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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 27.07.2005
Aktenzeichen: 34 Wx 69/05
Rechtsgebiete: BGB, WEG
Vorschriften:
BGB § 1004 Abs. 1 | |
WEG § 15 Abs. 3 | |
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 1 | |
WEG § 43 Abs. 4 |
Gründe:
I.
Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die aus acht Häusern mit mehr als 200 Wohnungen besteht. Dem Antragsgegner gehört eine der Wohnungen; die Antragssteller sind die übrigen Wohnungseigentümer.
In § 4 Nr. 5 der im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung ist festgelegt, dass das Anbringen von Außenantennen untersagt ist.
Durch mehrheitlich gefassten, bestandskräftig gewordenen Beschluss der Eigentümerversammlung vom 1.12.1983 wurde dem Antragsgegner gestattet, auf dem Dach des Lifthäuschens eines der zu der Wohnanlage gehörenden Häuser eine Funkantenne anzubringen. Gleichzeitig wurde beschlossen, dass hierzu ein entsprechender Vertrag abzuschließen sei. In Vollzug dieses Beschlusses schloss die damalige Verwalterin mit dem Antragsgegner unter dem 26.5. /5.6.1984 einen "Antennenvertrag", der nach § 8 unbefristet und nur bei Obliegenheitsverletzungen und nach Abmahnung kündbar ist.
In der Folgezeit stellte der Antragsgegner die heute noch vorhandene Funkamateuranlage auf. Um zu dieser zu gelangen, muss der Antragsgegner entweder eine Fluchttreppe benutzen, die zu einer im Sondernutzungsrecht des jeweiligen Eigentümers einer zweistöckigen Penthousewohnung (Wohnung Nr. 206) stehenden Dachterrasse führt, oder er muss die Wohnung Nr. 206 durchqueren.
Da es im Laufe der Zeit zu Unstimmigkeiten und zu Bedenken hinsichtlich der von der Anlage ausgehenden Strahlungen kam, fassten die Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung vom 9.4.1997 unter Tagesordnungspunkt (TOP) 11 mit Stimmenmehrheit den Beschluss, dass die Genehmigung zum Betrieb einer Funkantenne widerrufen wird. Dieser Beschluss wurde nicht angefochten.
Die Antragsteller verlangen nunmehr vom Antragsgegner Beseitigung der Antenne. Das Amtsgericht hat dem Antrag am 11.10.2004 stattgegeben. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 2.5.2005 die gegen diese Entscheidung eingelegte sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Der Antragsgegner sei nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG zum Rückbau der Antenne verpflichtet. Bei der Errichtung der Dachantenne handele es sich um eine bauliche Veränderung, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehe. Die Teilungserklärung gestatte die Anbringung einer solchen Antenne nicht. Eine Zustimmung aller Wohnungseigentümer zur Errichtung der Antenne liege nicht vor. Der nichtige Beschluss der Eigentümerversammlung vom 1.12.1983 sei durch wirksamen und bestandskräftigen Beschluss vom 8.4.1997 widerrufen worden. Damit sei auch die Berechtigung aus dem Antennenvertrag aus dem Jahre 1984 entfallen. Die Antragsteller seien nicht gehindert, sich auf diesen Beschluss zu berufen. Verwirkung sei nicht eingetreten, zumal während der Zeit bis zur Aufforderung an den Antragsgegner im Dezember 2003, die Antenne zu beseitigen, eine gerichtliche Auseinandersetzung hinsichtlich der Antennennutzung anhängig gewesen sei und der Antragsgegner bezüglich der Antenne währenddessen auch keine Dispositionen getroffen habe. Die Antragsteller würden durch die Antenne über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt. Erforderliche Wartungsarbeiten könnten nur durchgeführt werden, indem die Wohnung Nr. 206 bzw. der zugehörige Sondernutzungsbereich betreten werde. Hinzu komme die optische Beeinträchtigung, da die Antenne jedenfalls von der Wohnung Nr. 206 aus deutlich sichtbar sei. Bei stärkerem Wind gingen von der Antenne auch Lärmbelästigungen aus.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Antragsgegner ist nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG zur Beseitigung der Antenne verpflichtet.
a) Entgegen den insoweit missverständlichen Formulierungen in der Entscheidung der Beschwerdekammer sind Beteiligte auf der Aktivseite die einzelnen Wohnungseigentümer mit Ausnahme des Antragsgegners, nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband.
