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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 20.04.2005
Aktenzeichen: 7 U 5303/04
Rechtsgebiete: AktG, BGB


Vorschriften:

AktG § 57 Abs. 1
AktG §§ 71 ff.
BGB § 31
BGB § 826
Eine Aktiengesellschaft kann sich ihren Aktionären gegenüber, die sie wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung auf Grund falscher unrichtiger Darstellung ihrer Verhältnisse und Mitteilung unzutreffender kursbeeinflussender Tatsachen durch ein Mitglied ihres Vorstandes auf Ersatz der Anschaffungskosten ihrer Aktien Zug um Zug gegen Rückgabe dieser Aktien in Anspruch nehmen, auch dann nicht auf das Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 AktG und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien nach § 71 ff. AktG berufen, wenn die Aktionäre ihre Aktien ausserhalb einer Erstausgabe oder Börsenzulassung erworben haben.
Aktenzeichen: 7 U 5303/04

Verkündet am 20. April 2005

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erlässt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Goller und die Richter am Oberlandesgericht Fiebig und Kotschy aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. April 2005 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 02. September 2004 aufgehoben, die Beklagte verurteilt, an den Kläger EUR 12.834,54 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02. Februar 2004 Zug um Zug gegen Übertragung von 260 Stück Aktien der ComROAD AG zu zahlen, und im übrigen die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte mit Ausnahme der Kosten, die durch Anrufung des Landgerichts Frankfurt am Main entstanden sind; diese trägt der Kläger.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von EUR 22.500,00 abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb von Aktien der Beklagten über die Börse.

Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Unterschleißheim. Sie beschäftigt sich mit der Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Software und Hardwareprodukten für Telematik und Telekommunikationsdiensten sowie der Erbringung damit zusammenhängender Dienst- und Serviceleistungen. Ihre Aktien wurden nach Zulassung zum geregelten Markt erstmals am 26.11.1999 im Neuen Markt gehandelt. Ihr damaliger Vorstand und Mehrheitsaktionär B. Sch., behauptete bereits zur Börseneinführung im Börsenprospekt, die Beklagte stehe in umfangreichen und lukrativen Geschäftsbeziehungen zu einem Unternehmen VT Electronics Ltd. in Hong Kong. 2000 und 2001 teilte Sch. ständig steigende Umsätze der Beklagten mit diesem Unternehmen mit. Für das Geschäftsjahr 2000 gab die Beklagte einen Konzernumsatz von 85,80 Mio. DM und einen Jahresgewinn von 9,1 Mio. DM an. Für das dritte Quartal 2001 meldete die Beklagte eine Umsatzsteigerung auf 27,9 Mio. DM. Zudem verwies B. Sch. hinsichtlich der von ihm dargestellten Umsätze und Erträge auf die von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG testierten Jahresabschlüsse. Nach deren Mandatsniederlegung am 20.02.2002 und einer anschließenden Sonderprüfung erwiesen sich all diese Angaben zur wirtschaftlichen Situation der Beklagten als falsch. Damals stellte sich nach einer Sonderprüfung heraus, dass die VT Electronics Ltd. in Hong Kong nicht existierte, die Umsätze mit diesem Unternehmen fingiert waren und nur 1,4 % des für 2001 ausgewiesenen Umsatzes von 93,6 Mio. Euro nachgewiesen werden konnten. Die Eheleute Sch. sind unter anderem wegen Kursbetruges zwischenzeitlich vom Landgericht München I rechtskräftig verurteilt worden, B. Sch. dabei zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren. Der Börsenkurs der Aktien der Beklagten ist seither völlig verfallen und bewegt sich deutlich unter 1 Euro.

