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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 11.12.2007
Aktenzeichen: 34 Wx 91/07
Rechtsgebiete: BGB, WEG
Vorschriften:
BGB § 174 | |
WEG § 23 Abs. 4 (a.F.) |
Tatbestand:
Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die aus insgesamt 50 Einheiten besteht und gegenwärtig von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Die Antragsgegnerin zu 1 war im Februar 2006 Verwalterin der Wohnanlage. Sie ist auch Teileigentümerin von fünf Garagen.
Die Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung vom 9.4.1999 bestimmt unter A.
XIII 4:
Die Eigentümerversammlung ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte aller Miteigentumsanteile vertreten sind. Ein Miteigentümer kann sich durch den Verwalter, durch seinen Ehegatten, durch einen anderen Miteigentümer oder einen Dritten vertreten lassen. Die Vollmacht bedarf der Schriftform.
Wird ein Miteigentümer durch seinen Ehegatten vertreten, so muss dieser seine Vertretungsbefugnis nicht durch eine schriftliche Vollmacht nachweisen, solange kein Zweifel an seiner Vertretungsmacht besteht.
... Das Stimmrecht bestimmt sich nach den 1.000steln der Miteigentumsanteile. Jedes 1.000stel gibt eine Stimme.
In den Jahren 2004 und 2005 wurden keine Eigentümerversammlungen einberufen.
Am 22.2.2006, 11.00 Uhr, fand eine Wohnungseigentümerversammlung statt. Im Protokoll ist eine grundsätzlich gegebene Beschlussfähigkeit der Versammlung durch Anwesenheit von 922/1.000 Miteigentumsanteilen festgehalten. Bei der Berechnung ging der Versammlungsleiter davon aus, dass 792 Stimmen, die insgesamt 34 Miteigentümern zuzurechnen sind, durch ihn selbst als Vertreter der Antragsgegnerin zu 1 vertreten wurden. Bei den vertretenen Wohnungseigentümern handelt es sich um Gesellschafter einer Mietpoolgesellschaft, deren Geschäftsführerin die Antragsgegnerin zu 1 zugleich war.
In der Versammlung wurden vom Versammlungsleiter weder eine ihm von der Antragsgegnerin zu 1 erteilte schriftliche Vollmacht noch solche der vertretenen Wohnungseigentümer vorgelegt.
Das Protokoll enthält zu den einzelnen Tagesordnungspunkten (TOP) folgende Beschlüsse:
TOP 4:
Beschluss zur Genehmigung der Einzel- und Gesamtabrechnungen für das Kalenderjahr 2004.
Abstimmungsergebnis: Angenommen mit 792/922 Stimmen
Top 6:
Beschluss zur Genehmigung der vorgelegten Gesamt- und Einzelwirtschaftspläne für das Wirtschaftsjahr 2005/2006 ab dem 01. 3. 2006.
Abstimmungsergebnis: Angenommen mit 792/922 Stimmen
TOP 8:
Bestellung der Antragsgegnerin zu 1 zur Verwalterin der Liegenschaft für den Zeitraum vom 01.08.2006 bis 31.07.2011.
Abstimmungsergebnis: Angenommen mit 792/922 Stimmen
TOP 9:
Verlängerung des Verwaltervertrags vom 30. Juli 2001 bis nunmehr 31.07.2011
Abstimmungsergebnis: Angenommen mit 792/922 Stimmen
Die Antragsteller haben u. a. die Ungültigerklärung der vorgenannten Beschlüsse beantragt. Das Amtsgericht hat diesem Antrag mit Beschluss vom 11.5.2006 stattgegeben. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht mit Beschluss vom 18.5.2007 in der Sache zurückgewiesen. Gegen den landgerichtlichen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1.
In der Eigentümerversammlung vom 25.10.2006 wurde beschlossen, die weitere Beteiligte als Verwalterin ab dem 1.8.2006 zu bestellen; der Verwaltungsbeirat wurde beauftragt und bevollmächtigt, einen neuen Verwaltervertrag abzuschließen.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Für das Verfahren ist das bis 30.6.2007 geltende Recht anzuwenden (vgl. § 62 Abs. 1 WEG n.F.). Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Die Antragsgegnerin zu 1 ist beschwerdeberechtigt.
Maßgebend für die Frage, ob ein Beteiligter in einem Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz beschwerdeberechtigt ist, sind § 43 Abs. 1 Satz 1 WEG a.F., §§ 20, 29 Abs. 4 FGG. Danach ist erforderlich, dass der Beschwerdeführer materiell beschwert ist, die angefochtene Entscheidung also materielle subjektive Recht des Beschwerdeführers unmittelbar beeinträchtigt (vgl. BGH NJW 2003, 3124/3125 m.w.N.). Im Beschlussanfechtungsverfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG a.F. dient das Anfechtungsrecht nicht nur dem persönlichen Interesse des anfechtenden Wohnungseigentümers, sondern dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Daher genügt in diesem Verfahren bereits das grundsätzliche Interesse eines Wohnungseigentümers, eine ordnungsmäßige Verwaltung zu erreichen. Nichts anderes gilt auch für die Wohnungseigentümer, die der Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses entgegentreten. Auch bei ihrem Anliegen muss davon ausgegangen werden, dass es der ordnungsmäßigen Verwaltung dient (vgl. dazu BGH NJW 2003, 3124).
