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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 25.04.2007
Aktenzeichen: 34 Wx 15/07
Rechtsgebiete: FGG, ZPO
Vorschriften:
FGG § 12 | |
ZPO § 580 Nr. 7b | |
ZPO § 591 |
Gründe:
I.
Die Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage. In einem Vorverfahren stritten sie über die Berechtigung des Antragstellers, eine in seinem Teileigentum betriebene Gaststätte als Tanzlokal zu führen oder führen zu lassen, nachdem in der Eigentümerversammlung vom 27.9.2002 unter Tagesordnungspunkt 4 (TOP 4) mit der Stimmenmehrheit der Antragsgegnerinnen ein Beschluss gefasst worden war, dass dem Antragsteller nur der Betrieb einer Speisegaststätte ohne Musik gestattet sei. Mit Beschluss vom 3.7.2003 hat das Amtsgericht den Antrag des Antragstellers auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 27.9.2002 abgewiesen und auf Gegenantrag der Antragsgegnerinnen eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung hinsichtlich des Betriebs eines Tanzlokals in der Teileigentumseinheit des Antragstellers ausgesprochen. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht nach Vernehmung von Zeugen mit Beschluss vom 30.11.2004 den Eigentümerbeschluss vom 27.9.2002 zu TOP 4 für ungültig erklärt, die vom Amtsgericht ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung des Antragstellers dagegen bestätigt. Das Landgericht ging davon aus, dass es nach der Zweckbestimmung des Teileigentums als Gaststätte dem Antragsteller nicht verwehrt sei, dezente Hintergrundmusik spielen zu lassen. In dieser Form sei das Lokal auch geführt worden, bevor in den Jahren 2002/2003 eine grundlegende Zweckänderung vorgenommen worden sei, wie sich aus der Beweisaufnahme ergeben habe. Die nunmehrige Nutzung der Gaststätte als Tanzlokal sei dagegen mit der ursprünglichen Zweckbestimmung nicht mehr vereinbar und müsse von den Antragsgegnerinnen nicht geduldet werden. Die hiergegen gerichtete sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers hat das Bayerische Oberste Landesgericht mit Beschluss vom 28.2.2005 (Az. 2Z BR 237/04 = OLG Report 2005, 407) zurückgewiesen.
Gestützt auf einen im Original vorgelegten Eingabeplan aus dem Jahr 1982, auf dem sich die Unterschrift des früheren Miteigentümers und Vaters der Antragsgegnerinnen befindet, begehrt der Antragsteller im Wege eines Restitutionsverfahrens Aufhebung des rechtskräftigen Beschlusses des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 28.2.2005 und Abweisung des Unterlassungsantrags der Antragsgegnerinnen.
Das Landgericht hat den Restitutionsantrag mit Beschluss vom 21.12.2006 abgewiesen. Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.
II.
Das Rechtsmittel des Antragstellers hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Der Restitutionsantrag sei unbegründet, da die Urkunde, auf die sich der Antragsteller berufe, bereits im früheren Verfahren vorgelegen habe. Es sei nicht entscheidend, ob damals das Original oder eine mit diesem übereinstimmende Kopie vorgelegt worden sei. Im Vorverfahren sei nicht streitig gewesen, dass der bei der Baubehörde eingereichte Eingabeplan von 1982 die Unterschrift des Voreigentümers trage. Die Antragsgegnerinnen hätten vielmehr der auf die Urkunde gegründeten Rechtsansicht des Antragstellers widersprochen, dass mit der Unterschriftsleistung zugleich die wohnungseigentumsrechtliche Genehmigung der Nutzung der Gaststätte als Tanzbar erteilt worden sei. Der Auslegung des Antragstellers habe sich weder das Landgericht noch das Bayerische Oberste Landesgericht anschließen können. Das Bayerische Oberste Landesgericht habe sogar offen gelassen, ob der frühere Verwalter die Führung der Gaststätte als Abendlokal mit Alleinunterhalter und Tanzmöglichkeit habe genehmigen können und genehmigt habe, da nach Beendigung der Verwaltertätigkeit im Jahr 2002/2003 nochmals eine wesentliche Änderung in der Ausgestaltung des Lokalbetriebs eingetreten sei. Da es im Vorverfahren auf das Original der Urkunde nicht angekommen sei und die der Fotokopie zu entnehmenden Tatsachen bekannt gewesen seien, führe die Vorlage des Originals nicht zu einer günstigeren Entscheidung im Sinne des § 580 Nr. 7 ZPO.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, §§ 546, 559 Abs. 2, § 591 ZPO).
