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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 25.06.2007
Aktenzeichen: 34 Wx 20/07
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 1004 Abs. 1
WEG § 14 Nr. 1
WEG § 15 Abs. 3
Der maximal zulässige Trittschall in Wohnungseigentumsanlagen kann nicht ausschließlich der einschlägigen DIN 4109 entnommen werden. Die zulässigen Werte sind vielmehr unter Berücksichtigung des besonderen Gepräges des betroffenen Gebäudes für den Einzelfall zu ermitteln.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind Wohnungseigentümer in einer im Jahr 1974 errichteten Wohnanlage. Sie streiten um die zulässige Höhe der von der Wohnung der Antragsgegner ausgehenden Geräuschemissionen. Die Baubeschreibung enthält zum Schallschutz folgende Angaben:

Schallschutz nach DIN 4109: sämtliche Wohn- und Tragwände über 400 kg/qm. Dadurch wird die nach DIN 4109 geforderte Schalldämmung übertroffen.

Schallschutz für Decken: Durch die Mindeststärke von 16 cm Stahlbeton wird die geforderte Luftschalldämmung nach DIN 4109 übertroffen. Trittschalldämmung erfolgt durch schwimmenden Estrich auf Dämmplatten.

Die im Erdgeschoss gelegene Wohnung der Antragsteller befindet sich direkt unter der im ersten Stock gelegenen Wohnung der Antragsgegner. Die Antragsgegner erwarben ihre Eigentumswohnung im Jahr 2003. Vor ihrem Einzug führten sie umfangreiche Renovierungsarbeiten in der Wohnung durch. Hierbei wurden der PVC-Boden in der Küche sowie die Teppichböden in Diele/Flur durch keramische Fliesen ersetzt. Die Teppichböden im Wohnzimmer wurden durch Fertigparkett und die im Kinder- und Schlafzimmer durch Laminat ersetzt. Das Bad blieb unverändert.

Die Antragsteller tragen vor, dass der Trittschall sich seit dem Austausch bzw. der Erneuerung der Bodenbeläge drastisch verschlechtert und ein unzumutbares Ausmaß erreicht habe.

Soweit in der Rechtsbeschwerdeinstanz noch erheblich, haben die Antragsteller beantragt:

1. Die Antragsgegner werden als Gesamtschuldner verpflichtet, die Veränderung des Fußbodenaufbaus in ihrer Eigentumswohnung derart zu beseitigen, dass der ursprüngliche, vor Durchführung der verändernden Fußbodenarbeiten zum 1.11.2003 bestehende Zustand wiederhergestellt wird.

2. Hilfsweise wird beantragt, dass die Antragsgegner gesamtschuldnerisch verpflichtet werden, die Veränderung ihres Fußbodenaufbaus in ihrer Eigentumswohnung so zu beseitigen, dass die entsprechenden Grenzwerte der DIN 4109 (Schallschutz im Hochbau) künftig im Verhältnis zur Eigentumswohnung der Antragsteller eingehalten werden.

Das Amtsgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 18.7.2005 abgewiesen. Dagegen haben die Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 12.1.2007 hat das Landgericht nach Hinzuziehung eines Sachverständigen für Schallschutz im Hochbau den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Antragsgegner als Gesamtschuldner verpflichtet, die Veränderung des Fußbodenaufbaus in ihrer Eigentumswohnung derart zu beseitigen, dass der ursprünglich vorhandene PVC-Bodenbelag in der Küche und die ursprünglich vorhandenen Teppichböden in Diele/Flur, im Wohnzimmer, im Kinderzimmer und im Elternschlafzimmer wiederhergestellt werden. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner, die eine Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses begehren.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner hat im Ergebnis keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragsteller hätten gemäß § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 BGB einen Anspruch gegen die Antragsgegner auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, da durch den Austausch des Bodenbelages eine deutlich wahrnehmbare Verschlechterung der Trittschalldämmung eingetreten sei, den die Antragsteller nicht hinzunehmen bräuchten, § 14 Nr. 1 WEG.

