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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 28.11.2002
Aktenzeichen: 1 U 1973/00
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 264 | |
BGB § 284 | |
BGB § 288 a.F. |
Entscheidung wurde am 18.09.2003 korrigiert: der Entscheidung wurde ein amtlicher Leitsatz hinzugefügt
2. Für Schäden, die dem Patienten aufgrund des ohne seine Einwilligung verwendeten Materials entstehen, hat der Zahnarzt einzustehen.
3. Hinsichtlich des dem Patienten obliegenden Nachweises einer Palladiumunverträglichkeit und Palladiumintoxikation sowie der zu deren Feststellung bzw. Behandlung anzuwendenden Methoden ist auf wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse Bedacht zu nehmen.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen 1 U 1973/00
Verkündet am 28.11.2002
In dem Rechtsstreit
wegen Forderung u.a.
erlässt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2002 folgendes
Endurteil:
Tenor:
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 20.12.1999 in Ziffer I dahingehend abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 2045,17 EUR (= 4.000,-- DM) sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 350,-- EUR jeweils zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit 22.1.1998 zu bezahlen.
II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.
III. Die Kostenentscheidung des Landgerichts wird dahingehend abgeändert, dass von den Kosten der ersten Instanz der Kläger 19/20 und der Beklagte 1/20 tragen; die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1.
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus behaupteter fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung geltend.
a) Zwischen 1986 und 1993 befand sich der bei der Barmer Ersatzkasse krankenversicherte Kläger beim Beklagten in zahnärztlicher Behandlung, zu deren Beginn er über eine teilweise erneuerungsbedürftige Brücken- und Kronenversorgung aus Gold bzw. Goldlegierungen verfügte. Am 25.1.1988 nahm der Beklagte am Zahn 13 eine Wurzelkanalbehandlung vor. Im weiteren Verlauf des Jahres 1988 versorgte der Beklagte den Kläger durch Eingliederung mehrerer keramischer Kronen mit innenliegender Palladiumlegierung. Am 30.3.1988 überkronte er in dieser Weise neun Zähne im Oberkiefer, am 25.7.1988 drei Zähne im Unterkiefer und am 15.12.1988 einen weiteren Zahn im Unterkiefer.
Am 10.9.1991 wurde dem Kläger am Zahn 25 ein Stift eingesetzt und die dort befindliche Brücke 23-26 wieder befestigt.
Am 27.4.1993 erhielt der Kläger weitere zwei und am 8.7.1993 eine weitere Krone im Unterkiefer, die auf Wunsch des Klägers jeweils aus einer Gold-Platin-Legierung bestanden.
b) Der Beklagte klärte den Kläger vor dem Einsetzen der jeweiligen Kronen nicht über eventuelle Gefahren auf, die sich im Rahmen zahnärztlicher Behandlungen aus der Verwendung von palladiumhaltigen Legierungen im Mundraum ergeben können.
c) Noch während des Zeitraums, in dem er beim Beklagten in Behandlung war, begann der Kläger verstärkt an verschiedenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu leiden, die er insbesondere auf die seitens des Beklagten eingebrachten palladiumhaltigen Zahnkronen zurückführte.
So klagte der Kläger über Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Ohrensausen, Entzündungen im Mundbereich, Halsbeschwerden, Appetitlosigkeit, eine ausgeprägten Müdigkeit, Rückenschmerzen, Schmerzen im Oberkörper, Muskelzuckungen am gesamten Körper, Bluthochdruck, Merkfähigkeitsstörungen, eine Netzhautablösung sowie Depressionen. Im Jahr 1995 ließ der Kläger sich deshalb von einem anderen Zahnarzt alle vom Beklagten eingesetzten Kronen entfernen; in der Folge wurden auch mehrere Zähne extrahiert, darunter die Zähne 25 und 13. Ein am Kläger durchgeführter sogenannter Lymphozytentransformationstest (LTT) ergab im Dezember 1995 eine erhebliche Sensibilisierung gegenüber Gold und Palladium.
1996 wurde für den Kläger ein Allergiepass ausgestellt.
