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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 05.07.2006
Aktenzeichen: 34 SchH 5/06
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 1036 | |
ZPO § 1037 Abs. 3 |
2. Soll das Schiedsgericht zunächst in "kleiner Besetzung" (Zweier-Gremium) auf eine gütliche Einigung hinwirken und erst später nach Bestellung eines Obmanns in vollständiger Besetzung streitig verhandeln, findet auch für das Schiedsgericht in "kleiner Besetzung" das Ablehnungsverfahren gemäß §§ 1036, 1037 ZPO Anwendung.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft in M./Bayern, die sich mit der Vermarktung und dem Verkauf von Produkten und Dienstleistungen gegen Höchstgebot beschäftigt. Die Antragsgegnerin, eine Beteiligungsgesellschaft mit Sitz ebenfalls in M./ Bayern, hielt seit Mitte 2000 bis Februar 2006 eine stille Beteiligung an der Antragstellerin. In § 11 des Beteiligungsvertrags vom 7.5./11.7.2000 ist eine Schiedsvereinbarung enthalten, die auf einen gesonderten Schiedsvertrag (Anlage 4 des Beteiligungsvertrages) verweist, der das Schiedsverfahren der Parteien näher regelt. Die Parteien haben dort u.a. folgende Regelung getroffen:
§ 2
Jede Partei hat im Streitfall einen Schiedsrichter zu benennen. (...)
§ 3
Die beiden Schiedsrichter sollen zunächst versuchen, die Streitigkeiten im Wege des Vergleichs beizulegen.
§ 4
Kommt ein Vergleich innerhalb von 14 Tagen nach Benennung des zweiten Schiedsrichters nicht zustande, so haben die Schiedsrichter einen Obmann zu bestimmen, der die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz besitzen muss. Können sich die Schiedsrichter auf einen Obmann innerhalb von 10 Tagen nicht einigen, so bestimmt ihn auf Antrag eines Schiedsrichters oder einer Partei der Präsident des für den Sitz der T... zuständigen Oberlandesgerichts. Als Schiedsrichter sollen geschäftserfahrene und wirtschaftskundige Personen benannt werden.
Beim Ausscheiden der Antragsgegnerin aus der Gesellschaft kam es zwischen den Parteien zu Streitigkeiten über die Endvergütung. Die Antragsgegnerin und Schiedsklägerin macht dabei als die ihr zustehende Endvergütung einen Betrag von 353.400 EUR geltend. Mit Schriftsatz vom 18.4.2006 leitete die Antragsgegnerin ein Schiedsverfahren ein und benannte Dr. H. als ihren Schiedsrichter. Die Antragstellerin benannte mit Schriftsatz vom 26.4.2006 Dr. N. als ihren Schiedsrichter.
Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 27.4.2006 beim Schiedsgericht, Dr. H. wegen Zweifeln an seiner Unparteilichkeit als Schiedsrichter abzulehnen, da er in enger, persönlicher, quasi verwandtschaftlicher Beziehung zu einem Mitglied der Sozietät stehe, die die Antragsgegnerin vertrete. Dr. H. sei mit der Familie von Rechtsanwältin Dr. E. eng befreundet und zudem Taufpate von Dr. E. Diese sei mit dem Verfahren zwischen den Parteien auch persönlich befasst. Als der eigentliche Sachbearbeiter Dr. W. verhindert gewesen sei, habe Dr. E. in der Sache mit dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin telefoniert. Der Inhalt dieses Gesprächs ist zwischen den Parteien im Einzelnen streitig.
Mit Beschluss vom 28.4.2006 wiesen die beiden benannten Schiedsrichter den Antrag auf Ablehnung des Schiedsrichters Dr. H. wegen Besorgnis der Befangenheit zurück. Mit am 22.5.2006 eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin die gerichtliche Entscheidung über ihr Ablehnungsgesuch beantragt. Der Antragsgegner hat beantragt, das Gesuch als unbegründet zurückzuweisen.
Der Senat hat dem betroffenen Schiedsrichter Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Dieser hat bestätigt, der Taufpate von Dr. E. zu sein. Er sei ihrer Familie freundschaftlich verbunden, der persönliche Kontakt sei aber eher gering, sein Patenkind sehe er etwa ein- bis zweimal im Jahr. Über das Schiedsverfahren und seine Bestellung zum Schiedsrichter habe er mit ihr nie gesprochen.
II.
1. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München ergibt sich aus § 1025 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 8 der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz (GZVJu vom 16.11.2004, GVBl. 471). Soweit die Parteien als zuständiges Gericht das Landgericht M. (Bayern) vereinbart haben, ist diese Vereinbarung unwirksam, da insoweit eine derogationsfeste ausschließliche Eingangszuständigkeit des Oberlandesgerichts gegeben ist, § 1062 Abs. 1 ZPO (Zöller/Geimer ZPO 25. Aufl. § 1062 Rn. 1). Die örtliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München ergibt sich aus § 5 der Schiedsvereinbarung, wonach - vorbehaltlich eines hier nicht einschlägigen Falls - der Sitz der Antragsgegnerin (München) auch Sitz des Schiedsgerichts sein soll.
