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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 18.07.2007
Aktenzeichen: 7 U 2055/06
Rechtsgebiete: HGB, BGB
Vorschriften:
HGB § 84 | |
HGB § 89 a | |
BGB § 280 Abs. 1 |
2. Auch im Handelsvertreterrecht begründen Störungen aus dem eigenen Risikobereich grundsätzlich kein Kündigungsrecht. Dass sich die dem Vertragsabschluss zugrunde liegenden wirtschaftlichen Prognosen der kündigenden Unternehmerin als fehlerhaft erwiesen haben bzw. die von ihr bei Vertragsschluss eingegangenen Risiken und die damals bereits vorliegenden und bekannten Umstände nunmehr anders zu bewerten sind, rechtfertigt daher für sich allein eine außerordentliche Kündigung nicht.
3. Die unberechtigte außerordentliche Kündigung begründet einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB.
Aktenzeichen: 7 U 2055/06
Verkündet am: 18.07.2007
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
In dem Rechtsstreit
wegen Forderung
erlässt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2007 folgendes Grundurteil:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 30.12.2005 (Az.: 15 HK O 15372/02) aufgehoben.
II. Die Beklagte ist dem Grunde nach verpflichtet, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist, dass die Beklagte den Hauptvertriebspartnervertrag nebst Ergänzungsvereinbarung vom 04.04.2002 am 22.08.2002 außerordentlich mit sofortiger Wirkung gekündigt hat.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin, bzw. nunmehr der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Klägerin, macht im Wege der Teilklage Schadensersatzansprüche in Höhe von 100 Mio. EUR wegen unberechtigter außerordentlicher Kündigung eines mit der Beklagten geschlossenen Hauptvertriebspartnervertrages geltend.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Aschaffenburg - Insolvenzgericht - vom 21.07.2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin, der Firma O. GmbH (künftig: Gemeinschuldnerin), eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Den gemäß § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreit hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.05.2007 wieder aufgenommen.
Die Beklagte firmierte früher unter dem Namen "G. UMTS GmbH". Sie wurde im Jahr 2000 zum Zwecke der Erbringung von Mobilfunkleistungen gegründet. Ihre mittelbaren Muttergesellschaften, T. M. und S., haben in den jeweiligen Heimatmärkten Spanien und Finnland als ehemalige Monopolgesellschaften Marktführerschaft inne.
Im August 2000 erwarb die Beklagte - noch unter der Firma Ma. GmbH - eine von sechs UMTS-Lizenzen zum Preis von 16,45 Mrd. DM. Die Lizenz wurde am 06.09.2000 erteilt. Da die Technik für UMTS noch nicht verfügbar war und die Beklagte über kein eigenes herkömmliches Mobilfunknetz und keine Netzbetreiberlizenz auf der Basis des GSM/GPRS Standards in Deutschland verfügte, entschloss sie sich bis zur vorgesehenen Einführung der UMTS-Technologie Ende 2002/Anfang 2003 über das Netz eines anderen Telekommunikationsunternehmens, nämlich E-..., konventionelle Telekommunikationsdienste anzubieten, sich einen Kundenstamm zu erwerben und Vertriebs- und Servicestrukturen für ihre Produkte zu etablieren, um damit einen möglichst hohen Bekanntheitsgrad als Mobilfunkdienstleister in Deutschland zu erreichen und bei Einführung der UMTS-Technologie hierauf zurückgreifen zu können.
Da die Beklagte in Deutschland auch kein eigenes Vertriebsnetz hatte, benötigte sie Vertriebspartner, um im deutschen Markt Fuß fassen zu können.
Am 21.12.2001 unterzeichnete die Gemeinschuldnerin mit der Beklagten, die noch unter G....UMTS GmbH firmierte, einen Kooperationsvertrag (vgl. Anlage K 2), der durch den Hauptvertriebspartnervertrag vom 04.04.2002 (Anlage K 3) und die Ergänzungsvereinbarung vom selben Tag (Anlage K 4) ersetzt und aufgehoben wurde. Demnach sollte die Gemeinschuldnerin als Hauptvertriebspartnerin Mobilfunkleistungen der Beklagten vertreiben. Der Vertrag war mit einer Laufzeit von zehn Jahren geschlossen worden. Er sollte gemäß § 10 Abs. 1 (Anlage K 3) erstmals zum 31.03.2012 gekündigt werden können und sich automatisch um weitere zwölf Monate verlängern, wenn er nicht mit einer Frist von sechs Monaten vor dem 31.03.2012 von einer Partei schriftlich gekündigt würde. Nach § 10 Abs. 2 (Anlage K 3) des Vertrages blieb das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund von der Regelung in Abs. 1 unberührt. Die Laufzeit der Ergänzungsvereinbarung richtete sich gemäß § 13 (Anlage K 4) nach der des Hauptvertriebspartnervertrages.
Die Gemeinschuldnerin war berechtigt, den Vertrieb über namentlich genannte Vertriebspartner ("Distributoren") zu organisieren. In § 12 Abs. 2 der Ergänzungsvereinbarung (Anlage K 4) wurde geregelt, dass die Klägerin für die Vermittlung von Vertragsverhältnissen über Q.Mobilfunkdienstleistungen durch die Distributoren eine Vergütung erhalten sollte. Bei den aufgeführten Distributoren handelte es sich um die Firmen D. & D. + Co. Kommunikationstechnik GmbH, He.AG, Ha. Telekommunikation GmbH und AVW W. & S.. Gemäß § 2 Abs. 1 der Ergänzungsvereinbarung (Anlage K 4) sollte Ziel der vertrieblichen Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien sein, dass die Gemeinschuldnerin für die Beklagte pro Vertragsjahr 70.000 neue Verträge über Mobilfunkdienstleistungen im Verhältnis 30 % Postpaid- und 70 % Prepaid-Leistungen über die Filialen der Gemeinschuldnerin bzw. des Distributors D. & D. vermittelt. Als Ziel für die weiteren Distributoren war festgelegt: 31.000 für He. AG, 22.000 für Ha. Telekommunikation GmbH und 25.000 für A. W. & S.. Insgesamt sollten so mindestens 148.000 neue Verträge pro Vertragsjahr vermittelt werden. Gemäß § 2 Abs. 3 entsprachen zwei Prepaid-Verträge einem Postpaid-Vertrag. § 5 Abs. 1, "Bonus für Übererfüllung", bestimmte, dass die Gemeinschuldnerin ab dem 70.001. Vertrag, den sie über ihre oder die Filialen der Firma D. & D. vermittelte, einen zusätzlichen Bonus in Höhe von 10,00 EUR pro Vertrag erhalten sollte. Weitere Bonusregelungen waren vereinbart.
Zu den Inhalten der Vereinbarungen im Einzelnen wird auf die Anlagen K 3 und K 4 verwiesen.
Die Gemeinschuldnerin und ihre Vertriebspartner erbrachten Vertriebsleistungen für die Beklagte durch die Vermittlung von Q.-Kartenverträgen im Prepaid-Bereich "Q. Now-" und im Postpaid-Bereich. Bei den vermittelten Prepaid-Kartenverträgen war auf der SIM-Karte zusätzlich ein Gesprächsguthaben durch die Beklagte gespeichert. Postpaid-Kartenverträge, die für eine bestimmte Laufzeit abgeschlossen waren, sahen keine Gesprächsguthaben auf der Karte vor. In Verbindung mit Prepaid- oder Postpaid-Kartenverträgen hatte der Endkunde die Möglichkeit, ein Mobiltelefon günstig zu erwerben. Die Vertragsabschlusskosten wie auch die laufenden Kosten bei der Vertragsdurchführung lagen für die Beklagte weitaus höher als bei deren Mitbewerbern, insbesondere auch aufgrund der an E-... aufgrund des Netzbenutzungsvertrags zu leistenden Zahlungen.