2.
a) Der Kläger hat bereits in erster Instanz die Auffassung vertreten, der Beklagte habe ihn nicht entsprechend den Regeln der zahnärztlichen Kunst behandelt.
aa) Zum einen sei dem Beklagten vorzuwerfen, dass er bei Zahn 25 einen fehlerhaften Wurzelstiftaufbau und bei Zahn 13 eine fehlerhafte Wurzelkanalbehandlung durchgeführt habe, was zum Verlust dieser beiden Zähne geführt habe.
bb) Zum anderen sei es behandlungsfehlerhaft, dass der Beklagte beim Kläger palladiumhaltige Materialien verwendet habe, und zwar eine korrosionsanfällige Palladium-Kupfer-Legierung mit einem nennenswerten Anteil von potentiell toxischem Gallium und Indium. Der Behandlungsfehler ergebe sich daraus, dass der Kläger bereits 1988 hochgradig gegen Palladium-Legierungen allergisch gewesen sei, was nachgewiesen sei durch den Test(LTT) vom Dezember 1995, so auch wiedergegeben im Allergiepass von 1996. Auch ohne Aufforderung durch den Patienten habe der Beklagte den Kläger vor Verwendung palladiumhaltiger Legierungen auf Palladiumverträglichkeit untersuchen bzw. untersuchen lassen müssen.
b) Zumindest habe der Beklagte den Kläger angesichts des damaligen Standes der wissenschaftlichen Diskussion über möglich erscheinende Risiken der Verwendung solcher Materialien aufklären müssen. Dies sei nicht geschehen, so dass der Kläger auch davon ausgegangen sei, die gewohnt gute und verlangte Versorgung zu erhalten.
Im Falle einer Aufklärung hätte ersieh gegen den Einsatz palladiumhaltiger Kronen entschieden.
c) Nach Vortrag des Klägers habe er aufgrund der fehlerhaften Behandlung durch den Beklagten langjährig erduldete "multiple Beschwerden" und Schmerzen erlitten, die letztlich dazu geführt hätten, dass er seinen Beruf aufgeben habe müssen und seit 1991 eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehe. Infolge der fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung lägen nunmehr bei ihm auch in Zukunft behandlungsbedürftige Dauerschäden vor. Der Kläger hat in erster Instanz die Rückerstattung der von ihm für die zwischen 1998 und 1993 durchgeführte zahnärztliche Behandlung an den Beklagten geleisteten Beträge sowie die Erstattung von in der Folgezeit für zahnärztliche - und ärztliche - sowie Heilpraktikerbehandlungen aufgewendeten Kosten und Gutachterkosten, ein Schmerzensgeld sowie weiter die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für künftige Schäden verlangt und beantragt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.922,75 DM zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit 22.1.1998 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, 60.000,-- DM jedoch nicht unterschreiten soll.
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte dem Kläger jeglichen materiellen und immateriellen Zukunftsschaden zu ersetzen hat, der auf die unsachgemäße Zahnbehandlung durch den Beklagten in den Jahren 1988 bis 1993 zurückzuführen ist.
3.
Der Beklagte hat in erster Instanz beantragt,
die Klage abzuweisen.
a) Den Vorwurf eines Behandlungsfehlers hat er zurückgewiesen.
aa) Sollte es bei den Zähnen 25 und 13 zu einer Schädigung des Klägers gekommen sein, liege diese in dessen zahnärztlicher Behandlung vor 1988 begründet.
bb) Der Einsatz palladiumhaltiger Legierungen entspreche den im Behandlungszeitraum 1988 geltenden Regeln der ärztlichen Kunst. Zudem habe sich der Beklagte mit der Verwendung der benannten Legierungen an eine damals gültige Empfehlung der Krankenkassen gehalten. Ebenso wenig sei es damals Aufgabe des Beklagten gewesen, den Kläger auf mögliche allergische Reaktionen zu untersuchen. Darauf, dass allergische Reaktionen vorgelegen haben könnten, hätten keinerlei Anzeichen hingedeutet. So habe der Kläger auch vor der Behandlung durch ihn jahrelang Goldkronen getragen, obwohl er angeblich auch gegen Gold allergisch sei. Eine frühere oder gegenwärtige Allergie des Klägers gegen Gold oder Palladium sei zu bestreiten.
