Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 14.02.2001
Aktenzeichen: 7 U 6019/99
Rechtsgebiete: AktG, UmwG, BörsG, ZPO


Vorschriften:

AktG § 186 Abs. 4 S. 2
AktG § 123
AktG § 123 Abs. 1
AktG § 123 Abs. 2 Satz 2
AktG § 53 a
AktG § 312
AktG § 314 Abs. 2
AktG § 245 Abs. 1
AktG § 246 Abs. 1
AktG § 243 Abs. 2
AktG § 202 Abs. 2
AktG § 306
AktG § 13 Abs. 2
AktG § 13 Abs. 3
AktG § 18 Abs. 2
AktG § 18 Abs. 3
AktG § 71 Abs. 1
UmwG § 8
BörsG § 43 Abs. 4
BörsG § 43
ZPO § 97
ZPO § 546 Abs. 2
ZPO § 708 Ziffer 11
Leitsatz:

1. Die Ermächtigung des Vorstandes einer AG, einen Antrag auf Widerruf der Börsenzulassung zu stellen, ist nach den Kriterien der Holzmüller - Entscheidung (BGHZ 83,122) eine Grundlagenentscheidung, die eine Beschlussfassung durch die Hauptversammlung erfordert.

2. Eines Vorstandsberichtes analog § 186 Abs. 4 S. 2 AktienG, § 8 UmwG bedarf es nicht, wenn die Bekanntmachung des Beschlussvorschlages zu der angestrebten Strukturmaßnahme eindeutig und selbsterklärend ist.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 7 U 6019/99 5 HKO 10580/99 LG München I verbunden mit 5 HKO 1036/99

Verkündet am 14. Februar 2001

Die Urkundsbeamtin: Justizangestellte

In dem Rechtsstreit

wegen Anfechtung

erläßt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2000 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufungen der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 04.11.1999 - 5 HKO 10580/99 - werden zurückgewiesen.

II. Der Hilfsantrag der Klägerinnen zu 3) und 4) wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger zu 1) bis 4) gesamtschuldnerisch 1/3, die übrigen Kosten tragen die Kläger zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger zu 1) und 2) können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 33.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Kläger zu 3) und 4) können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 22.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Der Wert der Beschwer der Kläger im Berufungsverfahren übersteigt DM 60.000,--.

Tatbestand:

Die Kläger sind Aktionäre der Beklagten, einem börsennotierten Unternehmen mit Sitz in bei München, das zu den führenden Elekronikhandelskonzernen Europas zählt. Das Grundkapital von DM 11.000.000,-- besteht je zur Hälfte aus Stammaktien und stimmrechtslosen Vorzugsaktien, die (mittelbar) mehrheitlich von Kalifornien gehalten werden. Nur 1,07 % der Stammaktien und 8,5 % der Vorzugsaktien befinden sich noch im Streubesitz.

Die Kläger fechten Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 20./21.05.1999 an, gegen die sie Widerspruch in der Hauptversammlung eingelegt haben.

Mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger Nr. 64 vom 07.04.1999 hat die Beklagte zur Hauptversammlung eingeladen. Unter TOP 2 des Tagesordnung war die Beschlußfassung der Verwendung des Bilanzgewinns für das Geschäftsjahr 01.10.1997 bis 30.09.1998 vorgesehen. TOP 5 mit TOP 8 betrafen die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 1997/1998 und das Rumpfgeschäftsjahr 1998.

Unter TOP 9 war im Bundesanzeiger vom 07.04.1999 angekündigt: Beschlußfassung über ein reguläres Delisting.

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, folgenden Beschluß zu fassen:

Der Vorstand wird ermächtigt, einen Antrag auf Widerruf zur Zulassung der amtlichen Notierung der Aktien der Aktiengesellschaft für Datenerfassungssysteme, Wertpapier-Kenn-Nummern, bei der Frankfurter Wertpapierbörse/Wertpapierzulassunggstelle und der Bayerischen Börse (München)/Wertpapierzulassungsstelle zu stellen (Antrag auf reguläres Delisting).

Wegen eines technischen Versehens der Verlags Bundesanzeiger wurde der Tagesordnungspunkt 9 unvollständig abgedruckt und dieser Tagesordnungspunkt im Bundesanzeiger vom 10.04.1999 erneut veröffentlicht mit dem ursprünglich vorgesehenen Zusatz.

Die GmbH beabsichtigt, jedem Aktionär ein Kaufangebot in Höhe von DM 1.057 für jede Stammaktie im Betrag von 50 DM und von DM 820 für jede Vorzugsaktie im Betrag von 50 DM für den Verkauf der Aktien anzubieten.

In der Veröffentlichung vom 07.04.1999 wurde das alte Logo der Beklagten mit Ortsangabe München abgedruckt. Auch dies wurde in der Veröffentlichung vom 10.04.1999 berichtigt, ohne darauf hinzuweisen. Am Ende der Einladung im Bundesanzeiger vom 07.04.1998 waren jedoch der zutreffende Sitz der Beklagten, bei München, und der vollständige Name der Beklagten angegeben.

Schließlich wurde im Bundesanzeiger vom 17.04.1999 unter Hinweis auf die technischen Versehen des Verlages die Einladung samt Tagesordnung erneut vollständig abgedruckt.

In der Hauptversammlung vom 20./21.05.1999 wurde die vorgeschlagene Verwendung des Bilanzgewinns für das Geschäftsjahr 1997/1998 (TOP 2) beschlossen, sowie den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates Entlastung erteilt (TOP 5 bis 8). Der Vorstand wurde ermächtigt, ein reguläres Delisting zu beantragen (TOP 9), letzteres mit 108.954 Ja-Stimmen zu 190 Nein-Stimmen bei einer Präsenz des Grundkapitals von 95,88 %. Zuvor hatte das Aufsichtsratmitglied das Kaufangebot des Großaktionärs auf 601 Euro für jede Stammaktie zu 50 DM und auf 555 Euro für jede Vorzugsaktie zu 50 DM erhöht.

