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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 06.12.2001
Aktenzeichen: U (K) 3338/01
Rechtsgebiete: BGB, GWB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 249
GWB § 33
GWB § 33 S. 1
GWB § 20 Abs. 1
GWB § 20 Abs. 2
GWB § 20 Abs. 2 S. 1
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 530 Abs. 1
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 711 S. 1

Entscheidung wurde am 28.12.2001 korrigiert: unterbliebene Rechtschreibprüfung wurde nachgeholt
Es verstößt gegen § 20 Abs. 2, 1 GWB, wenn ein marktstarker Hersteller von Spitzenkosmetika, der diese in einem selektiven Einzelhandelsvertriebssystem vertreibt, die Zulässigkeit des Vertriebs im Internet nur seinen vertraglich an ihn gebundenen Depositären gestattet.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: U (K) 3338/01

Verkündet am 06. Dezember 2001

In dem Rechtsstreit

hat der Kartellsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter Wörle und die Richter Haußmann und Jackson aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin entsprechend ihren Bestellungen mit den Produkten der Marken L, J S, D und J! zu den Konditionen der mit den anderen Kunden der Beklagten abgeschlossenen Depotverträge zu beliefern.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.030.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000,-- DM.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Belieferung mit von der Beklagten vertriebenen Luxus-Kosmetika.

Die Beklagte stellt Luxus-Kosmetika her und vertreibt sie in einem selektiven Vertriebssystem über von ihr autorisierte, ein bestimmten Anforderungen genügendes Ladengeschäft betreibende "Depositäre" auf der Grundlage von mit diesen geschlossenen Depotverträgen (Mustervertrag: Anlage K 1). Ihren Depositären gestattet die Beklagte auf der Grundlage einer Internet-Zusatzvereinbarung (Auszug: Anlage K 8) den Vertrieb der Vertragsprodukte auch über das Internet; die Vereinbarung sieht ein Kündigungsrecht der Beklagten für den Fall vor, dass der Depositär mehr als 50 % seines Gesamtabsatzes über das Internet erzielt. Die Beklagte hat insbesondere mit einer Gesellschaft, die zu der in der Bundesrepublik Deutschland ca. 700 Kosmetik-Fachgeschäfte betreibenden D.-Gruppe (die näheren gesellschaftsrechtlichen Zusammenhänge sind von den Parteien nicht erörtert worden) gehört, eine Vereinbarung geschlossen, die diese zum Vertrieb der Produkte der Beklagten über das Internet berechtigt; eine Vereinbarung gleichen Inhalts besteht mit K AG. Gegenüber Unternehmen mit denen mangels Erfüllung der qualitativen Voraussetzungen, insbesondere mangels Vorhandenseins eines stationären Fachgeschäfts die Beklagte keinen "Depotvertrag" geschlossen hat, verweigert die Beklagte die Autorisierung zum Vertrieb ihrer Produkte über das Internet und die Belieferung mit ihren Produkten zu diesem Zweck.

Die Beklagte ist mit ihren Produkten mit einem Marktanteil von 18 % Marktführer in der Bundesrepublik Deutschland. Zur Spitzengruppe der Hersteller gehören neben der Beklagten die Hersteller U, L, P & G, C, E L, L, W und S. Unstreitig ist der stationäre Kosmetik-Fachhandel in der Bundesrepublik Deutschland von der Belieferung mit von der Beklagten unter den Marken L, J S, D und J! vertriebenen Produkten abhängig im Sinne einer sortimentsbedingten oder Spitzengruppen-Abhängigkeit.

