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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 04.12.2003
Aktenzeichen: 6 U 4309/03
Rechtsgebiete: UKlaG, BGB-InfoVO


Vorschriften:

UKlaG § 2
UKlaG § 3 Abs. 1 Nr. 2
BGB-InfoVO § 4 Abs. 1 Nr. 7
Eine Zeitungsanzeige für ein Reise unterliegt nur dann den Voraussetzungen des § 4 BGB-InfoVO, wenn sie unter den Begriff "Prospekt" zu subsumieren ist.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 4309/03

Verkündet am 04.12.2003

In dem Rechtsstreit

erlässt der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2003 folgendes

ENDURTEIL:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I, 33 O 2642/03, vom 01.7.2003 aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit einer von der Beklagten geschalteten Zeitungsanzeige.

Die Klägerin ist ein eingetragener Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, insbesondere zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Sie verlangt von der Beklagten Unterlassung hinsichtlich einer Zeitungsanzeige.

Bei der Beklagten handelt es sich um einen Reiseveranstalter. Mit der als Anlage K 5 vorgelegten Werbeanzeige hat die Beklagte in den Badischen Neuesten Nachrichten vom 17.11.2002 eine Italienreise beworben. Auf der linken Seite der Anzeige befindet sich der Hinweis auf eine Mindestteilnehmerzahl von 25 Personen. Einen Hinweis darauf, bis zu welchem Zeitpunkt die Reise wegen Nichterreichens dieser Mindestteilnehmerzahl abgesagt werden kann, enthält die Werbeanzeige nicht.

Mit Schreiben vom 22.11.2002 (Anlage K 6) hat die Klägerin einen bereits früher erhobenen Unterlassungsanspruch, nunmehr bezogen auf diese Anzeige, aufrechterhalten. Die Beklagte hat die Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung abgelehnt.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie könne gemäß §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG, §§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG jeweils i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 7 BGB-InfoVO einen Unterlassungsanspruch geltend machen. Die Pflicht zur Angabe des Absagezeitpunkts bei Nichterreichen der Mindestteilnehmerzahl (§ 4 Abs. 1 Nr. 7 BGB-InfoVO) gehöre zu den gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Mindestangaben. Ein Verstoß hiergegen sei eine Verletzung des § 1 und ebenso ein Verstoß gegen ein Verbrauchergesetz im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UKlaG.

Nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag könne die Klägerin einen Anspruch auf anteiligen Ersatz der mit der Abmahnung verbundenen Personal- und Sachkosten geltend machen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an ihren jeweiligen Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Zusammenhang mit der prospektmäßigen Bewerbung von Reisen eine für die Durchführung der Reise erforderliche Mindestteilnehmerzahl zu nennen, ohne dabei den Verbraucher zugleich darüber zu informieren, bis zu welchem Zeitpunkt vor dem vertraglich vorgesehenen Reisebeginn ihm die Absage der Reise wegen Nichterreichens der Mindestteilnehmerzahl spätestens zugegangen sein muß.

Darüber hinaus hat die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 175,06 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.02.2003 zu bezahlen.

Die Beklagte hat

Klageabweisung beantragt.

Die Beklagte hat in der ersten Instanz die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten. Darüber hinaus hat sie vorgetragen, die als Anlage K 5 vorgelegte Werbeanzeige unterliege nicht den Anforderungen des § 4 BGB-InfoVO, da sie aufgrund ihrer knappen Form und den minimalen Angaben nicht unter den Begriff "Prospekt" zu subsumieren sei. Allein aufgrund der Anzeige sei eine verbindliche Anmeldung nicht möglich. Vielmehr werde nach erfolgter Kontaktaufnahme und Vorbuchung jedem Interessenten ein Folder übersandt. Auch liege eine wirksame Unterlassungsaufforderung nicht vor, das Schreiben vom 22.11.2002 sei schon aus formalen Gründen unzureichend.

