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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 09.11.2005
Aktenzeichen: 34 Wx 148/05
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
Das Verheimlichen der zur Ausreise notwendigen Papiere durch den Ausreisepflichtigen rechtfertigt in der Regel den begründeten Verdacht, dieser wolle sich der Abschiebung entziehen.
Tatbestand:

Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung des Betroffenen, eines pakistanischen Staatsangehörigen mit Zugehörigkeit zu der Volksgruppe der Punjabis.

Der Betroffene reiste eigenen Angaben zufolge am 1.6.2004 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 8.6.2004 einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 2.7.2004, bestandskräftig seit 26.10.2004, abgelehnt wurde. In diesem Bescheid wurde dem Betroffenen die Abschiebung nach Pakistan angedroht, falls er nicht innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung die Bundesrepublik Deutschland verlassen habe. Eine Abschiebung war zunächst nicht möglich, da der Betroffene keine Ausweispapiere vorlegte und angab, keine zu besitzen. Mit Bescheid vom 11.5.2005 wurde der Betroffene verpflichtet, beim Generalkonsulat der Islamischen Republik Pakistan in Frankfurt zur Klärung seiner Identität und zur Ausstellung eines Reisedokuments vorzusprechen. Am 27.6.2005 begab sich der Betroffene dorthin, erhielt aber angeblich keine Papiere. In der Folgezeit wurden dem Betroffenen von der Ausländerbehörde in Schwaben mehrfach Grenzübertrittsbescheinigungen mit der Verpflichtung zur Ausreise ausgestellt, zuletzt am 12.9.2005. Die Grenzübertrittsbescheinigungen nutzte der Betroffene, um seinen Bruder und seine Freundin in Sachsen zu besuchen. Über die deutsche Botschaft in Islamabad erhielt das Ausländeramt Kenntnis davon, dass der Betroffene am 18.8.2005 beim Standesbeamten in der Stadt B. (Sachsen) seinen pakistanischen Reisepass vorgelegt hatte, um die Heirat mit seiner Freundin, einer deutschen Staatsangehörigen, zu beantragen. Am 15.9.2005 wurde der Betroffene festgenommen.

Mit Beschluss vom 16.9.2005 hat das Amtsgericht mit sofortiger Wirksamkeit Abschiebungshaft für die Dauer von längstens drei Monaten gegen den Betroffenen angeordnet. Bei der Anhörung vor dem Amtsgericht hatte der Betroffene angegeben, er sei mit einem gefälschten deutschen Reisepass von Pakistan nach Deutschland eingereist. Den gefälschten Pass habe er in Pakistan für 9.000 EUR gekauft. Sein Reisepass sei in Pakistan, beim Standesamt habe er nur eine Fotokopie des Passes vorgelegt. Gegen den Beschluss des Amtsgerichts hat der Betroffene sofortige Beschwerde eingelegt, die das Landgericht mit Beschluss vom 11.10.2005 zurückgewiesen hat. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen. Er macht geltend, das Verheimlichen eines Passes sei kein Haftgrund. Durch seinen zeitweiligen Aufenthalt in Sachsen habe sich seine Abschiebung nicht verzögert. Die Ausländerbehörde hätte seinen Aufenthaltsort dort zumindest ermitteln können. Die zulässige sofortige weitere Beschwerde hatte in der Sache keinen Erfolg.

Gründe:

Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Das Landgericht hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt, der den Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG trägt, rechtsfehlerfrei festgestellt und gewürdigt.

1. Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig ist (§ 58 Abs. 2 AufenthG) und der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG vorliegt, da der begründete Verdacht besteht, der Betroffene werde sich der Abschiebung entziehen.

a) Haft zur Sicherung der Abschiebung ist erforderlich, wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Abschiebung ohne Festnahme des Ausländers nicht durchgeführt werden kann. Die bloße Weigerung des Betroffenen, freiwillig das Bundesgebiet zu verlassen, genügt für eine solche Annahme allerdings nicht, denn das ist die Voraussetzung dafür, dass der Ausländer überhaupt abzuschieben, also zwangsweise aus dem Bundesgebiet zu entfernen ist. § 62 Abs. 2 AufenthG verlangt für die Anordnung der Abschiebungshaft darüber hinaus, dass sie zur Sicherung der Abschiebung erforderlich ist, deren Durchführbarkeit also durch mehr als durch die bloße Weigerung des Ausländers, freiwillig auszureisen, gefährdet sein muss (BGHZ 75, 375/382).

