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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 14.12.2000
Aktenzeichen: 6 U 4137/00
Rechtsgebiete: UWG, PAngVO


Vorschriften:

UWG § 1
PAngVO § 1
Leitsatz:

Ein preisauszeichnungspflichtiges Anbieten von Leistungen i. S. des § 1 PAngVO liegt vor, wenn in Printmedien oder im Fernsehen die Leistung "telefonischer Auskunftsdienst" gegen Entgelt angeboten wird.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 4137/00 7 O 21619/99 LG München I

Verkündet am 14.12.2000

Die Urkundsbeamtin:

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 25.05.2000 (Az.: 7 O 21619/99) aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an einem Vorstandsmitglied, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in Zeitschriften oder in Fernsehspots zu Zwecken des Wettbewerbs die Leistung "Auskunftsdienst - Inland" unter der Nummer 11880 Letztverbrauchern anzubieten, bzw. für diese Leistung gegenüber Letztverbrauchern in Zeitschriften oder in Fernsehspots zu werben, ohne den Preis für die Leistung anzugeben.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 36.000,-, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt DM 60.000,-.

Tatbestand:

Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverband, der im Jahre 1966 von der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e.V. und den Verbraucherzentralen der Bundesländer gegründet wurde. Zu seinen Mitgliedern gehört auch die Stiftung Warentest.

Gemäß § 3 seiner Satzung bezweckt der Kläger, unter Ausschluß eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen und zu fördern.

Die Beklagte betreibt unter der Telefonnummer 11880 einen Inlandsauskunftsdienst, z.B. für Kinoauskunft, wo und wann welcher Film läuft, für Weitervermittlung, für Adressen, für Faxnummern, für Mobilfunknummern, für Wetterinformationen, den sie unter anderem in Zeitschriften und Fernsehspots bewirbt. Entsprechende Werbespots wurden auf Veranlassung der Beklagten beispielsweise am 10.10.1999, 23.50 Uhr in PRO 7, am 10.10.1999, 23.54 Uhr in Sat1, am 12.10.1999, 20.55 Uhr in Kabel 1 und am 13.10.1999 um 06.00 Uhr in Sat1 gesendet. In keinem der Fernsehspots wurde auf die von der Beklagten berechneten Entgelte für die von ihr angebotenen Dienstleistungen hingewiesen.

Die Deutsche Telekom AG bot die Auskunft vor dem Oktober 1997 für 0,60 DM an. Dieser Tarif wurde im Oktober 1997 auf 1,92 DM für die erste Minute erhöht. Bereits seit längerer Zeit werden somit in Deutschland Telefonauskünfte nicht mehr mit dem Tarif für ein kurzes Ortsgespräch berechnet.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte verstoße mit der dargestellten Werbung gegen § 1 UWG in Verbindung mit § 1 Preisangabenverordnung, sowie gegen § 3 UWG.

Die Werbung der Beklagten stelle nicht nur Werbung, sondern auch ein unmittelbares Angebot zum Abschluß von Dienstleistungsverträgen durch die Beklagte an Interessenten dar, da die Verpflichtung zur Zahlung des Entgelts unmittelbar durch den Anruf des Verbrauchers unter der angegebenen Nummer begründet werde, ohne daß es noch zu einem weiteren Vertragsabschluß (Willenserklärungen) komme.

Ebenfalls fänden keinerlei zwischengeschaltete Vertragsverhandlungen mehr statt.

Darüber hinaus rechne der angesprochene Verkehr ohne entsprechende Aufklärung jedenfalls nicht ohne weiteres damit, daß bei einem Anruf unter der Auskunftsnummer Kosten in dem tatsächlich anfallenden Umfang entstünden.

Ein nicht unerheblicher Teil der Umworbenen werde aufgrund der Ziffernfolge der Auskunftsnummer auch davon ausgehen, daß es sich um eine örtliche oder ortsnahe Verbindung handle, für die die allgemeinen, üblichen und bekannten Entgelte zu zahlen seien. Jedenfalls rechne der umworbene Verkehr nicht damit, daß die Entgelte für einen Anruf unter der Auskunftsnummer deutlich höher lägen, als diejenigen, die üblicherweise unter den vorgenannten Bedingungen zu entrichten seien.

