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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 11.05.2005
Aktenzeichen: 34 Wx 18/05
Rechtsgebiete: WEG
Vorschriften:
WEG § 10 Abs. 2 | |
WEG § 21 Abs. 5 Nr. 2 |
Tatbestand:
Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Die Wohnanlage besteht aus drei Gebäuden; dem Antragsteller gehört das Teileigentum an einem Gebäude, das gewerblich genutzt wird.
In § 8 Gemeinschaftsordnung ist hinsichtlich der Lasten und Kosten bestimmt:
1. Die Eigentümer eines gesamten Hauses sind berechtigt, dieses Haus für sich selbst zu verwalten, soweit die jeweils anfallenden Kosten auf jedes einzelne Haus umlegbar sind.
2. Soweit es sich um Kosten und Abgaben handelt, die nur von der Gemeinschaft getragen werden können und nicht teilbar sind, werden diese vom gemeinsamen Verwalter von den jeweiligen Grundstückseigentümern eingezogen und bezahlt. Die Kosten richten sich nach den jeweiligen 1000stel Miteigentumsanteilen des jeweiligen Hauses.
3. Jeder Miteigentümer kann Renovierungs- und Umbauarbeiten in seinem Sondereigentum vornehmen lassen, ohne dass er hierzu die Zustimmung der anderen Miteigentümer benötigt.
Soweit eine Abrechnung pro Haus möglich ist, nimmt diese jedes Haus (also die Miteigentümer jedes Hauses) allein vor. In diesem Fall ist der Gesamtmiteigentumsanteil pro Haus 100 %.
4. Es ist also vereinbart, dass jedes Haus (Anwesen) eine eigene wirtschaftliche Einheit bilden soll, die mit Ausnahme der nicht trennbaren Kosten und Abgaben eigenverantwortlich verwaltet, erhalten und unterhalten wird.
In der Eigentümerversammlung vom 16.10.2002 beschlossen die Eigentümer über die Jahresabrechnung 2001 (Tagesordnungspunkt - TOP 2) sowie über den Wirtschaftsplan 2002 (TOP 3). Unter TOP 4, 5 und 6 fassten die Wohnungseigentümer Beschluss über die Behebung von Baumängeln. Das Protokoll weist dazu folgende Behandlung aus:
TOP 4: Beschluss über die weitere Vorgehensweise und Beseitigung der festgestellten Mängel
Im Rahmen der Feststellung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum ist es nötig, die weitere Vorgehensweise der Verwaltung zu beschließen. Das Gutachten aus dem Anspruchsverfolgungsverfahren ist bereits erstellt und liegt vor. Die Höhe der Schäden beträgt laut Gerichtsgutachten ca. 104.000,00 EUR. Es wird beschlossen, dass der Verwalter drei Angebote zur Beseitigung der festgestellten Mängel einholt und anschließend der Auftrag an den günstigsten Anbieter in Absprache mit dem Verwaltungsbeirat vergeben wird.
Die Reihenfolge der Mängelbeseitigungen wird nach Erhalt der eingeholten Angebote festgelegt.
Abstimmungsergebnis: 560 JA-Stimmen/0 NEIN-Stimmen/0 Enthaltungen
Der Beschlussantrag wurde angenommen.
TOP 5: Beschluss über die weitere Vorgehensweise und Beseitigung der substanzschädigenden Mängel
Die substanzschädigenden Mängel (fehlende Fenster im Dach) werden im Zuge der Mängelbeseitigung am Gemeinschaftseigentum mit behoben.
Abstimmungsergebnis: 560 JA-Stimmen/0 NEIN-Stimmen/0 Enthaltungen
Der Beschlussantrag wurde angenommen.
TOP 6: Beschluss über eine Sonderumlage
Aufgrund der vorliegenden Unterlagen ist davon auszugehen, dass die Sonderumlagen für die Mängelgewährleistungsanspruchsverfolgung am Gemeinschaftseigentum durch die Verdoppelung des Streitwertes und die Ausfälle insolventer Miteigentümer nicht ausreichen.
Zum Zweck der Finanzierung der Maßnahmen (Baufachmann, Gutachterkosten, Gerichtskostenvorschüsse, Sachverständigenkosten, Rechtsanwaltskosten) wird eine zweckgebundene Sonderumlage in Höhe von 12.000,00 EUR beschlossen. Die Sonderumlage wird zum 1.12.2002 fällig. Den Eigentümern geht die Benachrichtigung zur Zahlung gesondert zu.
a) Es wird eine Sonderumlage in Höhe von 12.000,00 EUR beschlossen.
Abstimmungsergebnis: 560 JA-Stimmen/0 NEIN-Stimmen/0 Enthaltungen
Der Beschlussantrag wurde angenommen.
b) Es wird beschlossen, dass die Sonderumlage mit einem eventuellen Guthaben aus der Jahresabrechnung 2001 verrechnet wird.
Abstimmungsergebnis: 560 JA-Stimmen/0 NEIN-Stimmen/0 Enthaltungen
Der Beschlussantrag wurde angenommen.
