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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 12.01.2000
Aktenzeichen: 7 U 4183/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 145 Abs. 1
ZPO § 145 Abs. 1

Ist ein Rechtsstreit teilweise entscheidungsreif, darf das Gericht insoweit das Verfahren nicht zum Zweck der Verkündung eines Endurteils abtrennen, sondern kann nur ein Teilurteil erlassen.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 7 U 4183/99 8 HKO 9577/99 LG München I

Verkündet am 12.Januar 2000

Die Urkundsbeamtin: Augustin Justizangestellte

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

wegen Forderung

erläßt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr.Goller und die Richter am Oberlandesgericht Maier und Hügelschäffer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.Januar 2000 folgendes Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 19.05.1999 samt dem ihm zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben.

II. Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht München l zurückverwiesen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Wert der Beschwer des Beklagten im Berufungsverfahren übersteigt 60.000,--DM.

Tatbestand:

Die Klägerin hat mit ihrer im Mai 1998 erhobenen Klage die Firma I GmbH (I) und den Beklagten - den früheren Geschäftsführer der I - als Gesamtschuldner auf Schadensersatz von zuletzt 724.015,45 DM in Anspruch genommen. Die I hat ihrerseits im Wege der Widerklage Zahlung restlichen Werklohns von 298.117,49 DM geltend gemacht. Nach mündlicher Verhandlung am 21.04.1999 hat das Landgericht mit am 19.05.1999 verkündeten Beschluß die Trennung der Verfahren gegen die beiden beklagten Parteien angeordnet und in dem fortgeführten Rechtsstreit gegen die l (Az: 8 HKO 7376/98) die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet. Mit ebenfalls am 19.05.1999 verkündeten Endurteil hat das Landgericht die gegen den Beklagten erhobene Klage abgewiesen mit der Begründung, dieser sei hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruches nicht passiv legitimiert.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie rügt die vom Landgericht angeordnete Trennung als verfahrensfehlerhaft und vertritt im übrigen weiterhin die Auffassung, daß auch der Beklagte aufgrund der zwischen den Parteien und der I getroffenen Zusatzvereinbarung der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil vom 19.05.1999 aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht München I zurückzuverweisen mit der Maßgabe, die Verbindung mit dem Verfahren gegen die I (Az.: 8 HKO 7376/98) anzuordnen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Die vom Landgericht mit Beschluß vom 19.05.1999 angeordnete Prozeßtrennung (§ 145 Abs. 1 ZPO) ist unter Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin erfolgt (Art. 103 Abs. 1 GG) und auch ermessensfehlerhaft. Diese wesentlichen Verfahrensmängel, auf denen das am 19.05.1999 verkündete Urteil beruht, führen zu dessen Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht (§ 539 ZPO).

1) Zwar liegt die Entscheidung über eine Prozeßtrennung - soweit ihr nicht zwingende Gründe wie etwa das Bestehen einer notwendigen Streitgenossenschaft entgegenstehen - grundsätzlich im pflichtgebundenen Ermessen des erkennenden Gerichts (Zöller-Vollkommer, 21.Aufl., § 145 ZPO Rdnr. 5). Sie unterliegt jedoch der Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht daraufhin, ob das Erstgericht die Trennung verfahrensfehlerfrei angeordnet und dabei das ihm eingeräumte Ermessen pflichtgemäß gehandhabt hat (BGH NJW 95, 3120).

a) Der Trennungsbeschluß vom 19.05.1999 ist unter Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin ergangen (Art. 103 Abs. 1 GG). Zwar kann das Gericht eine Trennung auch - wie hier - von Amts wegen anordnen. Es muß dann aber die Parteien zuvor auf die beabsichtigte Verfahrenstrennung hinweisen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme geben, nach h.M. darüber auch mündlich verhandeln (Zöller-Vollkommer a.a.O. 'Rdnr. 6; Thomas-Putzo, 22.Aufl., § 145 ZPO Rdnr. 3; BGH NJW 57, 183; offen gelassen von BGH NJW 95, 3120). Hier hat indessen das Landgericht weder in der mündlichen Verhandlung noch in einer vorbereitenden Verfügung darauf hingewiesen, daß es eine Trennung der Verfahren gegen die I und den Beklagten beabsichtige oder auch nur erwäge. Vielmehr hat das Landgericht in der Ladungsverfügung vom 28.10.1998 und in der mündlichen Verhandlung vom 21.04.1999 lediglich darauf hingewiesen, daß nach seiner Auffassung der Beklagte nicht passiv legitimiert sei und insoweit der Erlaß eines "Teilendurteils" in Betracht komme. Durch die nachfolgende Abtrennung des Verfahrens gegen den Beklagten unter gleichzeitiger Verkündung eines insoweit klageabweisenden Endurteils ist deshalb das Grundrecht der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt worden.

b) Darüberhinaus ist der Trennungsbeschluß des Landgerichts auch ermessensfehlerhaft.