Wesentliche Teile der älteren Bevölkerung, insbesondere ältere Fernsprechteilnehmer, hätten sich über die entscheidenden Tarifstrukturen weder informiert, noch seien sie mit den neuen Medien so vertraut, daß sie die rasante Entwicklung in diesen Marktsegmenten immer mitverfolgen könnten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in Zeitschriften oder in Fernsehspots zu Zwecken des Wettbewerbs die Leistung "Auskunftsdienst - Inland" unter der Nummer 11880 Letztverbrauchern anzubieten, bzw. für diese Leistung gegenüber Letztverbrauchern in Zeitschriften oder in Fernsehspots zu werben, ohne den Preis für die Leistung anzugeben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht,

die angegriffenen Veröffentlichungen stellten Werbung dar und keine Angebote auf Abschluß eines Vertrages. Für den Fall, daß die Leitung bei einem Anruf des Kunden belegt sei, komme kein Vertrag zustande, der eine Pflicht zur Entgeltzahlung nach sich ziehen würde.

Werbung sei grundsätzlich lediglich als Aufforderung zur Abgabe eines Angebots anzusehen. Dies gelte sowohl für die Print- wie auch für Hörfunk- und Fernsehwerbung.

Selbst wenn letztere als Angebot angesehen werde, greife § 7 Abs. 1 Nr. 4 der Preisangabenverordnung ein, wonach die Preisangabenverordnung nicht anwendbar sei bei mündlichen Angeboten.

Eine Aufklärungspflicht im Hinblick auf § 3 UWG sei angesichts der vorliegenden Konstellation nicht gegeben. Die Verbraucher, insbesondere die angesprochenen Verkehrskreise, hätten sich inzwischen daran gewöhnt, daß die Tarife für die Auskunftserteilung weitaus höher lägen als eine Einheit für ein Ortsgespräch. Eine Fehlvorstellung der Verbraucher insoweit bestehe nicht.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, und zur Begründung ausgeführt, es liege kein Angebot der Beklagten vor; der Anruf an sich könne nicht die Annahme eines bereits vorhandenen Angebots sein, weil der Kunde auch mit besetzter Leitung rechne; bei den Vertragsschlüssen der Beklagten sei der Fall des § 151 BGB gegeben, also eine Annahme ohne Erklärung an den Antragenden.

Eine Irreführung der Verbraucher durch die Werbung der Beklagten liege nicht vor. Es sei davon auszugehen, daß die Preise für die Auskunft inzwischen selbstverständlich sind und die umworbenen Kunden redlicherweise damit rechnen müßten. Eine Aufklärungsverpflichtung der Beklagten bestehe nicht.

Mit seiner Berufung macht der Kläger ergänzend und vertiefend geltend, es müsse sich bei dem preisangabepflichtigen Angebot der Beklagten nicht um ein Angebot im vertragsrechtlichen Sinne handeln.

Der Kläger beruft sich auf die Entscheidung des BGH in GRUR 1980, 304 - effektiver Jahreszins.

Er führt ferner aus, angesichts der Tatsache, daß die Auskunft erst seit ca. zwei Jahren nicht mehr zum Ortstarif zu bekommen sei, bestehe eine Auskunftspflicht der Beklagten. Ein wesentlicher Teil des umworbenen Verkehrs rechne nach wie vor nicht damit, daß die Entgelte für einen Anruf unter der streitigen Auskunftsnummer deutlich höher lägen als diejenigen, die üblicherweise bei der Verwendung von lediglich 5-stelligen Telefonnummern ohne Vorwahl anfallen.

Der Kläger stellt folgenden Berufungsantrag:

I. Das Endurteil des Landgerichts München I wird aufgehoben.

II. (wie Klageantrag in 1. Instanz)

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Ersturteil und vertritt weiterhin die Meinung, es handle sich um Werbung in Medien, welche nicht auszeichnungspflichtig sei. Es sei auch ein nur mündliches Angebot im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 4 PAngVO gegeben.

Die Entgelte für die Dienstleistungen der Beklagten könnten im Amtsblatt der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation eingesehen werden und könnten so gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1 a AGBG in den Vertrag einbezogen werden. Die Preise könnten auch im Internet eingesehen werden.

Eine Irreführung des Verbrauchers liege nicht vor.

Sowohl die Rufnummern 11880, 11833 etc. als auch die Tatsache, daß Auskunftsdienste einen besonderen Preis haben, seien seit nahezu drei Jahren in den Markt eingeführt und seien daher als etabliert zu bezeichnen, zumal seit der Marktöffnung Anfang 1998 auch in den Massenmedien über die Preisentwicklung der Telekommunikationsdienste regelmäßig und detailliert berichtet werde. Da die beteiligten Verkehrskreise sowohl die besonderen Rufnummern und die Sondertarife kannten, werde durch die Rufnummer der Beklagten keinesfalls billigeres Telefonieren - zu einem in einem offenen Markt von wem auch immer festgelegten Ortsnetztarif - signalisiert.

Im übrigen wird wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die im Berufungsverfahren von den Parteien eingereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie das Ersturteil Bezug genommen.

Entscheidungsgründe: Die zulässige Berufung des klagebefugten Klägers ist erfolgreich.