Die Kläger monieren daß die Ermächtigung des Vorstands zum Delisting eine Blankovollmacht darstelle. Sie enthalte keine Festlegung, ob ein solcher Antrag überhaupt, wann, innerhalb welcher Frist und unter welchen Voraussetzungen gestellt werden müsse.

Da die Gesellschaft erstmals 1988 zum geregelten Markt an die Börse gebracht und im August 1996 die Aktie in den amtlichen Handel eingeführt worden sei, wobei 1988 wie auch 1990 das Grundkapital erheblich erhöht und ein größeres Anlegerpublikum zur Zeichnung animiert worden sei, verstoße es gegen die Treuepflicht des Mehrheitsaktionärs gegenüber den freien Aktionären, die Aktie von der Börse zu nehmen. Diese Entscheidung nehme auf den Anlegerschutz - entgegen der Vorschrift des § 43 Abs. 4 BörsG - keine Rücksicht. Durch das Delisting werde in die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Aktionäre grundlegend eingegriffen. Der Handel an der Börse beeinflusse den Wert der Aktie maßgebend. Ohne diesen seien die freien Aktionäre von der Kaufbereitschaft des Großaktionärs abhängig.

Der Eingriff in die Aktionärsrechte sei sachlich nicht gerechtfertigt und zudem unverhältnismäßig. Die Rechte der Minderheitsaktionären seien durch die Delisting-Regeln der Börsenordnungen in Verbindung mit § 43 Abs. 4 BörsG nicht ausreichend geschützt.

Das Delisting stelle eine Grundlagenentscheidung für die Beklagte dar, die die Vorlage eines schriftlichen Berichtes im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Tagesordnung erforderlich mache.

Die Kläger zu 1) und 2) haben darüber hinaus geltend gemacht, daß zur Hauptversammlung nicht ordnungsgemäß eingeladen worden sei. Der nach der Satzung letzte mögliche Hinterlegungstag für die Aktien sei der 14.05.1999 gewesen. Deshalb sei durch die Veröffentlichung der endgültigen Fassung der Einladung im Bundesanzeiger vom 17.04.1999 die Monatsfrist des § 123 AktG nicht eingehalten worden.

Der Gewinnverwendungsbeschluß (TOP 2) verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 53 a AktG. Bei einem zur Verfügung stehenden Bilanzgewinn von DM 2.092.944,03 hätte den Stammaktionären, denen lediglich 165.000 DM ausgeschüttet worden seien, eine gleiche Dividende wie den Vorzugsaktionären, denen DM 275.000 DM ausgeschüttet wurden, zugestanden. Der Gewinnverwendungsbeschluß verstoße auch gegen die Satzung, da den Vorzugsaktionären nur deswegen, die in § 18 Abs. 3 vorgesehene Mehrdividende von 2 % nicht ausgeschüttet worden sei, weil die Stammaktien mit einer Dividende von weniger als 5 % bedient worden seien Dies sei völlig willkürlich. Man wolle die freien Aktionäre verdrängen.

Die Entlastungsbeschlüsse seien rechtswidrig. Die Beklagte sei eine abhängige Gesellschaft in i.S.d. § 312 AktG. Ein Abhängigkeitsbericht sei nicht durch einen Abschlußprüfer und den Aufsichtsrat geprüft worden und sei auch nicht erstellt worden.

Die Kläger zu 1) und 2) haben beantragt:

Die nachstehenden Beschlüsse der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 20./21.05.1999, die angekündigt waren wie folgt:

1.3 Punkt 2 der Tagesordnung

"Beschlußfassung über die Verwendung es Bilanzgewinns für das Geschäftsjahr vom 01.10.1997 bis 30.09.1998.

Aufsichtsrat und Vorstand schlagen vor, den für das Geschäftsjahr vom 01.10.1997 bis 30.09.1998 ausgewiesenen Bilanzgewinn von DM 2.092.944,03 wie folgt zu verwenden:

a) Ausschüttung einer Dividende von DM 2,50 je Aktie im Nennbetrag von DM 50 auf die Vorzugsaktien ohne Stimmrecht im gesamten Nennbetrag von DM 5.500, 275.000 DM

b) Ausschüttung einer Dividende von DM 1,50 je Aktie im Nennbetrag von DM 50 auf die Stammaktien im Gesamtnennbetrag von DM 5.500, 165.000 DM

c) Einstellung in andere Gewinnrücklagen 1.652.944,03 DM

d) Vortrag auf neue Rechnung ------- DM

e) Bilanzgewinn 2.092.944,03 DM"

1.2 Punkt 5 der Tagesordnung

"Entlastung der Mitglieder des Vorstandes für das Geschäftsjahr vom 01.10.1997 bis 30.09.1998

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, Entlastung zu erteilen."

1.3 Punkt 6 der Tagesordnung

"Entlastung der Mitglieder des Vorstandes für das Geschäftsjahr vom 01.10.1998 bis 31.12.1998

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, Entlastung zuerteilen."

1.4 Punkt 7 der Tagesordnung

"Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr vom 01.10.1997 bis 30.09.1998

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, Entlastung zu erteilen."

1.5 Punkt 8 der Tagesordnung

"Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr vom 01.10.1998 bis 31.12.1998

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, Entlastung zu erteilen."

1.6. Punkt 9 der Tagesordnung

"Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, folgenden Beschluß zu fassen:

Der Vorstand wird ermächtigt, einen Antrag auf Widerruf der Zulassung zur amtlichen Notierung der Aktien der Aktiengesellschaft für, Wertpapier-Kenn-Nummern bei der Frankfurter Wertpapierbörse/Wertpapierzulassungsstelle und der Bayerischen Börse (München) Wertpapierzulassungsstelle zu stellen (Antrag auf reguläres Delisting)"

welche die Hauptversammlung sämtlich mit Mehrheit beschloß,

werden für nichtig erklärt.

