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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 05.07.2006
Aktenzeichen: 34 Wx 63/06
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 1004 Abs. 1
WEG § 15 Abs. 1
WEG § 15 Abs. 3
WEG § 10 Abs. 1 Satz 2
Zur Auslegung einer Teilungserklärung, nach der "Sondereigentum an dem im Erdgeschoss gelegenen Ladenraum samt Ladenkeller und Nebenräumen im Kellergeschoss" begründet wird, im Hinblick auf die Frage der selbständigen gewerblichen Nutzbarkeit der Kellerräume.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer größeren Wohnanlage.

In der Teilungserklärung vom 20.7.1979 ist unter der Überschrift "Laden-Anbau" Folgendes aufgeführt:

Miteigentumsanteil zu 19,438/1000, verbunden mit dem Sondereigentum an dem Ladenlokal im Erdgeschoss und Nebenräumen im Kellergeschoss, Aufteilungsplan 100 und 100a.

Mit notarieller Urkunde vom 15.10.1982 erfolgte ein Nachtrag zur Teilungserklärung, in dem der Miteigentumsanteil im so genannten Ladenanbau wie folgt bezeichnet wurde:

Miteigentumsanteil zu 22,443/1000, verbunden mit dem Sondereigentum an dem im Erdgeschoss gelegenen Ladenraum samt Ladenkeller und Nebenräumen im Kellergeschoss, Aufteilungsplan Nr. 100 und 100a.

Im Jahre 1984 wurden die Gewerberäume in dem Ladenanbau in der Weise aufgeteilt, dass ein Miteigentumsanteil verbunden wurde mit einem Laden im Erdgeschoss und einem Raum im Kellergeschoss (Nrn. 100 und 100a neu) und ein weiterer Miteigentumsanteil verbunden war mit einem weiteren Laden im Erdgeschoss (Nr. 103) und einen weiteren Raum im Kellergeschoss (Nr. 103a). Anlässlich dieser Aufteilung bewilligte der Eigentümer des Miteigentumsanteils, der mit dem Sondereigentum an dem Laden Nr. 103 nebst Kellerraum Nr. 103a verbunden war, zugunsten des Antragstellers eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit des Inhalts, dass auf diesem Teileigentumsrecht kein Gewerbe betrieben werden darf, das die Herstellung, Lagerung oder den Verkauf von Schildern aller Art, insbesondere Kfz-Nummerschildern und Autozubehör aller Art zum Gegenstand hat.

Mit notarieller Urkunde vom 13.7.1990 unterteilte der Antragsteller seine Teileigentumseinheit Nr. 100 und Nr. 100a in der Weise, dass ein Miteigentumsanteil mit dem Sondereigentum am Laden (Nr. 100) und ein weiterer Miteigentumsanteil mit dem Sondereigentum am Kellerraum Nr. 100a verbunden wurde. Im Übrigen wurde auf die Aufteilung gemäß den Bestimmungen der Teilungserklärung vom 20.7.1979 samt Nachträgen verwiesen. Mit gleicher Urkunde veräußerte der Antragsteller an die Antragsgegnerin den Miteigentumsanteil, der mit dem Teileigentum an dem Raum Nr. 100a im Kellergeschoss des Ladenanbaus verbunden ist. Mit weiterem Nachtrag für diese Urkunde wurde auch der Vorraum zu dieser Einheit Nr. 100a vom Antragsteller an die Antragsgegnerin veräußert.

Der Antragsteller betreibt in dem Laden Nr. 100 einen Schilderdienst. Die Antragsgegnerin, Teileigentümerin der Einheiten Nr. 103 (Erdgeschoss), Nr. 103a und Nr. 100a (jeweils Kellergeschoss), hat mit Mietvertrag vom 9./12.12.2002 die ihr zustehenden Einheiten an die Firma E. Autoschilder GmbH (nachfolgend E.-GmbH) vermietet. In dem Mietvertrag ist garantiert, dass die Teileigentumseinheit Nr. 100a u.a. zur Herstellung und zum Vertrieb von Kfz-Kennzeichen und Schildern genutzt werden kann.

Eine vormals bestehende Trennwand zwischen den Einheiten im Keller mit der Nr. 100a und der Nr. 103a wurde entfernt und durch einen Raumteiler ersetzt.

