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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 15.02.2005
Aktenzeichen: 4 St RR 1/05
Rechtsgebiete: StPO, GVG, JGG
Vorschriften:
StPO § 348 | |
GVG § 24 Abs. 2 | |
JGG § 33b Abs. 2 |
Tatbestand:
Das Jugendschöffengericht hatte den Angeklagten von dem Vorwurf der Vergewaltigung und des Überlassens von Betäubungsmitteln an Minderjährige freigesprochen. Auf die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin hat die Große Jugendkammer des Landgerichts das Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln an eine unter 18 Jahre alte Person zum unmittelbaren Verbrauch und Vergewaltigung zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
Gegen dieses Urteil legten die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte Revision ein. Die Staatsanwaltschaft rügte die Verletzung des materiellen Rechts; sie beanstandete, dass der Angeklagte nicht auch wegen eines tateinheitlich begangenen Vergehens des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen verurteilt worden ist. Der Angeklagte rügte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er beanstandete u.a., das Landgericht habe als Berufungsgericht seine Strafgewalt überschritten, und erstrebt im Ergebnis seinen Freispruch aufgrund einer erneuten Hauptverhandlung. Der Senat legte die Sache dem Bundesgerichtshof als dem zuständigen Revisionsgericht vor.
Gründe:
Zuständig für die Entscheidung über die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten ist nicht das Oberlandesgericht München, sondern der Bundesgerichtshof.
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht als Berufungsgericht seine Strafgewalt aus § 24 Abs. 2 GVG, die auch das Berufungsgericht bindet, überschritten. Das Verfahren und das Urteil des Landgerichts sind jedoch hier als erstinstanzlich zu behandeln, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Die Möglichkeit, als Gericht erster Instanz zu verhandeln und eine entsprechende Umdeutung kommt zwar in allgemeinen Strafsachen nicht mehr in Betracht, nachdem die Zuständigkeit der Großen Strafkammer als Berufungsgericht durch das Rechtspflegeentlastungsgesetz beseitigt worden ist. Für Verhandlungen vor der Großen Jugendkammer, die gleichzeitig erstinstanzielles Gericht sein kann, hat der Bundesgerichtshof aber weiterhin eine derartige Umdeutung für zulässig gehalten, und zwar gerade auch für einen Fall wie den vorliegenden, in dem die Jugendkammer aufgrund Beschlusses gemäß § 33b Abs. 2 JGG in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern verhandelt hat und ausdrücklich als Berufungsgericht entscheiden wollte (BGH NStZ-RR 1997, 22).
Auch die übrigen Voraussetzungen für eine Umdeutung sind gegeben. Die Große Jugendkammer des Landgerichts ist für Berufungen gegen Urteile des Jugendschöffengerichts, für erstinstanzielle Verfahren und Jugendschutzsachen zuständig, wie sich aus dem Geschäftsverteilungsplan ergibt. Das Landgericht hat auch nicht von Beweiserleichterungen Gebrauch gemacht, die nur das Berufungsverfahren gewährt. Die Verlesung der Zeugenvernehmungen auch erster Instanz wäre auch nach § 251 Abs. 1 Nr. 4 StPO zulässig gewesen (vgl. BGHSt 31, 63/65), diejenige des toxikologischen Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der Universität München nach § 256 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Soweit vorliegend die Anklage nicht vor dem Landgericht verlesen wurde, ist dies im Hinblick auf die Verlesung des Urteils erster Instanz unschädlich (BGHSt 23, 283/285). Zwar enthält das Protokoll den Vermerk, das Urteil sei "auszugsweise" verlesen worden. Es ist indes zum einen davon auszugehen, dass § 324 StPO eingehalten wurde und allenfalls von der Verlesung der Ausführungen zur Beweiswürdigung und Strafzumessung abgesehen wurde. Außerdem hat der Vorsitzende der entscheidenden Kammer auf Rückfrage fernmündlich versichert, dass ganz sicher Ziffer I des amtsgerichtlichen Urteils verlesen worden sei, nach seiner Erinnerung im Übrigen die gesamte Ziffer II. Mit der Verlesung von Ziffer I ist dem Angeklagten der wesentliche Inhalt des Anklagesatzes mitgeteilt worden. Danach erklärt sich der Senat gemäß § 348 StPO für unzuständig und verweist die Sache an den Bundesgerichtshof als zuständiges Revisionsgericht.
Ende der Entscheidung
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