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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 07.02.2007
Aktenzeichen: 34 Wx 147/06
Rechtsgebiete: WEG
Vorschriften:
WEG § 23 Abs. 4 | |
WEG § 28 Abs. 1 | |
WEG § 28 Abs. 5 | |
WEG § 29 Abs. 3 |
Gründe:
I.
Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.
Die Einladung zur Eigentümerversammlung am 6.7.2005 wies unter Tagesordnungspunkt (TOP) 2 "Hausgeldabrechnung nebst Einzelabrechnungen 2004, Entlastung der Vorverwaltung" als Gegenstand aus. Das Protokoll zur Eigentümerversammlung vom 6.7.2005 enthält dazu folgende Feststellungen:
TOP 02: Hausgeldabrechnung nebst Einzelabrechnungen 2004 Entlastung der Vorverwaltung und der Beiräte
Die Belegprüfung wurde von den Verwaltungsbeiräten Herrn S. und Herrn K. durchgeführt und für in Ordnung befunden. Die Zustimmung zur Jahresabrechnung sowie zu den Einzelabrechnungen 2004 und die Entlastung der Hausverwaltung sowie der Verwaltungsbeiräte wurden gemäß nachstehender Abstimmung vollzogen.
Herr S. berichtete über die Belegprüfung sowie über die Abrechnung der Vorverwaltung L. und verliest den mit ihm und Herrn K. verfassten Prüfbericht.
...
Abstimmung zu TOP 02 - Entlastung der Vorverwaltung L. (einstimmig abgelehnt):
0 Ja - Stimmen = 000.0000-Tausendstel
20 Nein - Stimmen = 899.2756-Tausendstel
0 Enthaltungen - Stimmen = 000.0000-Tausendstel
Abstimmung zu TOP 02 - Entlastung der Beiräte (mehrheitlich angenommen):
19 Ja - Stimmen = 872.6520-Tausendstel
1 Nein - Stimmen = 026.6236-Tausendstel
0 Enthaltungen - Stimmen = 000.0000-Tausendstel
Der Antragsteller, der an der Eigentümerversammlung nicht teilgenommen hatte, hat am 17.8.2005 beim Amtsgericht zunächst beantragt, den Beschluss zu Tagesordnungspunkt 02 (Jahresabrechnung) für ungültig zu erklären. Zugleich hat er vorsorglich Wiedereinsetzung wegen etwaiger Versäumung der Frist zur Anfechtung der Eigentümerbeschlüsse vom 6.7.2005 begehrt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht hat der Antragsteller sodann die Feststellung beantragt, dass in der Eigentümerversammlung vom 6.7.2005 unter TOP 2 über die Einzelabrechnungen nicht abgestimmt worden ist. Mit Beschluss vom 13.3.2006 hat das Amtsgericht diesem Antrag entsprochen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht am 7.11.2006 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Anträge, auch soweit der Antragsteller im zweiten Rechtszug die Feststellung des Beschlussergebnisses über die Einzel- und Gesamtjahresabrechnung 2004 begehrt hat, abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers, die das Ziel verfolgt, die Entscheidung des Amtsgerichts wiederherzustellen.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und hat im beantragten Umfang Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Die Kammer sei der Auffassung, dass in der Beschlussfassung über die Entlastung der Verwaltungsbeiräte zugleich die Genehmigung der Abrechnung zu sehen sei.
Der Beschluss über die Jahresabrechnung und derjenige über die Verwalterentlastung beträfen zwar an sich zwei rechtlich unterschiedliche Gegenstände. Aufgrund ihres inneren Zusammenhangs sei jedoch in der Regel davon auszugehen, dass der eine mit dem anderen Beschluss stillschweigend verbunden sei. Werde dem Verwalter Entlastung erteilt, so liege darin regelmäßig zugleich die Billigung der Abrechnung, sowohl in Form der Gesamtabrechnung wie der Einzelabrechnungen.
Die Auslegung des Protokolls führe hier zu diesem Ergebnis. Die Abrechnung 2004 sei ausgiebig unter Einbeziehung der Prüfberichte der Verwaltungsbeiräte erörtert worden. Aus Ladung wie ausdrücklicher Formulierung im Protokoll ergebe sich der innere Zusammenhang zwischen den fraglichen Punkten. Dass die Beiräte die Abrechnung vorstellten, sei hier unerheblich angesichts der Meinungsverschiedenheiten mit dem früheren Verwalter. Die Konflikte mit diesem hätten zum einen dazu geführt, dass die Verwaltungsbeiräte die Rechnungsprüfung übernommen hätten, und zum anderen, dass der Vorverwaltung die Entlastung verweigert worden sei. Dieser Umstand sei aber den einzelnen Wohnungseigentümern bekannt gewesen und habe sich spätestens aus der Erörterung der Abrechnung ergeben. Aufgrund der Gesamtumstände sei für die in der Versammlung Anwesenden der Zusammenhang zwischen der Entlastung und der zuvor erörterten Abrechnung hinreichend deutlich erkennbar. Aus diesen Gründen sei die Auslegung gerechtfertigt, dass der Beschluss auch die Billigung der Jahresabrechnung und der Einzelabrechnungen umfasse.
