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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 19.07.2006
Aktenzeichen: 34 Wx 74/06
Rechtsgebiete: FreihEntzG, AufenthG


Vorschriften:

FreihEntzG § 4
FreihEntzG § 5 Abs. 1
FreihEntzG § 12
AufenthG § 62 Abs. 2
AufenthG § 106 Abs. 2 Satz 2
1. Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts für die Anordnung von Sicherungshaft gegen einen Ausländer, dessen Luftabschiebung scheitert, weil er sich bei einem Zwischenstopp im Ausland weigerte, die Anschlussmaschine zu benutzen, bestimmt sich nach § 4 Abs. 1 FreihEntzG auch dann, wenn für den Vollzug der vorausgegangenen Abschiebungshaft ein anderes Amtsgericht zuständig war.

2. Zur "relevanten Zäsur" und zum Fortbestand einer Verfahrensvollmacht für das Abschiebungshaftverfahren bei Haftunterbrechungen.

3. Zur Pflicht des Tatrichters, in Abschiebungshaftsachen den Betroffenen in Anwesenheit seines Verfahrensbevollmächtigten anzuhören.


Gründe:

I.

Die Ausländerbehörde betrieb die Abschiebung des Betroffenen, eines afghanischen Staatsangehörigen. Der Betroffene wurde am 27.7.2005 am Flughafen München bei der Ausreisekontrolle für einen Flug nach Kanada festgenommen, als er bei dieser Gelegenheit einen verfälschten deutschen Reisepass vorwies. Für die Bundesrepublik Deutschland besaß der Betroffene keine Aufenthaltserlaubnis. Der von ihm 1998 gestellte Asylantrag wurde im Jahr 1999 bestandskräftig abgelehnt. Ebenfalls ohne Erfolg blieb ein in den Niederlanden im Jahr 2000 gestellter Asylantrag.

Bei seiner polizeilichen Vernehmung am 27.7.2005 gab der Betroffene zunächst falsche Personalien an. Er behauptete u.a., eine Woche zuvor unter einem anderen Namen nach Schweden geflogen zu sein, um von dort weiter nach Kanada zu reisen. Erst auf Vorhalt gab er seinen richtigen Namen preis und räumte ein, sich seit dem Jahr 2000 als Asylbewerber in den Niederlanden aufgehalten zu haben. Infolge Ablaufs seiner dortigen Aufenthaltsgenehmigung habe er sich einen gefälschten deutschen Reisepass beschafft. Am 27.7.2005 habe er die Niederlande verlassen, um am 28.7.2005 von Stockholm über München nach Kanada zu fliegen.

Auf Antrag der zuständigen Ausländerbehörde ordnete das Amtsgericht E. am 28.7.2005 mit sofortiger Wirksamkeit Abschiebungshaft bis zur Dauer von längstens drei Monaten an. Am 24.10.2005 gab das Amtsgericht E. das Verfahren an das Amtsgericht M. ab, in dessen Bezirk die Abschiebungshaft vollzogen wurde.

Das Amtsgericht M. ordnete am 25.10.2005 erneut Abschiebungshaft mit sofortiger Wirksamkeit für längstens weitere drei Monate im Anschluss an die bestehende Haft an. Rechtsmittel gegen diesen Beschluss blieben erfolglos; mit seiner Entscheidung vom 23.12.2005 (34 Wx 177/05) bestätigte der Senat die Haftanordnung.

Mit für sofort wirksam erklärten Beschluss vom 27.1.2006 ordnete das Amtsgericht M. die weitere Abschiebungshaft bis zur möglichen Abschiebung, längstens jedoch auf die Dauer von drei Wochen, im Anschluss an die bestehende Abschiebungshaft an. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen blieb gemäß Beschluss des Landgerichts vom 14.2.2006 erfolglos.