Die Klägerinnen zu 3) und 4) haben beantragt:

Auf die Anfechtung der Klägerinnen wird der in der Hauptversammlung vom 20./21.05.1999 gefaßte Beschluß vom Tagesordnungspunkt 9 "Beschlußfassung über ein reguläres Delisting" für nichtig erklärt.

Die Beklagte hat beantragt:

die Klagen abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, durch das beabsichtigte Delisting werde weder in die Struktur der Gesellschaft noch in die Rechte der Aktionäre eingegriffen. Dies sei ein ausschließlich kapitalmarkt- und börsenrechtlicher Vorgang. Zudem sei das Delisting sachlich gerechtfertigt, da mit den wenigen im Streubesitz befindlichen Aktien ein Handel an der Börse nur in einem sehr geringen Umfang stattgefunden habe. Die Kosten der Börsenzulassung seien hierfür zu hoch. Im Hinblick auf den geringen Aktienhandel komme es zudem zu sprunghaften Kursveränderungen, der Kurs sei auch leicht manipulierbar. Kurssprünge, die durch die Geschäftsentwicklung nicht gerechtfertigt seien, würden dem Unternehmen schaden.

Wegen der Spezialregelung in § 43 Abs. 4 BörsG sei kein Raum für die Anwendung der Regelungen für Strukturveränderungen in Aktiengesellschaften. Eine Strukturveränderung liege ohnehin nicht vor, da weder in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre, noch in ihre unternehmerische Stellung eingegriffen werde. Ihr Schutz sei durch die Börsenordnungen gewährleistet, so daß eine Regelungslücke nicht bestehe. Die Vorgaben der Börsenordnungen, daß der Anlegerschutz nicht gefährdet ist, wenn ein öffentliches Kaufangebot unterbreitet werde, welches in einem angemessenen Verhältnis zum Börsenkurs der letzten Monate stehe sei erfüllt. Den Aktionären sei nämlich ein Kaufangebot zum Höchstkurs der letzten 6 Monate gemacht worden.

Die im übrigen von den Klägern vorgetragenen Anfechtungsgründe seien unbegründet.

Das Landgericht hat die Klagen abgewiesen.

Die Anfechtungsbefugnis der Kläger, gemäß § 245 Abs. 1 AktG und die Einhaltung der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG hat das Landgericht bejaht.

Den von den Klägern zu 1) und 2) monierten Einladungsmangel hat das Landgericht als nicht gegeben angesehen und festgestellt, daß die Hauptversammlung innerhalb der Einberufungsfrist gemäß §§ 123 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 AktG, 13 Abs. 2, Abs. 3 der Satzung rechtzeitig erfolgt sei. Die Veröffentlichung im Bundesanzeiger vom 07.04.1999 sei ordnungsgemäß gewesen.

Der Gewinnverwendungsbschluß (TOP 2) sei rechtmäßig, ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot nach § 53 a AktG liege nicht vor, noch sei der Gewinnverwendungsbeschluß satzungswidrig.

Die Entlastung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder (TOP 5 bis 6) sei ebenfalls rechtmäßig, denn die aktiengesetzlich vorgeschriebenen Berichte (§§ 312, 314 AktG) seien erstellt und vom Abschlußprüfer und Aufsichtsrat auch geprüft worden.

Schließlich sei die beschlossene Ermächtigung des Vorstands, einen Antrag auf ein reguläres Delisting bei den Börsen in München und Frankfurt zu stellen, rechtmäßig. Ein Verstoß gegen das Gesetz liege nicht vor. Die Ermächtigung sei ausreichend bestimmt. Ein schriftlicher Bericht des Vorstands sei nicht notwendig. Die Frage der Börsenzulassung stelle bei gebotener wirtschaftlicher Betrachtung eine Strukturmaßnahme von herausragender Bedeutung für die Beklagte dar, die grundsätzlich der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfe. Hieraus folge jedoch nicht, daß solche Beschlüsse nur getroffen werden könnten, wenn auch ein schriftlicher Bericht analog § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG, § 8 Umwandlungsgesetz ab dem Zeitpunkt der Einladung der Hauptversammlung zur Einsicht für die Aktionäre aufliege.

Der Delistingsbeschluß unterliege nur einer begrenzten Inhaltskontrolle. Insoweit sei kein Rechtsfehler festzustellen. Die Wahrung der rechtlichen Interessen der Aktionäre sei im Rahmen der börsenrechtlichen Delistingverfahren im übrigen ausreichend gewährleistet. Der Ermächtigungsbeschluß zum Delisting verletze auch Treuepflichten der Mehrheitsaktionäre gegenüber den Interessen der Minderheitsaktionäre nicht. Das Delisting berühre die mitgliedschaftliche Rechtsstellung der Aktionäre nicht. Den vermögensrechtlichen Interessen der Minderheit werde durch ein freiwilliges öffentliches Kaufangebot der Aktien zum Höchstkurs der letzten 6 Monate Rechnung getragen. Die Einstellung des Börsenhandels erscheine auch aus tatsächlichen Gründen nicht willkürlich, da in den vergangenen Monaten nur an wenigen Tagen überhaupt Aktien der Beklagten gehandelt worden seien. Sondervorteile der Mehrheitsaktionäre durch das Delisting seien nicht gegeben. Auch einen möglichen verfassungswidrigen Eigentumseingriff wegen unterlassener richterlicher Überprüfung der aktienrechtlichen Berechtigung des von der Beklagten beabsichtigten Delisting hat das Landgericht verneint. Schließlich ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, daß eine Kontrolle der Angemessenheit des Kaufangebots der Mehrheitsaktionärin nicht durch ein Spruchverfahren analog § 306 AktG vorgenommen werden könne. Insoweit liege eine vollständige Normierung im Börsengesetz vor, so daß eine analoge Anwendung mangels einer Regelungslücke nicht erforderlich sei. Zum anderen sei darauf hinzuweisen, daß eine gerichtliche Kontrolle von freiwilligen Kaufangeboten Dritter nicht in Betracht kommen könne.

