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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 30.01.2003
Aktenzeichen: U (K) 3604/02
Rechtsgebiete: VO (EG) Nr. 1768/95, GWB


Vorschriften:

VO (EG) Nr. 1768/95 Art. 3 Abs. 2
GWB § 1
1. Eine Vereinigung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 (NachbauVO) kann auch eine GmbH sein.

2. Die Ermächtigung einer GmbH, Sortenschutzrechte der Rechteinhaber im eigenen Namen geltend zu machen, ist nicht kartellrechtswidrig.


Aktenzeichen: U (K) 3604/02

Verkündet am 30.01.2003

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der Kartellsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter Wörle und die Richter Dr. Kartzke und Prof.Dr. Bodewig aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 05.12.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 15.3.2002 - Az. 21 O 13265/01 - wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von Nachbaugebühren von dem beklagten Landwirt, weil dieser in den Wirtschaftsjahren 1997/8, 1998/9 und 1999/2000 sortengeschützte Pflanzen nachgebaut hat.

Die Klägerin ist eine in Form einer GmbH organisierte Vereinigung von Sortenschutzinhabern und des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter, welche mit der Wahrnehmung der Nachbaurechte im eigenen Namen von den Rechtsinhabern beauftragt wurde.

Der Beklagte hatte mit den Sortenschutzinhabern, diese vertreten durch die Klägerin, für die drei genannten Wirtschaftsjahre Nachbauvereinbarungen auf der Basis eines zwischen dem Deutschen Bauernverband und dem Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter vereinbarten Kooperationsabkommens geschlossen. Danach sind für einen Erstnachbau als Entgelt 80% der sog. Z-Lizenz zu zahlen. Vor Abschluß der Verträge hatte die Klägerin dem Beklagten eine Broschüre des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter überlassen, in der es u.a. im Hinblick auf die Nachbaugebühr bei Veranlagung nach den gesetzlichen Regeln hieß: "Nachbaugebühr beträgt 80% der Z-Lizenzgebühr".

Mit Schreiben vom September 2001 und vom März 2002 erklärte der Beklagte die Anfechtung der Nachbauvereinbarungen für die Wirtschaftsjahre 1997/8 bzw. 1998/9 gegenüber den Sortenschutzinhabern wegen arglistiger Täuschung.

Die Klägerin erhob daraufhin Klage auf Zahlung der ausstehenden Gebühren in Höhe von Euro 2.944,66 nebst 4% Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Es hat dies im wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin befugt gewesen sei, die Nachbaugebühren nach der Rechtsprechung des BGH im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft geltend zu machen. Der Wirksamkeit der Ermächtigungen stehe auch nicht § 1 GWB entgegen. Sowohl das Europäische Recht als auch das nationale deutsche Recht sähen ausdrücklich die Wahrnehmung der Nachbaurechte durch Vereinigungen der Rechtsinhaber vor. Insofern liege eine lex specialis zu § 1 GWB vor. Auch aus der Tatsache, dass Rechtsinhaber sich geweigert hätten, Individualvereinbarungen mit darum nachsuchenden Bauern zuschließen, und statt dessen auf das Kooperationsabkommen und die Klägerin verwiesen hätten, lasse sich kein Wettbewerbsverstoß ablesen.

Auch seien die Nachbauvereinbarungen nicht wirksam angefochten worden. Dabei fehle es jedenfalls an der Kausalität der eventuellen Täuschung für den Abschluß der Vereinbarungen. Es sei vielmehr wegen der geringeren Auskunftspflichten und zusätzlichen Rabattmöglichkeiten bei identischer Gebührenhöhe davon auszugehen, dass der Beklagte auch bei Kenntnis der Tatsache, dass das Gesetz nicht eine Gebühr in Höhe von 80% ausdrücklich festschreibe, die Vereinbarungen mit vorliegendem Inhalt abgeschlossen hätte.