2. Der Antrag gemäß § 1037 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist zulässig.
a) Die Parteien haben das Ablehnungsverfahren für Schiedsrichter nicht selbständig geregelt. Im Beteiligungsvertrag ist dazu keine Regelung enthalten. Infolge dessen finden mangels abweichender individueller Regelungen die gesetzlichen Vorschriften über das Ablehnungsverfahren Anwendung (vgl. Albers in Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 64. Aufl. § 1037 Rn. 2, 3).
b) Die notwendige Vorabentscheidung des Schiedsgerichts über das Ablehnungsgesuch gemäß § 1037 Abs. 2 Satz 2 ZPO liegt mit der Entscheidung der beiden bisher benannten Schiedsrichter vom 28.4.2006 vor. Zwar sind die beiden benannten Schiedsrichter zunächst "nur" befugt, auf einen Vergleich hinzuwirken. Für ein streitiges Verfahren ist die Bestimmung eines Obmanns und die Verhandlung vor dem mit drei Richtern besetzten Schiedsgericht erforderlich. In diesem Dreiergremium sollen die beiden bisher Benannten als Schiedsrichter mitwirken. Das Zweiergremium ist daher nicht als reine Schlichtungsstelle, sondern als Vorstufe des Schiedsgerichts zu beurteilen, auf die die Grundsätze des schiedsrichterlichen Ablehnungsverfahrens Anwendung finden. Dies entspricht auch dem Interesse der Parteien, da ein jetzt bereits vorliegender Ablehnungsgrund während des "Schlichtungsverfahrens" notwendig im eigentlichen schiedsgerichtlichen Verfahren zu beachten wäre.
c) Die Fristen sowohl für das Ablehnungsgesuch an das Schiedsgericht als auch für die Entscheidung durch das staatliche Gericht wurden gewahrt.
d) Zu Recht hat auch der abgelehnte Schiedsrichter an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch mitgewirkt (vgl. Senat v. 6.2.2006, 34 SchH 10/05; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 27. Aufl. § 1037 Rn. 4).
3. Das Ablehnungsgesuch ist jedoch nicht begründet.
a) Der Prüfungsmaßstab für die Befangenheit eines Schiedsrichters richtet sich grundsätzlich nach denselben Kriterien, die für die Ablehnung eines staatlichen Richters wegen Besorgnis der Befangenheit gelten (vgl. Markowski SchiedsVZ 2004, 304/307; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 14 Rn. 5). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es gerade Eigentümlichkeit des Schiedsverfahrens ist, dass die Parteien Personen ihres Vertrauens auswählen können. Dies werden häufig Personen sein, zu denen eine persönliche Beziehung besteht. Die Grundsätze der Richterablehnung nach § 42 ZPO können daher nicht ohne weiteres auf die Schiedsrichterablehnung übertragen werden. Die Möglichkeit der persönlichen Auswahl durch eine Partei bedingt, dass bei der Auslegung des Begriffs "berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit" nur eine sehr intensive Verbundenheit des Schiedsrichters mit "seiner" Partei als Ablehnungsgrund angesehen werden kann (Schwab/Walter Rn. 7).
b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe führt die Patenschaft des Schiedsrichters Dr. H. mit einem Sozietätsmitglied des Verfahrensbevollmächtigten der Schiedsklägerin nicht dazu, dass berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unvoreingenommenheit bestehen. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Näheverhältnis nicht zu der Partei selbst, sondern zu einem Mitglied der von dieser beauftragten Kanzlei besteht. Zudem ist das "Patenkind" des benannten Schiedsrichters zwar Sozietätsmitglied, nicht aber die Sachbearbeiterin des Verfahrens. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass Rechtsanwältin Dr. E. einmal in Vertretung für den abwesenden Sachbearbeiter den Verfahrensbevollmächtigten der Schiedsbeklagten zurückgerufen hat. Die persönliche Freundschaft mit einem Anwalt derjenigen Sozietät, welche eine Partei vertritt, kann eine Besorgnis der Befangenheit nur dann begründen, wenn es sich um den konkreten mandats- und verfahrensbetreuenden Anwalt handelt, nicht aber, wenn es sich um einen anderen Partner oder Associate handelt (Mankowski aaO S. 308). Das gilt jedenfalls dann, wenn es sich um eine nicht ganz kleine Sozietät handelt. Die hier betroffene Sozietät hat allein in M. 12 Mitglieder. Die Verbindung eines Schiedsrichters als Taufpate eines Sozietätsmitglieds begründet unter den gegebenen Umständen kein Näheverhältnis zu einem anderen Sozietätsmitglied und dessen Mandanten und damit auch keine berechtigten Zweifel an seiner Unabhängigkeit (so im Rahmen des § 42 ZPO für ein Verwandtschaftsverhältnis auch OLG Celle OLGR 1995, 272; KG NJW-RR 2000, 1164). Dies gilt hier umso mehr, als das Verhältnis zwischen Schiedsrichter und Patenkind nicht außergewöhnlich eng ist. Besondere Umstände, die die Beurteilung ändern könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
III.
Die Antragstellerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Streitwert für das Verfahren ist gemäß § 3 ZPO, §§ 48, 63 GKG zu schätzen. Die Hauptsache, somit der wirtschaftliche Wert der Sachentscheidung liegt in der von der Schiedsklägerin geltend gemachten Forderung im Schiedsverfahren. Gemäß seiner Rechtsprechung zur Schiedsrichterbestellung (vgl. 34 SchH 004/06 m.w.N.; a.A. OLG Frankfurt, OLGR 2004, 121) legt der Senat auch bei der Schiedsrichterablehnung den vollen Streitwert zugrunde. Zwar handelt es sich bei der Schiedsrichterablehnung nur um einen Teilakt des schiedsrichterlichen Verfahrens. Dem Umstand, dass der Verfahrensaufwand für das Gericht wie für die Parteien im Allgemeinen geringer ist, tragen die Gebührensätze des Kostenverzeichnisses (KV 1624) bzw. des Vergütungsverzeichnisses (VV 3327) jedoch bereits Rechnung.
Ende der Entscheidung
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