Die Distributoren der Gemeinschuldnerin bestellten am 22.04.2002 (Anlage K 28), am 16.05.2002 (Anlage K 25), am 31.05.2002 (Anlage K 22) Prepaid-Karten bei der Beklagten. Mit E-Mail vom 03.06.2002 (Anlage K 57) teilte ein Mitarbeiter der Beklagten, Herr O., dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin mit, dass wegen immer wieder auftretender Vertriebsengpässe von SIM-Karten und der bereits in Bearbeitung befindlichen Bestellungen von 150.000 Prepaid-SIM-Karten, diese Anforderungen pauschal nicht bestätigt werden könnten.
Am 13.06.2002 (Anlage K 21) erfolgte eine weitere Bestellung von Prepaid-Karten durch den Distributor D. & D.. Hierauf teilte die Beklagte mit E-Mail vom 19.06.2002 (Anlage KE 2) mit, dass die Bestellungen von 150.000 bzw. 300.000 Q. Now-Cards zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bestätigt werden könnten, da wegen der außerordentlichen Höhe und unplanmäßigen Menge an Karten es einer vorherigen Klärung wesentlicher Punkte bedürfte.
In der Folgezeit erfolgten weitere Bestellungen durch die Distributoren (Anlagen K 10, K 11, K 12, K 13, K 14, K 15, K 16, K 18, K 19). Auf Mahnung der Firma D. & D. vertrat die Beklagte im Schreiben vom 11.07.2002 (Anlage K 7) die Auffassung, dass diese gemäß Hauptvertriebspartnervertrag vom 04.04.2002 zu Bestellungen nicht berechtigt sei und deshalb die Bestellungen als gegenstandslos anzusehen seien.
Die Gemeinschuldnerin bestellte ihrerseits mit Schreiben vom 23.07.2002 (Anlage K 36 - K 39) "wie die Firma D. & D." Q. Now-Karten und listete hierfür die einzelnen Bestellungen insbesondere bezüglich des Projektgeschäfts zwischen der Firma R. und Os. auf. Insgesamt umfassten die Bestellungen vom 23.07.2002 1.500.000 Q. Now-Cards und 10.000 Q. Now-Sets.
Lieferung erfolgte hierauf durch die Beklagte nicht.
Mit Schreiben vom 26.07.2002 teilte schließlich die Beklagte der Gemeinschuldnerin mit, dass sie das aktuelle operative Geschäft im Bereich GSM/GPRS einstelle, da die Gesellschafter der Beklagten, die spanische T. und die finnische S. ihre kurz- und mittelfristige Strategie in Deutschland neu ausrichten würden. Die aktive Vermarktung von Mobilfunkleistungen über eigene Vertriebskanäle werde mit sofortiger Wirkung eingestellt. Alle bis zum 27.07.2002, 24.00 Uhr, bei der Beklagten eingehenden Kundenanträge mit nachträglicher Abrechnung (Postpaid-Verträge) würden von ihr gemäß Q.-Standardprozessen bearbeitet werden, danach eingehende würden nicht mehr bearbeitet. Alle bis 31.08.2002, 24.00 Uhr, eingehenden Kundenanträge auf Abschluss eines Prepaid-Vertrages würde sie in den Fällen, in denen die entsprechenden SIM-Karten mit Mobilfunkendgeräten durch die Beklagte gebündelt würden, bearbeiten, später eingehende nicht mehr.
Mit Schreiben vom 31.07.2002 forderte die Gemeinschuldnerin die Beklagte auf zu bestätigen, dass diese ihr alle Schäden ersetze, die ihr aufgrund der Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtungen durch die Beklagte entstünden. Am 31.07.2002 teilte die Beklagte dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin mit, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr in Betracht käme.
Schließlich erfolgte durch die Beklagte mit Schreiben vom 22.08.2002 (Anlage KE 1, K 5) die außerordentliche Kündigung des Hauptvertriebspartnervertrages nebst Ergänzungsvereinbarung "mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund gemäß § 89 a Abs. 1 HGB". Für den Fall, dass die Kündigung mit sofortiger Wirkung unwirksam sei, kündigte die Beklagte hilfsweise zum 28.02.2003. Als Grund für die Kündigung gab die Beklagte die Einstellung des GSM/GPRS-Geschäfts und die Unrentabilität der Leistungen an. Die Beklagte legte die Gründe folgendermaßen näher dar:
"1. Wir haben nach Unterzeichnung des Hauptvertriebspartnervertrages und der Ergänzungsvereinbarung feststellen müssen, dass die Zahl der Mobilfunkkunden - und damit der Mobilfunkmarkt in Deutschland - nicht so gewachsen ist wie ursprünglich angenommen. Wir mussten daher vorrangig die Kunden anderer Mobilfunkanbieter als Kunden für unsere Dienste gewinnen. Hierfür sind weit über unseren ursprünglichen Plänen liegende Kosten aufgewandt worden. Hinzu kam, dass der Kundenumsatz deutlich hinter unseren Erwartungen zurückblieb. Den außerplanmäßig aufgewandten Kundengewinnungskosten standen somit niedrigere Einnahmen gegenüber.
Da die Mehrzahl der Kunden in der zweiten Jahreshälfte gewonnen werden sollte, hätten sich die Kundengewinnungskosten bei einer Fortsetzung unseres Geschäfts weiter erhöht.
2. Für unsere GSM-/GPRS-Dienste nutzen wir das Netz der E-... Mobilfunk GmbH. Dadurch fallen National Roaming Gebühren an, die unsere Deckungsbeiträge im Verhältnis zu anderen Mobilfunknetzbetreibern erheblich geringer ausfallen lassen. Wir haben dies bei Abschluss des National Roaming Vertrages mit der E-... Mobilfunk GmbH in Kauf genommen, da wir davon ausgingen, die GSM-/GPRS-Kunden kurzfristig auf unser UMTS-Netz übertragen zu können. Dadurch wären die Deckungsbeiträge auf ein angemessenes Niveau angehoben worden.
Nach unseren Planungen sollten die UMTS-Dienste ab dem ersten Quartal 2003 angeboten werden. Wir verweisen insoweit auf die Anlage 1 zum Hauptvertriebspartnervertrag. Nunmehr hat sich herausgestellt, dass sich der Aufbau des UMTS-Netzes erheblich verzögern wird. Die Lieferanten der netztechnischen Einrichtungen sind entgegen ihrer ursprünglichen Prognosen und Zusagen nicht in der Lage, funktionsfähige UMTS-Systeme in der benötigten Menge zu liefern. Darüber hinaus sind auch Unsicherheiten hinsichtlich der ausreichenden Verfügbarkeit von UMTS-Endgeräten im Jahr 2003 aufgetreten. Ein Start der UMTS-Dienste ist frühestens im vierten Quartal 2003 möglich. Durch die vorstehend dargelegten Verzögerungen hätten wir unser Geschäft hinsichtlich der GSM-/GPRS-Dienste mindestens neun weitere Monate mit überhöhten Deckungskosten betreiben müssen. Ferner wären zusätzliche Umsatzerhöhungen, die wir in diesem Zeitraum durch die Einführung markenstärkerer UMTS-Produkte erzielen wollten, ausgeblieben. ..."
Mit Schreiben vom 29.08.2002 widersprach die Gemeinschuldnerin der Kündigung.