Der Kläger trägt vor, er habe auf Grund dieser falschen Angaben Aktien der Beklagten über die Börse erworben, unter anderem am 09.10.2000 60 Stück zum Preis von DM 5.898,64, am 09.01.2001 100 Stück und am 12.04.2001 150 Stück zum Preis von jeweils DM 5.900,99 sowie am 16. und 21.02.2001 über seine Eltern jeweils 50 Stück zu Preisen von DM 4.225,99 und DM 3.244,72 (Anl. A 1.4-8). 150 Stück dieser Aktien habe er am 11.04.2002 für insgesamt EUR 35,10 veräußern können. Nach Rücknahme in Höhe des letztgenannten Betrages in der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2005 und einem geringfügigen Additionsfehler zu seinem Nachteil verlangt der Kläger jetzt von der Beklagten Ersatz für den Erwerb der Aktien der Beklagten in Höhe von EUR 12.834,54, hilfsweise Zug um Zug gegen Rückgabe der entsprechenden Aktien.

Die Beklagte meint dagegen, B. Sch. habe weder vorsätzlich oder sittenwidrig gehandelt, noch seien dessen Erklärungen kausal für den streitgegenständlichen Aktienerwerb gewesen. Zudem müssten Ersatzansprüche des Klägers an dem Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG scheitern.

Das Landgericht München I hat die Klage am 02.09.2004 abgewiesen. Es hat wie schon vorher der 18.Senat dieses Oberlandesgerichts zu Az. 18 U 3910/93 - die Revision hiergegen ist beim Bundesgerichtshof unter II ZR 80/04 anhängig -, Ersatzansprüche durch § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG für ausgeschlossen gehalten.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Ersatzbegehren weiter.

Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2005 als Partei vernommen.

Im Übrigen wird auf den Tatbestand des Ersturteils, die zwischen den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 13.04.2005 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat im ganz Wesentlichen Erfolg. Die Beklagte hat dem Kläger den geltend gemachten Schaden von EUR 12.834,54 nebst Zinsen aus den Käufen ihrer Aktien am 09.10.2000 und 09.01., 16.02., 21.02. und 12.04.2001 zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung von 260 Stück ihrer Aktien nach § 826, § 31 und § 249 BGB zu ersetzen. Die Beklagte kann sich hierbei weder auf das Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG noch auf das Verbot des Erwerbs eigener Aktien nach §§ 71 ff. AktG berufen.

1. B. Sch. hat mit seinem Vorgehen nicht nur den Erstanlegern bei Börseneinführung der Aktie der Beklagten, sondern auch dem Sekundärmarktpublikum, also den späteren Erwerbern der Aktie über die Börse, in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise Schaden zufügen wollen und zugefügt, wie es Voraussetzung für einen Ersatzanspruch nach § 826 BGB ist. Seine einzelnen Mitteilungen zu den von ihm frei erfundenen Umsätzen der Beklagten mit der nicht existenten VT Electronics Ltd. in Hong Kong stellen sich bei natürlicher Betrachtungsweise als Teilakte eines umfassenden Planes dar, sich und seine Familie in großem Stil zu Lasten des anlegenden Publikums zu bereichern. Dabei brauchte Sch. nicht im einzelnen zu wissen, welche oder wieviele Personen er durch sein Verhalten schädigen werden würde. Vielmehr reicht es für ein vorsätzliches Handeln im Sinne des § 826 BGB seinerseits aus, dass er die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden irgendwelcher anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und zumindest billigend in Kauf genommen hat (BGH, Urteil vom 19.07.2004, WM 2004, 1721, 1725 mit weiteren Nachweisen). Dass sein Verhalten auch sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB war, nämlich "gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" verstieß (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit RGZ 48, 114, 124; so auch Urt. vom 19.07.2004 a.a.O.), zeigt sich in der dreisten und ständig wiederholten Lüge von sich nach oben entwickelnden und Gewinn bringenden Umsätzen mit der nicht existenten VT Electronics Ltd. an ein unüberschaubares Anlagepublikum und der dahinter steckenden Absicht persönlicher oder Bereicherung seiner Familie.