Die Klägerin ist ein Unternehmen, das kosmetische Produkte ausschließlich über das Internet vertreibt. Ihren mit ca. 3 Mio DM angegebenen Jahresumsatz hat die Beklagte bestritten, jedoch unstreitig gestellt, dass die Klägerin ein kleines Unternehmen im Sinne von § 20 Abs. 2 S. 1 GWB ist. Die Beklagte verweigert die Belieferung der Klägerin mit ihren Produkten zum Vertrieb über das Internet (ausschließlich) mit der Begründung, die Klägerin sei mangels Vorhandenseins eines stationären Ladengeschäfts als Depositär nicht autorisierungsfähig. Auch von den übrigen erwähnten Herstellern der Spitzengruppe wird die Klägerin nicht beliefert. Da es der Klägerin gelang, sich Produkte der Beklagten anderweitig zu verschaffen, hat die Beklagte von der Klägerin in einem dem vorliegenden Rechtsstreit vorangegangenen Rechtsstreit die Unterlassung eines bestimmten von ihr als wettbewerbswidriger "Schleichbezug" qualifizierten Warenbezugs verlangt (29 U 1737/01 OLG München). In jenem Rechtsstreit umgekehrten Rubrums hat die Klägerin die dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegende Klage mit Zustimmung der Beklagten im Berufungsrechtszug als Widerklage erhoben.

Die Klägerin hat geltend gemacht, sie könne von der Beklagten gemäß § 20 Abs. 2, 1, § 33 GWB, § 249 BGB Belieferung verlangen. Sie sei als kleines Unternehmen im Hinblick auf die Erwartungen des Marktes von der Belieferung durch die Beklagte mit deren wichtigsten Produkten abhängig. Auf andere Bezugswege für die Produkte der Beklagten könne sie wegen des selektiven Vertriebssystems der Beklagten nicht in ausreichendem Maße ausweichen. Durch die Nichtbelieferung werde sie daher auf dem sachlich und örtlich relevanten Markt der exklusiven Kosmetik in der Bundesrepublik Deutschland durch die zur Spitzengruppe der Hersteller gehörende Beklagte, deren Produkte im Sortiment auch eines Internet-Vertreibers der Verkehr erwarte, gegenüber den überregional tätigen Depositären der Beklagten unterschiedlich behandelt und behindert. Dies sei unbillig und sachlich nicht zu rechtfertigen. Mit dem anzuerkennenden Bedürfnis der Beklagten, die "Aura des Luxus" von Spitzenkosmetika durch eine anspruchsvolle Präsentation aufrecht zu erhalten und zu pflegen, sei die Kopplung der Zulässigkeit des Internet-Vertriebes an das Vorhandensein eines Ladengeschäfts nicht zu rechtfertigen. Gegenüber dem dazu möglicherweise ungeeigneten Versandhandel sei das Internet ein neues, eine anspruchsvolle Präsentation ermöglichendes Medium mit ausgezeichneten optischen Gestaltungsmöglichkeiten. In diesem Zusammenhang ist unstreitig, dass der gegenwärtige Internet-Auftritt der Klägerin den Anforderungen der Beklagten genügt. Über eine Hotline oder E-Mail sei auch in begrenztem Umfang eine Beratung der Kunden möglich. Im Ergebnis sei das Internet ein Medium, mit dem die "Aura des Luxus" von Spitzenkosmetika durchaus "transportiert" werden könne. Andererseits sei das Vorhandensein eines stationären Ladengeschäfts, dessen repräsentative Wirkung lokal begrenzt sei, für die Wirkung des Internet-Auftrittes eines Händlers wegen der "flächendeckenden" Zugänglichkeit des Internet-Angebotes ohne Bedeutung. Eine Internet-Präsentation biete zwar nicht das "Sinnenerlebnis" des Besuchs eines Spitzen-Kosmetikgeschäftes und ermögliche auch nicht eine Erprobung der Produkte vor dem Kauf; es handele sich aber beim Internet-Vertrieb um eine vom stationären Handel unabhängige Absatzform ohne zwingende Beziehung zum stationären Handel. Zu bedenken sei auch, dass der Internet-Vertrieb einerseits und der stationäre Vertrieb andererseits verschiedene regionale und persönliche Zielgruppen ansprächen. Die Forderung der Beklagten nach dem Vorhandensein eines Ladengeschäfts für die Zulassung des Internet-Vertriebs beruhe auf sachfremden Erwägungen: Die Beklagte sei dem Druck ihrer Depositäre ausgesetzt, die die Konkurrenz des Vertriebs über das Internet fürchteten. Im Ergebnis könne die Beklagte, nachdem sie sich zur Zulassung des Internet-Vertriebs entschlossen habe, bei der Zulassung von Unternehmen zum Internet-Vertrieb nicht nach dem nicht sachgerechten Kriterium des Vorhandenseins eines Ladengeschäftes differenzieren.

