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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 03.05.2007
Aktenzeichen: 34 Wx 54/07
Rechtsgebiete: AsylVfG, AufenthG


Vorschriften:

AsylVfG § 71 Abs. 8
AsylVfG § 71 a
AufenthG § 57
AufenthG § 62 Abs. 2
Die Stellung eines Asylzweitantrags steht der Aufrechterhaltung von Zurückschiebungshaft grundsätzlich nicht entgegen, es sei denn, es wird ein weiteres Asylverfahren durchgeführt.
Gründe:

I.

Die Ausländerbehörde betreibt die Zurückschiebung des Betroffenen, eines sudanesischen Staatsangehörigen.

Der Betroffene wurde am 8.3.2007 am Hauptbahnhof in M./Bayern einer Personenkontrolle unterzogen, als er aus dem aus Italien kommenden Nachtzug ausstieg. Er war weder im Besitz eines gültigen Passes noch eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland. Bei seiner polizeilichen Vernehmung gab der Betroffene an, er sei Ende 2000 aus dem Sudan in die Niederlande eingereist und habe dort einen Asylantrag gestellt. Dieser sei etwa im Jahr 2003 abgelehnt worden. Danach sei er zunächst in den Niederlanden geblieben und habe später in Frankreich und in Luxemburg gelebt. Sein in Luxemburg gestellter Asylantrag sei ebenfalls abgelehnt worden. In den Jahren 2004 bis 2006 habe er gelegentlich auch in Italien und in Belgien gewohnt. Als er auf dem Hauptbahnhof aufgegriffen worden sei, sei er auf der Durchfahrt von Italien in die Niederlande gewesen. Aufgrund dieser Angaben betreibt die Ausländerbehörde gegen den Betroffenen die Zurückschiebung in die Niederlande bzw. nach Luxemburg, nachdem eine sofortige Zurückschiebung nach Österreich von den dortigen Behörden abgelehnt worden war.

Auf Antrag der zuständigen Ausländerbehörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 9.3.2007 Zurückschiebungshaft auf die Dauer von drei Monaten mit sofortiger Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Die sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss hat das Landgericht mit Beschluss vom 4.4.2007 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen. Er macht geltend, eine Zurückschiebung nach Luxemburg oder in die Niederlande sei nicht möglich, da er in diesen Ländern keine Aufenthaltsberechtigung habe. Eine Rücknahmeverpflichtung dieser Länder bestehe nicht. Die Zurückschiebung könne daher aus Gründen, die er nicht zu vertreten habe, nicht durchgeführt werden. Zudem habe er mit Schreiben vom 17.4.2007 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Anerkennung als Asylberechtigter beantragt. Er habe daher einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgestattung. § 14 Abs. 3 AsylVfG sei in seinem Fall nicht einschlägig.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. Bei ihm liege der Haftgrund des § 57 Abs. 3, § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vor, da er weder einen Pass noch einen gemäß § 4 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet besitze und somit unerlaubt im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei.

Zudem sei der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG gegeben. Es bestehe der begründete Verdacht, dass sich der Betroffene der Zurückschiebung entziehen wolle. Er verfüge über keinerlei soziale Bindungen in der Bundesrepublik und habe sich in den vergangenen Jahren international beweglich gezeigt. Er habe sich seinen eigenen Angaben zufolge im Jahr 2000 zunächst in den Niederlanden aufgehalten und sich danach nach Frankreich, Luxemburg, Italien und Belgien begeben. Einer Abschiebung in den Sudan versuche der Betroffene offensichtlich bereits seit dem Jahr 2000 durch wechselnde Aufenthaltsorte in Europa zu entgehen. Aufgrund dieser Umstände könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Betroffene, in Freiheit belassen, sich zur Durchführung der Zurückschiebung bereithalten und an der Zurückschiebung mitwirken werde. Vielmehr stehe zu befürchten, dass er im Ausland untertauchen werde, um die befürchtete Abschiebung in den Sudan zu verhindern.

Von der Anordnung der Zurückschiebungshaft habe auch nicht ausnahmsweise gemäß § 57 Abs. 3 i.V.m. § 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG abgesehen werden können. Der Betroffene habe nicht glaubhaft gemacht, dass er sich der Zurückschiebung nicht entziehen werde. Es stehe zudem nicht positiv fest, dass der Betroffene aus Gründen, die er nicht zu vertreten habe, nicht innerhalb der nächsten drei Monate in die Niederlande bzw. nach Luxemburg zurückgeschoben werden könne. Die Ausländerbehörde habe bereits das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge veranlasst, die Zurückschiebung des Betroffenen in eines dieser Länder zu prüfen. Eine Antwort des Bundesamtes stehe noch aus, sei aber in Bälde zu erwarten.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Überprüfung stand, § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, §§ 546, 559 Abs. 2 ZPO.

