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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 12.03.2001
Aktenzeichen: 7 W 811/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, RPflG


Vorschriften:

BGB § 1585 c
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 766 Abs. 1
ZPO § 750 Abs. 2
ZPO § 795
ZPO § 726 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 3
RPflG § 20 Nr. 12
RPflG § 8 Abs. 4 u. 5
Leitsatz:

Verpflichtet sich der Unterhaltsschuldner in einer vollstreckbaren Scheidungsfolgenvereinbarung, seiner geschiedenen Ehefrau "zwei Jahre lang" einen i.e. näher bezifferten Unterhalt zu bezahlen, dessen Höhe nach Fristablauf überprüft werden soll, so wird damit ein Titel nur für die Dauer von zwei Jahren begründet, wenn sich aus der Vereinbarung ergibt, dass die Parteien eine Abänderung des titulierten Betrages auch vor Fristablauf nicht ausschließen wollten. Ein Verzicht der Ehefrau auf Unterhalt nach Ablauf der Frist ist aus einer solchen Vereinbarung unbeschadet dessen nicht abzuleiten.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 7 W 811/01 20 T 22334/00 LG München I

In der Zwangsvollstreckungssache

wegen Forderungspfändung

erläßt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichnenden Richter am 12.03.2001

folgenden

Beschluß:

Tenor:

1. Die weitere sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 08.01.2001 wird zurückgewiesen.

2. Die Gläubigerin trägt die Kosten der weiteren Beschwerde.

3. Der Wert der weiteren Beschwerde wird auf 6.500 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die am 31.01.1975 geschlossene Ehe der Parteien ist durch Urteil des Amtsgerichts Bad Homburg vom 22.01.1998 geschieden worden. In der mündlichen Verhandlung vom 22.01.1998 haben die Parteien eine Scheidungsfolgenvereinbarung getroffen, die zum Ehegattenunterhalt folgende Regelung enthält:

"Für den Fall der rechtskräftigen Scheidung wird über den nachehelichen Unterhalt die folgende Vereinbarung getroffen:

Der Antragsteller verpflichtet sich, an die Antragsgegnerin zwei Jahre lang, beginnend mit dem Ersten des auf die Rechtskraft der Scheidung folgenden Monats nachehelichen Ehegattenunterhalt in Höhe von DM 2.000 monatlich zu zahlen. Die Antragsgegnerin ist damit einverstanden, daß die Höhe des Unterhalts nach Ablauf von zwei Jahren überprüft wird.

Sollten sich die Einkommen aus den derzeitigen Arbeitsverhältnissen der Parteien ändern, sind sie darüber hinaus auch vor Ablauf von zwei Jahren berechtigt, gegenseitig eine Abänderung der vereinbarten Unterhaltszahlung zu verlangen.

Der Antragsteller verdient zur Zeit netto DM 6.950, die Antragsgegnerin netto DM 2.250."

Unmittelbar im Anschluß an die Protokollierung dieser Vereinbarung wurde das Scheidungsurteil verkündet und von beiden Parteien Rechtsmittelverzicht erklärt. Eine vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Bad Homburg am 04.02.1998 erteilte vollstreckbare Ausfertigung, dieser Scheidungsfolgenvereinbarung ist dem damaligen Prozeßbevollmächtigten des Schuldners am 19.02.1998 zugestellt worden.

Nachdem der Schuldner Anfang April 2000 und Anfang Mai 2000 jeweils nur 1.000 DM an die Gläubigerin bezahlt hatte, erwirkte diese aufgrund der Scheidungsfolgenvereinbarung am 14.06.2000 wegen eines angeblichen Unterhaltsrückstands von insgesamt 2.000 DM und laufenden Unterhalts von monatlich 2.000 DM ab 01.06.2000 einen Beschluß des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - München, durch welchen das Arbeitseinkommen des Schuldners gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen worden ist.