Die Klägerin hat die zunächst angekündigten Anträge (Blatt 127, 227) geändert und teilweise zurückgenommen. Sie beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin entsprechend ihren Bestellungen mit den Produkten der Marken L, J S, D und J! zu den Konditionen der mit den anderen Kunden der Beklagten abgeschlossenen Depotverträge zu beliefern.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zutreffend bestimme die Klägerin den relevanten Markt als den Markt für Luxuskosmetika oder für exclusive Depotkosmetik und Parfümerieprodukte. Dieser Markt sei gekennzeichnet durch hohe Produktqualität, hohes Preisniveau und einen hohen Imagewert der Marken, der durch intensive Werbung und einen auf anspruchsvollen Selektionskriterien wie Lage und Ausstattung des Geschäfts, Produktpräsentiation und Ausbildung des Personals beruhenden selektiven Vertrieb gepflegt werde. Er grenze sich zum Markt der Massenkosmetika ab; als Teilmärkte seien die Märkte für "Düfte, Pflege, Farbe und Sonne" erkennbar. - Unternehmen, die Kosmetika ausschließlich über das Internet vertrieben, seien mit dem stationären Handel mit Kosmetika nicht gleichartig im Sinne von § 20 Abs. 1 GWB. Die Verkehrsauffassung werde insoweit dadurch geprägt, dass seit Jahrzehnten von allen namhaften Herstellern ausschließlich auf dem stationären Handel aufbauende selektive Absatzsysteme gepflegt würden. Auch die Kundenerwartung sei verschieden: Während hinsichtlich des Fachhandels eine Kundenerwartung zur besonderen Sortimentsbreite bestehe, bestehe sie bezüglich des Internet-Handels nicht. Stationärer Fachhandel einerseits und Internet-Handel andererseits unterlägen auch wegen ihrer unterschiedlichen Kostenstrukturen insbesondere hinsichtlich der erforderlichen Investitionen unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen. Jedenfalls führe die anzustellende Interessenabwägung zu der Einsicht, dass die Beklagte sich im Rahmen der ihr zustehenden Freiheit der Gestaltung ihres Absatzsystems bewege, wenn sie die Gestattung des Internet-Vertriebs vom Vorhandensein eines stationären Ladengeschäfts abhängig mache. Die Beklagte mache ihre Zustimmung davon abhängig, dass der Internet-Auftritt des jeweiligen Händlers sich als "elektronisches Schaufenster" eines bestimmten Ladengeschäftes darstelle. Sie sichere zudem den von ihr für wesentlich gehaltenen Vorrang des Absatzes ihrer Produkte über den Fachhandel durch die Vereinbarung eines Kündigungsrechts für den Fall, dass der Depositär mehr als die Hälfte seines Umsatzes über das Internet erziele, ab. Durch diese aus ihrer Sicht unverzichtbaren Maßnahmen sichere sie, die Beklagte, den Erhalt des Kern der Selektivität ihres Vertriebssystems; ließe sie den reinen Internet-Handel zu, so bestünde kein Grund mehr, im Bereich des stationären Fachhandels überhaupt noch irgendwelche besonderen Qualitätsanforderungen als Selektionskriterien aufrecht zu erhalten. Dies würde das Ende des selektiven Vertriebs bedeuten. Irgendeinem Druck des Fachhandels sehe die Beklagte sich nicht ausgesetzt. Sie halte die Zulassung des reinen Internet-Handels nicht für sinnvoll. Dieser sei für eine angemessene Präsentation von Luxus-Kosmetika letztlich ungeeignet: Es fehle die Kundenbetreuung und -beratung, das Ambiente eines gepflegten Fachgeschäfts, dass "Sinnenerlebnis" seines Besuchs und die Möglichkeit der Erprobung der angebotenen Produkte. Damit entspreche der reine Internet-Handel weitgehend dem Versandhandel, der für den Vertrieb für Luxus-Kosmetika ebenfalls ungeeignet sei. Die Annahme eines Kontrahierungszwanges der Beklagten sei ein besonders schwerer und im Hinblick darauf, dass die Beklagte zur Belieferung der Klägerin zu ihren Bedingungen bereit sei, unbilliger Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der Beklagten.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze und die von ihnen vorgelegten Urkunden Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage erweist sich als begründet.