Gegen diese Entscheidung des Landgerichts richtet sich die Berufung des Beklagten. Zu deren Begründung trägt er im wesentlichen vor, die Klägerin könne als GmbH nicht als Vereinigung von Rechtsinhabern im Sinne der Europäischen Sortenschutzverordnung angesehen werden. Außerdem verstießen die Ermächtigungen durch die Rechtsinhaber als Sternverträge gegen § 1 GWB und seien deshalb nichtig. Auch die Weigerung der Rechtsinhaber, Individualverträge abzuschließen, stelle eine Wettbewerbsbeschränkung dar. Sie begründe eine Art Monopolstellung der Klägerin, die von dieser durch Erhebung überhöhter Gebühren missbraucht werde.

Die Nachbauvereinbarungen habe er wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten; insbesondere läge Kausalität vor, weil er ohne Täuschung die Vereinbarungen nicht abgeschlossen hätte.

Die von der Klägerin auf der Grundlage des Kooperationsabkommens geforderten Nachbaugebühren seien gegenüber den Vorgaben des nationalen und europäischen Rechts überhöht, da sie nicht angemessen seien und weit über den im europäischen Recht zugestandenen 50% der Z-Lizenz lägen.

Der Beklagte verfolgt seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll des Termins vom 05.12.2002 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat mit eingehender und im wesentlichen zutreffender Begründung die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche bejaht.

1. Die Klägerin ist befugt, die Rechte der Inhaber der Sortenschutzrechte im Rahmen einer gewillkürten Prozessstandschaft geltend zu machen. Die Inhaber der im vorliegenden Fall betroffenen Sortenschutzrechte haben die Klägerin ermächtigt, ihre Sortenschutzrechte im eigenen Namen geltend zu machen. Die Inhaber sind entweder unmittelbar Gesellschafter der Klägerin oder mittelbar über ihre Mitgliedschaft im Bundesverband Deutsche Pflanzenzüchter e.V., der seinerseits Gesellschafter ist. Da die Klägerin satzungsgemäß den Zweck verfolgt, die gewerblichen Interessen von Sortenschutzinhabern wahrzunehmen, hat sie ein schutzwürdiges eigenes Interesse an der Rechtsverfolgung (BGH GRUR 2002/238, 239 - Nachbau-Auskunftspflicht).

Dieser Ansicht steht auch nicht das Europäische Recht entgegen. Nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung 1768/95, die das Landwirteprivileg näher regelt, können die Rechte der Schutzrechtsinhaber auch von Vereinigungen von Sortenschutzinhabern geltend gemacht werden. Später wird der Begriff der Organisation verwendet. Solche Vereinigungen oder Organisationen können auch als GmbH organisiert sein. Der Europäische Gesetzgeber hat mit der Verwendung dieser allgemeinen Begriffe gerade nicht ganz bestimmte körperschaftliche Organisationsformen vorschreiben wollen, was angesichts der Unterschiede des nur in Einzelpunkten harmonisierten Gesellschaftsrechts der Mitgliedstaaten auch schwierig wäre. Auch der Generalanwalt kommt in der Rechtsache C-182/01 Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH gegen Jäger, ein Vorabentscheidungsverfahren auf Vorlage des OLG Düsseldorf, am 7. 12. 2002 zu der Empfehlung an den EuGH, eine GmbH deutschen Rechts als Vereinigung im o.g. Sinne anzuerkennen (S. dazu den Text der Schlussanträge auf der Website des EuGH http://curia.eu.int).