Hiergegen richten sich die Berufungen der Kläger. Sie wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Kläger zu 1) und 2) beantragen:

1. Das angefochtene Urteil wird abgeändert.

2. Die nachstehenden, jeweils mit der Mehrheit der Hauptversammlung gefaßten und wie folgt angekündigten Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 20./21.05.1999

2.1 Punkt 2 der Tagesordnung

Beschlußfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns für das Geschäftsjahr vom 01.10.1997 bis 30.09.1998.

Aufsichtsrat und Vorstand schlagen vor, den für das Geschäftsjahr vom 01.10.1997 bis 30.09.1998 ausgewiesenen Bilanzgewinn von DM 2.092.944,03 wie folgt zu verwenden:

a) Ausschüttung einer Dividente von 2,50 je Aktie im Nennbetrag von DM 50.000,-- auf die Vorzugsaktion ohne Stimmrecht im Gesamtnennbetrag von DM 5.500.000,-- DM, 275.000,00

b) Ausschüttung einer Dividende von 1,50 je Aktie im Nennbetrag von 50,00 DM auf die Stammaktien im Gesamtnennbetrag von DM 5.500.000,00, DM 165.000,00

c) Einstellung in andere Gewinnrücklagen DM 1.652.944,03

Vortrag auf neue Rechnung DM ../..

Bilanzgewinn DM 2.092.944,03

z. Z. Punkt 5 der Tagesordnung

"Entlastung der Mitglieder des Vorstandes für das Geschäftsjahr vom 01.10.1997 bis 30.09.1998

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, Entlastung zu erteilen."

2.3 Punkt 6 der Tagesordnung

"Entlastung der Mitglieder des Vorstandes für das Geschäftsjahr vom 01.10.1998 bis 31.12.1998

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, Entlastung zu erteilen."

2.4 Punkt 7 der Tagesordnung

"Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr vom 01.10.1997 bis 30.09.1998

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, Entlastung zu erteilen."

2.5 Punkt 8 der Tagesordnung

"Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr vom 01.10.1998 bis 31.12.1998

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, Entlastung zu erteilen."

2.6. Punkt 9 der Tagesordnung

"Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, folgenden Beschluß zu fassen:

Der Vorstand wird ermächtigt, einen Antrag auf Widerruf der Zulassung zur amtlichen Notierung der Aktien der Aktiengesellschaft für, Wertpapier-Kenn-Nummern bei der Frankfurter Wertpapierbörse/Wertpapierzulassungsstelle und der Bayerischen Börse (München) Wertpapierzulassungsstelle zu stellen (Antrag auf reguläres Delisting)"

werden für nichtig erklärt.

Die Klägerinnen zu 3) und 4) beantragen:

1. Das Urteil des Landgerichts München I vom 04.11.1999 wird aufgehoben.

2. Der Klage wird stattgegeben

hilfsweise,

den Rechtsstreit wegen der Klage der Klägerinnen zu 3) und 4), soweit die Rüge erhoben wird, die Mehrheitsaktionärin habe im Zusammenhang mit der Entscheidung über das Delisting der Aktien der Beklagten ein unangemessenes Kaufangebot abgegeben, mit dem sich hierauf beziehenden Verfahrensteil abzutrennen, insoweit den Rechtsweg der streitigen Zivilgerichtsbarkeit für unzulässig zu erklären und den Rechtsstreit in den Rechtsweg der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu verweisen, sowie bis zur Entscheidung über die Angemessenheit des Kaufangebots des Berufungsverfahrens auszusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen der Kläger zurückzuweisen.

Die Beklage verteidigt das landgerichtliche Urteil. Auch sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend weist sie darauf hin, daß mit Ablauf des 30. Dezember 1999 die amtliche Notierung der Stamm- und Vorzugsaktien an der Bayerischen Börse eingestellt worden sei. Um den Aktionären auch nach Widerruf der Zulassung und Einstellung der amtlichen Notierung eine Handelsmöglichkeit zu erhalten, seien die Stamm- und Vorzugsaktien ab 03. Januar 2000 in den Freiverkehr der Münchener Börse einbezogen worden. Entsprechendes gelte für die Frankfurter Börse.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie den gesamten Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Berufungen der Kläger haben keinen Erfolg. Der Hilfsantrag der Klägerinnen zu 3) und 4) ist unbegründet.

Bei der Beurteilung der Anfechtung des Gewinnverwendungsbeschlusses (Punkt 2 der Tagesordnung), der Entlastungsbeschlüsse (Punkt 6 mit 8 der Tagesordnung) und des Ermächtigungsbeschlusses (Punkt 9 der Tagesordnung) ist das Landgericht rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, daß begründete Anfechtungsgründe nicht vorliegen. Einen Einladungsmangel zur Hauptversammlung vom 20./21.05.1999, in der die Beschlüsse gefaßt wurden, hat das Landgericht zutreffend verneint.

1. Die Hauptversammlung wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Einberufungsfrist gemäß § 123 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 AktG, § 13 Abs. 2, Abs. 3 der Satzung einberufen. Die Veröffentlichung im Bundesanzeiger vom 07.04.1999 war ordnungsgemäß und fristwahrend. Nachfolgende berichtigende und ergänzende Veröffentlichungen im Bundesanzeiger vom 10. und 17.04.1999 sind für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit deswegen nicht maßgeblich, weil die Veröffentlichung vom 07.04.1999 bereits sämtliche Angaben und zwar auch zur Firma und zum Firmensitz der Beklagten enthält. Die Verwendung eines Logos mit dem ehemaligen Firmensitz ist angesichts der unmißverständlichen Angaben am Ende der Veröffentlichung unschädlich. Den spätesten Tag für die Veröffentlichung hat das Landgericht zutreffend mit dem 12.04.1999 angenommen. Da nur solche Gegenstände zu veröffentlichen sind, über die die Hauptverhandlung verhandeln und beschließen kann, hat auch die nachgeschobene Veröffentlichung des Angebots des Mehrheitsaktionärs keinen Einfluß auf die Rechtzeitigkeit der Einladung.