I.

Die Klage ist als mit Einwilligung der Beklagten im zweiten Rechtszug erhobene Widerklage gemäß § 530 Abs. 1 ZPO zulässig. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist zu bejahen, da die zwischen den Parteien streitige Belieferungspflicht der Beklagten ein zwischen den Parteien streitiges Rechtsverhältnis im Sinne dieser Bestimmung ist und da - insbesondere im Hinblick auf die von der Beklagten erteilte Einwilligung (Blatt 149) - davon ausgegangen werden kann, dass durch das von der Klägerin erstrebte Feststellungsurteil der Streit zwischen den Parteien beigelegt werden wird. - Die Widerklage wurde von dem erwähnten Rechtsstreit durch Beschluss vom 17.5.2001 abgetrennt.

II.

Die Klage ist auch begründet. Die Weigerung der Beklagten, die Klägerin mit Produkten der im Antrag genannten Marken zum Vertrieb über das Internet zu beliefern, stellt eine unbillige Behinderung und sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber gleichartigen Unternehmen dar, die die Beklagte gemäß § 20 Abs. 2, 1, § 33 S. 1 GWB, § 249 BGB zur Belieferung der Klägerin verpflichtet.

Gemäß § 20 Abs. 2, 1 GWB dürfen Unternehmen, von denen kleine oder mittlere Unternehmen als Nachfrager einer bestimmten Art von Waren in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen, diese Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern oder gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandeln. Das Verhalten der Beklagten erfüllt diesen Tatbestand.

1. Dass die Parteien Unternehmen im Sinne der genannten Bestimmungen sind, kann nicht zweifelhaft sein; dass die Klägerin ein kleines Unternehmen im Sinne von § 20 Abs. 2 GWB ist, ist zwischen den Parteien unstreitig. Zu Unrecht bezweifelt die Beklagte, dass die Klägerin von der Belieferung durch die Beklagte mit den streitgegenständlichen Produkten abhängig ist.

Unstreitig gilt für den stationären Einzelhandel, dass dieser darauf angewiesen ist, die streitgegenständlichen Produkte der Beklagten und die entsprechenden Produkte der anderen Hersteller der Spitzengruppe wegen der Marktgeltung dieser Produkte und ihres Ansehens und wegen der vom Verkehr erwarteten Sortimentsbreite zu beziehen, um wettbewerbsfähig zu sein. Dabei ist der sachlich relevante Markt nach dem Bedarfsmarktkonzept als der der exklusiven Depotkosmetik- und Parfümerieprodukte oder der Luxus-Kosmetika, der örtlich relevante Markt als der der gesamten Bundesrepublik Deutschland zu umschreiben. Näherer Erörterung bedarf dies nicht, da die zugrunde liegenden Tatsachen und diese Wertung zwischen den Parteien unstreitig sind.

Davon, dass hinsichtlich der Sortimentsbreite in Bezug auf das Internet eine andere Verbrauchererwartung bestünde als für den stationären Handel, kann nicht ausgegangen werden. Verbraucher, die mit der bisher von ihnen hinsichtlich des stationären Handels gehegten Verbrauchererwartung eines breiten Sortiments an das Interent herangehen, werden die von ihnen gehegten Erwartungen ohne weiteres auf diese Vertriebsform übertragen und auch hier von einem Händler ein breites, eine möglichst umfassende Orientierung und einen Marktüberblick ermöglichendes Angebot erwarten. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass die Hersteller von Luxus-Kosmetika in der Vergangenheit, wie dies auch die Beklagte tut (Anlage 1 zum Depotvertrag Nr. 3.1 S. 3), ihre Händler zum Führen von Konkurrenzmarken verpflichteten, um die imageerhöhende Wirkung der Vorrätigkeit einer größeren Anzahl von Spitzenprodukten zu nutzen. Aber auch ein Verbraucher, der mit den Gewohnheiten im stationären Handel weniger vertraut ist, wird beim Besuch der Internet-Seite eines Anbieters ein möglichst breites Angebot erwarten und insbesondere bei Vorhandensein bevorzugen, um sich umfassend informieren zu können. Es fehlt daher jeder Anhaltspunkt dafür, dass die für den stationären Einzelhandel unstreitig bestehende sortimentsbedingte Abhängigkeit vom Bezug der Produkte der Spitzengruppen-Hersteller nicht auch für einen "reinen" Internet-Anbieter gelten könnte. Dies vermag der zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehörende Senat aus eigener Sachkunde zu beurteilen.