b) Eine Aufklärung des Klägers über Risiken der Verwendung palladiumhaltiger Materialien habe nicht erfolgen müssen, da derartige Risiken zum damaligen Zeitpunkt Zahnärzten nicht bekannt gewesen seien und auch nicht bekannt sein hätten müssen.
c) Weiter hat der Beklagte vorgetragen, dass die einzelnen, zum Teil unsubstantiiert geltend gemachten Schadenspositionen des Klägers keinerlei Zusammenhang mit der Behandlung des Beklagten erkennen ließen und auf keinen Fall kausal darauf zurückzuführen seien.
Vorsorglich hat der Beklagte zudem die Einrede der Verjährung erhoben, da der Kläger spätestens seit 24.5.1994 (Gutachten) über das angebliche Fehlverhalten des Beklagten informiert gewesen sei und die Klage danach erst am 24.8.1998 und somit nicht fristgemäß erhoben habe.
4.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 12.11.1998 (Bl. 40/44 d. A.)ein Gutachten des Sachverständigen erholt (Bl. 82/92 d. A.) und nach dessen Anhörung (Bl. 102/109 d. A.) die Klage zum weitaus größten Teil als unbegründet zurückgewiesen.
a) Lediglich die Behandlung der Zähne 25 und 13 hat das Landgericht als fehlerhaft angesehen und dem Kläger hierfür bei noch nicht verjährtem Anspruch ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,-- DM zugesprochen. Auf einen materiellen Schadensersatz wegen der Behandlung dieser Zähne sowie eine weitergehende Einstandspflicht des Beklagten für Folgeschäden daraus hat das Landgericht nicht erkannt. Weder habe der Kläger dargelegt, welche Rechnungspositionen des Beklagten einerseits, ihm nachfolgender Zahnärzte andererseits sich insoweit auf die Zähne 25 und 13 beziehen sollen, noch ergebe sich hierzu etwas aus den nicht zuordenbaren vorgelegten Rechnungskonvoluten. Hinsichtlich des geltend gemachten Feststellungsanspruchs habe sich der Kläger lediglich auf einen zukünftigen Rentenschaden und die auch in Zukunft erforderliche Behandlung chronischer Erkrankungen und Schmerzzustände aufgrund seiner behaupteten Palladiumunverträglichkeit bezogen.
b) Die im Zusammenhang mit der Verwendung palladiumhaltigen Materials bei der Versorgung des Klägers von diesem erhobenen Ansprüche hat das Landgericht als unbegründet zurückgewiesen. Zum einen habe der Kläger nicht nachzuweisen vermocht, dass die Behandlung insoweit fehlerhaft erfolgt wäre; zum anderen habe der Kläger auch wirksam in die vom Beklagten durchgeführten zahnärztlichen Maßnahmen eingewilligt, nachdem dieser ihn jedenfalls zum Zeitpunkt der Behandlung nicht über eventuelle Diskussionen und Bedenken, die zu der Toxizität von Kupfer-Palladium-Legierungen geäußert wurden, habe aufklären müssen.
5.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er den bereits in erster Instanz geltend gemachten materiellen Schadensersatzanspruch, die Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes von mindestens 56.000,-- DM sowie den Feststellungsantrag weiterverfolgt.
a) Hinsichtlich der Fehlbehandlung der Zähne 13 und 15 sei das zuerkannte Schmerzensgeld von 4.000,-- DM zu niedrig bemessen. "Bekämpft" werde auch "die Feststellung des Gerichtes, Sachschäden seien dem Kläger nicht zu erstatten." Wenngleich einzuräumen sei, "dass die nachgewiesenen Kosten über zahnärztliche Behandlungen überwiegend aus der Palladiumproblematik entstanden sind", sei "dem Gericht entgangen, dass auch die Falschbehandlung diese Folgen ausgelöst haben kann". Die negative Entscheidung des Landgerichts zur Erstattung von Verzugszinsen werde ebenfalls angegriffen. Aus der Klage sei klar erkennbar, dass der Kläger von einem Verzug des Beklagten hinsichtlich aller Schadenspositionen spätestens seit 22.1.1998 ausgehe.