Aus dem Gutachten des Sachverständigen ergebe sich, dass bezogen auf den ursprünglich bauseitig vorhandenen Teppichboden eine Verschlechterung des Trittschallschutzes im Wohnzimmer, Eltern- und Kinderschlafzimmer zwischen 7 und 10 dB eingetreten sei, welche die zu tolerierende Verschlechterung von 1 dB bei weitem übersteige. Auch bei Zugrundelegung der Verhältnisse, die die Antragsgegner bei dem Erwerb ihrer Wohnung vorgefunden hätten, habe sich die Trittschalldämmung erheblich verschlechtert, nämlich um 2 und mehr dB. Noch deutlicher sei die Abweichung in Küche und Flur/Diele. Hier betrage die Verschlechterung gegenüber dem ursprünglichen Zustand 20 dB und hinsichtlich des zuletzt bestehenden Zustands immer noch 14 dB. Zwar habe der Sachverständige festgestellt, dass die Unterschiede bei Küche und Flur/Diele auch auf bauseitig verursachte Schallbrücken zurückzuführen seien. Die Antragsgegner als Störer könnten sich zu ihrer Entlastung jedoch nicht auf Mängel des Gemeinschaftseigentums berufen, wenn sie durch die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands die Trittschallbeeinträchtigung wieder beseitigen könnten.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

a) Das Landgericht hat entgegen § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG die übrigen Wohnungseigentümer nicht am Verfahren beteiligt. Dies ist vorliegend nicht zu beanstanden, da die übrigen Wohnungseigentümer von dem Verfahrensausgang nicht betroffen sind. Dies gilt auch, soweit Verschlechterungen des Trittschallschutzes ihre Ursache in Mängeln des Gemeinschaftseigentums haben könnten. Denn um deren Beseitigung geht es nicht. Auch der Senat hat deshalb von einer Beteiligung der übrigen Wohnungseigentümer abgesehen.

b) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass ein Anspruch nach § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 Abs. 1 BGB nur dann besteht, wenn die Rechte der Antragsteller über das in § 14 Nr. 1 WEG bezeichnete Maß hinaus beeinträchtigt werden.

(1) Ob andere Wohnungseigentümer durch eine bauliche Veränderung über das zulässige Maß hinaus beeinträchtigt werden, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung und ist durch das Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt nachprüfbar (BayObLG WuM 2004, 733). Ein der Rechtsbeschwerde zugänglicher Rechtsfehler kann im Subsumtionsvorgang liegen, wenn die Entscheidung des Tatrichters eine durch Tatsachen gestützte vollständige Abwägung der beteiligten Interessen vermissen lässt oder der Tatrichter bei der Bewertung relevanter Umstände unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. OLG Hamburg ZMR 2005, 71).

(2) Die Generalklausel des § 14 Nr. 1 WEG gibt Raum für eine die betroffenen Grundrechte berücksichtigende Auslegung. Bei sich gegenüberstehenden Grundrechten, hier aus Art. 14 GG, ist eine fallbezogene Abwägung der beiderseits grundrechtlich geschützten Interessen erforderlich (BVerfG NZM 2005, 182/183). Ob ein unvermeidbarer Nachteil vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (OLG München OLGR 2005, 405/406; Weitnauer/Lüke WEG 9. Aufl. § 14 Rn. 3). Dabei sind sowohl die örtlichen Gegebenheiten (MünchKomm/Commichau § 14 WEG Rn. 12) als auch Lage und Charakter des Gebäudes (Weitnauer/Lüke § 14 Rn. 3) zu berücksichtigen. Die maßgeblichen Umstände sind nach § 12 FGG von den Tatsacheninstanzen zu ermitteln.

(3) Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht nicht auf den in der DIN 4109 vorgegebenen Grenzwert zum Trittschallschutz, dies wären aktuell maximal 53 dB, sondern auf den konkreten Einzelfall abgestellt. Die DIN 4109 - Schallschutz im Hochbau - gilt nicht unmittelbar zwischen den Beteiligten. Sie hat allerdings erhebliches tatsächliches Gewicht bei Beurteilung der Frage, ob ein Nachteil im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG vorliegt. Regelmäßig wird dies bei Einhaltung der DIN 4109 nicht der Fall sein (vgl. OLG Frankfurt NZM 2005, 68/69). Rechtsgeschäftliche Regelungen zwischen den Beteiligten über den Trittschallschutz, etwa in der Teilungserklärung, fehlen. Aus dem unstreitigen und daher vom Senat verwertbaren Akteninhalt ergibt sich jedoch, dass bei Bauausführung ein die damalige DIN 4109 übersteigender Trittschallschutz beabsichtigt war, also der frühere Zustand nicht nur den damals geltenden technischen Normen entsprechen, sondern besser als von diesen Normen gefordert sein sollte. Wurde ein Gebäude jedoch in einem schalltechnisch besseren Zustand errichtet, als es vorgeschrieben gewesen wäre, so erhält das Gebäude hierdurch ein besonderes Gepräge, unabhängig davon, ob sich die Ausgestaltung auf Sonder- oder Gemeinschaftseigentum bezieht. Zwar ist die Baubeschreibung im vorliegenden Fall nicht verdinglicht, sondern nur Gegenstand der Kaufverträge. Die Ersterwerber konnten jedoch aufgrund der insoweit gleichlautenden Verträge davon ausgehen, dass das Gebäude in der beschriebenen Weise ausgestattet wird. Nachträglichen Erwerbern war der tatsächliche Bauzustand bekannt oder hätte bei entsprechender Besichtigung bekannt sein können. Der tatsächlich vorhandene Bauzustand kann deshalb bei einer interessengerechten Abwägung unter Berücksichtigung der beiderseitigen durch Art. 14 GG geschützten Interessen nicht außer Betracht bleiben (vgl. OLG München OLGR 2005, 405/406).