Es muss weiter auch davon ausgegangen werden, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehem auszuweichen, nicht bestehen. Soweit es um die Produkte der Beklagten geht, folgt dies daraus, dass die Beklagte die Belieferung der Klägerin verweigert und auch die Möglichkeit eines "regulären" Bezugs der Produkte aus dem Großhandel nicht besteht, da die Beklagte diesen nicht beliefert und auch den Übergang der an ihre Depositäre gelieferten Produkte in den freien Handel zu verhindern sucht (Anlage K 1, Art. 4.3 und 4.4). Für den Betrieb des Handels der Klägerin besteht daher insoweit, als es um den Bezug der Produkte der Beklagten geht, keine hinreichend abgesicherte Bezugsmöglichkeit. Dies hat die Beklagte zuletzt auch nicht mehr bestritten. Soweit es um das Ausweichen auf die Produkte anderer Hersteller geht, ist die Situation nicht anders, da auch diese unstreitig die Belieferung der Klägerin verweigern; im Übrigen ist die Klägerin nicht nur von der Belieferung mit einigen, sondern mit allen Produkten der Spitzengruppe abhängig im Sinne von § 20 Abs. 2 GWB. Die Beklagte ist somit gemäß § 20 Abs. 2 GWB Normadressatin des § 20 Abs. 1 GWB.

2. Die Klägerin gehört als Unternehmen zum durch § 20 Abs. 1 GWB geschützten Personenkreis. Die genannte Bestimmung setzt voraus, dass die streitige Behinderung oder unterschiedliche Behandlung in einem Geschäftsverkehr stattfindet, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist. Der Begriff des gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehrs ist weit auszulegen. Geschäftsverkehr ist insbesondere jeder privatrechtlich geregelte Warenverkehr; Unternehmen sind in dem maßgeblichen Geschäftsverkehr gleichartig, wenn sie in diesem eine im wesentlichen gleiche unternehmerische Tätigkeit und wirtschaftliche Funktion ausüben, ohne dass es darauf ankommt, ob sie im Verhältnis zueinander gleichen Wettbewerbsbedingungen unterliegen; das hier erörterte Kriterium dient lediglich einer verhältnismäßig groben Sichtung (Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 20, Rdnr. 92-101 m.w.N.). So ist insbesondere auch im Verhältnis zwischen stationärem Einzelhandel und Versandeinzelhandel grundsätzlich die Gleichartigkeit ihrer Tätigkeit zu bejahen (Imenga/Mestmäcker, a.a.O., Rdnr. 106).

Der Einzelhandel mit Kosmetika einschließlich ihres Vertriebs im Internet ist auch ein üblicherweise zugänglicher Geschäftsverkehr im Sinne der genannten Bestimmung. Es kommt darauf an, was sich in dem Wirtschaftbereich, in dem der maßgebliche Geschäftsverkehr stattfindet, innerhalb der in Betracht kommenden Kreise in natürlicher Entwicklung als allgemein geübt und als angemessen empfunden herausgebildet hat; es handelt sich um ein "verhältnismäßig lockeres Tatbestandsmerkmal, das auf die große Masse der Fälle, auf einen groben Durchschnitt abstellen will" (WuWE/BGH 863, 867; Immenga/Mestmäcker, a.a.O., Rdnr. 109). Darauf, ob in diesem Bereich selektive Vertriebssysteme praktiziert werden, kommt es für die Frage der allgemeinen Zugänglichkeit des Geschäftsverkehrs nicht an. Danach kann angesichts des Bestehens von ca. 3.500 Facheinzelhandlungen in der Bundesrepublik Deutschland, denen nicht nur von der Beklagten, sondern auch von anderen Wettbewerbern in zunehmendem Maße der Vertrieb ihrer Produkte über das Internet gestattet wird, am Vorliegen eines überlicherweise zugänglichen Geschäftsverkehrs kein Zweifel bestehen. Die Beklagte macht dies auch nicht geltend.