2. Die Ermächtigung der Klägerin durch die Rechtsinhaber ist auch nicht wegen Verstoßes gegen das GWB nichtig. Für die Durchsetzung der Sortenschutzrechte bei Nachbau sind grundsätzlich vier Verfahren möglich: Zum ersten können die Bauern mit den Züchtern Individualverträge abschließen; zum zweiten können mit der Klägerin Individualverträge nach Maßgabe der Vorgaben der einzelnen Züchter geschlossen werden, zum dritten können die Bauern mit der Klägerin einen Vertrag gem. der Kooperationsvereinbarung mit dem Bauernverband abschließen und viertens können sie sich auf die gesetzliche Regelung berufen (s. Schreiben des BKartA v. 22.04.2002). Individualverträge sind dabei nicht nur mit Züchtern möglich, die nicht (direkt oder indirekt) Gesellschafter der Klägerin sind, sondern auch mit Mitgliedern der Klägerin. Wie bereits das BKartA in diesem Schreiben ausgeführt hat, bestehen gegen dieses Verfahren der Erhebung der Nachbaugebühren keine kartellrechtlichen Bedenken. Es besteht weder ein Zwang für die Züchter, die Klägerin mit der Wahrnehmung ihrer Rechte zu beauftragen, noch muß dies im Falle der Beauftragung zu den von der Klägerin bestimmten Bedingungen geschehen. Auch die Bauern sind nicht gezwungen, mit der Klägerin Verträge abzuschließen, sie können sich auch bemühen, die Züchter zu Individualvereinbarungen zu bewegen. Das Schreiben des BKartA ist im übrigen nicht geeignet, einen konkreten Wettbewerbsverstoß der Klägerin bzw. der Züchter in der Zeit vor diesem Schreiben zu beweisen. Es wird nur die zukünftige bzw. jetzige Praxis detailliert beschrieben. Im übrigen kommt es für dieses Verfahren auf die Wirksamkeit der Ermächtigung der Klägerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt an; mit dem BKartA kann davon ausgegangen werden, dass das gegenwärtig angewendete Verfahren wettbewerbskonform ist.

Soweit der Beklagte vorträgt, die Möglichkeit von Individualvereinbarungen sei eine bloß theoretische, weil die Züchter auf entsprechende Anfragen regelmäßig auf die Klägerin verweisen, ist dies alleine nicht geeignet, eine Vereinbarung nach § 1 GWB oder ein abgestimmtes Verhalten zu beweisen. Für diese Weigerung der Züchter gibt es nämlich vernünftige wirtschaftliche Gründe, welche dieses Verhalten auch bei unabhängigem Verhalten plausibel machen. Für die Züchter ist es nämlich mit einem viel größeren Verwaltungsaufwand verbunden, wenn sie die Vereinbarungen mit möglicherweise tausenden Bauern selbst abschließen und durchsetzen wollten. Selbst wenn sie die Durchsetzung ihrer Individualvereinbarungen der Klägerin überlassen würden, würde die Unterschiedlichkeit der Abmachungen mit den verschiedenen Bauern den Überblick und die Kontrolle durch die Züchter erheblich erschweren. Selbst bei Individualvereinbarungen würde deshalb eine Tendenz bei jedem der Züchter zur Vereinheitlichung der Bedingungen bestehen.

Hinzu kommt, dass aus der Sicht der Züchter eine Individualvereinbarung nur dann Sinn macht, wenn die höheren Kosten der Verwaltung durch höhere Lizenzsätze zumindest ausgeglichen werden können. Höhere Lizenzsätze als die (80% der Z-Lizenz), welche sie bei einer Beauftragung der Klägerin erhalten, werden sie aber bei Individualvereinbarungen mit den Bauern kaum erzielen können. Zum einen werden auch die Bauern bei Lizenzsätzen um 80% die Vereinbarung mit der Klägerin vorziehen, da sie selbst dadurch die Verwaltung der Nachbaurechte vereinfachen können, indem sie alles aus einer Hand bekommen. Ferner würden Bauern kaum bereit sein, Gebühren zu zahlen, die höher als die von ihrem Verband ausgehandelten Leitsätze sind. Schließlich zeigt der vorliegende Streit, dass die Bauern von den Züchtern in Individualvereinbarungen gerade günstigere Sätze als bei der Klägerin anstreben würden. Es ist deshalb aus dem Einzelinteresse jedes Züchters (auch ohne abgestimmtes Verhalten) verständlich, wenn er sich weigert, sich auf Individualvereinbarungen einzulassen. Daraus alleine lässt sich ein abgestimmtes Verhalten deshalb nicht ableiten.

