar nach den Grundsätzen des RVG nur dann verlangen, wenn die Bewältigung der mit der abzurechnenden Tätigkeit verbundenen Aufgabe besondere rechtliche Fähigkeiten erforderte und deshalb eine originär anwaltliche Dienstleistung dargestellt hat. Es muss sich um eine Aufgabe handeln, für die ein anderer Betreuer in vergleichbarer Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt herangezogen hätte, weil sie eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt (vgl. BVerfG FamRZ 2000, 1280/1282; BGH FamRZ 2007, 381/382; OLG Hamm FamRZ 2007, 1186/1187; BayObLGZ 2001, 368/371 je m.w.N.).

Dies folgt daraus, dass die Betreuung im Sinne der §§ 1896 ff. BGB schon von Natur aus mit zahlreichen Rechtshandlungen verbunden, Aufgabe des Betreuers die rechtliche Besorgung von Angelegenheiten des Betroffenen (§ 1901 Abs. 1 BGB), insbesondere dessen gerichtliche und außergerichtliche Vertretung (§ 1902 BGB) ist. Dabei ist die Eignung des Betreuers für die jeweilige Betreuung auch danach zu beurteilen, ob er aufgrund seiner Qualifikation den auch in rechtlicher Hinsicht im Rahmen der konkreten Betreuung zu erwartenden Anforderungen entspricht (§ 1897 Abs. 1 BGB).

Da das Gesetz den unterschiedlichen Anforderungen an Berufsbetreuer durch die Zubilligung von je nach der beruflichen Qualifikation verschieden hohen Stundensätzen Rechnung trägt, kann das Vormundschaftsgericht einen Rechtsanwalt als Betreuer insbesondere dann bestellen, wenn die sachgerechte Führung der Betreuung das allgemeine fachliche Wissen bzw. die allgemeinen beruflichen Fähigkeiten eines Rechtsanwalts erfordert (vgl. BayObLG aaO. S. 370/371). Ob eine Aufgabe eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt, bemisst sich nicht nach dem Kenntnis- und Erfahrungsstand eines - auch geschäftsgewandten - Laien. Die Zuerkennung der höchsten Vergütungsstufe, die jeder Anwalt ohnehin verlangen kann, setzt in rechtlichen Fragen bereits allgemein eine erhebliche Qualifikation voraus, die nicht nochmals gesondert honoriert werden soll. Es kommt daher darauf an, ob gerade auch ein Betreuer, der die Qualifikation der höchsten Vergütungsstufe aufweist, zur Erfüllung der Aufgabe den Umständen nach die Beiziehung eines Rechtsanwalts für erforderlich hätte halten dürfen. Diese Voraussetzung wird in der Regel gegeben sein, wenn es um Leistungen geht, die dem Kernbereich anwaltlicher Tätigkeit zuzuordnen sind. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn wegen der Bedeutung und/oder Schwierigkeit der Tätigkeit notwendiger- oder zumindest üblicherweise professioneller Rechtsrat erholt worden wäre und ein Betreuer ohne Ausbildung zum Volljuristen deshalb berechtigterweise einen Rechtsanwalt beigezogen hätte (vgl. BayObLG aaO. S. 371/372 m.w.N.).

c) Ob eine konkrete Tätigkeit des zum Betreuer bestellten Rechtsanwalts sich im Sinne des § 1835 Abs. 3 BGB als Dienst darstellt, der zu seinem Beruf gehört, ist aufgrund einer Wertung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Diese Beurteilung obliegt dem Tatrichter. Das Rechtsbeschwerdegericht kann sie nur auf Rechtsfehler überprüfen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG), d.h. dahin, ob der Tatrichter von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist, ob er den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt, die Feststellungen nicht verfahrensfehlerfrei getroffen, maßgebliche Umstände nicht berücksichtigt oder in ihrer Bedeutung verkannt oder in seine Erwägungen sachfremde Umstände einbezogen hat oder ob seine Wertung auf der Grundlage der konkreten Umstände des Einzelfalls sich nicht im Rahmen des ihm zuzubilligenden Beurteilungsermessens hält (vgl. BayObLG aaO.; OLG Hamm aaO.).

d) Die Entscheidung des Landgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beschwerdekammer ist zu Recht von der Genehmigungsbedürftigkeit der Entnahme gemäß § 1812 Abs. 1, § 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB ausgegangen und hat den im Rahmen der Genehmigungsprüfung anzuwendenden § 1835 Abs. 3 BGB rechtsfehlerfrei ausgelegt.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers musste der Frage, wer den Notar beauftragt hatte, vom Landgericht nicht weiter nachgegangen werden. Anhaltspunkte für begründete Zweifel an der Neutralität des Notars im Sinne einer beiden Vertragsparteien gerecht werdenden Vertragsgestaltung ergeben sich auch aus dem Vortrag des Betreuers nicht. Der Umstand, dass der Notar von der Käuferseite beauftragt wurde und diese bereits wiederholt an anderen von diesem Notar vollzogenen Rechtsgeschäften beteiligt war, genügt hierfür jedenfalls nicht.

Im Sachverhalt der landgerichtlichen Entscheidung sind die Stellungnahmen der übrigen Verfahrensbeteiligten ausführlich wiedergegeben. Die Beschwerdekammer hat jedoch - insoweit in Übereinstimmung mit der Verfahrenspflegerin - deutlich gemacht, dass es Gegenstand und Art des Vertrags als ausschlaggebend für die Beurteilung der Frage angesehen hat, ob dem Betreuer Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen des RVG zusteht. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auch hält sich die Beurteilung, dass es sich hier um einen Immobilienkaufvertrag handele, der im Wesentlichen die in solchen Fällen üblichen Regelungen enthält und keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, im Rahmen des den Tatsachengerichten gezogenen Beurteilungsermessens. Dem steht nicht entgegen, dass die in dem veräußerten Haus vorhandenen Wohn- und Gewerbeeinheiten überwiegend vermietet sind. Auch der Verkauf vermieteter Immobilien wirft nicht allein deswegen besondere rechtliche Schwierigkeiten auf. Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass die Durchsicht von Vertragsentwürfen und die Information über das Vertragsobjekt betreffende Eigenarten durchaus auch ein Betreuer vorzunehmen hat, der kein Volljurist ist. Die rechtliche Umsetzung dieser Informationen obliegt dann wiederum dem Notar, an dessen professioneller Redlichkeit hier - wie ausgeführt - keine begründeten Zweifel bestanden.

Ende der Entscheidung

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