Die Klägerin/Gemeinschuldnerin machte in erster Instanz mit Teilklage in Höhe von 100 Mio. EUR Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend, die sie darauf stützte, dass diese den Hauptvertriebspartnervertrag gekündigt habe, ohne hierzu berechtigt gewesen zu sein. Sie errechnet einen Gesamtschaden in Höhe von insgesamt ca. 328 Mio. EUR. In erster Instanz berechnete sie diesen Schaden insbesondere auch als entgangenen Gewinn aus von der Klägerin nicht mehr erfüllten Bestellungen.
Die Klägerin trug vor, die Beklagte habe kein Recht gehabt, das Vertragsverhältnis außerordentlich zu kündigen. Die von der Beklagten aufgelisteten Gründe würden eine außerordentliche Kündigung nicht tragen, sie lägen ausschließlich in der Sphäre der Beklagten und seien bereits bei Abschluss des Vertrages bekannt gewesen. Um ein UMTS-Netz wirtschaftlich betreiben zu können, sei ein Marktanteil von ca. 15 % nötig gewesen. Im Jahr 2000 sei der deutsche Mobilfunkmarkt jedoch schon weitgehend verteilt gewesen. Die Beklagte habe nur die Möglichkeit gehabt, den bereits auf dem Markt befindlichen Gesellschaften Kunden abzuwerben. Dabei habe die Beklagte, die selbst über keine Netzbetreiberlizenz auf der Basis GSM Standards verfügt habe, von E-... Lizenzen erwerben müssen. Insgesamt habe die Beklagte mit erheblichen Markteintrittskosten kalkuliert. Sie könne daher nicht vier Monate nach Abschluss des zehnjährigen Vertriebspartnervertrages ihre Kündigung auf diese Gründe stützen. Die Beklagte habe in voller Kenntnis der bestehenden technischen und wirtschaftlichen Risiken ihres UMTS-Engagements einen 10-Jahres-Vertrag fest abgeschlossen. Entsprechend große Anlaufverluste seien vorkalkuliert gewesen. Eine sofortige Beendigung des Vertriebspartnervertrags sei aus diesen Gründen nicht zulässig, die Beklagte hätte zumindest eine angemessene Auslauffrist gewähren müssen. Zwar treffe es zu, dass die Betriebs- und Produktionseinstellung der Beklagten ein wichtiger Grund im Sinne des § 89 a HGB für die Kündigung sein könne, vorliegend schließe aber das eigene Verhalten der Beklagten eine Kündigung aus. Ferner bestreitet die Klägerin, dass der Beklagten bei Abschluss des Vertrages am 04.04.2002 die Marktsituation objektiv nicht erkennbar gewesen sei. Die Beklagte habe zudem keine Planrechnung vorgelegt. Die Beklagte sei für das Vorliegen der Kündigungsgründe darlegungs- und beweisbelastet.
Sie, die Klägerin, selbst habe ihre vertraglichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die georderten Prepaid-Karten im Auftragswert von 28.539.284,00 EUR zu liefern. Sie könne sich insbesondere nicht darauf berufen, dass die Zielvereinbarung im Hauptvertriebspartnervertrag bzw. seine Ergänzung eine Obergrenze festgelegt habe und deshalb darüber hinausgehende Bestellungen nicht zu vollziehen seien, da sich insbesondere aus dem vereinbarten Bonus für ein Überschreiten der Zielvereinbarung ergebe, dass die Zielvereinbarung keine abschließende Obergrenze darstellen sollte. Die Klägerin/Gemeinschuldnerin behauptet durch die unberechtigte Kündigung bzw. die nicht ordnungsgemäße Vertragserfüllung einen Gesamtschaden in Höhe von 328.115.817,00 EUR, zur Berechnung im Einzelnen vgl. Klageschriftsatz und insb. Klageereweiterungsschriftsatz vom 16.04.2004 (Bl. 6/43 d.A), erlitten zu haben. Sie macht hieraus einen Teil in Höhe von 100 Mio. EUR mit der Klage geltend.
Die Streithelferin, die frühere Klägervertreterin, trat mit Schriftsatz vom 05.03.2004 dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin bei. Sie wurde durch Zwischenurteil vom 27.09.2004 als Streithelferin der Klägerin zugelassen (vgl. Blatt 404/405 der Akten). Sie schließt sich den Ausführungen der Klägerin/Gemeinschuldnerin an. Auch sie ist der Auffassung, die Einstellung des GSM-/GPRS-Geschäfts wegen mangelnder Rentabilität sei vorliegend kein hinreichend wichtiger Grund für die außerordentlichen Kündigungen des Hauptvertriebspartnervertrages und der Ergänzungsvereinbarung. Die wirtschaftliche Lage der Beklagten habe sich am 04.04.2004 nicht anders dargestellt als am 22.08.2002. Sie bestreitet, dass die vermittelten Kunden von schlechter Qualität gewesen seien; zu berücksichtigen sei auch, dass die Beklagte bereits Investitionen von mehr als 8 Mrd. EUR getätigt habe. Es sei ihr daher ein weiteres Zuwarten und Abwarten der wirtschaftlichen Entwicklung zuzumuten gewesen.
Die Klägerin und die Streithelferin beantragten in erster Instanz, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 100 Mio. EUR nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatzansprüche zustünden, da der zwischen den Parteien geschlossene Hauptvertriebspartnervertrag am 22.08.2002 durch sie, die Beklagte, mit sofortiger Wirkung wirksam gekündigt worden sei. Sie sei zur außerordentlichen Kündigung berechtigt gewesen. Die mit der Klägerin geschlossenen Verträge seien für diese in Bezug auf Laufzeit und Provisionen äußerst vorteilhaft gewesen, mit anderen Vertriebshändlern habe sie Kündigungsfristen zum Monatsende und weit geringere Provisionen vereinbart. Bei Aufnahme ihrer Geschäfte in Deutschland sei sie zuversichtlich gewesen, sich auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt behaupten zu können. Sie habe zwar anfangs Verluste in ihren Geschäftsplan einkalkuliert, die tatsächlichen Verluste seien jedoch höher gewesen, als sie zunächst geplant habe, da sich der Markt anders, nämlich sehr viel ungünstiger und langsamer entwickelt habe. Die Qualität der von der Klägerin vermittelten Kunden sei weit hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben, zudem habe sich die für das erste Quartal 2003 geplante Einführung der UMTS-Technologie verzögert. Dies sei jedoch Geschäftsgrundlage des Vertrags mit der Klägerin gewesen. Die Verzögerung sei erst im Jahr 2002 erkennbar gewesen. Da sie die herkömmlichen Dienste wegen des fehlenden eigenen Netzes nie zu wettbewerbsfähigen Preisen habe anbieten können, habe sie sich im Sommer 2002 in der Situation gesehen, auf unbestimmte Zeit erhebliche Verluste zu machen oder ihr Engagement in diesem Sektor zu beenden. Das unternehmerische Risiko des Scheiterns beim Versuch, in dem umkämpften Markt ein neues Geschäft aufzubauen, habe sich realisiert, es sei deshalb von den Muttergesellschaften im Juli 2002 der Ausstieg aus dem deutschen Markt beschlossen worden. Die Einstellung des GSM-/GPRS-Geschäfts wegen mangelnder Rentabilität sei ein hinreichend wichtiger Grund, um die fristlose, außerordentliche Kündigung des Hauptvertriebspartnervertrages und der Ergänzungsvereinbarung zu rechtfertigen. Hierbei handele es sich um eine Entscheidung im Rahmen der ihr zustehenden unternehmerischen Dispositionsfreiheit.