Dieses Verhalten deutet auch nicht auf mangelnden Wettbewerb zwischen den Züchtern hin, der durch die Einschaltung der Klägerin noch mehr beschränkt wird. Dagegen spricht zwar nicht die Überlegung, dass es einen Markt für Nachbaurechte gar nicht geben könne, weil diese nicht gehandelt werden (dürfen). Denkbar ist nämlich, dass Züchter versuchen könnten, die Konditionen für ihre Nachbaurechte zu einem Wettbewerbsmittel auf dem Markt für Saatgut einzusetzen. Ein wirtschaftlich vernünftig handelnder Bauer würde nämlich bei der Kalkulation der Kosten für sein Saatgut auch die Kosten des Nachbaus berücksichtigen. Es ist allerdings höchst zweifelhaft, ob die Senkung der Nachbaugebühr einem Züchter wirklich erhebliche Wettbewerbsvorteile auf dem Markt für das Saatgut verschaffen kann. Der Anteil der Nachbaukosten an den gesamten Kosten des Bauern pro Hektar ist nur gering. Im Verfahren vor dem LG Braunschweig (vgl. Urteil vom 4.7.2002 Az. 9 O 3440/00) hat das Gericht festgestellt, dass sich eine Nachbaugebühr nach dem Kooperationsabkommen von DM 9,90 zzgl. MwSt (also etwas mehr als 5 Euro) pro Hektar ergab. Das OLG Celle geht davon aus, dass eine Verringerung des Nachbausatzes von 80% auf 60% die Kosten pro Hektar nur um 0,3% verringert (vgl. Urteil vom 5.12.2002 Az. 13 U 69/02 (Kart) S. 8). Eine Variation dieses Satzes nach unten, selbst ein Verzicht auf Nachbaugebühren, dürfte unter diesen Umständen kaum Einfluß auf den Absatz von Saatgut haben. Dafür sind eher Fruchtfolge, Ertragsstärke, Anpassung an den Boden, Krankheitsresistenz des Saatgutes etc. maßgebend. Daraus folgt, dass der beobachtete Verzicht der Züchter, die Nachbaugebühren als Wettbewerbsparameter auf dem Markt für Saatgut einzusetzen, nicht zwingend auf mangelnden Wettbewerb oder gar Absprachen hindeutet, sondern sich auch als wettbewerbskonformes unabhängiges Verhalten erklären lässt, und dass die Auswirkungen einer solchen Wettbewerbsbeschränkung, wollte man sie annehmen, die Spürbarkeitsgrenze nicht überschreiten würde.

3. Die Nachbauvereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Beklagten sind von diesem auch nicht wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten worden.

In der von der Klägerin dem Beklagten überreichten Informationsbroschüre "Ratgeber zur Nachbauerklärung 1997/98" heißt es unter der Überschrift "Veranlagung nach den gesetzlichen Regelungen" u.a.: "Nachbaugebühr beträgt 80% der Z-Lizenzgebühr". Damit hat die Klägerin nicht ausdrücklich behauptet, die gesetzliche Regelung schreibe 80% der Z-Lizenz als Nachbaugebühr vor. Die Formulierung der Klägerin ist in dieser Hinsicht nicht eindeutig. Zwar kann sie so ausgelegt werden, dass ihr diese Bedeutung beigelegt wird; sie könnte aber auch so verstanden werden, dass die Rechtsfolge der Anwendung der gesetzlichen Regelung in der Praxis zu einer Lizenzgebühr von 80% führt. Auch der systematische Zusammenhang der Formulierung spricht nicht eindeutig nur für eine dieser Auslegungen.

Allerdings ist dem Beklagten zuzugeben, dass sein angebliches Verständnis dieser Formulierung, dass eine Gebühr von 80% gesetzlich definiert sei, eine mögliche Auslegung ist und dass er deshalb möglicherweise tatsächlich getäuscht wurde. Dennoch war er nicht zur Anfechtung berechtigt, weil er weder die Täuschungsabsicht und Arglist der Klägerin nachgewiesen hat noch die Kausalität der Täuschung für den Abschluß der Vereinbarungen.

Arglistig ist die Täuschung, wenn sie mit Täuschungswillen vorgenommen worden ist. Dazu gehört die Kenntnis der Unrichtigkeit der gemachten Angaben sowie das Bewusstsein und der Wille, dadurch den Willen des Getäuschten zu beeinflussen. Dabei reicht bedingter Vorsatz (Larenz/Wolf, Allg. Teil des BGB, § 37 Rdnr. 10).