Der Schuldner hat gegen diesen Beschluß Erinnerung eingelegt mit der Begründung, der titulierte Unterhaltsanspruch sei nach dem Wortlaut der Vereinbarung vom 22.01.1998 auf zwei Jahre befristet gewesen, also bis Ende Januar 2000. Die Gläubigerin hat demgegenüber die Auffassung vertreten, mit dieser Vereinbarung sei lediglich die Höhe des geschuldeten nachehelichen Aufstockungsunterhalts für die Dauer von zwei Jahren auf monatlich 2.000 DM festgelegt worden mit der Maßgabe, daß diese Höhe nach Ablauf der vereinbarten Frist überprüft und gegebenenfalls abgeändert werden könne. Keinesfalls habe sie damit auf weiteren Unterhalt nach Ablauf von zwei Jahren verzichtet. Soweit der Schuldner meine, zur Unterhaltsleistung nicht mehr verpflichtet zu sein, könne er dies nur im Wege der Abänderungsklage oder der Vollstreckungsgegenklage geltend machen, nicht aber mit der Vollstreckungserinnerung.

Das Amtsgericht hat sich der Auffassung der Gläubigerin angeschlossen und die Erinnerung mit Beschluß vom 25.10.2000 zurückgewiesen. Auf die dagegen vom Schuldner eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluß vom 08.01.2001 die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 14.06.2000 und 25.10.2000 aufgehoben mit der Begründung, der mit der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 22.01.1998 titulierte Unterhaltsanspruch von monatlich 2.000 DM umfasse nur den Zeitraum von zwei Jahren ab Rechtskraft der Scheidung, für die Zeit danach könne aus diesem Titel nicht mehr vollstreckt werden. Gegen diesen Beschluß richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Gläubigerin.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Denn der angegriffene Beschluß des Landgerichts enthält für die Gläubigerin mit der Aufhebung und Ablehnung der beantragten Pfändung einen neuen selbständigen Beschwerdegrund (§§ 568 Abs. 2, 793 Abs. 2 ZPO). Die Beschwerde ist auch form- und fristgerecht durch die Prozeßbevollmächtigten der Gläubigerin beim Landgericht eingelegt worden (§§ 78 Abs. 1 n.F., 569 Abs. 1, 577 Abs. 2 ZPO).

Die weitere Beschwerde ist aber nicht begründet.

a) Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, daß sich aus der Scheidungsfolgenvereinbarung der Parteien vom 22.01.1998 (§ 1585 c BGB, § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) ein vollstreckbarer Unterhaltsanspruch der Gläubigerin in Höhe von monatlich 2.000 DM nur für den Zeitraum von zwei Jahren ab Rechtskraft des Scheidungsurteils entnehmen läßt, also bis Ende Januar 2000.

Entgegen der Meinung der Gläubigerin hat der Schuldner mit seiner Vollstreckungserinnerung (§ 766 Abs. 1 ZPO) und seiner zulässigen sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsrichters (§ 793 Abs. 1 ZPO) nicht allein materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Fortbestand seiner Verpflichtung zur Zahlung nachehelichen Unterhalts über den 31.01.2000 hinaus erhoben. Vielmehr hat er geltend gemacht, daß der von den Parteien mit der Vereinbarung vom 22.01.1998 errichtete Vollstreckungstitel über die monatliche Unterhaltszahlung an die Gläubigerin nur den Zeitraum bis Ende Januar 2000 umfasse. Dabei handelt es sich um eine nach § 766 Abs. 1 ZPO zulässige Einwendung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung. Diese darf nämlich nur aufgrund eines Vollstreckungstitels betrieben werden (§§ 704 Abs. 1, 794 Abs. 1 ZPO), der den vollstreckbaren Anspruch hinreichend bestimmt bezeichnen muß, wobei dessen Inhalt und Umfang gegebenenfalls durch Auslegung des Titels zu ermitteln ist (Zöller-Stöber, ZPO, 22. Aufl., § 704 Rn. 4 u. 5). Diese Auslegung hat das Landgericht rechtsfehlerfrei vorgenommen.