Die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche stünden dieser schon dem Grunde nach nicht zu. Hinzu käme, dass auch die Schadensberechnung der Höhe nach nicht nachvollziehbar sei. Sie habe keine Vertragspflichten dadurch verletzt, dass sie Bestellungen nicht ausgeführt habe. Aus keinem Grund sei sie nämlich verpflichtet gewesen, Kaufangebote der Vertriebspartner über 1.725.000 SIM-Karten Q. Now und über 40.212 Endgeräte mit einem Gesamtauftragsvolumen von 28.539.234,00 EUR in der Zeit vom 23.04. bis 22.07.2002 anzunehmen. Die von der Klägerin behaupteten Bestellungen der Firma R.seien bei ihr nicht eingegangen. Die Parteien hätten zudem in § 2 der Ergänzungsvereinbarung mit der Zielvereinbarung einvernehmlich unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Beklagten den Umfang der Verträge festgelegt. Dies sei geschehen auch im Hinblick auf die Lieferkapazitäten der Beklagten. Die weit darüber hinausgehenden Bestellungen der Klägerin habe sie daher zu Recht nicht erfüllt. Diese seien nicht mehr von der Geschäftsgrundlage der vertraglichen Zusammenarbeit gedeckt gewesen. Angesichts der Tatsache, dass ihr je verkaufter Prepaid-Q. Now SIM-Only-Card ein Verlust von mindestens 19,68 EUR (33,00 EUR minus 13,32 EUR) entstünde, habe sie den enormen Bestellungen, die einen weitaus höheren Verlust als geplant nach sich gezogen hätten, nicht nachkommen müssen. Schließlich seien die Schadensberechnungen der Klägerin auch im weiteren fehlerhaft und entbehrten jeder Grundlage.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S. D., J. H., U. K. und J. G. gemäß Beweisbeschluss vom 23.11.2004 (Blatt 431/432 der Akten) und M. H., G. Sch. und M. O.. Bezüglich des Inhalts ihrer Aussagen wird auf die Sitzungsprotokolle vom 07.03.2005 (Blatt 498/522 der Akten) und vom 21.11.2005 (Blatt 637/660 der Akten) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Es sah die außerordentliche Kündigung durch die Beklagte vom 22.08.2002 gemäß § 89 a Abs. 1 Satz 1 HGB als berechtigt an. Der Beklagten habe ein Grund zur außerordentlichen Kündigung zugestanden, da ihr unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung bis zur vereinbarten Vertragsbeendigung oder bis zum Ablauf der Frist zur ordentlichen Kündigung (§ 89 HGB) nicht habe zugemutet werden können. Angesichts der sich abzeichnenden mangelnden Rentabilität habe die Beklagte die weitere Entwicklung auf dem UMTS-Markt nicht abwarten müssen. Die Markteinführung der UMTS-Dienstleistungen habe sich verzögert. Deshalb sei eine Rentabilität ihrer Aufwendungen in absehbarer Zeit nicht zu erreichen gewesen. Die Beklagte habe zwar bei Vertragsschluss gesehen, dass sie mit hohen Einstiegskosten und längeren Verlustzeiträumen sowie erheblichen Risiken zu rechnen habe, insbesondere weil sie bislang auf dem deutschen Mobilfunkmarkt nicht vertreten gewesen sei. Der Beklagten seien damit ein Großteil, wenn nicht alle diese Risiken bei Abschluss des Vertrags bekannt gewesen. Dennoch sei der Beklagten die Fortsetzung des Vertrages nicht zuzumuten gewesen. Unter Abwägung aller Umstände, auch der dem Unternehmer zustehenden Entscheidungsfreiheit, sei hier die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt. Die Beklagte müsse letztlich die unternehmerische Freiheit haben, Risiken und Erwartungen zu überdenken und neu einzuschätzen sowie weiter gewonnene Erfahrungen zu berücksichtigen. Zu einer anderen Bewertung gebe auch nicht die Tatsache Anlass, dass die Beklagte ihre Einschätzung der Situation kurzzeitig nach Vertragsschluss mit der Klägerin geändert habe. Sie allein könne auf Grund der unternehmerischen Freiheit darüber entscheiden, ob und welche Geschäfte sie in welchem Umfang riskieren wolle. Hinzu käme, dass die Klägerin bereits mit Schreiben vom 26.07.2002 über die Entscheidung der Geschäftseinstellung informiert worden sei, die Kündigung vom 22.08.2002 damit für die Klägerin nicht mehr überraschend und unvorbereitet gekommen sei. Schließlich sei der Beklagten auch nicht zuzumuten gewesen, ihre Kündigung mit einer Auslauffrist zu versehen. Ein Anspruch auf c.i.c. stünde der Klägerin auch nicht zu, da eine eventuelle falsche Einschätzung der Chancen und Risiken bei Vertragsschluss keine schuldhafte Pflichtverletzung der Klägerin gegenüber durch die Beklagte darstellte.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin (bzw. ihres Insolvenzverwalters)/Gemeinschuldnerin, die die außerordentliche Kündigung nach wie vor für unberechtigt hält. Sie stützt sich insbesondere darauf, dass der Beklagten bereits bei Abschluss des Vertriebsvertrages vom 04.04.2002 bekannt gewesen sei, mit welchen Risiken der Eintritt in den deutschen Mobilfunkmarkt verbunden sei. Die Investitionsrisiken auf die sie ihre Kündigung gestützt habe, seien alle bereits bei Vertragsschluss bekannt bzw. vorhersehbar gewesen. Bereits die breite Berichterstattung in den Medien im Zusammenhang mit der Versteigerung der UMTS-Lizenzen sowie Studien von Wirtschafts-/Unternehmensberatern belegten das hohe Risiko insbesondere für Neueinsteiger im deutschen Mobilfunknetz. Die Beklagte sei mit dem Abschluss des Vertriebsvertrages, der eine unkündbare Laufzeit von zehn Jahren vorgesehen habe, bewusst ein weiteres Risiko eingegangen. Die von der Beklagten genannten Umstände - Neueintritt in einen bereits aufgeteilten Markt, schwieriges Marktumfeld, hohe Kundengewinnungskosten und mögliche technische Probleme bei der Einführung einer völlig neuen Technologie (UMTS) - seien typische Risiken, die der Beklagten bei Abschluss des Vertrages mit der Klägerin bekannt gewesen seien. Die Beklagte habe nicht substantiiert darzulegen vermocht, inwieweit sich die Umstände und Risiken zwischen Vertragsschluss am 04.04.2002 und der Kündigung nur vier Monate später am 22.08.2002 derart geändert hätten, dass eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt wäre. Insbesondere fehle ein Vortrag dazu, weshalb der Beklagten die Fortsetzung des Vertrages unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zuzumuten gewesen sei. Die Beklagte habe unbestritten erhebliche Verluste eingeplant, sie habe nicht substantiiert dargelegt, z.B. durch die Vorlage eines Geschäftsplans, warum das Geschäftsmodell gescheitert sei. Der Hauptvertriebspartnervertrag sei nicht unter der Bedingung oder mit der Geschäftsgrundlage geschlossen worden, dass die UMTS-Technik bis spätestens zum ersten Quartal 2003 zur Verfügung stehe. Die Klägerin berechnete nunmehr den geltend gemachten Schadensersatzanspruch in ihrer Berufungsbegründung in Höhe von 100 Mio. als entgangenen Gewinn auf der Basis der vereinbarten Vertriebsziele und der hierfür zu leistenden Vergütung kapitalisiert auf zehn Jahre unter 6,7%iger Abzinsung und abzüglich ersparter Kosten in Höhe von 20 %.