2. Der Gewinnverwendungsbeschluß (Punkt 2 der Tagesordnung) ist gesetz- und satzungsmäßig.

Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, den die Kläger zu 1) und 2) darin sehen, daß die Hauptversammlung trotz eines mehr als ausreichenden Bilanzgewinns willkürlich auf die Stammaktien nur 3 % Dividende beschlossen habe, um dadurch zu verhindern, daß die Vorzugsaktionäre die ihnen zustehenden 2 % Mehrdividende erhalten, liegt nicht vor. § 18 Abs. 2 der Satzung ist nicht verletzt.

Die Verteilung des Gewinns im Verhältnis der Nennbeträge ist erfolgt.

Nicht gefolgt werden kann der Argumentation der Kläger zu 1) und 2), wonach ein nach § 18 Abs. 3 der Satzung "latent" bestehender Anspruch der Vorzugsaktionäre auf eine nachzahlbare Mehrdividende i.H.v. 2 % nach der Ausschüttung von 5 % an die Stammaktionäre willkürlich durch den angefochtenen Beschluß vereitelt worden sei.

Die eindeutige und klare Formulierung der Satzungsregelung gibt objektiv keinen Anhaltspunkt für die Auffassung der Kläger, wonach bei ausreichendem Gewinn die Ausschüttung der Mehrdividende in jedem Fall erfolgen müsse. Bei objektiv vorzunehmender Auslegung der überindividuellen Organisationsregelung sind außerhalb der Satzungsurkunde liegende Umstände, die in der Satzung selbst keinen Niederschlag gefunden haben, nicht zu berücksichtigen (Hüffer, AktG, 4. Aufl., § 23 Rn. 39).

Auch von einer einvernehmlichen innergesellschaftlichen Umsetzung der Satzung im Sinne des klägerischen Standpunktes, wonach die Ausschüttung der Mehrdividende von 2 % durch die Praxis in den Jahren ab 1990 manifestiert und ein Abweichen hiervon treuwidrig sei, ist nicht auszugehen. Abgesehen davon, daß mangels zuverlässiger Beurteilungsunterlagen die seinerzeitigen Entscheidungen der Hauptversammlung nicht als Vergleichsmaßstab herangezogen werden können, ergeben sich konkrete, die Willkür der Beklagten belegende Gesichtspunkte nicht. Die Beklagte hat einen erhöhten Investitionsbedarf plausibel dargelegt. Dem sind die Kläger, die eine Ausschüttung in jedem Fall für geboten halten, folgerichtig nicht substantiiert entgegengetreten.

3. Die Entlastungsbeschlüsse der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder (Punkt 5 bis 8 der Tagesordnung) sind rechtmäßig.

Die Berichtspflicht nach § 312 AktG sieht der Senat durch die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen (B 12, B 13) als erfüllt an. Der Bericht des Vorstands über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen (§ 312 AktG) wurde danach vom Abschlußprüfer geprüft und mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk (§ 313 Abs. 2 bis 4 AktG) versehen. Dies aber bedeutet, daß sich aus Sicht der Prüfer keine Einwände gegen den Bericht ergeben haben.

Für den von den Klägern zu 1) und 2) erhobenen Vorwurf eines berufsrechtlichen Fehlverhaltens der Abschlußprüfung fehlt jeder Anhaltspunkt.

Auch die Voraussetzungen des § 314 Abs. 2 AktG - Prüfung des Berichts durch den Aufsichtsrat und ein Bericht an die Hauptversammlung über das Ergebnis der Prüfung - sind erfüllt. Durch den Geschäftsbericht (B 13) ist ausreichend belegt, daß der Aufsichtsrat mit dem Bericht des Vorstands befaßt war, ihn geprüft und das Ergebnis der Prüfung zusammengefaßt hat (Geschäftsbericht 97/98, Geschäftsbericht 98 - Rumpfgeschäftsjahr - der gleiche Seite 13 und Seite 9).

Dem steht nicht entgegen, daß der Abhängigkeitsbericht unter dem Stichwort "Bericht des Aufsichtsrates" im Geschäftsbericht nicht ausdrücklich angeführt ist. Soweit dort festgestellt ist: "Alle Vorgänge, für die der Gesetzgeber oder die Satzung des Unternehmens die Zustimmung des Aufsichtsrates verlangen, wurden vom Aufsichtsrat geprüft, mit dem Vorstand diskutiert und soweit erforderlich, genehmigt" hält der Senat diese Feststellung für ausreichend. Hieraus folgt nämlich, daß Einwände gegen die Vorstandsberichte auch insoweit nicht erhoben worden sind.

4. Der Senat folgt dem Landgericht auch in der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Ermächtigungsbeschlusses des Vorstands zum Delisting (Punkt 9 der Tagesordnung).

a) Dass die Ermächtigung des Vorstands, einen Antrag auf Widerruf der Börsenzulassung zu stellen, als Grundlagenentscheidung eines Beschlusses der Hauptversammlung bedurfte - der am 20./21.05.1999 auch mit satzungsändernder Mehrheit gefasst worden ist -, hat das Landgericht zutreffend festgestellt.

Nach den Grundsätzen der Holzmüller-Entscheidung (BGHZ 83, 122) besteht eine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung für Maßnahmen der Gesellschaft, die in ihrer Tragweite für die Aktionäre denjenigen entsprechen, die das Gesetz der Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung unterstellt ( § 119 AktG). Erfasst werden danach solche Entscheidungen, die in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse so stark eingreifen, dass der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie ausschließlich in eigener Verantwortung treffen.