Die Beschwerdeberechtigung der Antragsgegnerin zu 1 besteht schon deshalb, weil sie Erstbeschwerde eingelegt hatte. Anders als in den vom Oberlandesgericht Frankfurt (Beschluss vom 15.10.2004, 20 W 370/03 = OLGR 2005, 423) und vom Bayerischen Obersten Landesgericht (Beschluss vom 23.12.2002, 2Z BR 93/02 = FGPrax 2003, 67) entschiedenen Fällen ist die Entscheidung des Amtsgerichts für die Antragsgegnerin zu 1 nicht rechtskräftig geworden, da sie nicht nur Verwalterin, sondern gleichzeitig auch Teileigentümerin ist, die gegen den Beschluss des Amtsgerichts, gemeinsam mit den übrigen Wohnungseigentümern, sofortige Beschwerde eingelegt hatte.
Die Antragsgegnerin zu 1, die nunmehr die sofortige weitere Beschwerde ausdrücklich im eigenen Namen und nicht als Vertreterin der übrigen Wohnungseigentümer eingelegt hat, ist als einzelne Teileigentümerin beschwerdeberechtigt. Die Teilrechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft ändert daran nichts. Denn die Anfechtung von Beschlüssen betrifft die Willensbildung innerhalb der Gemeinschaft und nicht den Rechtsverkehr des Verbands. Sie bleibt eine Angelegenheit der Wohnungseigentümer als Einzelpersonen (BGH NJW 2005, 2061/2068 m.w.N.). Auf die Fragen, ob die Antragsgegnerin zu 1 zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung noch Verwalterin war oder inzwischen abberufen ist und ob sie als (ehemalige) Verwalterin beschwerdeberechtigt wäre, kommt es daher nicht an.
2. Das Landgericht hat ausgeführt:
Die in der Eigentümerversammlung vom 22.2.2006 gefassten Beschlüsse zu TOP 4, 6, 8 und 9 seien zu Recht vom Amtsgericht für unwirksam erklärt worden, da die damalige Verwalterin trotz Rüge keine Vollmacht der Mietpoolgesellschafter in der Eigentümerversammlung vorgelegt habe. Nach Ziffer XIII Nr. 4 der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung sei die Eigentümerversammlung nur beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten seien, wobei sich ein Miteigentümer u.a. durch den Verwalter vertreten lassen könne. Die Vollmacht bedürfe der Schriftform. Die Antragsgegnerin zu 1 könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Vollmachten gemäß den einzelnen Mietpoolverträgen vorgelegen hätten, da diese Vollmachten widerruflich seien und nichts über ihren aktuellen Bestand aussagten.
Aufgrund des unangefochtenen Beschlusses vom 25.10.2006 sei die weitere Beteiligte nunmehr neue Verwalterin. Dies bedeute die konkludente Abberufung der bisherigen Verwalterin, der Antragsgegnerin zu 1, da zwei Verwalter rechtlich nicht zulässig und auch nicht gewollt seien. Der Wechsel der Verwaltung sei bestimmt genug gefasst. Maßgeblich sei der Bestellungsbeschluss nebst Zugang an den neuen Verwalter. Eine rückwirkende Bestellung sei aber nicht rechtens.
3. Dies hält der auf Rechtsfehler (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, §§ 546, 559 Abs. 2 ZPO) beschränkten Nachprüfung durch den Senat im Ergebnis stand.
a) Als unzulässig erweist sich bereits die sofortige Beschwerde insoweit, als die Beschlussanfechtung die Verwalterbestellung (TOP 8) betrifft. Insoweit hat sich die Hauptsache durch die unangefochten gebliebene Verwalterneubestellung am 25.10.2006 erledigt (vgl. OLG Köln NZM 2004, 625). Denn durch die Bestellung der neuen Hausverwaltung wurde die Antragsgegnerin zu 1 (konkludent) abberufen, weil eine Gemeinschaft nicht gleichzeitig zwei Verwalter haben kann (BayObLG NJW-RR 1992, 788; ZMR 2000, 323; KK-WEG/Abramenko § 26 Rn. 18, 29). Der Antragsgegnerin wäre es unbenommen geblieben, den Bestellungsbeschluss anzufechten, sei es in ihrer Eigenschaft als Wohnungs- oder Teileigentümerin (BGH NJW 2003, 3124), sei es als bisherige Verwalterin (BGH WuM 2007, 540). Eine Entscheidung zur Ungültigkeit des Bestellungsbeschlusses hätte praktisch keine Auswirkungen mehr, weil § 32 FGG entsprechend anzuwenden ist mit der Folge, dass alle Rechtshandlungen des alten Verwalters bis zur Bestellung des neuen Verwalters, jedoch wegen des wirksamen neuen Bestellungsbeschlusses keinesfalls darüber hinaus, wirksam bleiben. Zutreffend ist insoweit die Auffassung des Landgerichts, dass der gleichzeitig gefasste Beschluss zum Verwaltervertrag mit der weiteren Beteiligten und die dort getroffenen Honorarregelungen auf die Bestellung als solche keinen Einfluss haben. Die Wirkungslosigkeit der Bestellung für eine zurückliegende Phase berührt die Wirksamkeit des Beschlusses für die Zukunft nicht.