Am 12.1.2006 stellte der Betroffene aus der Haft heraus erneut einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 23.1.2006 ablehnte. Eine am 15.2.2006 vorgesehene Abschiebung ohne Sicherheitsbegleitung auf dem Luftweg scheiterte daran, dass der Betroffene in Doha (Katar) sich weigerte, einen Anschlussflug über Dehli nach Kabul zu nehmen. Stattdessen kehrte er auf dem Luftweg zurück, wurde bei seiner Ankunft in München am 17.2.2006 vorläufig festgenommen und gemäß dem für sofort wirksam erklärten Beschluss des Amtsgerichts E. vom 18.2.2006 (Samstag) zur Sicherung der Abschiebung längstens bis zum Ablauf des 16.5.2006 erneut in Abschiebungshaft genommen. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit Beschluss vom 4.4.2006, zugestellt am 18.4.2006, zurückgewiesen. Gegen die landgerichtliche Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 2.5.2006.

Ursprünglich hätte der Betroffene auf dem Luftweg nunmehr am 21.4.2006 abgeschoben werden sollen. Jedoch verpflichtete das angerufene Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18.4.2006 die Bundesrepublik Deutschland, gegenüber der Ausländerbehörde zu erklären, dass der Betroffene bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 4.4.2006 nicht nach Afghanistan abgeschoben werden dürfe. Der Betroffene wurde daraufhin nach Bekanntgabe des Beschlusses am 19.4.2006 aus der Abschiebungshaft entlassen. Er beantragt im Rahmen seines Rechtsmittels nunmehr, die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 18.2.2006 und des Landgerichts vom 4.4.2006 aufzuheben und die Rechtswidrigkeit der auf ihrer Grundlage vollzogenen Abschiebungshaft festzustellen.

II.

Dem auch im Übrigen zulässigen Rechtsmittel (§ 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG) steht die Erledigung der Hauptsache noch vor der Beschwerdeeinlegung nicht entgegen. Der Beschwerdeführer kann nach der Rechtsprechung des Senats gegen die noch vom Landgericht bestätigte Aufrechterhaltung der Haftanordnung nach zwischenzeitlicher Entlassung aus der Haft sofortige weitere Beschwerde mit dem Rechtsschutzziel einlegen, die Rechtswidrigkeit der aufgrund der angegriffenen Haftanordnung vollzogenen Freiheitsentziehung festzustellen (z.B. Beschlüsse vom 10.4.2006, 34 Wx 038/06 und 34 Wx 042/06; siehe BVerfG vom 31.10.2005, 2 BvR 2233/05 = wistra 2006, 59; BVerfG AuAS 2002, 200). Daran ändert nichts, dass es formal der Aufhebung der Haftanordnung (wegen Erledigung durch Zeitablauf bzw. Haftentlassung) nicht mehr bedarf und das Rechtsschutzziel des Betroffenen schon durch die begehrte Rechtswidrigkeitsfeststellung erreicht wird.

Der landgerichtliche Beschluss bietet für die in der Rechtsbeschwerdeinstanz begehrte Feststellung eine ausreichende tatsächliche Grundlage. Das Beschwerdegericht ist gemäß den Gründen des Beschlusses nämlich von der Rechtmäßigkeit der Haft nicht nur für den Zeitpunkt seiner getroffenen Entscheidung (§ 23 FGG; siehe BGHZ 75, 375/380), sondern auch bereits für den Zeitpunkt der Anordnung ausgegangen. Der festgestellte Sachverhalt, von dem der Senat auszugehen hat, reicht insoweit aus.

1. Das Landgericht hat zur Rechtsmäßigkeit der Haft ausgeführt:

Die Voraussetzungen für die Anordnung von Abschiebungshaft lägen vor. Aufgrund der bestandskräftigen Ablehnung des ursprünglichen Asylantrags sei die Ausreisepflicht vollziehbar. Da dem Betroffenen Einreise und Aufenthalt in den Niederlanden und in Schweden nicht gestattet gewesen seien, sei er seiner Ausreiseverpflichtung durch die Einreise in diesen Ländern nicht nachgekommen. Darüber hinaus sei der Betroffene durch die unerlaubte Einreise vom 27.7.2005 vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Es läge demnach der Haftgrund gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vor, darüber hinaus auch der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG, weil sich der Betroffene in Doha/Katar geweigert habe, umzusteigen. Es bestehe zudem der begründete Verdacht, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen werde § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG. Er sei bereits einmal untergetaucht und habe sich unerlaubt in ein anderes EU-Land begeben. Ferner habe er sich einen verfälschten deutschen Reisepass käuflich erworben und verwendet.