a) Gegen rechtskräftige Entscheidungen im Wohnungseigentumsverfahren findet die Wiederaufnahme unter entsprechender Anwendung der §§ 578 ff ZPO statt (BayObLG WuM 1991, 133 m.w.N.). Entscheidet, wie vorliegend, das Landgericht nach § 584 Abs.1, 2. Hs. ZPO erstmals über einen Wiederaufnahmeantrag, weil der Restitutionsantrag auf § 580 Nr. 7 b ZPO gestützt wird, handelt es sich um eine Entscheidung des Beschwerdegerichts, gegen die das gleiche Rechtsmittel stattfindet, das gegen eine Sachentscheidung des Landgerichts in einer Wohnungseigentumssache gegeben wäre (§ 591 ZPO; vgl. auch BayObLG WuM 1992, 284). Dies ist nach § 45 Abs. 1 WEG die sofortige weitere Beschwerde.
b) Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob der Antragsteller die Wahrung der Notfrist des § 586 Abs. 1 ZPO hinreichend glaubhaft gemacht hat. Gleiches gilt für die Frage, ob die unterlassene Geltendmachung des Restitutionsgrundes im früheren Verfahren unverschuldet war (§ 582 ZPO), es dem Antragsteller also nicht möglich und zumutbar gewesen wäre, noch während des früheren Verfahrens den Verbleib der Originalurkunde zu recherchieren, sich diese von seiner geschiedenen Ehefrau aushändigen zu lassen und die Urkunde als Beweismittel bei Gericht vorzulegen. Zu Recht hat das Landgericht den Wiederaufnahmeantrag des Antragstellers als jedenfalls unbegründet erachtet, da die vorgelegte Originalurkunde im Vorverfahren kein günstigeres Ergebnis herbeigeführt hätte. Die Frage, ob der auf § 580 Nr. 7 b ZPO gestützte Wiederaufnahmeantrag zulässig ist, kann deshalb ausnahmsweise offen bleiben (BGH LM § 580 Nr. 7b ZPO Nr. 4).
c) Die Tatsache, dass eine nachträglich aufgefundene Originalurkunde im Vorverfahren als Ablichtung vorgelegt worden ist, schließt einen Restitutionsantrag nicht schlechthin aus. In Betracht kommt dies beispielsweise in den Fällen, in denen der Restitutionskläger im Vorverfahren unterlegen war, weil er die (strittige) Identität der Fotokopie mit der Urschrift oder die Echtheit einer Unterschrift mangels Vorlage des Originals nicht nachweisen konnte. Denn der Zweck des Restitutionsverfahrens ist, einer Partei in den Fällen zu ihrem Recht zu verhelfen, in denen das Verfahrensergebnis oder dessen Grundlagen mit einem qualifizierten verbrieften Beweismittel für jedermann erkennbar in einer für das allgemeine Rechtsgefühl unerträglichen Weise in Widerspruch steht (BGHZ 161, 1 ff). Erforderlich ist eine Kausalitätsprüfung, d.h. es ist zu prüfen, ob die rechtskräftige Entscheidung auf einem der Restitutionsgründe beruht. Erschüttert der Restitutionsgrund nicht die Grundlagen der Entscheidung, ist eine Durchbrechung der Rechtskraft nicht gerechtfertigt. Die aufgefundene oder nachträglich erlangte Urkunde muss somit geeignet sein, ein der Partei günstigeres Prozessergebnis herbeizuführen, d.h. sie muss so beschaffen sein, dass sie, wenn sie dem Richter des früheren Verfahrens vorgelegen hätte, eine dem Restitutionskläger günstigere Entscheidung veranlasst hätte. Demzufolge kann nur eine solche Urkunde einen Wiederaufnahmegrund bilden, die für sich allein oder in Verbindung mit den Beweisergebnissen des früheren Verfahrens dem früheren Urteil die tragende Stütze nimmt. Es kommt nicht darauf an, ob die mit der Urkunde bewiesenen Tatsachen im Vorprozess streitig waren (BGH aaO). Maßgeblich ist allein, ob der Vorprozess vom Rechtsstandpunkt des früheren Richters aus möglicherweise anders zu entscheiden gewesen wäre, wenn ihm zusätzlich zu dem gesamten damaligen Prozessstoff auch die betreffende Urkunde vorgelegen hätte. Die Beurteilung obliegt der tatrichterlichen Würdigung (Zöller/Geimer ZPO 26. Aufl. § 580 Rn. 26 m.w.N.).
Im FGG-Verfahren gilt zwar das Amtsermittlungsprinzip (§ 12 FGG), obige Grundsätze lassen sich jedoch entsprechend heranziehen, wenn den Antragsteller die Feststellungslast trifft (vgl. Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 12 Rn. 212 ff).
d) Die Annahme des Landgerichts, dass im Vorverfahren auch dann eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung hinsichtlich der Führung eines Tanzlokals in der Teileigentumseinheit des Antragstellers ausgesprochen worden wäre, wenn der Antragsteller dem Gericht den Originaleingabeplan aus dem Jahr 1982 hätte vorlegen können, ist nicht zu beanstanden.
