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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 01.12.2005
Aktenzeichen: 4 St RR 234/05
Rechtsgebiete: BtMG
Vorschriften:
BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 |
Tatbestand:
Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Die hiergegen vom Verteidiger eingelegte Berufung wurde durch Urteil des Landgerichts als unbegründet verworfen. Mit der Revision rügte der Verteidiger die Verletzung materiellen Rechts. Das Landgericht sei zu Unrecht von einer unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln ausgegangen, da der Angeklagte den Transitbereich des Flughafens nicht verlassen habe. Er habe die Drogen in die Schweiz transportieren wollen. Sein Vorsatz sei lediglich auf eine Durchfuhr durch Deutschland gerichtet gewesen. Er habe auch keine Möglichkeit gehabt, während des Aufenthalts im Flughafen an die Drogen zu gelangen. Das Berufungsgericht hätte die Strafe reduzieren müssen, da es im Gegensatz zum Amtsgericht davon ausgegangen sei, dass Vorsatz nur bezüglich des Kokains, nicht aber im Hinblick auf das transportierte Heroin nachzuweisen sei. Die gute Qualität der Drogen hätte nicht strafschärfend berücksichtigt werden dürfen. Für das Handeltreiben fehle es an einer Tatherrschaft des Angeklagten, so dass allenfalls Beihilfe angenommen werden dürfe. Bei der Strafzumessung hätte § 31 BtMG in Betracht gezogen werden müssen; dem Angeklagten sei aus unverständlichen Gründen keine Möglichkeit gegeben worden, Aufklärungshilfe zu leisten. Die zulässige Revision hatte in der Sache keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
Gründe:
1. Der Schuldspruch wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
Für die Beurteilung der Frage, ob Einfuhr oder Durchfuhr vorliegt, kommt es entscheidend darauf an, ob der Täter während des Aufenthalts im Inland eine tatsächliche Verfügungsmacht an dem Rauschgift innehat oder ohne Schwierigkeiten erlangen kann (BGH NStZ 2004, 693). Der Angeklagte führte die Drogen in seinem Körper mit sich, als er sich im Transitbereich des Flughafens M. aufhielt. Der Transitbereich gehört zum Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, so dass der Einfuhrtatbestand erfüllt ist, wenn Betäubungsmittel in diesen Bereich verbracht werden (vgl. BGHSt 31, 252/ 253 f.; Joachimski/Haumer BtMG 7. Aufl. § 3 Rn. 28). Dem Angeklagten stand das in seinem Körper geschmuggelte Rauschgift auch tatsächlich zur Verfügung. Darauf, ob er während des Zwischenaufenthalts eine konkrete Zugriffsmöglichkeit auf das im Körper befindliche Rauschgift hatte, kommt es nicht an (BayObLGSt 2003, 12/13 f.; Weber BtMG 2. Aufl. § 29 Rn. 449).
Zwar war das Endziel des Transports Z., dem Angeklagten war jedoch aufgrund des Flugtickets bewusst, dass es zu einem Transitaufenthalt in M. kommen würde. Da sich der Angeklagte in diesem Wissen als Kurier zur Verfügung gestellt hat, umfasst sein Vorsatz die Einfuhr von Betäubungsmitteln im Inland.
2. Die Bewertung des Landgerichts, dass sich der Angeklagte im Hinblick auf das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Täter schuldig gemacht und nicht nur Beihilfe geleistet hat, ist frei von Rechtsfehlern.
Dass der Angeklagte das Rauschgift im Körper über die Grenze transportierte, ist ein Umstand, dem im Rahmen des Kurierdienstes erhebliche Bedeutung zukommt; bereits dies spricht gegen die Annahme einer lediglich untergeordneten Rolle des Angeklagten (BayObLGSt 2003, 12/14). Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte den Transport ferner eigenverantwortlich durchgeführt, auch wenn er grundsätzlich auf Anweisung handelte (Körner BtMG 5. Aufl. § 29 Rn. 378 ff.; Weber § 29 Rn. 338 ff.). Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte während des Fluges nicht überwacht und begleitet wurde. Eine Verletzung des Grundsatzes in dubio pro reo ist insoweit nicht erkennbar, da Zweifel an der Tatherrschaft im Urteil nicht zum Ausdruck kommen. Mit dem Hinweis auf Zweifel, die das Gericht nach Meinung des Angeklagten hätte haben müssen, kann der Verstoß gegen das genannte Prinzip nicht begründet werden.
3. Dass das Landgericht dem Angeklagten die gute Qualität des transportierten Rauschgifts angelastet hat, ist nicht zu beanstanden.
Jemand, der Umgang mit Betäubungsmitteln hat, ohne ihren Wirkstoffgehalt zu kennen oder ohne zuverlässige Auskunft darüber erhalten zu haben, ist bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte im Allgemeinen mit jedem Reinheitsgrad einverstanden, der nach den Umständen des Einzelfalls in Betracht kommt (Körner § 29 Rn. 781). Gesichtspunkte, die für eine weniger gute Qualität gesprochen hätten, lagen hier nicht vor und waren auch für den Angeklagten nicht erkennbar.
4. Das Landgericht hat bei der Strafzumessung berücksichtigt, dass der Angeklagte sich vorstellte, (lediglich) Kokain und nicht auch Heroin zu transportieren (S. 14 BU). Dass es die vom Amtsgericht verhängte Strafe dennoch nicht herabgesetzt hat, lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
5. Eine Strafmilderung gemäß § 31 BtMG wurde zu Recht nicht in Betracht gezogen.
§ 31 Nr. 1 BtMG setzt voraus, dass tatsächlich ein Aufklärungserfolg eingetreten ist. Dieser muss darin bestehen, dass die Strafverfolgungsbehörden aufgrund der Angaben des Täters abgesicherte Erkenntnisse zu Tatgenossen und deren Tatbeiträgen gewonnen haben. Die Angaben über Tatbeteiligte müssen dabei so konkret sein, dass diese identifiziert und überführt werden können (Weber § 31 Rn. 55, 67 f.). Zwar darf eine Untätigkeit der Strafverfolgungsbehörden, nachdem der aufklärungsbereite Angeklagte Angaben gemacht hat, nicht zu seinem Nachteil gereichen (Körner § 31 Rn. 46). Allein darin, dass der Angeklagte den Vornamen eines Tatbeteiligten genannt und die PIN-Nummer seines Handys angegeben hat, ist ein Aufklärungsbeitrag im Sinn des § 31 Nr. 1 BtMG jedoch nicht zu sehen. Da der Angeklagte keine hinreichend konkreten Angaben zu möglichen Tatbeteiligten gemacht hat, waren die Strafverfolgungsbehörden nicht verpflichtet, insoweit weitere Ermittlungen anzustellen (Weber § 31 Rn. 119 ff.).
Ende der Entscheidung
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