Der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG setzt voraus, dass konkrete Umstände, insbesondere Äußerungen und Verhaltensweisen des Betroffenen, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten bzw. nahe legen, der Betroffene beabsichtige unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (BGHZ 98, 109/112 f.). Bei dieser Beurteilung ist dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, den das Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler hin überprüfen kann.

b) Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, an die der Senat gebunden ist, hat der Betroffene seinen Pass verheimlicht. Er hat den Ausländerbehörden seinen Pass auch auf Aufforderung nicht vorgelegt und behauptet, keinen Ausweis zu besitzen. Tatsächlich stand ihm der Pass zur Verfügung, denn er konnte ihn am 18.8.2005 beim Standesbeamten vorlegen. Darauf angesprochen, hat er vor dem Amtsgericht angegeben, keinen Pass zu besitzen, sondern beim Standesamt eine Kopie vorgelegt zu haben. Dies alles entspricht nicht der Wahrheit, wie sich aus dem Beglaubigungsvermerk des Standesbeamten auf der Passkopie ergibt. Das Verheimlichen der zur Ausreise notwendigen Papiere begründet, wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, den Verdacht, der Ausländer werde sich ohne Haft der Abschiebung entziehen (vgl. BGHZ 75, 375/382; BayObLG EZAR 048 Nr. 21).

Unerheblich ist, ob dem Betroffenen jetzt noch sein Pass zur Verfügung steht oder ob sich dieser, wie nunmehr behauptet wird, wieder in Pakistan befindet. Entscheidend ist, dass der Betroffene den Pass der Ausländerbehörde gegenüber tatsächlich verheimlicht hat und bei seiner Weigerung, das Bundesgebiet zu verlassen, keine Gewähr dafür gegeben ist, dass er sich künftig der Abschiebung nicht mehr entziehen werde (vgl. dazu BGHZ 75, 375/383).

Soweit der Betroffene bei der Ausländerbehörde freiwillig vorgesprochen hat, steht dies der Annahme einer Entziehungsabsicht nicht entgegen. Bei diesen Gelegenheiten ging der Betroffene noch davon aus, dass die Ausländerbehörde über keinerlei Ausweispapiere für ihn verfügte und deshalb eine Abschiebung nicht möglich sei.

2. Ob daneben auch der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vorliegt, kann dahinstehen. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Betroffene über seine Verpflichtung, den Ausländerbehörden Mitteilung von einem Verlassen der ihm zugewiesenen Unterkunft zu machen, belehrt worden ist (vgl. Melchior, Internetkommentar zur Abschiebungshaft, zu § 62 Abs. 2 Satz1 Nr. 2 AufenthG m.w.N.). Hierzu enthält die landgerichtliche Entscheidung keine Feststellungen.

3. Das Landgericht konnte von der an sich gemäß § 5 FreihEntzG vorgeschriebenen Anhörung des Betroffenen ausnahmsweise absehen. Der Betroffene wurde kurze Zeit vorher durch das Amtsgericht ausführlich angehört. Die entscheidungserheblichen Tatsachen für die Anordnung der Haft wurden dabei erörtert, insbesondere war der Betroffene zu den widersprüchlichen Angaben zu seinem Pass befragt worden. Von einer erneuten Anhörung waren neue Erkenntnisse ersichtlich nicht zu erwarten.

4. Andere Gründe, die die Anordnung der Abschiebungshaft unzulässig machen, liegen nicht vor. Nachdem nunmehr eine Passablichtung vorhanden ist, ist davon auszugehen, dass Ausreisepapiere für den Betroffenen beschafft und er innerhalb der Frist des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG abgeschoben werden kann. Eine möglicherweise geplante Eheschließung hindert die Abschiebung nicht. Wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, hat der Betroffene ungeachtet dessen seiner Ausreisepflicht nachzukommen und gegebenenfalls aus dem Ausland für die Eheschließung ein Visumsverfahren einzuleiten.

Ende der Entscheidung

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