Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 20.02.2006
Aktenzeichen: 4 St RR 20/06
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 48 Abs. 2
Wer falsche oder unvollständige Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit oder Identität macht, wirkt nicht im Sinne des § 48 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz in zumutbarer Weise auf die Erlangung eines Passes hin.
Tatbestand:

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen unerlaubten Aufenthalts ohne Pass zu einer Geldstrafe. Die hiergegen vom Angeklagten eingelegte Berufung wurde durch Urteil des Landgerichts verworfen. Mit der Revision rügt der Verteidiger u. a. die Verletzung materiellen Rechts. Die materiell-rechtliche Würdigung des Landgerichts sei unhaltbar. Die Einreise ohne Pass zum Zweck der Asylantragstellung habe der Angeklagte strafrechtlich nicht zu vertreten. Er könne sich nur dann eines illegalen Aufenthalts ohne Pass schuldig gemacht haben, wenn er in der Lage gewesen wäre, sich nach dem rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens einen neuen Reisespass zu beschaffen und dies schuldhaft unterlassen hätte. Hierzu habe das Landgericht aber keinerlei Feststellungen getroffen. Die Revision des Angeklagten erwies sich als statthaft (§ 333 StPO) und auch sonst zulässig (§ 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO), aber unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

Gründe:

Die Bewertung des Landgerichts, der Angeklagte habe sich eines Vergehens des passlosen Aufenthalts schuldig gemacht, wird von den Urteilsfeststellungen (noch) ausreichend gedeckt.

Der Tatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG setzt zunächst voraus, dass der Angeklagte der Ausweispflicht nach § 3 Abs. 1 AufenthG unterliegt. Das ist der Fall. Wer sich als Ausländer im Bundesgebiet aufhalten will, benötigt grundsätzlich einen Pass. Ein Ausnahmefall nach § 3 Abs. 2 AufenthG ist nicht erkennbar.

Allerdings dürfen einem Asylsuchenden grundsätzlich weder die Einreise ohne die erforderlichen Dokumente (Reisepass und eventuell Visum) noch der weitere Verbleib im Inland bis zur Klärung der Asylberechtigung verwehrt werden (Renner Ausländerrecht 8. Aufl. Art. 16a GG Rn. 18, § 55 AsylVfG Rn. 3). Der Umstand, dass der Angeklagte Asyl beantragt hatte, befreite ihn jedoch nach Abschluss des Asylverfahrens nicht von der Passpflicht. Hierzu bestimmt § 64 Abs. 1 AsylVfG, dass der Ausländer nur für die Dauer des Asylverfahrens seiner Ausweispflicht mit einer Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung (§ 63 AsylVfG) genügt (BayObLGSt 2004, 96/97; 2004, 99/102 f.). Aus dem vom Landgericht festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass sich der Angeklagte nach Abschluss des Asylverfahrens ohne Pass im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Die Anwendbarkeit des § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG scheidet hier auch nicht deshalb aus, weil die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 AufenthG erfüllt sein könnten. Danach genügt ein Ausländer, der einen Pass weder besitzt noch in zumutbarer Weise erlangen kann, der Ausweispflicht mit einem Ausweisersatz (vgl. Renner § 95 AufenthG Rn. 5f.). Das Landgericht hat jedoch im Ergebnis zu Recht davon abgesehen, eine Anwendung des § 48 Abs. 2 AufenthG in Betracht zu ziehen. Den Urteilsfeststellungen ist zu entnehmen, dass es den Angaben des Angeklagten zur Person keinen Glauben geschenkt hat. Es geht vielmehr davon aus, dass der Angeklagte insoweit falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat und seine Identität sowie Staatsangehörigkeit völlig ungeklärt sind. Hieraus ergibt sich zugleich, dass der Angeklagte nicht in zumutbarer Weise auf die Ausstellung eines Passes seines Heimatlandes hingewirkt hat.

Ende der Entscheidung

Zurück