b) Auch die auf die Palladiumbehandlung gestützten Ansprüche des Klägers seien begründet.
aa) Die Aussagen des gerichtlichen Sachverständigen seien falsch. Es sei stattdessen davon auszugehen, dass der Beklagte zumindest auf diskutierte Probleme in der Wissenschaft hinweisen hätte müssen, da bereits Mitte der 80er Jahre deutliche Warnhinweise zu Palladiumlegierungen bestanden hätten.
bb) Das Landgericht habe ferner übersehen, dass die Beratungspflicht des Beklagten auch darin bestanden habe, bei einem Materialwechsel darauf hinzuweisen. Unstreitig sei, dass beim Kläger vor der Behandlung durch den Beklagten Goldlegierungen eingebracht waren und dass zum damaligen Zeitpunkt wegen dieser Goldlegierungen keine Beschwerden bestanden haben. Eine Allergie hiergegen, ausgelöst durch die Wahl anderer Materialien, sei erst viel später festgestellt worden. Der Kläger habe unwidersprochen vorgetragen, dass er den Beklagten aufgefordert habe, eine entsprechend gute Qualität zu wählen. Auf den Materialwechsel, noch dazu zu Materialien minderer Qualität habe der Beklagte unstreitig ebenfalls nicht hingewiesen. Auch der Sachverständige halte einen Hinweis hierauf jedoch für notwendig. Wäre ein solcher Hinweis erfolgt, hätte sich der Kläger auf alle Fälle für die bis dahin von ihm gut vertragene Goldlegierung entschieden.
Wiederholt wird, dass die vorgetragenen gegenwärtigen und zu erwartenden materiellen und immateriellen Schäden des Klägers auf der fehlerhaften Behandlung des Beklagten beruhen würden.
Verjährung sei nicht eingetreten. Spätestens seit einer Abfindungserklärung vom Januar 98 befinde sich der Beklagte in Verzug.
6.
Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
a) Beim Schmerzensgeld für die von ihm als fehlerhaft erkannte Behandlung der Zähne 13 und 25 sei das Erstgericht unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte an die obere Grenze gegangen. Weitergehende materielle Schäden habe die Fehlbehandlung der Zähne 13 und 25 nicht ausgelöst. Die vom Kläger verlangten Sachverständigenkosten würden sich nicht darauf sondern auf die angebliche Palladiumunverträglichkeit beziehen.
Zinsen auf das Schmerzensgeld seien nicht beantragt gewesen. Sie könnten allenfalls im Wege der Klageerhöhung ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Berufungsbegründung verlangt werden.
b) aa) Hinsichtlich der Behandlung mit Kronen, die eine Palladiumlegierung enthielten, wiederholt der Beklagte, dass diese sowohl dem damaligen zahnärztlichen Standard entsprochen habe als auch beim Kläger sachgerecht gewesen sei.
bb) Für den Beklagten habe keinerlei Veranlassung zu einer Aufklärung des Klägers, wie von diesem gefordert, bestanden. Wenig plausibel klinge es auch, wenn der Kläger vortrage, dass er, aufgeklärt, Gold dem Palladium vorgezogen hätte, zumal dem Kläger zum damaligen Zeitpunkt gar nicht bekannt gewesen sei, dass er sensibel auf Palladium reagiere. Ein Materialwechsel sei dem Kläger darüber hinaus bekannt gewesen. Der Kläger sei, wie alle übrigen Patienten, über die Vor- und Nachteile der jeweiligen Legierung informiert worden. Dem Kläger sei vorab demonstriert worden, dass die keramikverblendete Palladiumlegierung von den natürlichen Zähnen fast nicht zu unterscheiden sei, wohingegen eine Goldkonstruktion deutlich als Fremdkörper sichtbar gewesen sei. Aufgrund dieser Demonstration habe sich der Kläger für die Version mit "Palladiumlegierung" entschieden. Das Material Palladium sei dem Kläger bei der Demonstration des Modells auch erklärt und erläutert worden.
c) Hinsichtlich des materiellen Feststellungsanspruches fehle es dem Kläger am Rechtsschutzbedürfnis, da, wie er gegenüber dem Sachverständigen erklärt habe, sein Gebiss zwischenzeitlich saniert sei, so dass mit Folgeerscheinungen nicht mehr zu rechnen sei.