Da der Trennungsbeschluß vom 19.05.1999 vom Landgericht nicht begründet worden ist und auch dem angegriffenen Urteil eine Begründung der Verfahrenstrennung nicht zu entnehmen ist, kann nur vermutet werden, daß die nach Auffassung des Landgerichts fehlende Passivlegitimation des Beklagten und die insoweit gegebene Entscheidungsreife des Rechtsstreits das Landgericht zur Abtrennung des Verfahrens gegen den Beklagten veranlaßt hat. Auch auf der Grundlage dieser Beurteilung der materiellen Rechtslage hinsichtlich der Passivlegitimation hätte sich aber für das Landgericht eine Abtrennung des Verfahrens gegen den Beklagten verboten. Ist nämlich ein Rechtsstreit teilweise zur Entscheidung reif, so ist eine Trennung nach § 145 ZPO ausgeschlossen (BGH NJW 57, 183; Thomas-Putzo a.a.O. Rdnr. 2); über den entscheidungsreifen Teil ist vielmehr nach § 301 Abs. 1 ZPO durch Teilurteil zu entscheiden (BGH a.a.O.). Zwar steht der Erlaß eines Teilurteils grundsätzlich im Ermessen des erkennenden Gerichts (§ 301 Abs. 2 ZPO); das bedeutet aber nicht, daß das Gericht anstelle eines Teilurteils das Verfahren über den entscheidungsreifen Teil des Rechtsstreits abtrennen darf, um dann ein gesondertes Endurteil zu erlassen. Die Verfahrenstrennung hat nämlich in diesem Fall nur eine zusätzliche und unnötige Kostenlast der Parteien zur Folge, aber keinerlei erkennbare Vorteile (vgl. BGH NJW 95, 3120); insbesondere das prozeßökonomische Ziel der Straffung und Konzentration des Streitstoffs wird durch ein Teilurteil ebenso erreicht wie durch die Abtrennung des entscheidungsreifen Teils unter gleichzeitiger Verkündung eines Endurteils.

2) Der Senat erachtet auch eine eigene Sachentscheidung nicht für sachdienlich (§ 540 ZPO). Dies verbietet sich schon deshalb, weil dadurch die fehlerhafte und von der Klägerin bekämpfte Verfahrenstrennung aufrechterhalten würde.

Im übrigen könnte eine Entscheidung in der Sache erst nach einer umfangreichen Beweisaufnahme zu den von der Klägerin behaupteten Mängeln ergehen, die zweckmäßiger und prozeßökonomischer vom Landgericht - nach Verbindung mit dem dort noch anhängigen Rechtsstreit gegen die I durchzuführen ist. Der Senat teilt nämlich nicht die Auffassung des Landgerichts, daß es schon an der Passivlegitimation des Beklagten für den geltend gemachten vertraglichen Schadensersatzanspruch fehle. Vielmehr hat der Beklagte - nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer der I - mit Unterzeichnung der schriftlichen Zusatzvereinbarung vom 22.01.1997 selbst eine Verpflichtung zur Fertigstellung des mit Vertrag vom 26.04./09.05.1996 vereinbarten Projekts übernommen, und zwar im Wege des Schuldbeitritts auf Seiten der I. Zwar heißt es in dieser Zusatzvereinbarung, daß der Beklagte nunmehr als freier Mitarbeiter der I das Projekt fortsetzen werde, die Gesamtverantwortung für das Projekt aber bei I verbleibe. Daraus kann indessen nicht entnommen werden, daß - wie das Landgericht in Übereinstimmung mit dem Beklagten meint - mit dieser Zusatzvereinbarung nur Rechtsbeziehungen zwischen der I und dem Beklagten in Bezug auf das streitgegenständliche Projekt geregelt worden sind. Dazu hätte es nämlich nicht der Mitwirkung der Klägerin bedurft. Einen Vetrag mit der l über seine freie Mitarbeit hatte der Beklagte im übrigen schon am 21.01.1997 geschlossen, wie er in der mündlichen Berufungsverhandlung selbst bestätigt hat. Unstreitig hat danach gerade die Klägerin auf den Abschluß der Zusatzvereinbarung unter Beteiligung des Beklagten gedrängt; dieser hat selbst in der Berufungsverhandlung erklärt, daß am 22.01.1997 die Klägerin ihm "die Pistole auf die Brust gesetzt" und erklärt habe, sie werde den Vertrag vom 26.04./09.05.1996 kündigen, wenn der Beklagte die Zusatzvereinbarung nicht unterschreibe. Unter diesen Umständen kann nicht zweifelhaft sein, daß der Beklagte mit Unterzeichnung der Zusatzvereinbarung am 22.01.1997 auch eine eigene rechtsgeschäftliche Verpflichtung gegenüber der Klägerin übernehmen sollte und wollte, nämlich die Verpflichtung zur weiteren Leitung des Projekts und zu dessen mangelfreier Fertigstellung.

Ob dieser Schuldbeitritt des Beklagten zu der von der I übernommenen Verpflichtung aus dem Werkvertrag vom 26.04./09.05.1996 nur die künftig ab dem 22.01.1997 zu erbringenden Leistungen umfaßt oder sich auch auf die bereits vorher von der I unter Mitwirkung des Beklagten erbrachten - und nach Behauptung der Klägerin mangelhaften - Leistungen erstrecken sollte, kann derzeit offenbleiben. Darüber wird das Landgericht im weiteren Verfahren zu entscheiden haben.

3) Auch die Entscheidung über die Kosten der Berufung bleibt dem Landgericht vorbehalten.

Nebenentscheidungen: §§ 708 Nr. 10, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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