Wegen des weiteren Sachvortrags in der ersten Instanz und der Prozeßgeschichte wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht München I hat der Klage mit Endurteil vom 01.07.2003 in vollem Umfang stattgegeben.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin könne ihren Anspruch auf §§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 7 BGB-InfoVO stützen. Durch die Nichtangabe des Absagezeitpunktes bei Nichterreichen der Mindestteilnehmerzahl habe die Beklagte gegen § 4 Abs. 1 Nr. 7 BGB-InfoVO, eine Verbraucher schützende Norm im Sinne des § 2 UKlaG verstoßen, da es sich bei der Werbeanzeige gemäß Anlage K 5 um einen "Prospekt" im Sinne von § 4 BGB-Info-VO handele. Es liege nicht lediglich eine Kurzannonce vor, sondern die immerhin eine halbe Zeitungsseite große Anzeige in den Badischen Neuesten Nachrichten enthalte alle wesentlichen Angaben, wie die Reiseroute, das Reisedatum, der Reisepreis, das durchführende Flugunternehmen, die Unterbringung in einem 4-Sterne-Hotel sowie weitere Leistungsmerkmale der angebotenen Pauschalreise, abgerundet durch mehrere bildliche Darstellungen. Darüber hinaus liegt nach Auffassung des Landgerichts auch eine Verletzung des § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts München I Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten, mit welcher sie unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Sachvortrags die Klageabweisung weiterverfolgt.

Zur Begründung hat die Beklagte im Wesentlichen geltend gemacht, die streitgegenständliche Anzeige in den Badischen Neuesten Nachrichten gemäß Anlage K 5 stelle keinen Prospekt im Sinne des § 4 BGB-InfoVO dar. Allein aufgrund der Anzeige sei eine Anmeldung zu der beworbenen Reise nicht möglich. Es bestehe keine Verpflichtung, einen Prospekt zu verwenden. Werde ein solcher nicht verwandt, müßten auch die Anforderungen des § 4 BGB-InfoVO nicht erfüllt sein. Der Reiseveranstalter könne daher festlegen, ob er eine Veröffentlichung als Prospekt sehen wolle oder nicht.

Die Beklagte beantragt daher

die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils vom 01.07.2003 und Klageabweisung.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und verweist auf den Vortrag in erster Instanz. Für die Frage ob ein Prospekt vorliege, sei auf die Art und den Umfang der Darstellung der beworbenen Reise abzustellen nicht auf die Form der Werbung oder das Medium. Weiter sei darauf abzustellen, ob die für den Verbraucher wesentlichen Reisedaten und Reiseleistungen so beschrieben seien, daß sich der Verbraucher ein Bild von der Reise machen könne. Dies sei vorliegend der Fall.

Zur Ergänzung des Parteivortrags wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 04.12.2003 Bezug genommen.

Der Senat hat mit Verfügung vom 15.10.2003 Hinweise erteilt.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg, denn die Klage ist zwar zulässig aber unbegründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Sie kann ihren Anspruch insbesondere nicht auf §§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 7 BGB-InfoVO oder §§ 1 oder 3 UWG stützen. Das die Klage zusprechende Urteil des Landgerichts war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

1. Ein Anspruch der Klägerin aus § 4 BGB-InfoVO ist nicht gegeben.

In § 4 BGB-InfoVO ist festgelegt, wie ein Prospekt gestaltet sein und welchen Inhalt er haben muß, wenn ein Reiseveranstalter über die von ihm veranstalteten Reisen einen Prospekt zur Verfügung stellt. Vorliegend muß die streitgegenständliche Zeitungsanzeige gemäß Anlage K 5 demnach die Vorgaben des § 4 BGB-InfoVO nur dann erfüllen, wenn es sich bei ihr um einen Prospekt im Sinne dieser Vorschrift handelt.

Eine Definition des Prospekts ist in § 4 BGB-InfoVO nicht enthalten. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Senat der Auffassung, daß es sich bei der Zeitungsanzeige gemäß Anlage K 5 - die unstreitig den Absagezeitpunkt bei Nichterreichen der Mindestteilnehmerzahl nicht angibt - nicht um einen Prospekt handelt und somit folgerichtig kein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Nr. 7 BGB-InfoVO vorliegt.

Die Klägerin hat einen Vorschlag für eine Richtlinie über Pauschalreisen (Drucksache 11/3701) als Anlage K 8 vorgelegt. Diese Richtlinie unterscheidet in Artikel 3 zwischen Prospekten und Beschreibungen.