3. Die Tatbestände der Behinderung anderer Unternehmen und der ungleichen Behandlung von Unternehmen überschneiden sich weitgehend; im Ergebnis gilt ein einheitliches Diskriminierungsverbot. Die Beklagte behandelt dadurch, dass sie die Belieferung der Klägerin mit den streitgegenständlichen Produkten verweigert, die Klägerin gegenüber den von ihr belieferten Unternehmen ungleich; zugleich verursacht sie dadurch eine tatsächliche Beeinträchtigung der Klägerin in ihren wettbewerblichen Betätigungsmöglichkeiten. Es liegt daher sowohl eine ungleiche Behandlung wie auch eine Behinderung im Sinne von § 20 Abs. 1 GWB vor. Näherer Erörterung bedarf dies nicht, da die Beklagte dies nicht in Zweifel zieht.

4. Für die Frage der Billigkeit und der sachlichen Begründetheit der Diskriminierung der Klägerin kommt es auf eine Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB an. Dabei können auf der Seite der Klägerin grundsätzlich alle Interessen - mit für den vorliegenden Rechtsstreit nicht relevanten geringfügigen Einschränkungen - in die Abwägung einbezogen werden, während auf der Seite der Beklagten grundsätzlich nur das Interesse an einem nicht durch machtbedingtes Verhalten beeinträchtigten Marktzugang und einer nicht durch Marktmacht beeinträchtigten Chancengleichheit in der wettbewerblichen Betätigung auf dem Markt im Verhältnis zu anderen Unternehmen in die Abwägung einbezogen werden kann. Diese Interessen sind unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB gegeneinander abzuwägen (Immenga/Mestmäcker, a.a.O., Rdnr. 128-137). Dabei ist, soweit es um die Beurteilung von im Zusammenhang mit von einem Hersteller eingeführten Vertriebssystemen bestehenden Liefersperren geht, davon auszugehen, dass sich aus der Vertrags- und Gestaltungsfreiheit die grundsätzliche Zulässigkeit solcher Systeme ergibt. Es ist grundsätzlich unbedenklich, wenn ein Hersteller die Belieferung von Vertriebsunternehmen von der Erfüllung bestimmter qualitativer Kriterien hinsichtlich Lage und Ausstattung des Geschäfts, hinsichtlich des dort tätigen Personals und der Erbringung bestimmter Leistungen etwa hinsichtlich der Kundenberatung abhängig macht. Solche Anforderungen müssen jedoch sachgerecht und angemessen sein; ob dies der Fall ist, hängt vor allem von der Beschaffenheit der jeweiligen Warenart und den sich hierauf beziehenden Verbrauchererwartungen ab (Immenga/Mestmäcker, a.a.O., Rdnr. 142, 153/154).

Soweit es um den hier interessierenden Bereich der Luxus-Kosmetika geht, ist im Anschluss an die von den Parteien ausführlich erörterte Rechtsprechung der Kommission, des europäischen Gerichtshofs erster Instanz und des Bundesgerichtshofs (GRUR Int. 1992, 915 "Y. S. L."; GRUR Int. 1998, 145 "L./Y. S L."; BGH BB 1998, 2332 "Depotkosmetik") davon auszugehen, dass die auf der Art der Produkte, ihrer hohen Qualität, ihrem hohen Preis und der intensiven Markenwerbung beruhende "Aura des Luxus" als wesentliche Grundlage des Vertriebs der Produkte es rechtfertigt, selektive Vertriebssysteme mit verhältnismäßig strengen Selektionskriterien einzuführen und aufrecht zu erhalten.