Soweit der Antragsteller bestritten habe, dass ein Beschluss zustande gekommen und dieser lediglich nicht protokolliert worden sei, das Abstimmungsergebnis jedoch demjenigen über die Entlastung der Beiräte entspräche, fehle es an einem ordnungsgemäßen Beweisantritt; es komme darauf auch nicht an, da die Abstimmung über die Entlastung der Beiräte auch die Genehmigung der Abrechnung umfasse. Ebenso fehle jeder Hinweis darauf, dass die Beschlussbekanntgabe unterblieben sei.
Gegen die Gültigkeit des Beschlusses spreche schließlich nicht, dass die Einladung insoweit nur die Entlastung der Vorverwaltung und nicht auch die der Verwaltungsbeiräte enthalten habe.
Einwendungen gegen die durch den Beschluss gebilligte Abrechnung könne der Antragsteller nicht mehr vorbringen, nachdem er die Frist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG versäumt habe und Gründe für die Wiedereinsetzung weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden seien.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts enthält der Beschluss über die Entlastung des Verwalters in der Regel zugleich die stillschweigende Billigung der (in diesem Zusammenhang vorgelegten und erörterten) Jahresgesamtabrechnung wie der zugehörigen Einzelabrechnungen (BayObLGZ 1988, 287/290 f.; BayObLG vom 13.3.1986, 2Z 113/85; BayObLG ZMR 1995, 41; ferner OLG Düsseldorf ZMR 1999, 655; KK-WEG/Happ § 28 Rn. 45; Müller Praktische Fragen des Wohnungseigentums 4. Aufl. Rn. 1063). Dies rechtfertigt sich aus dem inneren Zusammenhang der Entlastung des Verwalters und der Genehmigung der Jahresabrechnung. Die Entlastung besteht in der Billigung der Geschäftsführung und im Verzicht auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und damit konkurrierenden Ansprüchen, soweit die Voraussetzungen für solche für alle Wohnungseigentümer bekannt oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennbar sind (vgl. Weitnauer/Gottschalg WEG 9. Aufl. § 28 Rn. 30a m.w.N.). Aus einer derartigen Billigung lässt sich im Allgemeinen schlussfolgern, dass ein Entlastungsbeschluss zugleich die Genehmigung der Jahresabrechnung enthält. Das muss aber nicht so sein. Denn die Genehmigung der Jahresabrechnung und die Entlastung der Verwaltung sind zwei verschiedene Fragen. Über sie kann deshalb, was sich auch aus Gründen der Transparenz empfiehlt, in getrennten Beschlüssen entschieden werden. Indes bedeutet die Genehmigung der Jahresabrechnung nicht notwendig die Billigung der Tätigkeit des Verwalters. Denn die Jahresabrechnung ist eine Zusammenstellung der gesamten wirklichen Einnahmen und Ausgaben, d.h. sie muss wahr sein. Daraus folgt, dass Gründe für die Missbilligung der Verwaltertätigkeit vorliegen können, auch wenn die Jahresabrechnung richtig ist, z.B. wenn der Verwalter unberechtigte Ausgaben vorgenommen, diese aber in der Jahresabrechnung richtig dargestellt hat (BayObLGZ 1983, 314/319 f.; Müller Rn. 1063).
Die Indizwirkung, die sich aus dem Zusammenhang zwischen dem Verwalterentlastungsbeschluss einerseits und der Jahresabrechnung andererseits ergibt, besteht hier schon deshalb nicht, weil die Verwalterentlastung abgelehnt wurde.
b) Aus der Entlastung des Beirats lassen sich, jedenfalls bei gleichzeitiger Ablehnung der Verwalterentlastung, keine ausreichenden Schlüsse auf eine zugleich erfolgte Genehmigung der Jahresabrechnung einschließlich Einzelabrechnungen ziehen. Zwar obliegt es dem Beirat nach § 29 Abs. 3 WEG, die Abrechnung des Verwalters zu prüfen und mit einer Stellungnahme versehen der Wohnungseigentümerversammlung zur Beschlussfassung vorzulegen. Zur Prüfung gemäß § 29 Abs. 3 WEG gehört neben der Prüfung der rechnerischen Schlüssigkeit der Abrechnung zumindest auch eine stichprobenhafte Prüfung der sachlichen Richtigkeit, die nur durch Prüfung der Belege erfolgen kann (OLG Düsseldorf NZM 1998, 36/38; Drasdo NZM 1998, 15/16). Dessen ungeachtet sind die Voraussetzungen für die Entlastung des Verwaltungsbeirats mit denen für die Entlastung des Verwalters im Zusammenhang mit der Jahresabrechnung nicht vollständig identisch. So mag der meist aus Laien bestehende Verwaltungsbeirat seinen Prüfungspflichten ausreichend nachgekommen und ihm deshalb kein Vorwurf hinsichtlich einer dennoch fehlerhaft erstellten Jahresabrechnung zu machen sein, weshalb diesem Entlastung erteilt, dem Verwalter aber wegen fehlerhafter Jahresabrechnung Entlastung versagt wird (vgl. BayObLG ZMR 2004, 50/51). Zudem kann die Prüfung nach § 29 Abs. 3 WEG Fehler offenlegen, so dass die Entlastung der Prüfer gerechtfertigt, diejenige des Verwalters hingegen nicht gerechtfertigt ist. Ob dies im vorliegenden Fall so war oder ob die verweigerte Entlastung für den früheren Verwalter andere Gründe als Fehler in der Jahresabrechnung hatte, kann auf sich beruhen. Jedenfalls kann hier aus der Beiratsentlastung allein bei gleichzeitig verweigerter Entlastung des Verwalters nach Wortlaut und Sinn der Beschlussfassung, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung ergibt (vgl. BGHZ 139, 288/292), kein hinreichend sicherer Schluss auf die Genehmigung der Jahresabrechnung gezogen werden. Dabei müssen Umstände außerhalb der Beschlussfassung, insbesondere auch solche, die nur für die in der Versammlung Anwesenden erkennbar waren, außer Betracht bleiben, weil der Beschluss über die Jahresabrechnung auch für einen Rechtsnachfolger im Wohnungseigentum verbindlich ist (§ 10 Abs. 3 WEG).
c) Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend.
Dass entgegen dem Protokollinhalt in einem besonderen, etwa versehentlich nicht festgehaltenen Beschluss die Jahresabrechnung genehmigt wurde, trägt keiner der Beteiligten vor. Zwar hat das Wohnungseigentumsgericht von Amts wegen gemäß § 12 FGG aller erforderlichen Ermittlungen anzustellen und die geeignet erscheinenden Beweise, auch ohne förmliche Anträge, zu erheben. Das Gericht kann jedoch ohne Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht in Antragsverfahren von weiteren Ermittlungen absehen, wenn es davon ausgehen konnte, dass die Beteiligten ihnen vorteilhafte Umstände von sich aus vorbringen, und wenn es annehmen darf, dass die Beteiligten sich dieser Umstände auch bewusst sind (Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 12 Rn. 122; siehe auch BGH FGPrax 2001, 65/68). Davon ist hier auszugehen. Die anwaltlich vertretenen Antragsgegner, die in ihrer ganz überwiegenden Zahl an der Eigentümerversammlung teilgenommen hatten, sind zu keinem Zeitpunkt dem Vorbringen des Antragstellers entgegengetreten, ein eigenständiger Beschluss über die Jahresabrechnung sei nicht gefasst worden. Demnach brauchte auch der dafür vom Antragsteller angebotene Beweis nicht erhoben zu werden.
d) Der Senat stellt die Entscheidung des Amtsgerichts wieder her mit der Klarstellung, dass ein Eigentümerbeschluss über die Einzelabrechnungen nicht gefasst worden ist. Der Umfang der lediglich auf die Einzelabrechnungen bezogenen Feststellung ergibt sich aus dem mit der Rechtsbeschwerdeeinlegung verbundenen ausdrücklichen Antrag, der sich mit dem zuletzt vor dem Amtsgericht gestellten deckt. Der Antragsteller hat zwar vor dem Landgericht, wohl im Weg zulässiger Anschlussbeschwerde und Antragserweiterung (vgl. §§ 263, 524 Abs. 2, § 533 ZPO), auch die entsprechende Feststellung für die Gesamtabrechnung 2004 begehrt, davon aber durch seinen nunmehr wieder auf die Einzelabrechnungen bezogenen Antrag in der Rechtsbeschwerde Abstand genommen. Zwischen Einzelabrechnung und Gesamtabrechnung kann getrennt werden (Weitnauer/Gottschalg § 28 Rn. 30a). An den gestellten Antrag ist der Senat entsprechend § 308 ZPO gebunden.
3. Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht für sämtliche Rechtszüge auf § 47 WEG. Dem Senat erscheint es angemessen, von den Gerichtskosten im ersten und zweiten Rechtszug einen Anteil dem Antragsteller aufzuerlegen, weil er dort durch Antragserweiterungen und -zurücknahmen höhere Kosten ausgelöst hat, die nicht den übrigen Beteiligten zugerechnet werden können. Im Übrigen ist es gerechtfertigt, den unterlegenen Antragsgegnern sowie der Verwalterin die Gerichtskosten aufzuerlegen. Berücksichtigt wird hierbei der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch der Wohnungseigentümer gegen ihre Verwalterin (BGH NJW 1998, 755), die das Verfahren durch die unterbliebene Beschlussfassung und die damit verbundenen Unklarheiten vorwerfbar (§§ 276, 278 BGB) zu einem wesentlichen Teil mit ausgelöst hat.
Für die Anordnung einer Kostenerstattung nach § 47 Satz 2 WEG besteht hingegen im Hinblick auf die unterschiedlichen Instanzentscheidungen kein Anlass.
4. Die Geschäftswertfestsetzung für sämtliche Rechtszüge beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Der Senat macht von § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO Gebrauch.
Ende der Entscheidung
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