2. Das Verhalten von B. Sch. war für die streitgegenständlichen Aktienkäufe des Klägers kausal.

Die Anlageentscheidung eines potentiellen Aktienerwerbers stellt einen durch vielfältige rationale und irrationale Faktoren, insbesondere teils spekulative Elemente beeinflussten, sinnlich nicht wahrnehmbaren individuellen Willensentschluss dar (BGH, Urt. v. 19.07.2004, WM 2004, 1731, 1734 mit weiteren Nachweisen). Bei derartig individuell geprägten Willensentschlüssen ist davon auszugehen, dass es grundsätzlich keinen Anscheinsbeweis für sicher bestimmbare Verhaltensweisen von Menschen in bestimmten Lebenslagen gibt (BGH a.a.O.). Bei der Beurteilung, auf welche Weise und wie lange eine Anlagestimmung von Mitteilungen eines börsennotierten Unternehmens ausgeht, verbietet sich daher jede schematische Betrachtungsweise (BGH, Urt. v. 19.07.2004, WM 2004, 1731, 1735). Vorliegend ist es indes Sch. gelungen, durch seine Falschmitteilungen über die Beklagte die gesamte interessierte Öffentlichkeit zu täuschen und zu einer viel zu hohen Wertschätzung der Aktie der Beklagten zu führen, die unabhängig von allen Kursschwankungen in der Zeit von 1999 bis Anfang 2002 andauerte. Bewegte sich der Börsenkurs der Aktie der Beklagten bis zum letzten Kauf des Klägers bei 20 Euro oder mehr und bis zur Mandatsniederlegung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG am 20.02.2002 immer noch um 10 Euro, so stürzte er danach und nach Vorlage des Sonderprüfungsberichts auf wenige Cent (Anl. A 4). Entsprechend konnte der Kläger am 11.04.2002 150 Aktien der Beklagten zu einem Stückpreis von nurmehr 30 Cent über die Börse verkaufen (Anl. A 1.9).

Schon dieser allgemeine Verlauf spricht mithin dafür, dass nicht nur das gessamte Börsenpublikum, sondern auch der Kläger durch das Verhalten Sch.s zu einer objektiv viel zu hohen Einschätzung der Aktie der Beklagten verleitet worden ist. Erst recht gilt dies, betrachtet man die streitgegenständlichen Käufe und den Teilverkauf von Aktien der Beklagten durch den Kläger. Er ist ersichtlich der allgemeinen Linie gefolgt und hat nach Aufdeckung des Kursbetrugs noch eine geringfügige Schadensbegrenzung vorgenommen. Er hat dies bei seiner Vernehmung durch den Senat auf sachlich glaubhafte und persönlich überzeugende Weise bestätigt. Sehr anschaulich führte er aus, dass er als diplomierter und bei einem großen deutschen Fahrzeughersteller beschäftigter Betriebswirt das Geschäftsfeld der Beklagten besonders zukunftsträchtig gehalten hat und hierbei auch von den von der Beklagten genannten angeblichen Kooperationspartnern in Fernost angetan war.

3. Die Beklagte haftet für die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung des Klägers durch ihren Vorstand Sch. nach § 31 BGB und kann dem weder das Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG noch das Verbot des Erwerbs eigener Aktien nach §§ 71 ff. AktG entgegenhalten.