Die streitgegenständliche Ermächtigung des Vorstands stellt nach diesen Kriterien eine solche Grundlagenentscheidung dar. Die mit dem "going private" verbundene Einschränkung der Handelbarkeit der Geschäftsanteile, die durch den Freiverkehr nicht ausgeglichen werden kann, der Wegfall von Publizitäts- und Verhaltenspflichten nach dem Börsen- und Wertpapierhandelsgesetz, so die kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten (§§ 44 ff. BörsG) und die ad-hoc-Publizität (§ 15 WpHG), die den amtlichen oder geregelten Markt voraussetzen, tangieren massiv die wirtschaftlichen Interessen der Aktionäre. Vor allem die eingeschränkte Fungibilität der Aktien stehen der ursprünglichen Investitionsentscheidung insbesondere der Minderheitsaktionäre relevant entgegen. Die Bedeutung der Handelbarkeit als Eigenschaft des Aktieneigentums liegt bei Beteiligungen an börsennotierten Aktiengesellschaften nämlich insbesondere darin, dass es den Aktionären - jedenfalls in Zeiten eines funktionierenden Kapitalmarktes - praktisch jederzeit möglich ist, die Aktien zu marktgerechten, ordnungsgemäß zustandegekommenen und staatlich überwachten Preisen veräußern zu können. Die Aktie ist aus der Sicht des Kleinaktionärs gerade deshalb so attraktiv, weil er sein Kapital hiermit nicht auf längere Sicht bindet, sondern die Aktie fast ständig wieder veräußern kann (vgl. BverfG WM 99, 1666).

Obwohl den Minderheitsanktionären bei einem Delisting die vermögensrechtlichen Ansprüche auf Bilanzgewinn, soweit er zur Verteilung kommt, das Recht auf den Bezug neuer Aktien bei einer Kapitalerhöhung, sowie das Recht auf Teilnahme am Liquidationserlös erhalten bleiben - ebenso wie auch die Verwaltungsrechte, die allerdings bei den Kleinaktionären in den Hintergrund treten (vgl. BverfG aaO) - rechtfertigt dieser mit dem Delisting verbundene Eingriff, in die wirtschaftlichen und damit vermögensrechtlichen Interessen der Minderheit nach den Grundsätzen der Holzmüller-Doktrin von einer Grundlagenentscheidung auszugehen (vgl. Schwark/Geiser ZHR 161/739 f.)

b) Die Auffassung des Landgerichts, wonach es eines Vorstandsberichtes anolog §§ 186 Abs. 4 S. 2 AktG, 8 UmwG nicht bedarf, hält der Senat ebenfalls für richtig.

Der wesentliche Inhalt der Maßnahme, zu deren Durchführung der Vorstand ermächtigt werden sollte, ist in der Einladung ausreichend konkret dargestellt und in dieser Form der Hauptverhandlung bekannt gemacht worden (§ 124 Abs. 2 S. 2 AktG). Einer weiteren inhaltlichen Umschreibung in der Bekanntmachung bedurfte es nicht, da der Gegenstand, über den verhandelt werden sollte, eindeutig erkennbar war.

Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Kläger, wonach der Vorstand zur Vorlage eines umfassenden schriftlichen Berichts über die nach Holzmüller- Grundsätzen der Hauptversammlung vorgelegte Entscheidung ab dem Zeitpunkt der Einladung verpflichtet gewesen sei.

Zweck eines schriftlichen Vorstandsberichtes als formelles Schutzinstrument der Aktionäre ist es, den Aktionären eine abgewogene Entscheidung über die geplante Maßnahme zu ermöglichen, zugleich ist er Ausgangsbasis für eine gerichtliche Nachprüfung (BGHZ 83, 319).

Nach § 186 Abs. 4 S. 2 AktG analog wird man den Vorstand grundsätzlich dann für verpflichtet ansehen müssen, die Gründe einer angestrebten Strukturmaßnahme in einem ausführlichen schriftlichen Bericht darzulegen (vgl. Münch./Hdb. Ges. R. IV Krieger, § 69 Rdnr. 11), sofern die Komplexität eines Sachverhalts diese Vorabinformation für außenstehende Aktionäre erforderlich macht und das Unterlassen des gebotenen schriftlichen Berichts durch den Vorstand einen Verstoß gegen die dem Vorstand nach § 93 AktG obliegende Sorgfaltspflichten darstellen würde.

Allerdings geht es zu weit, einen solchen Bericht auch dann zu fordern, wenn - was vorliegend der Fall ist - eine über die Bekanntmachung hinausgehende Erläuterung nicht geboten ist. Die Bekanntmachung des anstehenden Beschlusses ist eindeutig und selbsterklärend. Hierdurch hatten die Aktionäre ausreichend Gelegenheit, darüber zu entscheiden, ob sie selbst an der Hauptversammlung teilnehmen oder sich vertreten lassen und in welchem Sinn sie von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen wollten. Zutreffend ist zwar, dass die außenstehenden Aktionäre mit der Bekanntmachung der Tagesordnung über die Gründe des in Aussicht genommenen Delisting nicht informiert worden sind. Diese wurden jedoch ausweislich des Protokolls der Hauptversammlung vom 20./21.05.1999 vom Vorstand wie folgt erläutert:

"Wir haben das Delisting beantragt aus Kosten- und Aufwandsgründen und vor allem, weil wir der Meinung sind, dass ein ordnungsgemäßer Handel mit entsprechender Kursentwicklung, der der tatsächlichen Unternehmensentwicklung entspricht, aufgrund der im Unternehmen verbliebenen Kleinaktionäre und der Verteilung der Aktien nicht mehr gewährleistet ist. Aus der Struktur können sich Kursabweichungen ergeben, die nichts mit der Unternehmensentwicklung zu tun haben, sondern eine völlig falsche Bewertung des Unternehmens ergeben können und so die Kunden und Lieferanten zum Nachteil der Gesellschaft beeinflussen können."