Die Klägerin ist nach ihrer ständigen, durch die NachbauVO (Verordnung Nr. 1768/95 der Kommission vom 25.7.1995, ergänzt durch VO Nr. 2605/98 der Kommission vom 03.12.1998, siehe hierzu nachfolgend unter 5) und durch das Kooperationsabkommen mit dem Bauernverband abgesicherten Praxis davon ausgegangen, dass die Anwendung der gesetzlichen Regelung zu einer Gebühr von 80% der Z-Lizenz führt. Dies entspricht auch den Tatsachen. Das gleiche Ergebnis träte ein, wenn die 80% im Gesetz vorgeschrieben wären. Die Klägerin hat den Beklagten somit keineswegs über die Höhe der Lizenz irreführen wollen. Soweit der Erklärung der Klägerin ein Hinweis auf die gesetzliche Festlegung der 80% entnommen werden kann, hat die Klägerin nicht davon ausgehen können, dass dieser Aspekt für den Beklagten so entscheidend sein könnte, dass er davon die Wahl der Vergütungsregelung abhängig machen würde. Wie das OLG Celle in seiner Entscheidung vom 5.12.2002 (Az. 13 U 69/02 (Kart) S. 9) richtig ausführt, konnte die Klägerin davon ausgehen, dass der Beklagte weniger daran interessiert sein würde, ob ein bestimmter Preis gesetzlich bestimmt ist oder ob er in ständiger Praxis auf der gesetzlichen Grundlage gefordert (und gezahlt) wird. Entscheidend ist, was der Empfänger am Ende zahlen muss. Konnte aber die Klägerin von einer solchen Entscheidungssituation des Beklagten ausgehen, kann man nicht annehmen, sie habe den Willen des Beklagten durch eine falsche (bzw. falsch verstehbare) Erklärung beeinflussen wollen.

Darüber hinaus folgt aus diesen und weiteren Überlegungen, dass die etwaige Täuschung des Beklagten jedenfalls nicht kausal für seinen Abschluß der Nachbauvereinbarungen nach dem Kooperationsabkommen geworden ist. Denn nicht nur hätte der Beklagte bei jeder der möglichen Auslegungen der Erklärung der Klägerin mit demselben Lizenzsatz rechnen müssen (gesetzlich vorgeschrieben oder praktisch erhoben), sondern die Entscheidung für die Veranlagung nach dem Kooperationsabkommen brachte ihm vielmehr auch weitere Vorteile auf Grund geringerer Auskunftspflichten und möglicher Rabattausschüttungen. Es ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass bei sonst gleicher finanzieller Belastung diese zusätzlichen Vorteile den Ausschlag für die Entscheidung des Beklagten gegeben hätten. (So auch das Urteil des LG Düsseldorf vom 5.4.2001 Az. 4 O 267/00, S. 17).

Diese Ansicht hat auch das LG München I in der angegriffenen Entscheidung mit eingehender und zutreffender Begründung vertreten (S. 12 ff.). Das LG hat auch zutreffend ausgeführt, dass die Beweislast für eine Kausalität der Täuschung für die angefochtenen Willenserklärungen beim Beklagten liegt. Dieser hat jedoch nichts vorgetragen, was den auf die Lebenserfahrung gegründeten Schluß widerlegen könnte. Im Gegenteil, die Tatsache, dass der Beklagte nach Kenntniserlangung von der angeblichen Täuschung nicht alle Nachbauvereinbarungen gleichzeitig angefochten hat, sondern zunächst nur die Vereinbarung 1997/98, spricht dafür, dass er selbst trotz der von ihm behaupteten Täuschung an den übrigen Vereinbarungen (jedenfalls zunächst) festhalten wollte. (So auch das LG, S. 13 f.)