Die Klägerin beantragt,
1. das Endurteil des Landgerichts München I vom 30.12.2005, Az. 15 HKO 15372/02, dahin abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 100 Mio. EUR zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung vom 17.05.2006 wies der Senat die Beklagte darauf hin, dass eine Kündigung des Vertriebspartnervertrages grundsätzlich in Betracht käme; Voraussetzung aber sei, dass die betriebswirtschaftlichen Überlegungen, die zur Kündigung geführt haben, bei Abschluss des Vertriebsvertrages nicht vorhersehbar gewesen seien und sich im Verlaufe des Vertriebs als so belastend herausgestellt haben, dass die Fortsetzung des Vertriebs kaufmännisch nicht mehr vertretbar gewesen sei (im Einzelnen vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.05.2006, Blatt 920 d. A.).
Hierauf legte die Beklagte den im Herbst 2001 erstellten Geschäftsplan "Business Plan 2.3.1." (Anlage KE 12), der vor Beginn der Zusammenarbeit mit der Klägerin und deren Vertriebspartnern ausgefertigt worden sei, vor. Aus dem Plan seien die betriebswirtschaftlichen Annahmen und Überlegungen der Beklagten zu entnehmen. Insbesondere sei aus dem Plan ersichtlich, dass unter anderem davon ausgegangen worden sei, die UMTS-Technologie stünde im ersten Quartal des Jahres 2003 zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund sei die Gewinnschwelle im Jahr 2006 zu erreichen gewesen; sie habe bis dahin weitere Investitionen in Höhe von 2,940 Mrd. EUR eingeplant. Eine Untersuchung der Abteilung Sales Planning and Controlling zum Status der Geschäftsbeziehung mit der Klägerin vom 16.07.2002 habe eine schlechte Kundenqualität ergeben. Schließlich sei die Untersuchung durch die Unternehmensberatungsgesellschaft T. B. C. Group zur Geschäftssituation (Anlage KE 15) vom 23.07.2002 zu dem Ergebnis gekommen, dass ca. 53 % weniger Kunden gewonnen worden seien, als im Geschäftsplan 2.3.1. vorgesehen, ferner die Kundenqualität schlecht und die Sogwirkung der Marke im Vergleich zu den Wettbewerbern gering seien, weshalb auch erheblich höhere Investitionen als ursprünglich kalkuliert keine Rentabilität gewährleisten könnten.
Die Konzernmutter habe deshalb am 23.07.2002 beschlossen, das Geschäft in Deutschland einzustellen. Die außerordentliche Kündigung des Vertriebspartnervertrages sei unter diesen Gesichtspunkten als wirksam anzusehen. Die unternehmerischen Entscheidungen der Beklagten zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit in Deutschland und später zur Einstellung der Geschäfte seien inhaltlich die einzig richtigen gewesen. Aufgrund des besonders engen Vertrauensverhältnisses zwischen Handelsvertretern und Unternehmer falle das Risiko des wirtschaftlichen Scheiterns des Unternehmens auch in die Risikosphäre des Handelsvertreters. Es stehe im alleinigen unternehmerischen Ermessen der Beklagten bzw. deren Muttergesellschaften, ob sie ursprünglich nicht eingeplante, zusätzliche Investitionen in gewaltiger Höhe tätigen wolle oder nicht.
Die Bestellungen der Klägerin von 1.700.000 SIM-Karten, die erheblich über den Zielvereinbarungen gelegen hätten, seien als grob rechtsmissbräuchlich einzustufen gewesen. Sie habe auf diese Bestellungen nicht reagieren müssen, da diese mit erheblichen weiteren, unkalkulierten Kosten für die Beklagte verbunden gewesen seien.
Schließlich ist die Beklagte hinsichtlich der in der Berufungsbegründung der Klägerin vorgebrachten Schadenskalkulation der Auffassung, dass diese in der Berufungsinstanz nicht zuzulassen, jedenfalls als verspätet zu werten sei. Die Schadensberechnung durch die Klägerin sei zudem fehlerhaft, insbesondere soweit sie sich auf einen zehnjährigen Zeitraum beziehe. Spätestens mit der Verhaftung der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin wegen Verdachts der Steuerhinterziehung am 01.03.2005 habe sie das Vertragsverhältnis mit sofortiger Wirkung auflösen können, dies sei gegebenenfalls bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen.
Der Senat hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.05.2006 (Blatt 918/921 der Akten) mit den Parteien die Sach- und Rechtslage erörtert und Hinweise insbesondere an die Beklagte erteilt und den Parteien Schriftsatzfristen gewährt. Das Verfahren wurde nachfolgend wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten am 21.07.2006 durch das Amtsgericht Aschaffenburg gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Mit Schriftsatz vom 11.05.2007 nahm der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Klägerin das unterbrochene Verfahren auf. Termin zur mündlichen Verhandlung fand statt am 18.07.2007.
Auf die Protokolle der Sitzungen in erster Instanz und des Senats wird verwiesen. Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat dahingehend Erfolg, dass unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten wegen der unwirksamen außerordentlichen Kündigung vom 22.08.2002 gegenüber der Klägerin dem Grunde nach festzustellen ist.
1. Die prozessualen Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils gemäß § 304 ZPO liegen vor.
Bezüglich des bezifferten Klageantrags auf Schadensersatz sind Grund und Höhe der Forderung zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte hält die von ihr ausgesprochene außerordentliche Kündigung des streitgegenständlichen Vertrags für wirksam und daher die auf die Unwirksamkeit der Kündigung gestützten Schadensersatzansprüche der Klägerin für im Grunde nicht bestehend. Sie bestreitet auch die Höhe des behaupteten Schadens der Klägerin. Eine Entscheidung über den Grund der Haftung erscheint sinnvoll und berechtigt, insbesondere deshalb, weil gegebenenfalls durch eine aufwändige Beweisaufnahme die Höhe des Schadens oder die Basis für eine Schadensschätzung durch das Gericht zu ermitteln sein wird.
2. Die Beklagte war zu der von ihr erklärten außerordentlichen Kündigung des Vertriebspartnervertrages nicht gem. § 89 a HGB berechtigt; sie ist der Klägerin daher nach § 280 Abs. 1 BGB zum Ersatz der hierdurch entstandenen Schäden verpflichtet (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl., § 89 a Rdnr. 40).
a) Zwischen den Parteien ist unstreitig am 04.04.2002 ein wirksamer Vertriebspartnervertrag geschlossen worden, der den Kooperationsvertrag vom 21.12.2001 ersetzte und insbesondere auch im Hinblick auf die Ergänzungsvereinbarung vom 04.04.2002 die vertragliche Zusammenarbeit detaillierter und umfassender neu regelte.
Die Klägerin war gemäß vertraglicher Vereinbarung verpflichtet, als Hauptvertriebspartnerin zusammen mit angeschlossenen Vertriebspartnern - Distributoren - Mobilfunkdienstleistungen der Beklagten zu vermitteln. Sie erhielt hierfür Vermittlungsprovision. Hierbei handelt es sich um einen Handelsvertretervertrag gemäß § 84 HGB.
b) Bei Handelsvertreterverträgen, die für eine bestimmte Zeit - wie vorliegend auf 10 Jahre - abgeschlossen werden, stellt die außerordentliche Kündigung nach § 89 a HGB die einzige Möglichkeit der vorzeitigen Vertragsbeendigung dar, weil bei diesen Verträgen schon begrifflich eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. Die tatsächlichen Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung, insbesondere das Vorliegen eines wichtigen Grundes, hat dabei derjenige darzulegen und zu beweisen, der sich auf die Wirksamkeit der Kündigung beruft (vgl. BGH NJW-RR 1999, 539; OLG München, 7. Senat, NJW-RR 1995, 292).