Der Antragsteller hat beim Amtsgericht den Antrag gestellt, die Beschlüsse der Eigentümerversammlung zu TOP 2 bis 6 für ungültig zu erklären. Er vertritt die Auffassung, die Beschlüsse verstießen gegen § 8 der Gemeinschaftsordnung.
Das Amtsgericht hat mit Entscheidung vom 7.6.2004 die zu TOP 2 und 3 ergangenen Eigentümerbeschlüsse für ungültig erklärt und die Anträge im Übrigen abgewiesen. Gegen diese Entscheidung haben die Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung auch die Anfechtungsanträge zu den Beschlüssen zu TOP 2 und 3 abzuweisen. Der Antragsteller hat unselbständige Anschlussbeschwerde erhoben. Ziel des Anschlussrechtsmittels war es, zu erreichen dass auch die zu TOP 4, 5 und 6 gefassten Beschlüsse für ungültig erklärt werden. Durch Beschluss vom 7.1.2005 hat das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben. Die Anträge auf Ungültigerklärung der in der Eigentümerversammlung vom 16.10.2002 zu TOP 2 und 3 gefassten Beschlüsse hat es abgewiesen, die zu TOP 4, 5 und 6 gefassten Beschlüsse dagegen für ungültig erklärt.
Gegen diese Entscheidung haben die Antragsgegner sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Sie beantragen, in Abänderung des Beschlusses des Landgerichts auch die Anträge auf Ungültigerklärung der zu TOP 4, 5 und 6 gefassten Beschlüsse abzuweisen. Die zulässige sofortige weitere Beschwerde hat der Sache nach keinen Erfolg.
Gründe:
Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens sind lediglich die in der Eigentümerversammlung vom 16.10.2002 unter TOP 4, 5 und 6 gefassten Beschlüsse.
1. Das Landgericht hat insoweit ausgeführt:
Die Eigentümerbeschlüsse zu TOP 4, 5 und 6 verstießen gegen § 8 der Teilungserklärung.
Diese sei so auszulegen, dass jedes Haus, soweit es möglich sei, als eigene wirtschaftliche Einheit für sich verwaltet werden solle. Eine derartige auf dem Selbstverwaltungsrecht der Wohnungseigentümer beruhende Regelung sei zulässig, auch wenn eine getrennte Kostenzuweisung pro Haus hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums vereinbart worden sei. Insbesondere verstoße sie nicht gegen Art. 14 GG.
In der Niederschrift zu TOP 4 sei Bezug genommen auf die zur Zeit der Beschlussfassung bereits erstellten Sachverständigengutachten vom 24.6.2002 bzw. vom 17.6.2002, betreffend die Mängel am Gemeinschaftseigentum der Anlage. Diese hätten ihre Grundlage in dem in einem selbständigen Beweisverfahren ergangenen Beweisbeschluss vom 20.12.2001. Schon aus diesem Beweisbeschluss sei ersichtlich, dass klar unterschieden werden könne zwischen Mängeln des Gemeinschaftseigentums, die nur eines der Häuser und solchen, die die gesamte Anlage beträfen. Die Verwaltung hätte zur Beschlussfassung am 16.10.2002 die einzelnen durch die Gutachten festgestellten Schäden nach dem Kriterium der ausscheidbaren Kosten je nach Haus aufteilen können und müssen. Entsprechendes gelte für Mängel, die die gesamte Anlage beträfen. Ebenso wäre es nötig gewesen, vor der Beschlussfassung zu TOP 5 genau zu beschreiben, um welche fehlenden Fenster im Dach welchen Gebäudes es jeweils gehe. Auch die Sonderumlage zu TOP 6 sei entgegen der Teilungserklärung ohne Differenzierung je nach ausscheidbaren Kosten beschlossen worden.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass § 8 der Teilungserklärung (Gemeinschaftordung) darauf abzielt, die einzelnen Gebäude der Anlage soweit als möglich als eigenständige Wirtschaftseinheiten zu behandeln.
Der Senat kann als Rechtsbeschwerdegericht die Teilungserklärung, die Inhalt des Grundbuchs geworden ist, selbständig auslegen. Abzustellen ist auf Wortlaut und Sinn, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt (BGHZ 121, 236/239; BayObLG ZMR 2005, 213 und Beschluss vom 9.2.2005 - 2Z BR 227/04; Palandt/Bassenge BGB 64. Aufl. § 10 WEG Rn. 8; Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 45 Rn. 90). Nächstliegende Bedeutung von § 8 der Teilungserklärung ist es, den Wohnungs- und Teileigentümern der drei zu der Anlage gehörenden Häuser bei der Verwaltung sowie bei der Verteilung der anfallenden Kosten weitestgehende Selbständigkeit einzuräumen. Dies gilt grundsätzlich auch, sofern Gemeinschaftseigentum betroffen ist. Nur soweit eine getrennte Kostenzuweisung auf eines der Häuser nicht möglich ist, soll eine Kosten- und Abgabenverteilung nach Miteigentumsanteilen der gesamten Anlage stattfinden.