Hingegen ist hinsichtlich des Beschlusses über die Verlängerung des Verwaltervertrages keine Erledigung eingetreten, weil dieser jedenfalls bis zur Ablösung der Antragsgegnerin zu 1 durch die weitere Beteiligte zumindest hinsichtlich der Höhe des Honoraranspruches Wirkungen entfaltet.
b) Im Übrigen geht das Landgericht ohne Rechtsfehler davon aus, dass die in der Eigentümerversammlung vom 22.2.2006 gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären sind (§ 23 Abs. 4 WEG a.F.).
(1) Bestimmt die Gemeinschaftsordnung, dass die Vertretung durch schriftlich Bevollmächtigte zulässig ist, kann ein Vertreter zurückgewiesen werden, der in der Eigentümerversammlung keine schriftliche Vollmacht vorlegt. Wird er nicht zurückgewiesen, ist seine Stimmabgabe wirksam (BayObLG WE 1991, 261). Es genügt nicht, dass ein Vertreter darauf verweist, die schriftliche Vollmacht sei dem Verwalter oder Versammlungsleiter bekannt oder gar bei diesem hinterlegt. Dies würde das Recht des einzelnen Versammlungsteilnehmers, das Original der Vollmacht selbst überprüfen zu können (siehe BayObLG WE 1995, 30; Senat vom 31.10.2007, 34 Wx 060/07), unzulässig beeinträchtigen. Ein Nachreichen der Vollmacht kommt, jedenfalls im Fall der Rüge (weitergehend Lehmann-Richter ZMR 2007, 741/74), nicht in Betracht. Wird auf Verlangen eines Versammlungsteilnehmers das Original der Vollmachtsurkunde nicht vorgelegt, so ist vom Nichtbestand der Vollmacht auszugehen. Eine gegenteilige Handhabung bedingt die Anfechtbarkeit der gefassten Beschlüsse (vgl. Drasdo Die Eigentümerversammlung nach WEG 3. Aufl.
Rn. 255-257). Weist daher im vorliegenden Fall einer der Eigentümer die Stimmabgabe der angeblich vertretenen Wohnungseigentümer durch den Versammlungsleiter zurück, so sind die von ihm vertretenen Stimmen unwirksam und dürfen nicht in das Beschlussergebnis einfließen. Werden diese Stimmen vom Versammlungsleiter trotzdem gezählt, so ist der Beschluss auf entsprechende Klage vom Gericht für ungültig zu erklären, falls sich die Stimmen auf das Beschlussergebnis ausgewirkt haben.
(2) Das Landgericht ist ohne Verfahrensfehler und damit für den Senat bindend davon ausgegangen, dass die Verwalterin in der Versammlung trotz ausdrücklicher Rüge von Teilnehmern keine schriftlichen Vollmachten der Vertretenen vorgelegt habe. Dies erschließt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Protokoll über die Eigentümerversammlung. Das Landgericht konnte jedoch seine Überzeugung namentlich aus dem insoweit nicht in Abrede gestellten Vorbringen des Antragstellers zu 3 gewinnen, dessen Bevollmächtigter in der Versammlung persönlich anwesend war.
(3) Soweit auch der Versammlungsleiter keine von der Verwalterin erteilte Vollmacht vorlegen konnte, ist darauf hinzuweisen, dass dafür die Regeln über die Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) nicht gelten (vgl. Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 24 Rn. 54) und auch die vorgenannte Schriftformklausel in der Gemeinschaftsordnung nicht einschlägig ist. Es ist davon auszugehen, dass die Verwalterin, eine juristische Person, sich mangels gegenteiliger Vereinbarungen bei der Erfüllung von Verwalteraufgaben geeigneter Mitarbeiter bedienen darf. Der Nachweis, dass der Mitarbeiter im Auftrag des Verwalters gehandelt hat, kann unbedenklich noch nachträglich erbracht werden.
(4) Die Rüge fehlender Vollmachten des Verwalters durch einen Eigentümer ist nicht rechtsmissbräuchlich. Allein der Verzicht auf die Vorlage der Vollmachtsurkunden in einer früheren Versammlung führt nicht zum Verlust des Rügerechtes, insbesondere dann nicht, wenn die letzte Eigentümerversammlung schon - wie hier - erhebliche Zeit zurückliegt.
Da im vorliegenden Fall der Versammlungsleiter für 792 von 922 Stimmen aufgetreten ist, wirkte sich die Zählung der beanstandeten Stimmen auf das Beschlussergebnis aus. Die angefochtenen Beschlüsse sind daher zu Recht für unwirksam erklärt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Da die Antragsgegnerin zu 1 in allen drei Instanzen unterlegen ist, erscheint es billig, ihr neben den gerichtlichen auch die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.
Ende der Entscheidung
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