Die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate sei zu erwarten. So solle die nun sicherheitsbegleitete Abschiebung am 21.4.2006 stattfinden. Die weitere Anordnung von Sicherungshaft sei nicht unverhältnismäßig. Der Betroffene habe zunächst die Passersatzbeschaffung erschwert. Erst nach einer Sammelvorführung sei vom afghanischen Generalkonsulat ein Reisepass ausgestellt worden. Die Verzögerung der Passausstellung habe sich der Betroffene zuzuschreiben, weil er darauf beharrt habe, in die Niederlande abgeschoben zu werden. Zudem habe er die für 15.2.2006 organisierte Abschiebung verhindert.

Von einer erneuten Anhörung des zeitnah richterlich angehörten Betroffenen werde Abstand genommen, weil eine weitere Sachaufklärung nicht zu erwarten sei.

2. Die sofortige weitere Beschwerde bleibt im Ergebnis erfolglos. Die Inhaftierung des Betroffenen in der Zeit vom 18.2. bis 19.4.2006 war nicht rechtswidrig.

a) Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts E., in dessen Bezirk der Flughafen München liegt, war für die erneute Anordnung der Sicherungshaft gegeben (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz, Satz 2 FreihEntzG). Einer Abgabe des Verfahrens durch das Amtsgericht M., das als Gericht des Haftvollzugsortes vor der gescheiterten Abschiebung örtlich zuständig war (§ 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG), kam nicht in Betracht. Es handelte sich nämlich um keine Entscheidung über die Haftfortdauer, für die § 4 FreihEntzG nicht gilt (siehe § 12 FreihEntzG; dazu Senat vom 26.4.2004, 34 Wx 044/06). Die vorangegangene Haft war beendigt mit der begonnenen Abschiebung, d.h. der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht, indem der Ausländer entgegen seinem Willen zum Flug nach Doha/Katar gezwungen wurde. Die frühere Haftanordnung war dadurch erledigt und entfaltete keine Wirkung mehr. Demzufolge bedingte die Rückkehr des Betroffenen am 17.2.2006 eine dem § 4 FreihEntzG unterliegende Neuentscheidung über die Freiheitsentziehung. Soweit in anderem Zusammenhang (siehe unter c.(1).; e.(1)) die nun angeordnete Haft mit der vorausgegangenen Haft eine Einheit bildet, kann dieser Umstand nicht übertragen werden, weil die Zuständigkeitsfrage ansonsten, etwa zur "relevanten Zäsur", mit unerträglichen Unsicherheiten belastet wäre.

b) Im Ergebnis rechtsfehlerfrei sind die Feststellungen des Landgerichts zum Vorliegen von Haftgründen jedenfalls gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und 5 AufenthG. Die Weigerung, im Zuge der Abschiebung in eine Anschlussmaschine umzusteigen, bildet einen Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG (OLG Frankfurt EZAR 048 Nr. 43; BayObLG EZAR 048 Nr. 41), weil dadurch der Rückflug an den Ausgangsflughafen (München) erzwungen wurde. Dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen will (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG), konnte das Landgericht im Übrigen aus seinem vorangegangenen Verhalten (Untertauchen, Verwendung eines käuflich erworbenen gefälschten Reisepasses) rechtsfehlerfrei schließen. Ob sich ein solcher Schluss auch aus seinem Verhalten anlässlich des Abschiebungsvorgangs am 15.2.2006 aufdrängt oder zumindest noch verstärkt, kann dahin stehen. Dahinstehen kann darüber hinaus im Hinblick auf den nicht zweifelsfrei geklärten aufenthaltsrechtlichen Status des Betroffenen in anderen EU-Staaten hier auch, ob zusätzlich ein Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG bestanden hat.

c) Im Zeitpunkt der neuerlichen Haftentscheidung (und bis zur Haftentlassung) lagen die dafür maßgeblichen Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Satz 2 AufenthG für eine Verlängerung der Haft über sechs Monate hinaus vor.