Grundlage der Entscheidung im Vorverfahren war die aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme gewonnene Überzeugung der Richter, dass sich der Charakter der Gaststätte seit 2002/2003 grundlegend geändert habe. Ursprünglich sei ein Speiselokal mit Hintergrundmusik und Tanzmöglichkeit betrieben worden, nicht jedoch ein Tanzlokal. Die Nutzung in der derzeitigen Form sei nicht von der Teilungserklärung gedeckt, sie sei nicht genehmigt und der Unterlassungsanspruch sei auch nicht verwirkt. Ergänzend hat das Bayerische Oberste Landesgericht ausgeführt, es könne dahinstehen, ob der frühere Verwalter die Führung der Gaststätte als Abendlokal mit Alleinunterhalter und Tanzmöglichkeit habe genehmigen können und auch genehmigt habe, da nach der Beendigung seiner Verwaltertätigkeit im Jahr 2002/2003 nochmals eine wesentliche Änderung in der Ausgestaltung des Lokalbetriebs eingetreten sei.
Aus dem vom Antragsteller vorgelegten Originaleingabeplan aus dem Jahr 1982 ergibt sich nichts anderes. Der Eingabeplan zeigt die Ausstattung der Gaststätte, wie diese im Jahr 1982 von der Baubehörde genehmigt wurde. Zeichnerisch dargestellt ist der Grundriss eines Lokals mit einer Küche, mehreren Tischen, einer Theke und einer kleinen Tanzfläche. Mit der im Beschluss vom 28.2.2005 umschriebenen ursprünglichen Nutzung als Speiselokal mit Hintergrundmusik und Tanzmöglichkeit ist der Eingabeplan ohne weiteres vereinbar. Der Urkunde kann nicht entnommen werden, dass die Gaststätte bereits 1982 als Tanzlokal mit Live-Musik und täglich wechselnden Aktionen-Cocktails geführt werden sollte, in dem nur auf Nachfrage kleine Imbisse gereicht werden. Die Feststellungen im Vorverfahren zur grundlegenden Änderung der Nutzung der Gaststätte ab 2002/2003 erschüttert die vorgelegte Urkunde damit nicht. Sie sind weiterhin zugrunde zu legen.
Daran anknüpfend könnte sich aus der auf dem Eingabeplan befindlichen Unterschrift des damalige Miteigentümers allenfalls ableiten lassen, dass er mit der Nutzung der Teileigentumseinheit einverstanden war, wie sie 1982 geplant und realisiert wurde, nämlich als Speisegaststätte mit Hintergrundmusik und Tanzmöglichkeit. Dass der Vater der Antragsgegnerinnen - sei es in seiner Funktion als damaliger Wohnungseigentümer oder als Verwalter - mit seiner Unterschrift im Jahr 1982 die hiervon erheblich abweichende Nutzung als Tanzlokal genehmigt hat, wie sie Gegenstand der Unterlassungsverpflichtung des Vorverfahrens war, ergibt sich aus dem vorgelegten Eingabeplan gerade nicht.
Abgesehen davon handelt es sich bei der Unterschrift auf einem Eingabeplan lediglich um eine dem öffentlichen Recht angehörende, der Bauaufsichtsbehörde gegenüber abgegebene Willenserklärung, die nicht ohne weiteres auf die wohnungseigentumsrechtliche Zustimmung zu einer baulichen Veränderung oder Nutzungsänderung schließen lässt (vgl. BayObLG NJW-RR 94, 82).
Zudem lag bei der ursprünglichen Entscheidung eine mit der Originalurkunde identische Fotokopie vor. Eine über die Kopie hinausgehende Aussagekraft, die für die damalige Entscheidung bedeutsam hätte sein können, hat der Originaleingabeplan aus dem Jahr 1982 vorliegend nicht.
Auch bei Vorlage der Originalurkunde kann im Verfahren damit ausgeschlossen werden, dass eine für den Antragsteller günstigere Entscheidung ergangen wäre. Sie wäre vom Rechtsstandpunkt der früheren Richter ohne Relevanz gewesen.
e) Die auf § 47 WEG beruhende Kostenentscheidung des Landgerichts, wonach der Antragsteller neben den gerichtlichen auch die außergerichtlichen Kosten zu tragen hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
III.
Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist es nach § 47 WEG angemessen, dem Antragsteller die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Das Rechtsmittel war von vornherein und aus den vom Landgericht dargelegten Gründen ohne Aussicht auf Erfolg.
Die mit dem Landgericht übereinstimmende Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.
Ende der Entscheidung
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