Entscheidend dafür, ob die Beklagte dem Kläger gegenüber im Rahmen der streitgegenständlichen Käufe ihrer Aktien einerseits für ihren Vorstand Sch. als ihrem nach den §§ 76 ff. AktG bestellten Organ einstehen muss und sich andererseits nicht auf die Verbote des § 57 Abs. 1 Satz 1 und §§ 71 ff. AktG berufen kann, ist die Frage, ob sich vorliegend die Parteien wie Dritte gegenüberstehen oder ob ihr Verhältnis organisationsrechtlich geprägt wird. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts und des 18. Senats dieses Oberlandesgerichts ist ersteres der Fall. Während bei einer öffentlichen Erstbegebung von Aktien sich die betreffende Aktiengesellschaft allgemein an das Publikum wendet und hierbei das entsprechende Grundkapital einnimmt, sich mithin Aktiengesellschaft und ihre zukünftigen Aktionäre zunächst wie Dritte gegenüberstehen, mit der Aufbringung des entsprechenden Grundkapitals aber auch wesentliche gesellschaftsrechtliche Schritte vollziehen, stehen sich bei einem späteren Erwerb ihrer Aktien von einem Aktionär, also bei einem derivativen Erwerb aus Sicht der Aktiengesellschaft, diese und der jeweilige Käufer wie Dritte gegenüber. Insbesondere ist die Aktiengesellschaft bei einem solchen derivativen Erwerb nicht Partei des jeweiligen Rechtsgeschäfts. Erst in dessen Erfüllung gehen die in den Aktien verkörperten Mitgliedschaftsrechte vom ursprünglichen Aktionär auf den Erwerber über. Das dem derivativen Erwerb zu Grunde liegende Rechtsgeschäft ist damit als solches gerade nicht gesellschaftsrechtlich geprägt. Auch wenn bei dessen wirtschaftlicher Rückabwicklung im Rahmen der Haftung der Aktiengesellschaft wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung im Ergebnis die Stellung des Erwerbers als Aktionär rückgängig gemacht werden soll (Schwark/Schwark, KMRK, 3. Aufl., Rn. 13 zu § 45 BörsG), so geschieht dies nur deshalb, weil eine unmittelbare Rückabwicklung in aller Regel ausscheidet. Der derivative Erwerb findet üblicherweise über Börsen statt, so dass ihm kein einzelner Verkäufer zugeordnet werden kann. Überdies ist ein Verkäufer, wenn er nicht zu dem in die Unrichtigkeit von Publikumsmitteilungen eingeweihten Personenkreis zählt, ebenfalls arglos. Entsprechend wird seit dem Urteil des Reichsgerichts vom 02.06.1916, RGZ 88, 271, 272, ganz überwiegend der Aktiengesellschaft abgesprochen, sich bei einer Haftung und insbesondere einer Prospekthaftung auf das aktienrechtliche Verbot der Einlagenrückgewähr zu berufen (Henze in Großkomm AktG, Rn. 20 zu § 57; Bayer in MünchKommAktG, Rn. 24 zu § 57; Schwark, a.a.O. unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früher postulierten Begrenzung der Haftung auf das Kernkapital in Fn. 60; Zimmer, KMRK, Rn. 12 zu §§ 37 b und c WpHG; Assmann, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Aufl., § 7 Rn. 102; Groß, Haftung für fehlerhafte oder fehlende Regel- oder ad-hoc-Publizität, WM 2002, 477, 481; OLG Frankfurt, AG 2000, 132, 134, mit zustimmender Besprechung von Kort in EWiR 1999, 501, 502, und zuletzt in dem noch nicht veröffentlichten Urteil vom 17.03.2005, Az.: 1 U 149/04; a.A. Lutter in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rn. 69 zu § 71; Rieckers, Haftung des Vorstandes für fehlerhafte Ad-hoc-Meldungen de lege lata und de lege ferenda, BB 2002, 1213, 1220; wohl auch Möllers/Leisch, Haftung von Vorständen gegenüber Anlegern wegen fehlerhafter Ad-hoc-Meldungen nach § 826 BGB, WM 2001, 1648, 1649 und 1662;). Es ist deshalb auch keine Beschränkung des Schadensersatzes auf das freie Vermögen der Aktiengesellschaft (so Bayer in MünchKommAktG, Rn. 24 zu § 57;) oder einen Differenzschaden anzuerkennen (so Zimmer a.a.O.).