Zunächst ist auch hier von dem Grundsatz auszugehen, dass Verträge einzuhalten sind. Bei einer Lösung vom Vertrag sind die Besonderheiten des spezifischen Vertragsverhältnisses zu berücksichtigen. Eine Kündigung kann grundsätzlich nicht auf Umstände gestützt werden, die bereits bei Vertragsschluss vorlagen und bekannt waren. Dies wäre eine schlichte Vertragsreue. Grundsätzlich begründen Störungen, die dem eigenen Risikosbereich des Kündigenden erwachsen, kein Kündigungsrecht (vgl. Palandt, BGB, 66. Auflage, § 314 Rdnr. 9; BGH NJW 1991, 1829; 1996, 714). Hierunter fallen auch Prognosefehler bzw. Änderungen in der Prognoseeinschätzung.
Vor diesem Hintergrund vermögen das Vorbringen der Beklagten und die hierzu von ihr vorgelegten Unterlagen einen wichtigen Grund für die von ihr bereits 4 1/2 Monate nach Abschluss des Vertrags ausgesprochene außerordentliche Kündigung nicht zu belegen.
aa) Ein wichtiger Grund im Sinne des § 89 a HGB, der zur fristlosen Kündigung des Vertragsverhältnisses berechtigt, liegt dann vor, wenn dem Kündigenden bei gerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrags bis zu dem durch die fristgerechte Kündigung herbeizuführenden oder von vornherein vereinbarten Vertragsablauf mit Rücksicht auf die im Einzelfall vorliegenden besonderen Umstände sowie auf Wesen und Zweck eines Handelsvertretervertrags und die durch ihn begründeten Rechte und Pflichten beider Parteien nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist (ständige Rechtsprechung, z. B. BGH BB 1988, 1771; NJW 1986, 1931). Es ist hierbei wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen und zu prüfen, ob der als wichtiger Grund in Betracht kommende Umstand so schwer wiegt, dass er die für die Vertragsfortsetzung sprechenden Umstände nicht durchgreifen lässt. In die Prüfung der der Gesamtwürdigung zugrunde liegenden Umstände und deren Abwägung sind insbesondere die Art und Dauer des Vertragsverhältnisses, die Ausgestaltung der Vertragsbeziehung im Einzelnen, sowie das Verhalten des Kündigenden und auch seines Vertragspartners einzubeziehen. Als wesentlich erweist sich im vorliegenden Fall, in dem ein auf 10 Jahre fest geschlossener Vertrag bereits nach 4 1/2 Monaten mit sofortiger Wirkung außerordentlich gekündigt wurde, die Frage, ob die betriebswirtschaftlichen Überlegungen der Beklagten, die zur Kündigung geführt haben, bei Abschluss des Vertriebsvertrags im April 2002 nicht vorhersehbar gewesen sind und sich insbesondere der Verlauf des Vertriebs als so belastend herausgestellt hat, dass die Fortsetzung des Vertrags der Beklagten nicht mehr zumutbar war. Allein die Neubewertung der Risiken bzw. der bereits bei Vertragsschluss vorliegenden und bekannten Umstände rechtfertigen für sich alleine eine außerordentliche Kündigung des Vertrags nicht. Der Grundsatz, dass geschlossene Verträge einzuhalten sind, ist zu berücksichtigen.
Der Senat verkennt nicht, dass unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses an die Intensität der Vertragsstörung umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je länger die Frist bemessen ist, innerhalb derer das Vertragsverhältnis abläuft oder durch ordentliche Kündigung beendet werden kann (vgl. BGH NJW 2000, 1866) und dass dem Unternehmer grundsätzlich kaufmännische Dispositionsfreiheit zusteht. Dennoch vermochte die Beklagte, die hierfür darlegungs- und beweispflichtig ist, weder durch ihr Parteivorbringen noch die vorgelegten Unterlagen, insbesondere auch den Business Plan 2.3.1 und das Gutachtens der Unternehmensberatergesellschaft T.B.C. Group, die Voraussetzungen für ihre außerordentliche Kündigung nicht hinreichend darzulegen und nachzuweisen. Aus dem Vortrag und den Gesamtumständen ist vielmehr zu schließen, dass die Beklagte ihre ursprüngliche unternehmerische Entscheidung und das bewusst eingegangene Risiko im Zusammenhang mit dem Einstieg in den deutschen Mobilfunkmarkt neu bewertete. Wobei sie sich nicht auf nach dem Vertragsschluss entstandene neue und schwerwiegende Umstände berufen kann. Vor allem auch die Abwägung der beiderseitigen Interessen, das Vertrauen des Vertragspartners in den Bestand des Vertrags lassen zum Zeitpunkt der Kündigung eine Fortsetzung des Vertrags für die Beklagte als nicht unzumutbar erscheinen. Es handelte sich um ein im Aufbau befindliches, auf lange Zeit eingegangenes Vertragsverhältnis. Der Beklagte wäre ein Abwarten, ob sich die Prognosen der Unternehmensberatungsgesellschaft bewahrheiteten, zuzumuten gewesen. Unter Berücksichtigung der Darlegungen und bei Abwägung der beiderseitigen Interessen besteht vorliegend ein wichtiger Grund für die Kündigung und die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für die Beklagte zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung nicht. Der Senat stützt sich hierbei auf folgende Überlegungen:
(1) Die Parteien haben - wie sich aus dem Vertriebsvertrag und dem bereits vorangegangenen Kooperationsvertrag vom 21.12.2001 ergibt - eine langfristige Bindung beabsichtigt und deshalb eine Laufzeit von 10 Jahren vereinbart. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund und im Bewusstsein, dass es sich um ein neues Projekt handelt, das mit erheblichen Kosten und Risiken für die Beklagte verbunden sein wird, dass erst im Laufe der Vertragsdauer die Einführung der UMTS-Technologie und die Nutzung der erworbenen Lizenz durch die Beklagte möglich sein wird und die Beklagte zudem bislang im deutschen Markt - anders als ihre Mitbewerber - nicht vertreten war. Es handelte sich, wie die Beklagte selbst einräumt, um ein risikobehaftetes Unterfangen, dem die unternehmerische Entscheidung zugrunde lag, mit dem Erwerb der UMTS-Lizenz unter Inkaufnahme erheblicher Investitionen im deutschen Mobilfunkdienstmarkt Fuß zu fassen, und zwar zunächst im herkömmlichen Mobilfunkmarkt. Die hierfür getätigten bzw. nach dem Vortrag der Beklagten geplanten weiteren Investitionen beliefen sich auf 8,5 Mrd. EUR (für die Erwerbung der Lizenz) sowie auf 2,94 Mrd. EUR (Kosten für Vertriebsaufbau und Kundengewinnung bis zum Jahr 2006 - d. h. bis zur Erreichung der vorgesehenen Gewinnschwelle). Dass das Erreichen der Gewinnschwelle dabei von vornherein von verschiedenen Parametern abhing und hier Unwägbarkeiten bestanden, musste der Beklagten bewusst sein. Sie richtete ihre Strategie dennoch auf viele Jahre hin aus und band sich durch langfristige Verträge mit der Klägerin und mit dem Netzanbieter E-....