Die Mehrkosten für die Börsennotierung p.a. wurden vom Vorstand mit DM 340.000,-- angegeben.

Diese Erläuterungen reichten aus, den Aktionären eine sachgerechte Entscheidung bzgl. des Ermächtigungsbeschlusses zu ermöglichen.

Soweit die Kläger meinen, in dem mit der Tagesordnung zu veröffentlichenden Bericht hätten umfassend alle Vor- und Nachteile des Delisting dargelegt werden müssen, so insbesondere auch, dass mit dem Delisting die Beleihbarkeit entfallen würde, wesentliche Veröffentlichungspflichten nach dem WpHG nicht bestehen und zusätzlich zu erklären gewesen wäre, wie sich die Informationen der Gesellschaft zukünftig gestalten, ist dem nicht zu folgen. Denn anders als beim Bezugsrechtsausschluss nach § 186 hätte der Bericht nicht die Tatsachen enthalten müssen, die für eine materielle Rechtsfertigung erforderlich sind (vgl. unten c).

Ausweislich des Protokolls der Hauptversammlung vom 21./22.05.1999 wurde darüber hinaus auch eine intensive Befragung durchgeführt und sämtliche Fragen wurden auch vom Vorstand beantwortet.

b) aa.) Der Beschluss unterliegt entgegen der Auffassung der Kläger auch keiner materiellen Inhaltskontrolle. Hauptversammlungsbeschlüsse, die mit der nach dem Gesetz erforderlichen Mehrheit und unter Beachtung des vorgeschriebenen Verfahrens zustandegekommen sind, tragen ihre Rechtfertigung in sich (BGHZ 103, 184), sie bedürfen nicht der sachlichen Rechtfertigung. Nur bei schweren Eingriffen in die mitgliedschaftliche und vermögensrechtliche Stellung der Aktionäre hat der BGH die inhaltliche Kontrolle von Mehrheitsentscheidungen der Hauptversammlung bejaht (BGHZ 71, 40 f.; 83, 319 f.; 125; 239 f.). Abgelehnt hat der BGH die materielle Inhaltskontrolle bei der Liquidation der Gesellschaft (BGHZ 103, 184 d.) und dem Ausschluss des Rechts der Aktionäre auf den Bezug von Genussrechten (BGHZ 120, 141 f.). Nach den Kriterien, die sich danach aus der Rechtsprechung des BGH ergeben, scheidet eine Inhaltskontrolle vorliegend aus. Dass der Ermächtigungsbeschluss, in die Verwaltungsrechte der Minderheitsaktionäre nur marginal und in die vermögensrechtliche Stellung nur bedingt eingreift, wurde dargelegt. Die Schwere des Eingriffs, die der BGH für eine Inhaltskontrolle verlangt, ist trotz des Gewichts, den die Entscheidung für die wirtschaftlichen Interessen der Aktionäre hat, damit nicht gegeben.

bb.) Eine materielle Inhaltskontrolle des angefochtenen Ermächtigungsbeschlusses scheidet auch deswegen aus, weil § 43 BörsG i.V.m. den Börsenordnungen eine umfassende spezialgesetzliche Regelung enthält und ein weitergehender gesellschaftsrechtlicher Schutz durch die Überprüfung auf die sachliche Rechtfertigung der Entscheidung nicht erforderlich ist.

Nach § 43 Abs. 4 BörsG kann die Zulassungsstelle die Zulassung zur amtlichen Notierung auf Antrag des Emittenten widerrufen, wobei der Widerruf dem Schutz der Anleger nicht widersprechen darf. Im Rahmen der von der Börse zu treffenden Ermessensentscheidung ist den Interessen der Anleger am Fortbestand der Börsennotierung Rechnung zu tragen und insbesondere auch zu prüfen, ob das öffentliche Kaufangebot im Hinblick auf die Einbußen, die die Aktionäre durch das going private erleiden, ausreichend ist. In dem börsenrechtlichen Verfahrens können die Minderheitsaktionäre uneingeschränkt beteiligt sein (vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht 2. Aufl. Rdnr. 17231).

Dass die Ermessensentscheidungen der Börse nicht zu sachgerechten, insbesondere dem Anlegerschutz Rechnung tragenden Ergebnissen kommen, ist nicht ersichtlich, und es spricht nichts dafür, dass es einer zusätzlichen gesellschaftsrechtlichen Kontrolle des angefochtenen Beschlusses bedarf.

cc.) Auch unter dem Gesichtspunkt einer rechtsmissbräuchlichen Stimmausübung der Mehrheitsgesellschafterin ist eine Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses nicht gegeben.

Der wirtschaftliche Nachteil, der für die Minderheitsaktionäre infolge des going private entsteht, nämlich die eingeschränkte Handelbarkeit der Aktien, wird durch das freiwillige öffentliche Kaufangebot der Mehrheitsaktionäre ausgeglichen, das der Kontrolle der Übernahmekommission unterliegt. Im Hinblick darauf, dass - unstreitig - der Handel mit Stamm- und Vorzugsaktien der Beklagten nahezu vollständig zum Erliegen gekommen war, konnte die Annahme des Angebots des Mehrheitsaktionärs der Minderheit deswegen auch durchaus Vorteile bieten, da sie kaum noch damit rechnen konnte, einen angemessenen Marktpreis für ihre Anteile zu erhalten.

