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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 16.05.2006
Aktenzeichen: 5 St RR 169/05
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 244 Abs. 1 Nr. 1b |
Tatbestand:
Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe. Mit der hiergegen eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Die zulässige Revision erwies sich als begründet.
Gründe:
1. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat der Angeklagte geringwertige Sachen im Sinne von § 248a StGB entwendet. In seiner Hosentasche führte er ein Schweizer Taschenmesser mit sich. Dies war dem Angeklagten bewusst.
Von einer Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs.1 Nr.1 a StGB) hat das Amtsgericht mit der Begründung abgesehen, "dass bei einem Taschenmesser hinzukommen muss, dass der Täter den gefährlichen Gegenstand generell zur Bedrohung oder Verletzung von Personen bestimmt hat" (BU S.6). Hierfür fand das Amtsgericht keinerlei Anhaltspunkte. Denn der Angeklagte habe niemals beabsichtigt, dieses Messer gegen Personen einzusetzen; er sei wegen Gewalttätigkeit nicht aufgefallen, sei bei seiner Entdeckung und Festnahme nicht aggressiv gewesen und habe auch in der Vergangenheit das Taschenmesser nicht zweckwidrig verwendet.
2. Diese Rechtsauffassung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Der Tatbestand des § 244 Abs.1 Nr.1 a StGB ist bereits erfüllt, wenn der Dieb einen der vom Gesetz genannten Gegenstände bei Ausführung der Tat "bewusst gebrauchsbereit" mit sich führt (st. Rspr., zuletzt BGH NStZ-RR 2005, 340; OLG Celle StV 2005, 336). Dabei muss sich die Vorstellung des Täters nicht von vornherein auf den Einsatz des Gegenstands als Nötigungsmittel beziehen, sondern nur darauf, ein funktionsbereites gefährliches Werkzeug zur Verfügung zu haben (OLG Schleswig-Holstein NStZ 2004, 212/214).
Eine Gebrauchsabsicht ist nicht erforderlich; diese ist § 244 Abs.1 Nr.1 b StGB vorbehalten; dieser Vorschrift hätte es dann nicht gebraucht, wenn in Nr.1 a bereits diese Absicht Tatbestandsmerkmal wäre (vgl. im Übrigen Tröndle/Fischer StGB 53.Aufl. § 244 Rn.15; NK-Kindhäuser StGB 2. Aufl. § 244 Rn.14 f. m.w.N.; SK-Hoyer StGB Stand Oktober 2005 § 244 Rn.13).
Auch ist nicht erforderlich, dass der Täter anlässlich des Diebstahls neben dem Bewusstsein des Mitführens eines gefährlichen Werkzeugs auch noch darüber hinaus beabsichtigt, dieses gegen Personen einzusetzen.
b) Da nach ständiger Rechtsprechung und Lehre ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 244 Abs.1 Nr.1 a StGB jeder körperliche Gegenstand ist, der sich bei der konkreten Art seiner Benutzung dazu eignet, erhebliche Verletzungen zuzufügen (SK-Hoyer aaO Rn.9 m.w.N.), erfüllt ein Schweizer Taschenmesser, das mit Schneide und Spitze zum Schneiden und Einstechen konstruiert und zu gebrauchen ist, diese Voraussetzungen. Es ist geeignet im Bedrängnisfall (SK-Hoyer aaO Rn.12), sich unschwer zur Herbeiführung erheblicher körperlicher Verletzungen einsetzen zu lassen (vgl. BayObLG NStZ-RR 2001, 202 m.w.N).
Wegen dieser potentiellen Gefährlichkeit des Mitführens eines gefährlichen Werkzeugs bei Ausführung eines Diebstahls, wobei das Tatbestandsmerkmal Waffe lediglich ein Unterfall des gefährlichen Werkzeugs darstellt (Tröndle/Fischer StGB 53.Aufl. § 244 Rn.3 c), hat sich der Gesetzgeber entschlossen, bereits das Mitführen eines solchen Gegenstands bei einem Diebstahl zu pönalisieren und darüber hinaus zum Qualifikationstatbestand zu erheben. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich die Abstufung zwischen objektiv gefährlichen und objektiv ungefährlichen Tatmitteln vorgenommen und die objektive Gefährlichkeit des Tatmittels allein als den Unwert der Tat erhöhenden Umstand in Nr.1 a festgelegt.
Gleichwohl muss dieses Beisichführen wie jedes andere Tatbestandsmerkmal vom Vorsatz umfasst sein. Es bedarf deshalb der Feststellung, dass der Angeklagte das Taschenmesser beim Diebstahl bewusst gebrauchsbereit bei sich hatte. Hierbei genügt jedoch nicht ein allgemeines Bewusstsein in dem Sinne, dass der Angeklagte das Messer aus bloßer Gewohnheit eingesteckt hatte, sondern vielmehr muss dieses Bewusstsein aktuell als parates Wissen vorhanden sein (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 15 Rn.4). Dazu bedarf es Feststellungen des Tatrichters.
Das Amtsgericht hat festgestellt, der Angeklagte habe "in seiner entwaffnenden Ehrlichkeit eingeräumt, dass er sich bewusst war", das Taschenmesser mit sich zu führen (AU S.5). Zum einen sei es sein Brotzeitmesser und zum Anderen sei er in einem Club, für dessen Mitglieder es Pflicht sei, das Taschenmesser immer mit sich zu führen (AU S.4), andernfalls ein Euro in die Vereinskasse bezahlt werden müsse.
3. Der aufgezeigte Sachmangel führt zur Aufhebung des Urteils mit den zugrunde liegenden Feststellungen (§ 353 StPO) und hat zur Folge, dass die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts (§ 354 Abs.2 Satz 1 StPO) zurückzuverweisen ist, die auch über die Kosten der Revision zu befinden haben wird.
Ende der Entscheidung
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