Artikel 3 lautet auszugsweise wie folgt:

"..., daß alle vom Veranstalter oder Vermittler veröffentlichten oder herausgegebenen Beschreibungen einer Pauschalreise, des Preises und aller sonstigen für den Vertrag geltenden Bedingungen lesbare und verständliche und genaue Angaben enthalten, und daß Prospekte über eine Pauschalreise gegebenenfalls angemessene Angaben über folgende Punkte enthalten: ....." (Unterstreichungen hinzugefügt)

In den Bemerkungen zu Artikel 3 der vorgeschlagenen Richtlinie (Seite 20) der Drucksache 11/3701 heißt es, daß Beschreibungen von Pauschalreisen in der Regel in Reiseprospekten der Veranstalter enthalten sind und auch in Zeitungen oder sonstigen Zeitschriften enthalten sein können.

Dem entnimmt der Senat, daß der Gesetzgeber zwischen Beschreibungen und Prospekten unterscheidet und nicht jede Beschreibung ein Prospekt sein muß. Darüber hinaus stellen die Bemerkungen zu Artikel 3 klar, dass Beschreibungen sowohl in Prospekten als auch in Zeitungen und Zeitschriften sein können. Der Gesetzgeber unterscheidet mithin zwischen Beschreibungen in Prospekten einerseits und solchen in Zeitungen und Zeitschriften andererseits.

Vorliegend handelt es sich um eine Zeitungsanzeige, die eine Italienreise bewirbt. Aus dem Vorstehenden ist diesbezüglich zu entnehmen, dass die Zeitungsanzeige eine Beschreibung darstellt, nicht aber einen Prospekt, so daß auch die Anforderungen, die § 4 BGB-InfoVO stellt, nicht zum Tragen kommen.

2. Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf § 1 bzw. § 3 UWG stützen.

a) Ein Verstoß gegen § 1 UWG wegen Erlangung eines Vorsprungs durch Rechtsbruch scheidet schon deswegen aus, weil wie unter Ziffer 1. dargelegt, ein Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift außerhalb des UWG's - hier § 4 BGB-InfoVO - schon nicht gegeben ist. Ob ein Verstoß gegen § 4 BGB-InfoVO auch einen Verstoß gegen § 1 UWG darstellt, kann daher dahinstehen.

b) Auch ein Verstoß gegen § 3 UWG wegen irreführender Angaben in der Zeitungsanzeige gemäß Anlage K 5 ist vorliegend nicht gegeben.

Irreführende Angaben liegen schon deswegen nicht vor, weil der Beklagten gerade vorgeworfen wird, eine vorgeschriebene Angabe nicht gemacht zu haben. Darüber hinaus weiß der Leser der Anzeige, daß ihm eine Information fehlt. Er entnimmt nämlich der Anzeige, daß es eine Mindestteilnehmerzahl gibt, was bedeutet, daß die Reise bei Nichterreichen dieser Mindestteilnehmerzahl nicht stattfindet. Er erhält jedoch keine Information darüber, bis wann die Reise abgesagt werden kann. Dies ist ihm jedoch bekannt, so daß er nicht über einen Umstand getäuscht wurde, sondern lediglich eine Angabe in der Zeitungsanzeige fehlt.

Der Gesetzgeber hat in § 4 BGB-InfoVO bestimmt, daß Prospekte einer gewissen Ausgestaltung bedürfen. Er hat dabei ausdrücklich aufgenommen, daß die Voraussetzungen des § 4 BGB-InfoVO nur für Prospekte gelten sollen und nicht für andere Werbemittel. Dem muß entnommen werden, daß er der Meinung war, nur Prospekte bedürften eines Mindestinhalts. Es ist daher auch nicht angezeigt, die Einschränkung des Gesetzgebers in § 4 BGB-InfoVO durch die Anwendung des § 3 UWG aufzuweichen und über § 3 UWG dem Reiseveranstalter Auflagen zu machen, die die verbraucherschützende Norm § 4 BGB-InfoVO nicht für erforderlich hält.

c) Die Frage, ob die Wesentlichkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu bejahen ist, kann mangels Verstoßes gegen § 1 und 3 UWG offen bleiben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.



Ende der Entscheidung

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