Die Entscheidung der Hauptversammlung, auf das Recht aus der Börsenzulassung der Wertpapiere zu verzichten, steht auch nicht deswegen "per se" unter dem Verdacht eines willkürlichen Vorgehens, weil die Beklagte erst 1988 zum geregelten Markt an die Börse gebracht worden und im August 1996 die Aktie in den amtlichen Handel eingeführt worden ist, wobei 1988 sowie euch 1990 das Grundkapital erheblich erhöht und ein größeres Anlegerpublikum zur Zeichnung animiert worden ist. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte ungerechtfertigt auf Kosten der Minderheit und nicht aus betriebswirtschaftlichen, von dem Streubesitz hinzunehmenden Überlegungen den Bechluss zum Delisting gefasst hat, sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Die von der Beklagten insoweit vorgetragenen Gründe, nämlich das unstreitig sehr niedrige handelbare Volumen und die mit der Börsennotierung anfallenden Kosten i.H.v. ca. DM 340.000,-- p.a. lassen jedenfalls die Entscheidung der Beklagten zum Delisting nicht als rechtsmißbräuchlich erscheinen.

dd.) Der Senat folgt auch nicht der Auffassung der Kläger die den Beschluss tragende Mehrheit habe ungerechtfertigte Sondervorteile für den Großaktionär i.S.v. § 243 Abs. 2 AktG verfolgt. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, der Mehrheitsaktionär sei durch das Delisting in gleicher Weise wie die Minderheit betroffen. Eine außerbörsliche Veräußerung von Anteilen sei den Minderheitsaktionären jedenfalls weiterhin möglich, wobei diese Veräußerung keineswegs nur an den Mehrheitsaktionär erfolgen müsse.

Auch ein Wissensvorsprung des Mehrheitsaktionärs ist entgegen der Auffassung der Kläger durch die Ermächtigung zum Delisting nicht eingetreten. Der Einwand der Beklagten, der Großaktionär habe über seine Beteiligung am Aufsichtsrat bereits vor dem Delisting einen Informationsvorsprung gegenüber den Minderheitsaktionären gehabt, der sich durch das Delisting nicht vergrößert hat, ist plausibel.

c) Der in der Hauptversammlung gefasste Ermächtigungsbeschluss ist ausreichend bestimmt. Aus dem Wortlaut des Beschlusses ergibt sich klar, dass sich das Delisting auf die beiden Börsenplätze Frankfurt und München bezieht, an denen die Aktien der Beklagten zum amtlichen Handel zugelassen waren. Zweifel darüber, ob ein Teil-Delisting oder ein Total-Delisting verfolgt werde, konnten daher nicht auftreten. Soweit die Kläger das Fehlen einer zeitlichen Vorgabe entsprechend den aktienrechtlichen Bestimmungen in § 71 Abs. 1 und § 202 Abs. 2 AktG bemängeln, ist eine zeitliche Limitierung bei gesetzlich nicht geregelten Strukturentscheidungen nicht vorgegeben. Aus der Sicht der Aktionäre konnte jedoch nicht zweifelhaft sein, dass bei solchen Entscheidungen die Ermächtigung jedenfalls nur bis zur nächsten Hauptversammlung zu gelten hat. Dies ist dem Ermächtigungsbeschluss immanent, d.h. die Befürchtung der Kläger, die Ermächtigung im vorliegenden Fall könne vom Vorstand in 5 oder 10 Jahren ausgenutzt werden, greift nicht durch.

d) Das Landgericht hat zu Recht auch festgestellt, dass die Ablehnung einer materiellen Beschlusskontrolle durch das Gericht auch keinen verfassungswidrigen Eigentumseingriff in die Rechte der Aktionäre darstellt. Wie dargelegt, sind die Interessen der Anleger am Fortbestand vier Börsennotierung durch die kapitalmarktrechtlichen Kontroll-/Schutzmöglichkeiten hinreichend gewahrt. Eine parallele Überprüfung des gleichen Sachverhalts von mehreren Gerichtszweigen in mehreren Instanzen hat das Landgericht zu Recht abgelehnt.

Der Senat teilt auch die Auffassung des Landgerichts insoweit, dass es sich beim Delisting um keinen Eigentumseingriff handelt. Gegenteiliges lässt sich entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (WM 99, 1666) entnehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verkehrsfähigkeit als eine Eigenschaft des Wertpapiers, die bei der Berechnung der Abfindung zu berücksichtigen ist, dargestellt. Durch die Einschränkung der Verkehrsfähigkeit, die durch das Delisting eintritt, wird der Kern des Eigentums, der im Anteil am Unternehmen selbst besteht, nicht berührt.

e) Die Durchführung eines Spruchverfahrens analog § 306 AktG ist abzulehnen. Die Analogie verbietet sich deswegen, weil eine Regelungslücke nicht besteht, insbesondere aber auch deswegen, weil die Anpassung eines freiwilligen Kaufangebots durch das Gericht einen Eingriff in die Privatautonomie darstellen und zu einer nicht vertretbaren Überschneidung zwischen gesetzlich vorgeschriebenen Abfindungen (z.B. §§ 304 f., 320 b AktG) und dem nach den Börsenordnungen vorgesehenen freiwilligen Kaufangebot führen würde.

Aus den gleichen Gründen ist eine Verweisung in den Rechtsweg der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wie sie die Klägerinnen zu 3) und 4) beantragt haben, nicht vorzunehmen.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 546 Abs. 2, 708 Ziffer 11 ZPO.

In Übereinstimmung mit dem Landgericht ist der Senat von Streitwerten i.H.v. DM 400.000,-- für die Anfechtung des Delisting, von DM 100.000,-- für die Anfechtung des Gewinnverwendungsbeschlusses und hinsichtlich der Entlastungsbeschlüsse von DM 50.000,-- (TOP 5), DM 30.000,-- (TOP 6), DM 25.000,-- (TOP 7) und DM 15.000,-- (TOP 8), somit einem Gesamtstreitwert von DM 620.000,-- ausgegangen (§ 247 Abs. 1 AktG).

Ende der Entscheidung

Zurück