Die vom Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 2.6.2006 (NJW 2005, 2061) anerkannte Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft ist nicht umfassend, sondern auf die Teilbereiche des Rechtslebens beschränkt, bei denen die Wohnungseigentümer im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnehmen (BGH NJW 2005, 2061/2068 unter III 12). Die Abwehr von Störungen innerhalb der Gemeinschaft betrifft nicht den Rechtsverkehr des Verbandes. Sie bleibt daher Angelegenheit der Wohnungseigentümer als Einzelpersonen mit der Folge, dass Verfahrensbeteiligte die einzelnen Wohnungseigentümer sind (vgl. BayObLGZ 2004,1/4 und BayObLG ZMR 1996, 565).
Der Entscheidung des Amtsgerichts ist hier die Eigentümerliste beigefügt; das Gericht der ersten Instanz spricht in der Begründung von den Antragstellern in der Mehrzahl. Das Landgericht bezeichnet im Rubrum seiner Entscheidung zwar die Antragsteller als "Gemeinschaft der Wohnungseigentümer" und verwendet in den Gründen bei der Bezeichnung der auf der Aktivseite Beteiligten die Einzahl ("Antragstellerin"). Da es diese Bezeichnung aber nicht näher begründet und auch nicht deutlich macht, dass es im Hinblick auf die Beteiligtenstellung der Wohnungseigentümer eine andere Auffassung vertreten will als das Amtsgericht, ist davon auszugehen, dass es sich lediglich um eine sprachliche Ungenauigkeit handelt, die nichts daran ändert, dass auch aus der Sicht des Landgerichts die einzelnen Wohnungseigentümer die Beteiligten sind.
Der Senat geht davon aus, dass der Verwalter neben seiner Organstellung für die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband im Einzelfall berechtigt sein kann, Individualansprüche der Wohnungseigentümer gerichtlich geltend zu machen, die Verwalterin hier also einen Anwalt für das vorliegende Verfahren beauftragen konnte (§ 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG; zur Problematik der gemeinschaftlichen Geltendmachung von Individualansprüchen s.a. Schmidt/Riecke ZMR 2005, 252/256).
b) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass es sich bei der Antennenanlage um eine bauliche Veränderung handelt, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgeht und daher nach § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedurft hätte (BayObLG NJW-RR 1996, 1358; Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 22 Rn. 54; Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. § 22 Rn. 9). Der entgegen § 4 Ziffer 5 der Teilungserklärung mehrheitlich gefasste Eigentümerbeschluss vom 1.12.1983 über die Genehmigung der Funkantenne konnte durch Mehrheitsbeschluss vom 9.4.1997 wirksam widerrufen werden. Die Eigentümerversammlung war hier nicht für eine Beschlussfassung absolut unzuständig (vgl. BGHZ 145, 148). Denn die Beschlussfassung zielte auf eine ordnungsmäßige, d.h. den Vorschriften der Teilungserklärung entsprechende Verwaltung ab (vgl. § 15 Abs. 2 WEG; s.a. Senat, Beschluss vom 29.6. 2005, 34 Wx 049/05; Niedenführ/Schulze § 22 Rn. 26).
c) Der bestandskräftige Eigentümerbeschluss vom 9.4.1997 führt dazu, dass die Antragsteller nunmehr unter den Voraussetzungen des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG Beseitigung der Antenne verlangen können.
Der Antragsgegner kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, dass der Antennenvertrag unbefristet geschlossen wurde. Denn mit dem Widerruf der Genehmigung hat der der Ausführung des Eigentümerbeschlusses vom 1.12.1983 dienende Vertrag seine Grundlage verloren. Dies muss der Antragsgegner, der als Wohnungseigentümer die Möglichkeit gehabt hätte, einen Antrag auf Ungültigerklärung des Beschlusses vom 9.4.1997 zu stellen (§ 23 Abs. 4, § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG), gegen sich gelten lassen. Der Antennenvertrag ist ergänzend dahingehend auszulegen, dass der Vertrag nur solange Bestand haben kann, als die Genehmigung fortbesteht.
d) Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragsteller von dem Antragsgegner als Handlungsstörer Beseitigung der Funkantenne verlangen können, da den übrigen Wohnungseigentümern durch die Antennenanlage ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil erwächst (§ 14 Nr. 1 WEG). Die Feststellung obliegt insoweit in erster Linie tatrichterlicher Würdigung und ist vom Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt nachprüfbar. Rechtsfehlerfrei und für den Senat bindend (§ 27 Abs. 1 FGG, § 559 Abs. 2 ZPO) geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die gut sichtbare Antenne eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung darstellt. Das Sondereigentum bzw. die Sondernutzungsfläche des Eigentümers der Penthousewohnung muss für Wartungsarbeiten betreten werden. Dass solche Arbeiten nur in mehrjährigen Abständen ausgeführt werden müssen, spielt keine Rolle. Die Antenne ist jedenfalls von der Wohnung Nr. 206 aus deutlich sichtbar, stellt also eine optische Beeinträchtigung dar. Zudem verursacht sie Lärmbelästigungen.
e) Der Antragsgegner kann dem Anspruch auf Beseitigung der Funkantenne nicht sein Eigentum an der Antenne, also ein Recht aus Art. 14 GG entgegenhalten. Denn dieses Recht gibt dem Antragsgegner keine Befugnis, die Antenne an einem bestimmten Ort aufgestellt zu lassen. Soweit der Antragsgegner einwendet, er habe im Vertrauen auf den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 1.12.1983 und auf den Antennenvertrag vermögenswerte Investitionen getätigt, hätte er bereits gegen den den Widerruf der Gestattung beinhaltenden Eigentümerbeschluss vom 9.4.1997 vorgehen müssen. Dies aber ist nicht geschehen.
f) Das Recht der Antragsteller, die Beseitigung der Antenne zu verlangen, ist nicht verwirkt.
Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten sich darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen wird (Palandt/Heinrichs BGB 64. Aufl. § 242 Rn. 87; Merle in Bärmann/ Pick/Merle § 22 Rn. 77). Über den bloßen Zeitablauf hinaus müssen besondere Umstände vorliegen, die die Feststellung rechtfertigen, der Verpflichtete habe darauf vertrauen können, dass der Berechtigte sein Recht nicht mehr durchsetzen will. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Zeitraum von rund sechseinhalb Jahren zwischen Beschlussfassung am 9.4.1997 und Aufforderung zur Beseitigung der Antenne im Dezember 2003 nicht ausreicht, um Verwirkung anzunehmen, zumal im Jahr 2003 zwischen den Beteiligten noch ein anderes gerichtliches Verfahren über die Nutzung der Antennenanlage anhängig war (vgl. den Beschluss des BayObLG vom 8.4.2004, 2Z BR 233/03 = OLG-Report 2004, 327). Auf die Duldung der Antenne seit 1984 kann in diesem Zusammenhang nicht abgestellt werden, da, unabhängig von der Wirksamkeit des Beschlusses vom 1.12.1983, die Wohnungseigentümer erst nach dem Widerruf der Gestattung der Anlage und einer entsprechenden Willensbildung faktisch in der Lage waren, den Beseitigungsanspruch durchzusetzen. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner auf Grund besonderer Umstände Anlass hatte, darauf zu vertrauen, die Antragsteller würden ihr Recht nicht mehr geltend machen. Im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat er zudem vorgetragen, in den letzten Jahren für die wartungsfreie Anlage keine Aufwendungen getätigt zu haben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht der Billigkeit, dem in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsgegner nicht nur die gerichtlichen, sondern auch die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Die Festsetzung des Geschäftswerts ergibt sich aus § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Maßgebend ist insoweit das Interesse der Beteiligten an der Entscheidung. Verfahrensgegenstand ist die Beseitigung einer baulichen Veränderung, so dass es in erster Linie auf die konkreten Einbau- und Beseitigungskosten ankommt (BayObLG WuM 1998, 688/689; Niedenführ/Schulze § 48 Rn. 32), die der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht auf 4.000 EUR veranschlagt. Auf den wirtschaftlichen Wert der Antenne kommt es dagegen nicht an, da diese in ihrer Substanz und ihrer grundsätzlichen Einsatzmöglichkeit erhalten bleibt.
Ende der Entscheidung
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