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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 22.03.2006
Aktenzeichen: 7 U 5212/05
Rechtsgebiete: CMR


Vorschriften:

CMR Art. 29 Abs. 1
CMR Art. 17 Abs. 2
CMR Art. 17 Abs. 5
1. Die Durchführung eines Kühltransports mittels eines nicht funktionsfähigen Kühlfahrzeugs bei Außentemperaturen von ca. 30° C ist als ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden im Sinne des Art. 29 Abs. 1 CMR zu werten. Eine Anwendung von Art 17 Abs. 5 CMR (hier: Berücksichtigung einer überhöhten Vorbelastung der zu transportierenden Lebensmittel mit Hefepilzen als Mangel im Sinne des Art. 17 Abs. 2 CMR) wird dadurch nicht ausgeschlossen.

2. Ist eine exakte naturwissenschaftliche Bemessung der Ursachenbeiträge mangels näherer Anknüpfungstatsachen (hier insbesondere wegen Fehlens der Temperaturhistorie des Transports und fehlender repräsentativer Chargenmuster) nicht möglich, bedarf es der Schätzung des Gewichts der Verursachungsbeiträge unter tatrichterlicher Würdigung aller Umstände.


Verkündet am 22. März 2006

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erlässt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Goller und die Richter am Oberlandesgericht Fiebig und Dr. Barwitz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2006 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die K. Versicherungs AG wird als Nebenintervenientin zugelassen.

II. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 28.09.2005 abgeändert und erhält in Ziffer 1 folgende Fassung:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 12.647,78 nebst Zinsen hieraus in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.09.2002 zu bezahlen.

III. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 53 % und die Beklagte 47 %.

Von den Kosten der Nebeninterventionen trägt die Klägerin 53 %, im übrigen tragen die Nebenintervenienten ihre Kosten selbst.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte transportierte als Fixkostenspediteur durch ihren Frachtführer T. GmbH von der Klägerin hergestellte Feinkostartikel (gegrillte Auberginen und Peperoni) zur schweizerischen L. AG. Weisungsgemäß war eine Temperatur von 0°C bis 4° C einzuhalten. Die Ware wurde zum erheblichen Teil verdorben bei der Empfängerin abgeliefert und bombierte kurz nach Entfernung aus dem Kühlbereich.

Die Klägerin verlangt Schadensersatz in Höhe von insgesamt 26.830,12 € wegen des Verderbs der Ware, entgangenen Gewinns und weiterer Positionen. Sie trägt vor, die hygienisch einwandfrei hergestellte Ware sei allein aufgrund des Transports mit einem Lkw der Fa. T. GmbH, dessen Kühlaggregat nicht funktionstüchtig gewesen sei, bei sommerlichen Temperaturen von etwa 30° C verdorben.

Die Beklagte bestreitet eine Unterbrechung der Kühlkette. Allenfalls bestehe ein Anspruch beschränkt auf die Höhe des Warenschadens.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme, unter anderem durch Erholung eines Sachverständigengutachtens der Lebensmittelchemikerin Dr. rer. nat. M. die Klage abgewiesen, da die Schäden an der Ware nicht durch unzulässig hohe Transporttemperaturen, sondern durch Hefen und Schimmelpilze verursacht worden seien, die bei mangelhaften Herstellungsbedingungen und Hygienepraxis vorkommen.

Die Berufung der Klägerin führt zur Abänderung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe:

1. Die K. AG ist zur Nebenintervention zuzulassen, weil sie als Haftpflichtversicherer des Frachtführers T. ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht hat. Sie ist einstandspflichtig, wenn eine Haftung des Frachtführers bejaht wird.

2. Die Berufung der Klägerin hat zum Teil Erfolg. Die Beklagte haftet nach Art. 17 Abs. 5, 29 Abs.1 CMR für den durch den Verderb der Ware entstandenen Schaden. In ihrem Gewahrsam wurde jedenfalls eine wesentliche Schadensursache gesetzt.

Die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme hat zur Überzeugung des Senats ergeben, dass die Ware vor dem Transport mit Hefen belastet war. Trotz der von der Klägerin erhobenen Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten lässt sich aus ihm und der mündlichen Anhörung der Sachverständigen jedenfalls soviel entnehmen, dass nicht eine signifikante Überschreitung der vereinbarten Transport-/Lagertemperatur alleine für den entstandenen Schaden ursächlich geworden sein kann. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin sich auf hygienisch einwandfreie Betriebsabläufe und Produktionsbedingungen beruft. Sie verarbeitet nämlich Vorprodukte, die bereits belastet sein könnten. Außerdem zeigt die von ihr vorgelegte Rechnung der Firma L. vom 23.07.2002, dass bereits vor der streitgegenständlichen Lieferung in Laborproben bei mancherlei Artikeln aus dem Hause der Klägerin eine Überschreitung der Gesamtkeimzahl festgestellt wurde.

Die Beklagte hat nicht unerheblich zum Schadensbild beigetragen, so dass sich die Haftung des Frachtführers nach Art. 17 Abs. 5 CMR verteilt. Aus der vom Erstgericht durchgeführten Beweisaufnahme ergibt sich nämlich ebenso wie aus Anlagen K 2/K 3, dass während des Transports die Kühlkette unterbrochen war. Dass dies zu einer wesentlichen Verstärkung des Verderbs führt, ergibt sich aus der mündlichen Anhörung der Sachverständigen (vgl. die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 28.09.2005, Seite 3) und ist selbst für Laien ohne weiteres einleuchtend. Die Erwärmung des Transportguts kann auch nicht unwesentlich gewesen sein. Die Beklagte hätte sich sonst nicht nach durchgeführten Recherchen für den Schaden haftbar gehalten (vgl. Anlagen K 2/ K 3).

Die Durchführung des Transports mittels eines nicht funktionsfähigen Kühlfahrzeugs bei Außentemperaturen von ca. 30 ° C ist als ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden im Sinne des Art. 29 Abs. 1 CMR zu werten. Diese Bestimmung schließt aber die Anwendung von Art 17 Abs. 5 CMR nicht aus (vgl. Thume, CMR Art. 29 Rn. 43 f. mit weiteren Nachweisen).

Die hiernach vorzunehmende Haftungsverteilung führt zu einer hälftigen Zuordnung. Eine exakte naturwissenschaftliche Bemessung der Ursachenbeiträge ist wegen Fehlens exakter Anknüpfungstatsachen (insbes. Fehlens der Temperaturhistorie des Transports und fehlender repräsentativer Chargenmuster) nicht möglich. Die Erholung eines weiteren Sachverständigengutachtens war deshalb nicht veranlasst. Der Senat ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehalten, die Verursachungsbeiträge zu schätzen. Dabei ist zu berücksichtigen die von der Sachverständigen festgestellte Keimbelastung, die Transportdauer und die Temperaturbelastung während dieser Zeit. Die tatrichterliche Wertung dieser Umstände führt zu einer hälftigen Schadenszurechnung.

Der ersatzfähige Schaden (§ 249 BGB) beläuft sich auf € 25.295,56. Nicht erstattungsfähig sind die Laboranalysekosten (Rechnung L., Anlage K 7), die - wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat -, dem hier streitgegenständlichen Transportgut bereits zeitlich nicht zuzuordnen sind.

Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zuzulassen, weil es auf tatrichterlicher Würdigung beruht und von obergerichtlicher Rechtsprechung nicht abweicht.

Ende der Entscheidung

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