7.
Der Senat hat die Parteien informatorisch angehört.
Mit Hinweis- und Beweisbeschluss vom 14.9.2000 und mit Beschluss vom 20.11.2000 (Bl. 171/174, 186 d. A.) hat der Senat ergänzend Beweis erhoben durch Erholung eines medizinisch-toxikologischen Gutachtens des Sachverständigen. Mit Beschluss vom 31.7.2001 (Bl. 200 d. A.) hat der Senat darüber hinaus ein neurologisches Zusatzgutachten des Sachverständigen erholt.
Hinsichtlich der schriftlichen Gutachten wird auf Bl. 247/296 und 205/239 d. A. Bezug genommen.
Die Gutachten wurden am 17.10.2002 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung erwies sich nur zum ganz geringen Teil als begründet und war im übrigen zurückzuweisen.
I.
Soweit nach dem insofern nicht angegriffenen landgerichtlichen Urteil von einer Fehlbehandlung der Zähne 13 und 25 des Klägers durch den Beklagten auszugehen war, ist im Hinblick auf die über ein zuerkanntes Schmerzensgeld von 4.000,-- DM hinausgehenden Ansprüche des Klägers auszuführen:
1.
Auch der Senat erachtet die Höhe des vom Landgericht zuerkannten Schmerzensgeldes für angemessen und ausreichend.
Zutreffend hat das Landgericht berücksichtigt, dass dem heute 67-jährigen Kläger infolge fehlerhafter Wurzelkanalbehandlung durch den Beklagten der Zahn 13 jedenfalls 10 bis 15 Jahre vor der Zeit verloren ging und dass der Kläger außerdem jedenfalls wegen des Setzens der Brücke 23-26 auf die fehlerhaft gesetzte Schraube bei Zahn 25 eine erbsengroße Osteolyse zu erdulden hatte, die mit einer äußerst schmerzhaften Entzündung im Mundraum einherging, zu der es bei richtiger Behandlung durch den Beklagten nicht gekommen wäre.
Dass der Zahn 25 aufgrund fehlerhafter Behandlung durch den Beklagten verloren gegangen wäre, ist nicht erwiesen. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, der Verlust dieses Zahnes würde nur dann auf einem Fehler des Beklagten beruhen, wenn der Beklagte selbst die Schraube an diesem Zahn gesetzt hätte. Diese Voraussetzung vermochte der Kläger jedoch nicht nachzuweisen.
Selbst wenn im übrigen der Beklagte auch den Verlust dieses zweiten Zahnes zu verantworten hätte, erschiene dem Senat das vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld insgesamt als angemessener Ausgleich.
Die vom Kläger in diesem Zusammenhang undetailliert in Bezug genommenen Entscheidungen anderer Gerichte, die mit dem vorliegenden Fall letztlich nicht vergleichbar sind, stehen dem nicht entgegen.
2.
Zinsen in Höhe von 4 % auf das zuerkannte Schmerzensgeld waren dem Kläger gemäß §§ 284, 288 BGB (a.F.) ab dem 22.1.1998 zuzusprechen.
Ab diesem Zeitpunkt befand sich der Beklagte aufgrund des Aufforderungsschreibens des Klägers vom 12.1.1998 in Verzug.
Dass der Kläger den Antrag auf Zahlung von Zinsen auf das Schmerzensgeld erst in der Berufungsinstanz ausdrücklich gestellt hat, führt nicht dazu, ihm Zinsen erst ab Zustellung der Berufungsbegründung zu gewähren. Eine Erweiterung des Klageantrags in bezug auf Nebenforderungen stellt gemäß § 264 BGB keine Klageänderung dar.