Nach Absatz 2 Satz 1 der Vereinbarung vom 22.01.1998 hat sich der Schuldner "zwei Jahre lang" - unstreitig beginnend ab 01.02.1998 - verpflichtet, an die Gläubigerin monatlich 2.000 DM Unterhalt zu bezahlen. Diese Befristung kann einmal bedeuten, daß - wie der Schuldner meint - eine vollstreckbare Verpflichtung zur Unterhaltszahlung nur für die Dauer von zwei Jahren begründet worden ist. Die Befristung könnte - für sich betrachtet - aber auch bedeuten, daß damit - wie die Gläubigerin meint - nur die Höhe des titulierten Unterhaltsanspruchs für die Dauer von zwei Jahren unabänderlich festgelegt werden sollte, also unter Ausschluß der Abänderungsklage (§ 323 Abs. 1 und 4 ZPO), dafür scheint zunächst der nachfolgende Satz zu sprechen, wonach die Gläubigerin sich mit einer Überprüfung der Höhe des Unterhalts nach Ablauf von zwei Jahren einverstanden erklärt hat. Indessen ergibt sich aus Absatz 3 der Vereinbarung, daß die Parteien eine Abänderung der titulierten Unterhaltsverpflichtung auch nicht vorübergehend ausschließen wollten, sondern für den Fall der Änderung ihrer jeweiligen Arbeitseinkünfte ausdrücklich auch vor Ablauf von zwei Jahren zugelassen haben. Dies spricht dafür, die in Absatz 2 Satz 1 der Vereinbarung enthaltene Befristung auf zwei Jahre dahin auszulegen, daß damit ein vollstreckbarer Anspruch der Gläubigerin nur für die Dauer von zwei Jahren begründet werden sollte, andernfalls wäre diese Befristung auf zwei Jahre auch völlig überflüssig.

Diese Auslegung der Vereinbarung vom 22.01.1998 beinhaltet andererseits nicht einen Verzicht der Gläubigerin auf nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab 01.02.2000, wie diese offenbar meint. Ob der Gläubigerin ein solcher Unterhaltsanspruch über den 01.02.2000 hinaus materiell-rechtlich zusteht, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Vielmehr geht es hier allein um die Frage, ob der mit der Vereinbarung vom 22.01.1998 errichtete Vollstreckungstitel auch nachehelichen Unterhalt für die Zeit nach dem 01.02.2000 umfaßt. Diese Frage verneint der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht, wobei ergänzend darauf hinzuweisen ist, daß bei der Auslegung des Vollstreckungstitels außerhalb dieser Urkunde liegende Umstände nicht berücksichtigt werden können. Der Gläubigerin bleibt es im übrigen unbenommen, ihren vermeintlich über den 01.02.2000 hinaus fortbestehenden Anspruch auf nachehelichen Unterhalt im Klagewege geltend zu machen.

b) Die Zwangsvollstreckung aus der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 22.01.1998 ist im übrigen auch deshalb unzulässig, weil für diesen Vollstreckungstitel bisher keine ordnungsgemäße Vollstreckungsklausel erteilt worden ist (§§ 750 Abs. 2, 795 ZPO). Auch diese formelle Voraussetzung der Zwangsvollstreckung ist von den Vollstreckungsorganen von Amts wegen zu beachten.

Zwar ist eine vollstreckbare Ausfertigung der Vereinbarung vom 22.01.1998 am 04.02.1998 vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Bad Homburg erteilt worden. Indessen war hier nach § 726 Abs. 1 ZPO eine qualifizierte Vollstreckungsklausel zu erteilen. Denn der Beginn der mit der Scheidungsfolgenvereinbarung begründeten Zahlungspflicht des Schuldners ist aufschiebend bedingt durch die Rechtskraft des Scheidungsurteils (§ 158 Abs. 1 BGB) mit der Folge, daß für die Erteilung der Vollstreckungsklausel nach § 20 Nr. 12 RPflG der Rechtspfleger funktionell zuständig ist (vgl. OLG München RPfleger 84, 106; Thomas-Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 726 Rn. 2). Die gleichwohl vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erteilte Klausel ist nach herrschender Meinung, der auch der Senat folgt, unwirksam (OLG München a.a.O., OLG Hamm RPfleger 87, 509 und 89, 466; OLG Frankfurt a. Main Rpfleger 91, 12; KG JurBüro 99, 601; a. M. OLG Zweibrücken NJW-RR 97, 882). Daß die funktionelle Unzuständigkeit des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zur Erteilung der Vollstreckungsklausel deren Unwirksamkeit zur Folge hat, ergibt sich insbesondere aus § 8 Abs. 4 und 5 RPflG (Dallmayer-Eickmann, RPflG, § 8 Rn. 37).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Den Streitwert der weiteren Beschwerde schätzt der Senat gemäß § 3 ZPO auf ein Viertel des mit der Zwangsvollstreckung verfolgten Unterhaltsanspruchs, der einschließlich des geltend gemachten Rückstands mit 26.000 DM zu bewerten ist (§ 17 Abs. 1 und 4 GKG).

Ende der Entscheidung

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