Soweit es um das Vertriebssystem der Beklagten geht, kann für den vorliegenden Rechtsstreit unterstellt werden, dass die von ihr bei der Auswahl der von ihr belieferten stationären Ladengeschäfte angewandten Kriterien den danach zu stellenden Anforderungen genügen und den Ausschluss der von der Beklagten nicht belieferten "Außenseiter" von der Belieferung rechtfertigen. Darum geht es im vorliegenden Rechtsstreit nicht. Es ist weiter auch nicht darüber zu entscheiden, ob es nach den hier erörterten Kriterien gerechtfertigt wäre, den Internet-Vertrieb als eine den zu stellenden qualitativen Anforderungen nicht genügende Vertriebsform generell von der Belieferung auszuschließen. Denn die Beklagte hat diese Vertriebsform in ihr selektives Vertriebssystem dadurch integriert, dass sie ihren Depositären generell und in Einzelfällen tatsächlich (D., K.) die Möglichkeit eröffnet hat, die streitigen Produkte nicht nur im stationären Einzelhandel, sondern auch über das Internet zu bewerben und anzubieten und über das Internet eingehende Bestellungen im Versandhandel auszuführen. Es kommt für die Entscheidung des Rechtsstreits somit darauf an, ob das Vorhandensein eines (den insoweit von der Beklagten gestellten Selektionskriterien entsprechenden, von der Beklagten akzeptierten) Einzelhandelsgeschäfts ein objektiv sachgerechtes und angemessenes Kriterium für die Zulassung eines Händlers zum Internet-Vertrieb darstellt. Diese Frage ist zu verneinen.

Auszugehen ist davon, was zwischen den Parteien auch nicht streitig ist, dass das Angebot von Produkten der streitgegenständlichen Art über das Internet nicht in gleicher Weise wie das Angebot in einem den diesbezüglichen Anforderungen der Beklagten entsprechenden Ladengeschäft geeignet ist, die "Aura des Luxus" der streitgegenständlichen Produkte zu "transportieren". Es fehlt die Präsentation der Produkte im ansprechenden Ambiente eines gut ausgestatteten Ladengeschäfts, es fehlt die Möglichkeit der durch eine Telefon Hotline kaum und E-Mail-Verkehr noch weniger zu ersetzenden persönlichen Beratung und es fehlt die Möglichkeit, Produkte zu testen. Andererseits darf nicht übersehen werden, dass das Internet insoweit anderen Formen der Werbung wie etwa der Anzeigenwerbung in geeigneten Zeitschriften oder anderen Medien, die ebenfalls dem Aufbau des Images der Produkte und Marken dienen, durchaus gleichsteht. Es ist daher zwischen den Parteien auch nicht streitig, dass die Werbung für die streitigen Produkte im Internet derjenigen in normalen Versandhandelskatalogen überlegen ist. Es ist im Übrigen nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte an die Gestaltung der Internet-Seiten den Anforderungen an die Ausstattung von Ladengeschäften analoge hohe qualitative Anforderungen stellt. Das Führen eines stationären Fachgeschäftes erscheint jedoch nicht als sachgerechte und angemessene Forderung. Die Beklagte rechtfertigt diese Forderung zunächst mit dem Hinweis, der Internet-Vertrieb solle als "elektronisches Schaufenster" der autorisierten Verkaufsstelle erscheinen; dies soll dadurch erreicht werden, dass Name und Adresse der autorisierten Verkaufsstelle in der Internet-Seite deutlich sichtbar und in einer Form angegeben sind, dass sich die Angebote als Angebote des autorisierten Ladengeschäfts und nicht als die eines eigenständigen "Internet-Shop" darstellen (Anlage K 8, Nr. 1.1). Es ist jedoch nicht ersichtlich und auch von der Beklagten nicht dargelegt, was das Vorhandensein eines stationären Ladengeschäfts in Bezug auf den Internet-Handel zur Aufrechterhaltung des "Luxus-Image" der Produkte beitragen sollte. Denn einerseits wird der Ruf eines Fachhändlers regelmäßig lokal begrenzt und zudem vom Image der von ihm vertriebenen Produkte bestimmt sein, was für das überregional erreichbare Internet ohne wesentliche Bedeutung ist, und andererseits ist auch ein Internet-Handel in der Lage, einen eigenen auf dem Image der Produkte beruhenden Ruf aufzubauen. Insbesondere angesichts der "flächendeckend" überall gleichmäßigen Erreichbarkeit des Internet erscheint das Verlangen der Beklagten nach einem stationären Fachhandel als Grundlage für die Zulässigkeit dieser Vertriebsform nicht nachvollziehbar. In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass das Internet geeignet erscheint, vor allem regional, aber auch persönlich Kundenschichten zu erschließen, die vom stationären Fachhandel nicht oder nur schlecht erreicht werden. Der von der Beklagten verlangte Hinweis auf das Vorhandensein eines stationären Handels in der Internet-Werbung erscheint daher im Ergebnis nicht oder allenfalls in zu vernachlässigenden Ausnahmefällen geeignet, zu Erhaltung und Pflege des Images der angebotenen Produkte zusätzlich beizutragen.