a) Der Betroffene ist aufgrund seiner unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 und 2, § 58 Abs. 1 und 2 Nr. 1, Abs. 3 AufenthG). Es besteht daher der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Dass sich der Betroffene der Zurückschiebung nicht entziehen will (vgl. § 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG), ist nicht glaubhaft gemacht. An dem Bestehen dieses Haftgrundes ändert auch ein möglicherweise nunmehr bestehender Anspruch auf Duldung gemäß § 71 a Abs. 3 AsylVfG nichts (OLG Köln vom 24.10.2001, OLG-Report 2002, 101).

b) Die Feststellung des Landgerichts, bei dem Betroffenen liege zudem der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG vor, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Der begründete Verdacht, der Betroffene werde sich der Zurückschiebung entziehen, setzt voraus, dass konkrete Umstände, insbesondere Äußerungen und Verhaltensweisen des Ausländers, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten bzw. nahe legen, der Ausländer beabsichtige unterzutauchen bzw. die Zurückschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden könnte (BGHZ 98, 109/112 f.). Die hierzu vom Landgericht festgestellten Umstände, insbesondere aber auch der jahrelange illegale Aufenthalt des Betroffenen in verschiedenen europäischen Ländern (Frankreich, Luxemburg, Italien, Belgien, eventuell zeitweilig auch in den Niederlanden), rechtfertigt die Schlussfolgerung des Landgerichts. Rechtsfehler sind dabei nicht erkennbar. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde kann nicht gerügt werden, dass die Schlussfolgerung des Tatsachengerichts nicht die einzige mögliche oder dass eine andere ebenso nahe oder näher gelegen hätte (Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 42).

c) Der am 17.4.2007 vom Betroffenen erstmals in Deutschland gestellte Asylantrag steht der Aufrechterhaltung der Zurückschiebungshaft nicht entgegen. Bei diesem Antrag handelt es sich um einen Zweitantrag im Sinne des § 71 a AsylVfG, da der Betroffene nach den Feststellungen des Landgerichts bereits in den Niederlanden einen (inzwischen abgelehnten) Asylantrag gestellt hatte. Für einen solchen Zweitantrag gilt gemäß § 71 a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG die Regelung des § 71 Abs. 8 AsylVfG entsprechend, d.h. die erneute Antragstellung steht der Anordnung bzw. Aufrechterhaltung von Abschiebungshaft nicht entgegen, es sei denn, dass ein weiteres Asylverfahren durchgeführt wird. Nach der gesetzlichen Wertung hat ein Asylantragsteller keinen Anspruch darauf, einen Asylfolge- oder einen Asylzweitantrag in Freiheit zu betreiben (vgl. OLG Köln vom 24.10.2001, OLG-Report 2002, 101). Für die Zurückschiebungshaft, die gemäß § 57 Abs. 3 AufenthG unter den gleichen Voraussetzungen wie Abschiebungshaft angeordnet werden kann, gilt dies entsprechend. Denn es ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit, ob der Anspruch des Einzelnen auf seine persönliche Freiheit oder der Anspruch des Staates auf den gesicherten Vollzug einer Abschiebung überwiegt. Das Gesetz misst mit der Regelung des § 71 Abs. 8 AsylVfG im Fall der wiederholten Asylantragstellung dem Anspruch des Staates höheres Gewicht bei. Für eine Differenzierung zwischen Abschiebungshaft und Zurückweisungshaft besteht im vorliegenden Fall keine Veranlassung (a. A. für Erstanträge Renner Ausländerrecht 8. Aufl. § 14 AsylVfG Rn. 18, 19). Ein möglicher Anspruch des Betroffenen auf Duldung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 71 a Abs. 3 AsylVfG steht daher der Aufrechterhaltung von Zurückschiebungshaft ebenfalls nicht entgegen.

d) Eine Zurückschiebung des Betroffenen ist nicht unmöglich. Die Ausländerbehörde hat zeitnah das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beteiligt, um eine Rückführung des Betroffenen mit den in Frage kommenden Staaten auf der Grundlage der entsprechenden Übereinkommen abzuklären. Ob insbesondere die Niederlande, wo nach Aussage des Betroffenen bereits ein Asylverfahren von ihm betrieben wurde und wo er nach seinen Angaben zumindest geduldet war, bereit ist, ihn wieder aufzunehmen, ist noch nicht geklärt. Ungeklärt ist zurzeit auch, welches Land für den Asylzweitantrag des Betroffenen entscheidungsbefugt ist. Grundsätzlich obliegt die Prüfung dem Land, in dem ein erster Asylantrag gestellt bzw. verbeschieden wurde (z.B. Art. 30 Abs. 1 lit. f, lit. g SDÜ, Art. 16 Abs. 1 lit. e i.V.m. Art. 20 Verordnung EG 343/2003 = Dublin-II-Abkommen). Dabei handelt es sich nicht um reine Rechtsfragen, sondern um in Absprache mit den Niederlanden und Luxemburg zu klärende Zuständigkeitsfragen. Unter diesen Umständen ist eine Zurückschiebung zurzeit jedenfalls nicht unmöglich.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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