4. Die Kooperationsvereinbarung, nach der sich gemäß den Nachbauvereinbarungen das mit der Klage geforderte Nachbauentgelt bestimmt, zwischen dem Verband der Pflanzenzüchter und dem Bauernverband verstößt ebenfalls nicht gegen das Kartellrecht. In § 10a Abs. 4 S. 1 SortG werden Vereinbarungen von Berufsvereinigungen der Züchter und Bauern über die Angemessenheit des Nachbauentgelts ausdrücklich zugelassen. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll diese Regelung eine lex specialis zu § 1 GWB darstellen. Deshalb sei eine ausdrückliche Ausnahme von § 1 GWB nicht erforderlich und nicht zweckmäßig, da dies zu dem nicht gewünschten Schluß führen könnte, daß das Wettbewerbsrecht insgesamt keine Anwendung im Bereich des Sortenschutzes finde. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Ausnahme ist die Kooperationsvereinbarung somit von § 1 GWB ausgenommen. Sie wurde zwischen dem Deutschen Bauernverband und den Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter, also den betreffenden Berufsvereinigungen 1996 geschlossen. Ein Ausschluß des Wettbewerbs auf dem Saatgutsektor i.S.v. § 10a Abs. 4 S. 2 SortG wird dadurch nicht bewirkt, da wie oben bereits ausgeführt, die Nachbauentgelte bei der Entscheidung über die Auswahl des Saatgutes nur eine völlig untergeordnete Rolle spielen.

5. Die Kooperationsvereinbarung ist auch nicht aus anderen Gründen nichtig. Insbesondere ist sie nicht unangemessen im Sinne von § 10 a) Abs. 3 S. 2 SortG. Danach soll das Nachbauentgelt "deutlich niedriger ... als der Betrag sein, der....für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial derselben Sorte .... nach § 11 vereinbart ist". "Deutlich niedriger" bedeutet einen fühlbaren Abschlag gegenüber den normalen Lizenzsätzen (Keukenschrijver, SortG, § 10a Rdnr. 27). Ein Abschlag um 20% entspricht diesem Erfordernis. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß dieser Abschlag von der Berufsvereinigung der Landwirte, dem Deutschen Bauernverband, vereinbart wurde. Es ist deshalb davon auszugehen, daß die Interessen der Landwirte durch ihren Verband bei den Verhandlungen mit dem Pflanzenzüchterverband in ausreichender Weise haben gewahrt werden können.

Dem widerspricht auch nicht, daß in den durch Art. 1 der VO (EG) Nr. 2605/98 der Kommission vom 3.12.1998 angefügten Absätzen 4 bis 7 des Art. 5 VO (EG) Nr. 1768/95 (NachbauVO) ein Satz von 50% der üblichen Z-Lizenz erwähnt wird. Zwar kann diese Regelung zur Auslegung des Begriffs "deutlich niedriger" auch im nationalen Recht herangezogen werden (Keukenschrijver, SortG, § 10a Rdnr. 27), doch stellt sie keine absolute Grenze und auch keine Höchstgrenze auf. Die VO selbst stellt zuvörderst auf die Vereinbarung der Berufsverbände ab. Es soll die dort vereinbarte Gebühr zu zahlen sein. Nur wenn eine solche Vereinbarung nicht besteht, soll die Nachbaugebühr mit 50% bemessen werden. Für die zwischen den Verbänden vereinbarte Gebühr stellt die VO keine über die dem nationalen Recht entsprechenden Anforderungen der Angemessenheit bzw. des "deutlich niedriger" hinausgehenden Kriterien auf. Wie oben ausgeführt sind diese Anforderungen mit der Kooperationsvereinbarung erfüllt. Es bleibt dem Bauernverband selbstverständlich unbenommen, in der Zukunft eine neue Vereinbarung mit dem Züchterverband zu schließen, die einen niedrigeren Prozentsatz für die Nachbauentgelte zugrunde legt.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO, § 7 Abs. 1 EGZPO. Bei einer Vielzahl von Gerichten sind Streitigkeiten zwischen Landwirten und der Klägerin über die zulässige Höhe der Nachbaugebühren anhängig. Die aufgeworfenen Rechtsprobleme betreffen eine unbestimmte Vielzahl von Fällen; sie hat deshalb grundsätzliche Bedeutung. Eine höchstrichterliche Entscheidung liegt noch nicht vor.

Ende der Entscheidung

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