In seiner Entscheidung vom 28.04.1957 (HVR Nr. 159) betont der BGH im Zusammenhang mit einem Sachverhalt, in dem ein auf 15 Jahre beiderseits unkündbarer Vertrag abgeschlossen worden war, dass zwar einerseits berücksichtigt werden müsse, dass bei einem unbefristeten Vertrag eine fristlose Vertragsauflösung eher möglich sein könne, als bei einem befristeten. Andererseits müsse aber bei einer derart langfristigen Bindung ein besonders strenger Maßstab angelegt werden, weil der Dienstverpflichtete, also der Handelsvertreter, in besonderem Maße geschützt sein sollte (vgl. Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 1, 3. Aufl., Rdnr. 1742). Hierbei ist für den vorliegenden Fall insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der gekündigte Vertrag erst ca. 4 1/2 Monate zuvor abgeschlossen worden war, der vorangegangene Kooperationsvertrag 8 1/2 Monate zuvor. Durch die vereinbarte Laufzeit und vorherige Unkündbarkeit wurde bei dem Handelsvertreter, hier der Klägerin, ein besonderes Vertrauen in die Dauer der Vertragsbeziehung mit der Beklagten geschaffen. Sie musste nicht mit einer Kündigung kurz nach Vertragsabschluss rechnen. Insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass sie zum Aufbau der Vertriebsstruktur weitere Distributoren heranziehen durfte und sollte und damit vertragliche Beziehungen auch mit diesen einging, ist ihr Vertrauen auf den Bestand des Vertrags schutzwürdig.
Die Parteien haben zudem im Vertriebsvertrag selbst näher bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine fristlose Kündigung möglich sein soll und was sie als wichtigen Grund hierfür ansehen. Danach steht der Beklagten allein ein außerordentliches Kündigungsrecht zu, wenn der Hauptvertriebspartner (die Klägerin) seine Vertragspflichten trotz Abmahnung verletzt (vgl. § 10 Anl. K 3). Verletzungen von Vertragspflichten trotz Abmahnung behauptet die Beklagte nicht und hat sie auch in ihrem Kündigungsschreiben nicht vorgebracht. Aus dieser vertraglichen Regelung kann jedoch geschlossen werden, dass die Parteien ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Fall vorsehen, dass der Grund im Verhalten des jeweils anderen Vertragsteils bzw. aus Umständen in der Sphäre des anderen Vertragsteils liegt. Die Gründe, auf die eine außerordentliche Kündigung gestützt werden kann, müssen damit im Allgemeinen in der Sphäre des Kündigungsgegners liegen (vgl. BGHZ 133, 316; NJW-RR 2000, 1560). So liegt es jedoch im vorliegenden Fall nicht. Die Beklagte stützt ihre Kündigung vor allem auf Umstände, die nicht in die Sphäre der Klägerin fallen, die sich vielmehr auf äußere Umstände und deren unternehmerische Beurteilungen durch sie selbst gründen.
(2) Vor diesem Hintergrund stellen auch die im Kündigungsschreiben der Beklagten selbst vorgebrachten Gründe keine so gravierenden Umstände dar, dass die Beklagte hieraus ein Recht zur sofortigen Beendigung des Vertrags herleiten könnte.
Soweit sie sich darauf beruft, die Zahl der Mobilfunkkunden sei nicht so gewachsen, wie ursprünglich geplant, ist ihr einerseits entgegenzuhalten, dass der Vertriebsvertrag mit der Klägerin erst 4 1/2 Monate Bestand hatte, somit ein aussagekräftiges Bild über die Kundenentwicklung zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht möglich war. Insbesondere, da es sich um einen im Aufbau befindlichen Markteintritt handelte, musste die Beklagte mit einer Anlaufzeit rechnen. Die völlige Neueinrichtung eines Vertriebsnetzes - wie es der Vertrag mit der Klägerin vorsah - und insbesondere die für den Erfolg notwendige Abwerbung von Kunden, die zum Teil bereits vertraglich an Mitbewerber gebunden waren, sowie der bis dahin geringe Bekanntheitsgrad der Marke Q., lassen eine abschließende Feststellung der Kundenentwicklung innerhalb der nur kurzen Vertragszeit nicht zu. Dies gilt auch, wenn man berücksichtigt, dass bereits im Dezember 2001 ein Kooperationsvertrag geschlossen und die Klägerin hierauf tätig geworden ist. Auch das Gutachten der Unternehmensberatung T. B. C. Group vom Juli 2002 gibt zu keiner abweichenden rechtlichen Beurteilung Anlass. Danach kam die Studie zu dem Ergebnis, dass ca. 53 % weniger Kunden, als im Geschäftsplan 2.3.1. vorgesehen, gewonnen worden seien. Angesichts der sehr kurzen Verkaufslaufzeit vermag dies - als zutreffend unterstellt - eine Kündigung zum streitgegenständlichen Zeitpunkt noch nicht zu rechtfertigen. Vor allem auch deshalb nicht, weil die Beklagte selbst ausweislich der Anlage K 57 Bestellungen von 150.000 Prepaid-SIM-Karten bestätigte, jedoch auf Vertriebsengpässe und Lieferverzögerungen hinwies. Damit stellt sich das Verhalten der Beklagten und auch ihre Argumentation als widersprüchlich dar, wenn sie einerseits die geringe Zahl der gewonnenen Mobilfunkkunden als Grund für die Kündigung nennt, auf der anderen Seite größere als vertraglich vorgesehene Kundenanträge der Klägerin nicht ausführen konnte.
Auch die hohen Kundengewinnungskosten, die die Beklagte in ihrem Kündigungsschreiben als über ihren Plänen liegend angab, überzeugen nicht und begründen einen Grund zur außerordentlichen Kündigung nicht. Diese Kosten beruhten gerade auf den vertraglichen Vereinbarungen mit der Klägerin und dem Netzanbieter E-... sowie auf der Preisgestaltung der Beklagten selbst. Hierbei handelt es sich demnach allenfalls um Fehleinschätzungen bzw. Fehlbewertungen. Auch die im Schreiben genannten National Roaming-Gebühren stellen keine nach Vertragsschluss entstandenen Umstand dar, auf den sich die Beklagte berufen könnte. Es waren vielmehr Kosten, die in die Kalkulation der Beklagten vor Vertragsschluss einzubeziehen gewesen wären bzw. einbezogen worden sind.
(3) Soweit die Beklagte ihre Kündigung im Schreiben vom 22.08.2002 selbst und im vorliegenden Verfahren damit rechtfertigt, dass die UMTS-Technologie nicht, wie ursprünglich vorgesehen, Anfang 2003, sondern erst Ende 2003 bzw. zu einem noch nicht absehbaren Zeitpunkt zur Verfügung stand, kann sie auch hieraus keinen wichtigen Grund für die Kündigung des streitgegenständlichen Vertrag herleiten. Festzuhalten ist, dass der Vertrag zwischen den Parteien eine Abhängigkeit von der Einführung der UMTS-Technologie zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht enthält. Auch die im Kündigungsschreiben zitierte Anlage 1 zum Hauptvertriebspartnervertrag spricht von UMTS-Markteinführung "(voraussichtlich 1. Quartal 2003)". In der Präambel des Vertrags findet der Zeitpunkt der UMTS-Einführung keine Erwähnung. Damit wird deutlich, dass auch nach den Vorstellungen der Parteien eine Marktreife zu diesem Zeitpunkt nicht als sicher anzunehmen war. Bei der UMTS-Technologie handelt es sich um eine neue, die sich noch in der Entwicklung befand und deren Marktreife ebenso wenig genau bestimmbar war wie die Verfügbarkeit der entsprechenden Endgeräte. Dies gilt für alle Erwerber einer UMTS-Lizenz, nicht nur für die Beklagte. Die Beklagte konnte keinen der beiden Parameter selbst steuern und musste sich dessen auch bei Abschluss des Vertrags bewusst sein. Sie hat den Vertrag dennoch mit der vorgesehenen Laufzeit und im Bewusstsein dieser Unwägbarkeiten geschlossen. Wenn eine wesentliche Voraussetzung der vertraglichen Zusammenarbeit für die Beklagte die Einführung der UMTS-Technologie zu einem bestimmten Zeitpunkt gewesen wäre, hätte sie dies im Vertrag niederlegen, bzw. hierauf ausdrücklich hinweisen müssen. Die Beklagte vermochte zudem nicht substantiiert darzulegen, dass sie erst nach Abschluss des streitgegenständlichen Vertrags davon Kenntnis erlangt hat, dass die UMTS-Technologie - ausweislich ihres Kündigungsschreibens - Ende 2003 zur Verfügung stehen werde, und ggf. inwieweit deshalb ihre ursprüngliche Kalkulation betriebswirtschaftlich nicht mehr haltbar sei, so dass eine wesentliche Grundlage für den Vertragsschluss entfallen sei.