3.
Dass die Fehlbehandlung der Zähne 13 und 25 zu weiteren materiellen Schäden des Klägers geführt hätte, ist nur in ganz eingeschränktem Umfang nachgewiesen.
a) Dies insoweit, als sich die vom Kläger erholten Gutachten privater Sachverständiger, hinsichtlich derer er vom Beklagten Kostenerstattung verlangt, jedenfalls zum Teil auch mit der Frage eines Behandlungsfehlers an den Zähnen 13 und 25 befassen.
Das gilt hinsichtlich des Gutachtens des vom 15.9.1997 (Anlage K 1), für das dieser Sachverständige am 16.9.1997 1.600,-- DM in Rechnung stellte (Anlage K 80), sowie hinsichtlich des Gutachtens des vom 16.10.1996 (Anklage K 2), das dieser dem Kläger am 17.10.96 mit 500,-- DM berechnete (Anlage K 78). In diesen beiden Gutachten werden zumindest teilweise (Gutachten) bzw. zentral (Gutachten) auch Fragen im Zusammenhang mit der Behandlung der Zähne 13 und 25 und dabei begangener Fehler angesprochen.
Den dem Kläger insoweit durch Kostenaufwand für die Gutachten zur zweckgerichteten Rechtsverfolgung entstandenen und erstattungsfähigen Schaden schätzt der Senat hinsichtlich des Gutachtens auf 200,-- EUR und hinsichtlich des Gutachtens auf 150,-- EUR. In Höhe eines Betrages von 350,-- EUR nebst darauf entfallender Zinsen von 4 % seit 22.1.1998 war die Klage daher zuzusprechen und auf die Berufung des Klägers hin das Ersturteil abzuändern.
b) Darüber hinaus hat der Kläger auch in der Berufungsinstanz nicht nachzuweisen vermocht, dass ihm aus der Fehlbehandlung der Zähne 13 und 25 weitere materielle Schäden entstanden seien.
Er hat, wie bereits vor dem Landgericht, weder dargelegt, welche Rechnungspositionen aus seiner Gesamtschadensaufstellung sich auf die Zähne 25 und 13 beziehen sollen, noch ergibt sich hierzu etwas aus den nicht zuordenbaren vorgelegten Rechnungskonvoluten.
Es reicht nicht aus, wenn der Kläger in der Berufung ergänzend vorträgt, dass die nachgewiesenen Kosten über zahnärztliche Behandlungen überwiegend aus der Palladiumproblematik entstanden seien, jedoch auch die Falschbehandlung der Zähne 13 und 25 diese Folgen "ausgelöst haben kann".
Der Kläger hat damit nur eine theoretische Möglichkeit dargestellt und, soweit in diesem Zusammenhang Sachverständigenbeweis angeboten war, sein spezielles Ausforschungsbedürfnis bekundet.
Die Fehler des Beklagten bei der Behandlung der Zähne 13 und 25 sind auch nicht als grobe Behandlungsfehler zu qualifizieren, wie sie einem gewissenhaften Zahnarzt schlechterdings nicht unterlaufen dürften. Dass die Behandlung insoweit grob fehlerhaft erfolgt wäre, hat weder der Kläger ernsthaft behauptet, noch ergibt sich dies aus den Ausführungen des Sachverständigen noch liegen sonstige Hinweise darauf vor, die dem seit Jahren für Zahnarzthaftung spezial zuständige Senat aufgrund seiner reichen Erfahrungen mit zahnärztlichen Kunstfehlern Veranlassung geben könnten, dies auch nur in Erwägung zu ziehen. Mangels grober Fehlerhaftigkeit verbleibt es damit dabei, dass der Kläger auch die Kausalität des Fehlers für behauptete Schäden zu beweisen hat. Insoweit fehlt es jedoch am Nachweis ebenso wie bereits am ausreichenden Vortrag hierzu.
4.