Eine derartige Regelung in Abänderung des gesetzlichen Maßstabs in § 16 Abs. 2 WEG ist zulässig und bei Mehrhausanlagen auch nicht unüblich (vgl. BayObLG NJW-RR 1996, 1101; OLG Köln WE 1998, 190; Müller Praktische Fragen des Wohnungseigentums 4. Aufl. Rn. 616 ff.; Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. § 16 Rn. 1 und Rn. 7, nach § 21 Rn. 27). Das Vorliegen einer überraschenden oder mehrdeutigen Klausel nach § 305c BGB bzw. § 5 AGBG kann daher entgegen der Auffassung der Antragsgegner, unabhängig von der Anwendbarkeit der für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Regeln auf Vereinbarungen nach § 10 Abs. 2 WEG überhaupt (vgl. insoweit Palandt/Bassenge § 10 WEG Rn. 2), nicht angenommen werden.
Auch die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Eigentums (Art. 14 GG; Art. 103 BayVerf) bedingt keine andere Auslegung. Zwar ist es bei einer getrennten Verwaltung in einer Mehrhausanlage denkbar, dass die Notwendigkeit der Instandhaltung und Instandsetzung von den Wohnungs- und Teileigentümern der einzelnen Häuser unterschiedlich beurteilt wird. Dies führt aber nicht dazu, dass die Möglichkeit einer getrennten Verwaltung als solche bereits von vornherein für verfassungsrechtlich bedenklich oder als unbillig (§ 242 BGB) anzusehen wäre. Ob und unter welchen Voraussetzungen die gegenseitige Bindung der Wohnungseigentümer untereinander im Einzelfall dazu führen kann, dass die ordnungsmäßige Verwaltung der gesamten Anlage - etwa im Hinblick auf die optische Gestaltung oder auf Verkehrssicherungspflichten - es erfordern könnte, innerhalb eines an sich selbständig verwalteten Teils bestimmte Maßnahmen zu beschließen oder zu veranlassen, stellt sich hier nicht.
b) Rechtsfehlerfrei ist das Beschwerdegericht zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Beschlussfassung zu TOP 4 und 5 hätte unterschieden werden müssen, ob die einzelnen von den beiden Sachverständigen festgestellten Baumängel ausschließlich eines der Häuser oder die Gesamtanlage wie z.B. Innenhofbelag betreffen. Eine solche Unterscheidung ist, wie aus den Gutachten ersichtlich ist, ohne weiteres möglich. Entsprechend hätte zu TOP 4 und 5 gesondert über die Instandsetzung (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG) entschieden werden müssen. Auf das Sondernutzungsrecht des Antragstellers an Kellerräumen in einem der ihm nicht gehörenden Häuser kommt es im gegebenen Zusammenhang nicht an. Das Landgericht hat daher zu Recht die im Widerspruch zur Teilungserklärung stehenden Beschlüsse für ungültig erklärt.
c) Entsprechendes gilt für den Beschluss über die Erhebung der Sonderumlage (TOP 6). Dieser bezieht sich zwar nicht auf die Mängelbeseitigung als solche, sondern auf die Rechtsverfolgung zum Zweck der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen. Auch insoweit ist es aber grundsätzlich möglich, über die Finanzierung für die Geltendmachung der einzelnen Mängelrügen gesondert zu entscheiden.
Sollten derartige Verfahren auf Grund inzwischen bestandskräftiger Eigentümerbeschlüsse bereits eingeleitet sein, ist zwar vorliegend keine gesonderte Entscheidung über die Rechtsverfolgung als solche mehr notwendig. Die Zahlungspflicht der einzelnen Wohnungseigentümer setzt aber einen Eigentümerbeschluss über den Gesamtbetrag der Umlage und über dessen betragsmäßige Verteilung auf die einzelnen Wohnungseigentümer voraus. Von der Ausweisung der betragsmäßigen Zahlungspflicht des einzelnen Wohnungseigentümers im Eigentümerbeschluss darf nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG NZM 2005, 110; zuletzt Beschluss vom 17.1.2005 - 2Z BR 200/04), der sich der Senat anschließt, nur dann abgesehen werden, wenn der geschuldete Betrag von den Wohnungseigentümern ohne weiteres selbst errechnet werden kann. Unterstellt man insoweit den Vortrag des Verwalters in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht, dass eine Verteilung nach 1000stel Miteigentumsanteilen beschlossen worden und lediglich die Protokollierung versehentlich unterblieben sei, als zutreffend, so stimmt diese Kostenverteilung jedenfalls nicht mit § 8 der Teilungserklärung überein. Dem Prinzip der größtmöglichen Selbständigkeit der einzelnen Häuser hätte es vielmehr entsprochen, auf Grund der von den Sachverständigen geschätzten Mängelbeseitigungskosten, die den ungefähren Streitwert der jeweiligen Verfahren bilden, die Umlagekosten gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 2 Gemeinschaftsordnung auf die einzelnen Häuser zu verteilen, sofern nicht die Gemeinschaft insgesamt betroffen ist.
Ende der Entscheidung
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