Ein solches Ergebnis hinsichtlich des derivativen Erwerbs entspricht zudem den ökonomischen Gegebenheiten. Teilnehmer des Kapitalmarktes erscheinen bei unrichtigen Angaben einer Aktiengesellschaft nicht weniger schützenswert als Teilnehmer am Verkehr von Waren und Dienstleistungen mit dieser Aktiengesellschaft oder deren Kreditgläubiger. Es wäre nicht nachvollziehbar, wenn, worauf Bayer a.a.O. zutreffend hinweist, die Aktiengesellschaft auf Kosten der getäuschten Aktionäre Dividende an ihre übrigen Aktionäre ausschüttete. Nicht ausschlaggebend dürfte für die Konkurrenz von Anleger- und Gläubigerschutz daher sein, ob die einen eine ungewisse Dividendenberechtigung und die anderen eine feste Verzinsung erhalten (so aber Henze a.a.O. und Zimmer, a.a.O., Rn. 13 zu § §§ 37 b und c WpHG). Weiter hat der moderne Gesetzgeber selbst den Vorrang des Gläubigerschutzes bei unrichtigen Mitteilungen einer Aktiengesellschaft an das Publikum des Kapitalmarktes erheblich eingeschränkt. So hat er mit dem Dritten Finanzmarktförderungsgesetz 1998 die §§ 45 bis 49 BörsG (jezt §§ 44 bis 48 BörsG) geändert und unter ausdrücklicher Hintanstellung der Verbote der Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG und des Erwerbs eigener Aktien nach den §§ 71 ff. AktG eine Prospekthaftung der Aktiengesellschaft für den Börsenzulassungsprospekt unter Beschränkung auf den ersten Ausgabepreis eingeführt. Die Begründung hierzu (BT-Drs. 13/8933, S. 78) bezieht sich nach ihrem Wortlaut nur auf diese Regelung. Sie lässt entgegen der Ansicht der Beklagten keinen Schluss darauf zu, dass die §§ 57 und 71 ff. AktG nach dem Willen des Gesetzgebers für den derivativen Erwerb gelten sollen. Vielmehr muss eine börsennotierte Aktiengesellschaft ab dem 01.07.2002 als Emittentin nach den durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz 2002 eingeführten §§ 37 b und c WpHG für den Schaden durch unterlassene oder unrichtige Ad-hoc-Mitteilungen einem "Dritten" haften, der ihre Aktien nach deren Unterlassung oder Veröffentlichung erworben hat (vgl. hierzu auch BT-.Drs. 14/8017, S. 64, 87, 93 und 94).

Nach alldem verbietet sich schließlich eine Anwendung der §§ 71 ff. AktG auf die Fälle der Ersatzpflicht börsennotierter Aktiengesellschaften bei unwahren Angaben gegenüber dem Publikum des Kapitalmarktes. Diese Vorschriften sind ihrem Regelungsgehalt entsprechend auf den aktiven Erwerb eigener Aktien zu beschränken.

4. Der Ersatzanspruch des Klägers ist nicht nach § 254 BGB zu kürzen.

Nachdem der sittenwidrig vorsätzliche geschädigte Kläger nach § 249 S. 1 BGB a.F. so zu stellen ist, als wären ihm gegenüber keine unwahren Angaben über die Beklagte gemacht worden, ist davon auszugehen, dass der Kläger die streitgegenständlichen Aktienkäufe nicht getätigt hätte. Ein Mitverschulden seinerseits im Sinne des § 254 Abs. 1 BGB liegt nicht in dem legitimen spekulativen Moment der Aktienkäufe. Ein solches nach § 254 Abs. 2 BGB im Sinne einer Kursbeobachtungs- oder Verkaufspflicht, sofern es überhaupt in Betracht zu kommen vermag (vgl. BGH WM 2004, 1721, 1726), ist schon deshalb nicht gegeben, weil mit der Aufdeckung der unwahren Angaben von Sch. der Aktienkurs dauerhaft verfallen war.

5. Der Kläger hat gemäß § 255 BGB Anspruch auf Schadensersatz jedoch nur Zug um Zug gegen Abtretung der noch nicht wieder verkauften Aktien.

Zinsen: § 291, § 288 BGB jeweils i.d.F. des Gesetzes zur Beschleunigung fällieger Zahlungen v. 30.03.2000

Kosten: § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1 und 2, § 269 Abs. 3 Satz 2, § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Zulassung der Revission: § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO

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