Auch die nicht näher begründete Furcht der Beklagten, die Zulassung des reinen Internet-Handels müsse dazu führen, dass im Bereich des stationären Fachhandels besondere Qualitätsanforderungen als Selektionskriterien nicht mehr aufrecht erhalten werden könnten, erscheint unbegründet. Stationärer Einzelhandel einerseits und Internet-Vertrieb andererseits unterscheiden sich grundlegend voneinander. An die Zulassung zur Teilnahme an einem selektiven Vertrieb in beiden Vertriebswegen können daher gänzlich unterschiedliche Anforderungen gestellt werden: Die an ein Ladengeschäft, seine Lage und Ausstattung und an sein Personal gestellten Anforderungen lassen sich nicht auf das Internet übertragen, umgekehrt lassen sich die Anforderungen an die visuelle Darstellung der Produkte im Internet nicht auf ein Ladengeschäft übertragen. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass beide Vertriebswege nicht nebeneinander genutzt werden könnten, wie dies auch sonst hinsichtlich des Einzelhandels und des Versandhandels der Fall ist. Die Befürchtungen der Beklagten erscheinen daher nicht nachvollziehbar.

Nachdem für den Internet-Vertrieb das Vorhandensein eines stationären Fachgeschäfts kein ausreichendes qualitatives Selektionskriterium darstellt, wirkt sich die Verwendung dieses Kriteriums durch die Beklagte im Ergebnis als quantitatives Auslesekriterium aus. Insoweit sind im Hinblick auf die starke Marktverschließungswirkung tendenziell höhere Rechtfertigungsanforderungen zu stellen (Immenga/Mestmäcker, a.a.O., Rdnr. 158). Insoweit fehlen Darlegungen der Beklagten vollständig.

Die abschließende Abwägung der Interessen der Parteien und die normative Bewertung unter Berücksichtigung der auf Freiheit des Wettbewerbs und insbesondere des Marktzuganges gerichteten Zielsetzung des GWB ergeben, dass die in der Nichtbelieferung der Klägerin durch die Beklagte liegende Ungleichbehandlung und Behinderung unbillig und sachlich nicht gerechtfertigt ist. Ausreichende sachliche Gründe, die den Ausschluss der Klägerin vom Marktzutritt rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar geworden. Es widerspricht der auf die Freiheit des Wettbewerbs insbesondere durch Freiheit des Marktzuganges gerichteten Zielsetzung des GWB, wenn die Beklagte durch die Beschränkung des Zuganges zum Internet-Vertrieb auf etablierte Einzelhändler den Wettbewerb zwischen stationärem Einzelhandel und reinem Internet-Vertrieb zu verhindern versucht. Demgegenüber entspricht es der Zielsetzung des GWB, wenn beide Vertriebsformen im Wettbewerb ihre Leistungsfähigkeit und ihre Vorzüge zur Geltung bringen können. Gemäß § 33 GWB, § 249 BGB kann die Klägerin daher von der Beklagten Belieferung zu mit den Bedingungen der zum Internet zugelassenen Depositäre gleichen Bedingungen verlangen, wobei die Bedingungen außer Betracht bleiben, die auf das Vorhandensein eines stationären Ladengeschäfts abstellen. In diesem Sinne ist auch aus dem Zusammenhang heraus der von der Klägerin gestellte Antrag auszulegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 711 S. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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