Soweit über das vom Beklagten nicht angegriffene Urteil des Landgerichts hinaus Ansprüche des Klägers für begründet erachtet wurden, ist Verjährung nicht eingetreten. Insoweit nimmt der Senat auf die zur Frage der Verjährung im landgerichtlichen Urteil (Seite 11/12 des Urteils) enthaltenen Ausführungen Bezug, denen er im Ergebnis beitritt.
II.
Die Verwendung palladiumhaltiger Legierungen durch den Beklagten löst keine Ersatzansprüche des Klägers, weder materieller noch immaterieller Art aus.
1.
Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass der Beklagte durch die Verwendung palladiumhaltigen Materials keinen Behandlungsfehler begangen hat.
Auf die Begründung des landgerichtlichen Urteils (dort Seite 12/15 oben) wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich Bezug genommen.
Dieses Ergebnis folgt aus den Ausführungen des Sachverständigen an dessen Unparteilichkeit und allgemeiner fachlicher Kompetenz wie auch dessen Sorgfalt bei der Untersuchung des konkreten Falles - selbst wenn er den Kläger, wie diesem unverständlich erscheint, nicht am Zahnarztstuhl untersucht hat - zu zweifeln auch für den Senat nicht die geringste Veranlassung besteht.
a) Danach hat der Beklagte die klägerseits beanstandeten Palladiumüberkronungen im Jahr 1988 fehlerfrei entsprechend den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt. Auch die Verwendung der beanstandeten Palladiumlegierungen an sich war jedenfalls zum Zeitpunkt der Behandlung durch den Beklagten lege artis. Dies nicht nur deshalb, weil diese Versorgung zum damaligen Zeitpunkt den Empfehlungen der Krankenkassen entsprochen hat. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen bestehen selbst heute keine in den einschlägigen Fachkreisen zumindest weithin anerkannten grundsätzlichen Bedenken gegen die Verwendung von Palladiumlegierungen in der Zahnbehandlung.
b) Wie bereits das Landgericht zutreffend gewürdigt hat, musste der Beklagte ungeachtet dessen, ob der Kläger zum Zeitpunkt der zahnärztlichen Behandlung durch ihn tatsächlich gegen Palladiumlegierungen allergisch war, vor Durchführung der Behandlung den Kläger auch nicht gegebenenfalls im Wege einer Bioverträglichkeitsprüfung - von sich aus ohne Vorliegen von Verdachtsmomenten auf Empfindlichkeiten gegen bestimmte Metall-Legierungen untersuchen. Dies hat nach den Ausführungen des Sachverständigen jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt nicht dem ärztlichen Standard entsprochen (vgl. hierzu auch OLG Hamm, Urteil vom 26.4.99, 3U 207/98, in NJW 99, 3421).
Solche Verdachtsmomente existierten, wie der Sachverständige erläuternd ausgeführt hat, beim Kläger jedoch nicht.
2.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts trifft den Beklagten jedoch ein Aufklärungsverschulden.
a) Zwar brauchte der Beklagte den Kläger zum Zeitpunkt der Behandlung nicht über eventuelle Diskussionen und Bedenken, die zu der Toxizität oder Unverträglichkeit von Kupfer-Palladium-Legierungen geäußert wurden, aufzuklären.
Die hierzu geführte Diskussion war, so der Sachverständige im Jahr 1988 praktisch erst am Anfang. Eine verstärkte Diskussion in den maßgeblichen Fachkreisen kam erst etwa 1992/1993 auf, insbesondere gekennzeichnet durch eine veröffentlichte Empfehlung einer Referentin im Gesundheitsamt. Nach Auffassung des Sachverständigen, der der Senat beitritt, musste ein durchschnittlicher Zahnarzt sich zum Zeitpunkt der Behandlung des Klägers durch den Beklagten mit der Palladiumproblematik (noch) nicht beschäftigen und einen Patienten in dieser Hinsicht auch nicht aufklären. Dies deshalb, da es zum einen zu diesem Zeitpunkt auch in den entsprechenden Fachzeitschriften nicht die (anerkannte) Information gab, dass grundsätzlich eine Problematik bei der Verwendung von Palladiumlegierungen bestünde, zum anderen darüber hinaus auch das Problem von den Krankenkassen nicht nur nicht angesprochen wurde, sondern vielmehr eine Empfehlung der Kassen existierte, derartige Palladiumlegierungen zu verwenden.