(1) Ungeachtet der formalen Unterbrechung der Abschiebungshaft durch die versuchte, aber gescheiterte Abschiebung in der Zeit vom 15. bis 17.2.2006 kann von einer "relevanten Zäsur" (vgl. KG FGPrax 2000, 84; OLG Schleswig FGPrax 1996, 38) nicht die Rede sein. Es geht nach wie vor um die Abschiebung auf der Grundlage der Vorkommnisse vom 27.7.2005 in Verbindung mit dem zuvor abgelehnten Asylantrag und dem Untertauchen des Betroffenen. Demnach setzt eine erneute Haftanordnung, nachdem sich der Betroffene seit 28.7.2005 bereits mehr als sechs Monate in Sicherungshaft befunden hatte, voraus, dass der Ausländer seine Abschiebung verhindert und dieses Verhinderungsverhalten gerade kausal für die über sechs Monate hinausgehende Haft ist (KG FGPrax 2000, 83; BayObLG vom 16.6.2004, bei Melchior, Abschiebungshaft, Anhang).

(2) Ein Verhindern im Sinne des Gesetzes liegt vor, wenn ein vom Willen des Betroffenen abhängiges pflichtwidriges Verhalten ursächlich dafür ist, dass die Abschiebung nicht innerhalb der ersten sechs Monate erfolgen konnte (etwa BayObLGZ 1997, 77/79; 1995, 229).

Das Landgericht hat dies rechtsfehlerfrei bejaht, indem es feststellte, der Betroffene habe die notwendige Passersatzbeschaffung erschwert und die erforderlichen Unterschriften verweigert; eine Verzögerung habe er auch dadurch herbeigeführt, dass er auf eine mangels Aufenthaltstitels nicht durchführbare Abschiebung in die Niederlande beharrt habe. Ergänzend ergibt sich aus einem vorangegangenen landgerichtlichen Beschluss vom 14.2.2006, dass der für die Abschiebung notwendige afghanische Reisepass für den Betroffenen aus von ihm zu vertretenden Gründen der Ausländerbehörde erst seit 26.1.2006 vorlag. Damit in einem zureichenden zeitlichen Zusammenhang steht noch der Abschiebeversuch am 15.2.2006.

Auch soweit das Landgericht im Verhalten des Betroffenen am 15.2.2006 ein (weiteres) Verhindern der Abschiebung erkannte, ist dem zu folgen. Die Abschiebung verhindert auch, wer in deren Verlauf seinen Rückflug nach Deutschland erzwingt (BayObLGZ 1998, 64). Dabei spielt es keine Rolle, ob das Verhinderungsverhalten des Ausländers sich noch im Inland oder erst im Ausland, etwa bei einem Zwischenstopp (BayObLG NVwZ-Beilage 1998, 54) oder gar erst im vorgesehenen Zielland (BayObLGZ 1998, 64/65) abspielt. Maßgeblich ist, dass der Abschiebungsvorgang, nämlich die Übergabe an die Behörden des Ziellandes oder aber die Einreise im Zielland, nicht erfolgreich abgeschlossen, sondern der Rückflug nach Deutschland erzwungen wird. Damit ist die Ausreisepflicht nicht erfüllt (siehe BVerwG NVwZ 1991, 273), deren Vollstreckung die Abschiebung als Maßnahme des Verwaltungszwangs dient (Renner Ausländerrecht 8. Aufl. § 58 AufenthG Rn. 2). Es ist unerheblich, ob die Abschiebung durch Sicherheitsbegleitung überwacht wird oder nicht. Die Pflicht des Ausländers, alles zu unterlassen, was den Vollzug der Ausreisepflicht verhindert, ergibt sich aus § 50 Abs. 1 AufenthG. Es liegt auf der Hand, dass die Weigerung in Doha/Katar, in eine Maschine nach Delhi und dann weiter nach Kabul umzusteigen, den Rückflug nach Deutschland bedingt, weil eine Aufenthaltsgestattung für Katar ersichtlich nicht bestand.