Der Antragsteller vertritt die Auffassung, die Nutzung der Kellerräume Nr. 100a und Nr. 103a durch die Firma E.- GmbH als Gewerberäume verstoße gegen die Teilungserklärung und zudem, was den Raum Nr. 103a betreffe, gegen die ihm zustehende beschränkte persönliche Dienstbarkeit. Er hat daher beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Nutzung der Kellerräume Nr. 100a und Nr. 103a als Gewerberäume zu unterlassen. Das Amtsgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 29.7.2005 abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht durch Entscheidung vom 13.3.2006 die Antragsgegnerin unter Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses verpflichtet, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes zu unterlassen, die im Aufteilungsplan mit Nrn. 100a und 103a bezeichneten Räume im Kellergeschoss als selbständige Gewerberäume zu nutzen oder durch Dritte nutzen zu lassen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Antragsteller habe gegen die Antragsgegnerin nach § 15 Abs. 3 WEG Anspruch auf Unterlassung der Nutzung der Kellerräume Nr. 100a und Nr. 103a in der Weise, dass diese Kellerräume nicht unabhängig von dem Laden Nr. 103 als selbständiges Gewerbe betrieben werden dürften. Aus der Bezeichnung "Nebenräume im Kellergeschoss" bzw. "Ladenkeller und Nebenräume im Kellergeschoss" sei ersichtlich, dass für diese Räume keine selbständige Nutzung als Gewerberäume vorgesehen sei. Unstreitig sei, dass durch die Firma E.- GmbH gerade in den Kellerräumen der Betrieb des Schilderdienstes ausgeübt werde, wobei dahinstehen könne, ob der Dienst im Raum Nr. 100a und Nr. 103a betrieben werde, oder, wie von der Antragsgegnerin vorgetragen, nur im Raum Nr. 100a. In dem zwischen der Antragsgegnerin und der Firma E.- GmbH geschlossenen Mietvertrag habe die Antragsgegnerin als Vermieterin die Zulässigkeit der Nutzung des Raums Nr. 100a für einen Schilderdienst zugesichert. Jedenfalls werde entgegen den Bestimmungen der Teilungserklärung das Gewerbe nicht in der vorgesehenen Art und Weise im Erdgeschoss ausgeübt, sondern im Kellergeschoss. Auch der zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin geschlossene Vertrag enthalte keinen Hinweis darauf, dass die Kellerräume als Gewerberäume genutzt werden dürften. Ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung liege nicht vor, zumal eine Nutzung der Kellerräume als Nebenräume eines Ladenlokals im Erdgeschoss möglich sei. Darauf, dass die Nutzung der Kellerräume durch den Ehemann der Antragsgegnerin als Teil seines Architekturbüros unbeanstandet geblieben sei, komme es ebenso wenig an wie auf eine etwaige gewerbliche Nutzung des Raums Nr. 100a für ein Gewerbe für Feuerwehrbedarf vor 1990. Ob die Nutzung auch gegen die beschränkte persönliche Dienstbarkeit verstoße, sei ohne Bedeutung.

2. Die Ausführungen des Landgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch, die Nutzung der Kellerräume Nr. 100a und Nr. 103a in der Weise zu unterlassen, dass in diesen Räumen kein im Verhältnis zum Laden Nr. 103 selbständiges Gewerbe betrieben werden darf (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 15 Abs. 3 WEG).

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen, denen sich der Senat anschließt.

a) In der Teilungserklärung bzw. im Nachtrag zur Teilungserklärung sind die Räumlichkeiten Nr. 100a und Nr. 103a im Verhältnis zu den Ladenräumen im Erdgeschoss als "Nebenräume im Kellergeschoss" bzw. "Ladenkeller und Nebenräume im Kellergeschoss" bezeichnet. Hierin ist eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter zu sehen (§ 10 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 1 WEG; vgl. BayObLG OLG-Report 2005, 21 und 44).

Welche Nutzung dem vereinbarten Zweck entspricht, ist durch Auslegung zu ermitteln. Bei der Auslegung einer im Grundbuch eingetragenen Teilungserklärung ist, wie bei der Auslegung von Grundbucheintragungen allgemein, auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt. Umstände außerhalb der Eintragung können nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für Jedermann ohne weiteres erkennbar sind (st. Rspr., vgl. BGH WuM 2006, 270; OLG München NZM 2006, 225; Pick in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 8 Rn. 26 jeweils m.w.N.).

Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die im Kellergeschoss gelegenen Räumlichkeiten Nr. 100a und Nr. 103a in der Teilungserklärung den im Erdgeschoss des Ladenanbaus befindlichen als "Ladenlokal" nutzbaren Räumen als Nebenräume zugeordnet sind. Aus der Bezeichnung "Nebenräume" ergibt sich dabei, dass die Räume im Verhältnis zu den im Erdgeschoss gelegenen "Haupträumen" untergeordnete Funktion haben müssen, was den Betrieb eines hiervon unabhängigen selbständigen Gewerbes in diesen Räumen ausschließt. Die Verwendung des Begriffs "Ladenkeller" in dem Nachtrag zur Teilungserklärung, der im Zusammenhang mit dem Begriff "Nebenräumen" gebraucht wird, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die nachträgliche Bezeichnung der Kellereinheit als "Ladenkeller" spricht zwar dafür, dass nunmehr über den üblichen Gebrauch eines Kellers hinausgehend auch eine gewerbliche Nutzung zulässig sein kann. Aus der Formulierung "samt", die in der Teilungserklärung auch sonst die Zugehörigkeit von Haupt- und Nebenräumen kennzeichnet, folgt jedoch, dass eine von dem Laden im Erdgeschoss losgelöste gewerbliche Nutzung nicht in Betracht kommt. Dies hat das Landgericht in seiner Beschlussformel auch zum Ausdruck gebracht. In diesem Sinne bezeichnet der Begriff "Ladenkeller" einen zum Laden gehörenden Keller, nicht einen im Keller befindlichen selbständigen Laden. Angesichts des eine Zweckbestimmung enthaltenden Wortlauts der Teilungserklärung ist es dabei ohne Bedeutung, dass der Keller einen eigenen Eingang hat und somit unabhängig von den Ladenräumen im Erdgeschoss betreten werden kann. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass nach der Teilungserklärung (§ 5 Ziffer 2) die Aufteilung von Wohnungs- und Teileigentum in jeweils kleinere Einheiten ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zulässig ist. Denn die Zulässigkeit der Unterteilung bedingt nicht die Zulässigkeit einer Nutzungsänderung (BayObLG ZMR 2004,133).

b) Da die Firma E.- GmbH nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts jedenfalls im Raum Nr. 100a einen Schilderdienst betreibt und ihr Gewerbe nicht in dem im Erdgeschoss gelegenen Laden ausübt, kann der Antragsteller Unterlassung dieser von der Teilungserklärung abweichenden Nutzung verlangen. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise stört die Nutzung als eigenständiger Gewerberaum mehr als die Nutzung als Nebenraum (vgl. KK/WEG-Abra- menko § 14 Nr. 12).

c) Zutreffend geht die Beschwerdekammer auch davon aus, dass die Antragsgegnerin, die als Vermieterin der Firma E.- GmbH eine der Teilungserklärung widersprechende Nutzung jedenfalls des Kellerraums Nr. 100a nicht nur gestattet, sondern sogar zugesagt hat, als mittelbare Störerin auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann (vgl. BGH NJW 1998, 3273 und WuM 2006, 216; Palandt/Bassenge BGB 65. Aufl. § 1004 Rn. 17). Im Hinblick auf den Raum Nr. 103a liegt zwar eine ausdrückliche Gestattung gegenüber der Mieterin durch die auch durch die Dienstbarkeit gebundene Antragsgegnerin nicht vor. In Anbetracht der Tatsache, dass der Umfang der Nutzung dieser unmittelbar angrenzenden, nunmehr nur noch durch einen Raumteiler von den Räumen Nr. 100a abgegrenzten Räumlichkeiten als Laden durch die Firma E. GmbH zwischen den Beteiligten streitig ist und die Antragsgegnerin sämtliche Räume durch einheitlichen Mietvertrag an die Firma E.-GmbH zur Verfügung gestellt hat, ist sie auch insoweit als Störerin zu behandeln.

d) Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs stellt auch keine unzulässige Rechtsausübung dar (§ 242 BGB). Die angebliche frühere Nutzung der Kellerräume zum Betrieb eines Gewerbes für Feuerwehrbedarf vor 1990 führt nicht dazu, dass die Inanspruchnahme der Antragsgegnerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt als rechtsmissbräulich angesehen werden müsste. Die fragliche Nutzung liegt zeitlich erheblich zurück. Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Antragsgegnerin kann daraus, ohne dass es auf Einzelheiten ankäme, nicht abgeleitet werden. Gleiches gilt im Ergebnis für die Nutzung der Kellerräume als Besprechungsräume für das Architekturbüro des Ehemanns der Antragsgegnerin im Zeitraum zwischen ca. 1990 bis 2002. Denn diese Nutzung ist typischerweise mit erheblich geringerem Publikumsverkehr verbunden als die nun ausgeübte Nutzung.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 47 WEG. Es erscheint angemessen, der im Rechtsbeschwerdeverfahren unterlegenen Antragsgegnerin die gerichtlichen Kosten dieses Rechtszugs aufzuerlegen. Von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten wird im Hinblick auf die unterschiedlichen Entscheidungen der Vorinstanzen abgesehen.

Der Geschäftswert wird nach § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG entsprechend den unbeanstandet gebliebenen Festsetzungen der Vorinstanzen festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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