Die Beklagte ist gemäß § 1 UWG/§ 1 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative PAngVO zur Unterlassung verpflichtet, weil die angegriffene Anpreisung gegen die Preisangabeverpflichtung der Preisangabenverordnung verstößt und die Beklagte bewußt und planmäßig handelt und sich so wettbewerbswidrig verhält.

1. Die Grundvorschrift des § 1 Abs. 1 PAngVO unterscheidet zwei Fälle: Das Anbieten von Waren und Leistungen, sowie das Werben, insbesondere in Medien, unter Angabe von Preisen.

Wird im letzteren Fall ohne Angabe von Preisen geworben, besteht keine Preisauszeichnungsverpflichtung.

Wie der Bundesgerichtshof (in GRUR 1983, 661 - Sie sparen 4.000,- DM) entschieden hat, umfaßt der Begriff des Anbietens im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngVO nicht nur förmliche Angebote im Sinne des § 145 BGB, sondern schließt - entsprechend dem üblichen Sprachgebrauch - auch solche Erklärungen ein, durch die der Kunde, wenn auch rechtlich noch unverbindlich, tatsächlich schon gezielt auf den Kauf einer Ware angesprochen wird.

Maßgebend sei, ob die Ankündigung ihrem Inhalt nach so konkret gefaßt ist, daß sie nach der Auffassung des Verkehrs den Abschluß eines Geschäfts auch aus der Sicht des Kunden ohne weiteres zuläßt. Das komme nicht in Betracht, wenn der Ankündigung wesentliche, für den Entschluß zum Abschluß des Geschäfts notwendige Angaben fehlen und die Ankündigung deshalb zu unbestimmt ist, um von den angesprochenen Verkehrskreisen bereits als Angebot verstanden zu werden.

Im streitgegenständlichen Fall ist danach von einem Anbieten auszugehen.

Die Anzeige der Beklagten läßt die sofortige Inanspruchnahme der Leistung der Beklagten ohne weiteres zu, ohne daß es noch weiterer Angaben oder Verhandlungen zum Abschluß des Geschäfts bedürfte. Der Interessent muß in der Regel nicht einmal seine Wohnung verlassen; er greift ohne weitere Maßnahme zum Telefonhörer und macht Gebrauch von der angebotenen Leistung.

Unter diesen Umständen wird die Werbeanzeige der Beklagten bereits als Angebot an den Interessenten aufgefaßt und nicht als bloße, das Interesse weckende Werbung.

Diese Auffassung kommt auch zum Ausdruck in dem Gutachten des Gutachter-Ausschusses für Wettbewerbsfragen Nr. 1/1981 (WRP 1981, 609), wo gesagt wird, nur ausnahmsweise beim Vorliegen besonderer Umstände könne eine Ankündigung in Zeitungen, Zeitschriften und dergleichen den Bereich der in § 1 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative geregelten Werbung verlassen und zu einem Angebot "in sonstiger Weise" im Sinne der 1. Alternative dieser Vorschrift werden. Dieses könne insbesondere dann der Fall sein, wenn die Ankündigung in Zeitungen, Zeitschriften und dergleichen den Rahmen der werbenden Anpreisung einer Ware oder Leistung überschreite und sich aus der Sicht des Umworbenen als gezielte Maßnahme zur Anbahnung eines Vertragsabschlusses darstelle. Der Charakter eines Angebots in diesem Sinne sei noch nicht erreicht, wenn der Umworbene aufgefordert werde, sich mit dem werbenden Unternehmen in Verbindung zu setzen oder weiteres Informationsmaterial anzufordern. Erforderlich sei vielmehr, daß die Ankündigung so gestaltet ist, daß der Umworbene ohne weitere vorbereitende Maßnahmen unmittelbar zur Abgabe einer bindenden Vertragsofferte aufgefordert werde (ebenso: Gimbel/Boest, Die neue Preisangabenverordnung, 1985, § 1 Nr. 8 c).

Ein (ausschließlich) mündlich vorgetragenes Angebot liegt nicht vor. Dies ist ohne weiteres einsichtig im Falle eines Printmediums, gilt aber auch für Fernsehangebote. Zwar ist dort das Bild nur kurze Zeit zu sehen. Dennoch steht es einem mündlichen Angebot nicht gleich, weil technisch ohne weiteres die Möglichkeit besteht, Preise schriftbildlich anzugeben, wie beispielsweise auch Warnhinweise gegeben werden müssen.

2. Durch die angegriffene Maßnahme werden wesentliche Belange der Verbraucher berührt, da diese keine zumutbare Gelegenheit haben, die Preise für die Auskunftsleistung zu vergleichen.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Wert der Beschwer war gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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