d) Der Haftrichter hat im Übrigen nicht zu prüfen, ob die Abschiebung zu Recht betrieben wurde bzw. wohin sie durchgeführt werden kann (z.B. KG InfAuslR 2000, 230/232). Soweit das Verwaltungsgericht auf Eilantrag des Betroffenen mit Beschluss vom 18.4.2006 die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet hat, der Ausländerbehörde gegenüber zu erklären, dass der Betroffene bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nicht nach Afghanistan abgeschoben werden dürfe, und dies mit der extremen Gefahrenlage afghanischer Flüchtlinge bei ihrer Rückkehr nach Afghanistan wegen der dort gegebenen Verhältnisse begründet hat, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungshaft in dem hier gegenständlichen Zeitraum. Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts billigt die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Abschiebungshindernissen und Hafthindernissen. Allerdings ist Abschiebungshaft unzulässig, wenn feststeht, dass die Voraussetzungen einer Duldungserteilung vorliegen (BVerfG NStZ 2003, 489). Verfassungsrechtlich ist es jedoch bedenkenfrei, wenn aufgrund der gesetzlichen Kompetenzverteilung zwischen den Verwaltungsgerichten und den Haftgerichten letzteren eine inhaltliche Prüfung der Erfolgsaussichten eines Asylfolgeantrags (hier mit dem Ziel der Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG) grundsätzlich versagt ist (BVerfG AuAS 1996, 42; siehe auch OLG Zweibrücken EZAR 048 Nr. 56). Der Beschluss des Verwaltungsgerichts stammt im Übrigen erst vom 18.4.2006, und ist nur vorläufig. Die Undurchführbarkeit der Abschiebung stand jedenfalls bis dahin nicht fest.

e) Allerdings hat das Amtsgericht verfahrensfehlerhaft den in der Abschiebungshaftsache zuvor schon im Februar 2006 zur Vertretung bestellten anwaltlichen Bevollmächtigten nicht vom Anhörungstermin verständigt (OLG Celle InfAuslR 1999, 462; OLG Rostock vom 27.3.2006, 3 W 16/06, bei Melchior, Abschiebungshaft, Anhang).

(1) Dem Amtsgericht lagen in den seinerzeit unmittelbar zugänglichen Aktenstücken keine Hinweise auf eine anwaltliche Vertretung des Betroffenen für das Abschiebungshaftverfahren vor, das trotz der Unterbrechung (siehe oben zu a) insoweit als Einheit zu sehen ist (OLG Schleswig NVwZ 1996, 1142/1143; Senat vom 26.4.2006, 34 Wx 044/06). Die im richterlichen Protokoll der Anhörung festgehaltene Bitte, den Bevollmächtigten zu informieren, wurde erst nach erfolgter Einlassung des Betroffenen zur Sache und nach Erlass des Haftanordnungsbeschlusses geäußert. Es hätte sich jedoch aufgedrängt, im Rahmen der Amtsermittlung nach § 12 FGG die für das vorangegangene Abschiebungshaftverfahren angelegten Akten beizuziehen und zu verwerten, zumal die vorangegangene Haftdauer schon erheblich war und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine sorgfältige Abwägung erforderte. Denn das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Ausländers gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Durchsetzung ausländerrechtlicher Vorschriften vergrößert sich regelmäßig mit zunehmender Dauer der Haft (BVerfG InfAuslR 2000, 221/222; siehe auch BayObLGZ 1998, 64). Dem hätte auch im Rahmen des richterlichen Bereitschaftsdienstes etwa dadurch Rechnung getragen werden können, dass Freiheitsentziehung zunächst nur einstweilig angeordnet wird (siehe § 11 FreihEntzG) und im nahen zeitlichen Abstand sodann mit den maßgeblichen Unterlagen zur vorherigen Freiheitsentziehung eine endgültige Entscheidung getroffen wird. Aus den Verfahrensakten hätte sich ergeben, dass der Betroffene seinen anwaltlichen Vertretern unter dem 28.11.2005 eine umfassende Vollmacht für das Abschiebungshaftverfahren erteilt hatte. Die Vollmacht gelangte am 6.2.2006 zu den Gerichtsakten.