c) Unter Zugrundelegung dieser Gesichtspunkte ist die Interessenabwägung des Landgerichts nicht zu beanstanden.

(1) Die Entscheidung des Landgerichts hinsichtlich Küche und Diele/Flur, wo der Trittschallpegel 14 und 20 dB über dem ursprünglichen und jeweils 14 dB über dem Zustand von vor 2003 liegt, zudem auch 8 bis 9 dB über dem nach DIN 4109 (aktuelle Fassung) zulässigen Trittschallpegel von 53 dB, ist rechtsfehlerfrei. Ein solches Maß an Lärmsteigerung ist den Antragstellern von vornherein nicht zuzumuten.

Zu Recht ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass die Antragsgegner sich nicht auf Baumängel (Körperschallbrücken) im Gemeinschaftseigentum berufen können. Die Behebung dieser Baumängel würde die Wohnungseigentümergemeinschaft finanziell erheblich belasten. Unter diesen Umständen gebietet es die Treuepflicht der Wohnungseigentümer untereinander, dass ein Sondereigentümer sich nicht mit der Mangelhaftigkeit des Gemeinschaftseigentums entlasten kann, wenn er mit weit weniger aufwendigen Maßnahmen, etwa durch die Verlegung von Teppichboden anstelle von Fliesen oder Parkett, den notwendigen Schallschutz herbeiführen kann (OLG Düsseldorf NZM 2001, 958/959; OLG Frankfurt NZM 2005, 68/69).

(2) Aus der Feststellung der ursprünglichen, erheblich unter den jetzigen Werten liegenden Trittschallpegel, hat das Landgericht gefolgert, dass auch die aktuellen Trittschallwerte im Wohnzimmer sowie in Schlaf- und Kinderzimmer, die nach der zur Zeit gültigen DIN 4109 gerade noch zulässig wären, im konkreten Fall unzumutbar sind. Die gemessenen Werte liegen 1, 2 bzw. 3 dB unter den Grenzwerten der DIN 4109 (53 dB), jedoch 2, 4 bzw. 5 dB über dem vor der Renovierung bestehenden Zustand. Bereits durch frühere Renovierungen war jedoch der Schallschutz um 2 bis 6 dB verschlechtert worden. Damit hat sich der gegenüber dem ursprünglichen Zustand bereits verschlechterte Zustand durch die Renovierung der Antragsgegner weiter erheblich verschlechtert zu Lasten der Antragsteller. Die Entscheidung des Landgerichts, dass diese erneute Verschlechterung unzulässig ist, ist im Hinblick auf das besondere Gepräge dieser Wohnanlage, in der von Anfang an in der Baubeschreibung eine höhere als übliche Schallschutzdämmung beabsichtigt war und durch die individuelle Ausführung auch tatsächlich erreicht wurde, rechtsfehlerfrei.

3. Der Senat hat den Tenor des landgerichtlichen Beschlusses abgeändert. Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht über den vom Antragsteller gestellten Antrag hinausgehen wollte, liegen nicht vor.

Hinsichtlich des wiederherzustellenden Zustandes ist zu berücksichtigen, dass es den Antragsgegnern vorbehalten ist, auf welche Weise sie den von ihnen geschuldeten Trittschallschutz wiederherstellen. Daher war ihnen aufzugeben, das vor der Renovierung bestehende Niveau wiederherzustellen, nicht aber, eine bestimmte Verpflichtung auszusprechen, wie dies zu bewerkstelligen ist. Auf eine spezielle Art der Wiederherstellung haben die Antragsteller keinen Anspruch.

III.

1. Es erscheint gemäß § 47 WEG angemessen, den Antragsgegnern samtverbindlich die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen, weil sie unterlegen sind. Von einer Erstattungsanordnung hat der Senat schon angesichts der unterschiedlichen Entscheidungen der Tatsacheninstanzen abgesehen.

2. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG und übernimmt die insoweit unbeanstandete Festsetzung des Landgerichts.

Ende der Entscheidung

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