(4) Etwas anderes ergibt sich auch insofern nicht, als die Beklagte sich diesbezüglich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage stützt und hiermit die Kündigung rechtfertigt. Vorliegend bestehen schon erhebliche Bedenken gegen die Annahme, dass Geschäftsgrundlage des Vertriebspartnervertrags die Einführung der UMTS-Technologie im ersten Quartal 2003 gewesen ist. Dies müsste eine bei Vertragsschluss zutage getretene gemeinsame Vorstellung beider Vertragsparteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbare und von ihm nicht beanstandete Vorstellung der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, an denen der Geschäftswille der Partei sich aufbaut, sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BGH NJW 1991, 1478). Wie oben bereits ausgeführt, stand auch nach den Vorstellungen der Parteien die Einführung der UMTS-Technik zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht fest. Eine Auflösung des Vertrags wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist zudem nur auf besondere Ausnahmefälle beschränkt, die ihren Grund außerhalb des Vertrags selbst haben. Dabei muss die Auflösung des Vertrags wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zur Vermeidung untragbarer, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbarer Folgen unabweislich erscheinen (vgl. BGH NJW 1991, 1478). Diese Voraussetzungen liegen nach dem Vortrag der Beklagten selbst und den Vertragsumständen nicht vor.
(5) Auch die von der Beklagten vorgebrachte schlechte Kundenqualität und die für sie ungünstigen Verträge mit hohen Abschlusskosten vermögen einen Grund für eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen. Zum einen sind die Abschlusskosten wie auch die Provisionen durch die von der Beklagten selbst eingegangenen Verpflichtungen und Verträge begründet. Sie kann sich hierauf kurze Zeit nach Abschluss der maßgeblichen Verträge nicht berufen. Die Beklagte stützt sich insbesondere darauf, dass die Qualität der Kunden schlechter als von ihr vorgesehen gewesen sei. Auch hier gilt jedoch bereits das oben Gesagte. In Anbetracht der Tatsache, dass potentielle Kunden der Beklagten (Geschäftskunden aus kleinen und mittleren Firmen) zu einem wesentlichen Teil bereits an andere etablierte Marktteilnehmer vertraglich gebunden waren und erst abgeworben werden mussten, war nicht damit zu rechnen, dass bereits in den ersten Monaten der Vertragslaufzeit mit der Klägerin ein Kundenstamm von hoher Qualität zu gewinnen sein würde. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass - wie im Gutachten der Unternehmensberatergesellschaft T. B. C. Group festgestellt - die Sogwirkung der Marke Q. zum damaligen Zeitpunkt als gering einzustufen war. Hinzu kommt, dass ausweislich der Feststellung in dem oben genannten Gutachten die internen Arbeitsabläufe der Beklagten sich als langsamer als vorgesehen darstellten. Dies sind Aspekte, die sich aus der Sphäre der Beklagten ergaben, bzw. von dieser bei Vertragsschluss vorherzusehen gewesen wären. Auch in der Gesamtschau vermögen sie eine Vertragsbeendigung mit der Klägerin 4 1/2 Monate nach Abschluss des Vertrags nicht zu begründen. Dass die geworbenen Kunden in der kurzen Vertragslaufzeit nicht die erwartete Qualität aufweisen, kann, da ausweislich der Angaben der Beklagten selbst (Anlage K 1) gezielt auch Teenager geworben werden sollten, nicht verwundern. Insbesondere im Hinblick darauf, dass die Zielgruppe, nämlich kleinere und mittlere Unternehmen, bereits durch langfristige Verträge mit Konkurrenzunternehmen gebunden sind, war ein weiteres Abwarten der Kundenentwicklung der Beklagten zuzumuten.
(6) Eine Kündigung des Vertragsverhältnisses mit sofortiger Wirkung stellt die schwerwiegendste der denkbaren Möglichkeiten einer Vertragsumgestaltung dar. An sie sind deshalb besonders hohe Anforderungen zu stellen. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH, der selbst die Einstellung eines Betriebs zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens noch nicht als wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung gelten ließ (BGH NJW 2005, 1360), ist im vorliegenden Fall eine Kündigung durch die Beklagte nicht gerechtfertigt. Die Beklagte hat den streitgegenständlichen Vertrag im Bewusstsein der mit der Markteinführung verbundenen Risiken und unter Inkaufnahme erheblicher Kosten und Investitionen geschlossen. Dass im Vergleich zu ihrer im Herbst 2001 vorgenommenen Einschätzung (vgl. Businessplan 2.3.1.) die beauftragte Unternehmensberatung T.B. C. Group erheblich höhere Kosten und Verluste prognostizierte, stellt keinen Umstand dar, der eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses als unzumutbar erscheinen ließe. Hierbei handelt es sich ebenso wie bei dem Businessplan vom Herbst 2001 um die Beurteilung künftiger Entwicklungen und um Prognoseentscheidungen. Der Beklagten wäre ein weiteres Abwarten der Entwicklung zuzumuten gewesen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass zwischen den Parteien ein Handelsvertreterverhältnis bestand. Regelmäßig kann zwar aufgrund eines besonders engen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Unternehmer und dem in seinen Vertrieb eingebundenen Handelsvertreter sowie durch deren besonders enge Bindung an den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens der wirtschaftliche Niedergang eines Unternehmens einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. Der wirtschaftliche Niedergang des Unternehmens liegt nämlich in den genannten Fällen als Kehrseite der Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg nicht nur in der Risikosphäre des Unternehmens, sondern auch in der des mit ihm vertraglich eng verbundenen Handelsvertreters (vgl. BGH NJW 2005, 1360). An diesen Voraussetzungen fehlt es jedoch vorliegend. Auch wenn man eine enge Bindung zwischen den Parteien bejahen würde, ergibt sich aus dem Vertrag selbst und den Umständen, dass der drohende wirtschaftliche Niedergang hier angesichts der bei der Beklagten eingeplanten Verluste, die gerade auch mit dem Vertriebspartnervertrag in Kauf genommen worden waren, nicht zu bejahen ist.
Unter Berücksichtigung und Gewichtung der der Kündigung zugrunde liegenden Umstände lag zum Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung ein wichtiger Grund, der der Beklagten die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin unzumutbar machte, nicht vor. Die Beklagte hätte die weitere Entwicklung abwarten müssen. Das gilt auch, soweit die ausgesprochene Kündigung hilfsweise mit Wirkung zum 28.02.2003 ausgesprochen wurde. Der Klägerin steht daher gemäß § 280 BGB dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch wegen unberechtigter außerordentlicher Kündigung gegen die Beklagte zu.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vor. Gegenstand des Rechtsstreits und dieser Entscheidung ist im Kern die tatrichterlich vorzunehmende Würdigung der streitgegenständlichen außerordentlichen Kündigung. Von den gefestigten Grundsätzen der zur außerordentlichen Kündigung von Handelsvertreterverträgen durch die Rechtsprechung des BGH entwickelten Grundsätze ist der Senat nicht abgewichen.
Ende der Entscheidung
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