(2) Dieser Verfahrensfehler ist aber nachträglich jedenfalls dadurch geheilt, dass das Amtsgericht den Verfahrensbevollmächtigten auf die entsprechende Bitte des Betroffenen von der Inhaftnahme verständigt hat und dieser vor dem Landgericht umfassend Gelegenheit zum Vortrag erhielt (vgl. BayObLG InfAuslR 2001, 178; Senat vom 22.5.2006, 34 Wx 068/06). Das Landgericht als zweite vollständige Tatsacheninstanz hat die in der Beschwerde vorgebrachten Einwände insbesondere zum Haftgrund und zur Haftdauer ausreichend gewürdigt und in seiner Entscheidung berücksichtigt.

Allerdings hat das Landgericht von der an sich gebotenen erneuten Anhörung des Betroffenen (vgl. § 5 Abs. 1 FreihEntzG) abgesehen. Die Frage, ob die persönliche Anhörung veranlasst ist, hätte sich dem Beschwerdegericht jedoch gerade auch deswegen stellen müssen, weil die Anhörung vor dem Amtsgericht wegen unterbliebener Beteiligung des Bevollmächtigten verfahrensfehlerhaft war (vgl. OLG Celle InfAuslR 1999, 462; OLG Rostock vom 27.3.2006, bei Melchior, Abschiebungshaft, Anhang). Jedoch hätte die Anhörung hier keine weiteren für die Haftentscheidung erheblichen Tatsachen, nämlich zu den Haftgründen, zu Hafthindernissen, zur Frage des Verhinderns der Abschiebung wie zur Verhältnismäßigkeit der weiteren Haft zutage fördern können. Die Aufklärung eines jedenfalls nicht offensichtlichen Abschiebungshindernisses (siehe oben unter d) lag nicht in der Kompetenz des Haftgerichts.

(3) Soweit das Oberlandesgericht Rostock (a.a.O.) aus der unterbliebenen Hinzuziehung des bestellten Anwalts die Rechtswidrigkeit der Haft folgert, lag der dortigen Entscheidung ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Anders als dort wurde hier mit der sofortigen Beschwerde nicht zugleich gerügt, als bestellter Bevollmächtigter vom Amtsgericht nicht beigezogen worden zu sein. Die Rüge wurde erst in der Rechtsbeschwerde erhoben. Der Senat verkennt nicht den hohen Rang der gesetzlichen Verfahrensgarantien nach dem Freiheitsentziehungsgesetz, die vor dem Hintergrund von Art. 104 GG zu sehen sind. Jedenfalls wenn der Betroffene nicht ausdrücklich die unterbliebene Verständigung seines Bevollmächtigten vom Anhörungstermin rügt und etwa deswegen sich weigert, Angaben zur Sache zu machen (so bei OLG Celle a.a.O.), oder aber zumindest mit seinem Rechtsmittel diesen Fehler beanstandet und auf seiner persönlichen richterlichen Anhörung in Gegenwart seines Bevollmächtigten besteht, sieht der Senat keinen Grund, von seiner bisherigen Rechtsprechung (z.B. Beschluss vom 1.2.2006, 34 Wx 012/06; Beschluss vom 31.8.2005, 34 Wx 107/05) abzuweichen, nach der das Unterbleiben der mündlichen Anhörung im zweiten Rechtszug dann nicht verfahrensfehlerhaft ist, wenn ausgeschlossen werden kann, dass die Anhörung entscheidungserhebliche Tatsachen noch hätte zutage fördern können

3. Nach alledem kann auch eine Auslagenentscheidung zugunsten des Betroffenen (§ 16 Satz 1 FreihEntzG) nicht ergehen. Ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags lag nämlich vor.

Ende der Entscheidung

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