An diesem Ergebnis vermögen auch die vom Kläger in seiner Berufung wiederholt zitierten Unterlagen und Literaturhinweise nichts zu ändern. Soweit der Kläger wiederholt behauptet, aufgrund von Feststellungen des Klinikums der zu in dem von ihm erholten Privatgutachten hätten Mitte der 80er Jahre bereits deutliche Warnhinweise zu Palladiumlegierungen bestanden, ist dies lediglich eine Wertung des Klägers, die bei verständiger Würdigung dieses Gutachtens daraus nicht zu ziehen ist. Dies deckt sich auch mit den Aussagen des gerichtlichen Sachverständigen.
Soweit der Kläger darauf hinweist, der Sachverständige sei weder Toxikologe noch Immunologe, wohingegen zur Beantwortung der inmitten stehenden Fragen das Gutachten eines Sachverständigen dieser Fachrichtungen erforderlich sei, trifft dies nicht zu.
Für die Frage, was ein Zahnarzt zu weichem Zeitpunkt zu beachten hatte, um sich nicht dem Vorwurf behandlungsfehlerhaften Verhaltens oder eines Aufklärungsverschuldens auszusetzen, kommt es darauf an, welche Erkenntnisse von ihm als Zahnarzt verlangt werden können. Was von einem Zahnarzt insoweit an Aus- und Fortbildung erwartet werden darf, kann allein durch das Gutachten eines Sachverständigen auf dem Gebiet der Zahnheilkunde dargestellt werden. Dies ist geschehen.
b) Ein Aufklärungsverschulden des Beklagten ist jedoch darin zu sehen, dass er den Kläger nicht, zumindest nicht in ausreichender Weise, auf den von ihm vorgenommenen Materialwechsel (von Gold auf Palladium) hingewiesen hat.
Dies wirkt sich indessen, wie vorzugreifen ist, im vorliegenden Fall nicht aus.
aa) Es deckt sich mit der Auffassung des Senats, dass der Sachverständige es, wie er bei seiner Anhörung vor dem Landgericht bekundet hat, "natürlich" für erforderlich hält, dass der Beklagte den Kläger beim Zeitpunkt des Materialwechsels von Gold auf Palladium über den gewählten Behandlungsweg aufklären habe müssen.
Dies ist verständlich, da es letztlich dem Zahnarztpatienten überlassen bleiben muss zu entscheiden, von welcher Beschaffenheit die ihm einzugliedernden Kronen sind, ob er sich möglicherweise den Empfehlungen seiner Kasse anschließt oder ob er gegebenenfalls bei von ihm selbst zu begleichenden Mehrkosten eine andere Versorgung wählt, die entweder seinem ästhetischen oder seinem gesundheitlichen Empfinden mehr entspricht.
bb) Ein Hinweis auf den Materialwechsel, den der Kläger entschieden bestritten hat, ist nach Auffassung des Senates nicht erfolgt.
In der Patientenkartei des Beklagten ist ein entsprechender Hinweis nicht dokumentiert.
Der Beklagte selbst hat, im Termin vom 29.6.2000 vom Senat persönlich angehört, erklärt, er habe dem Kläger, als dieser mit einer abgebrochenen Verblendung einer Goidkunststoffversorgung und der Frage, ob man da nichts machen könne, gekommen sei, gesagt, "Ja, wir machen eine Keramikverblendung". Dabei, so der Beklagte, sei es "klar", dass kein Gold verwandt wird, denn Keramik könne man nicht auf Gold aufbrennen. Er habe Demonstrationsmodelle, die er jedem Patienten zeige, damit er den Unterschied zwischen Kunststoff und Keramik sehe. Ergänzend hat der Beklagte angegeben, er meine, Herrn sicher gesagt zu haben, dass es ein Farbproblem sei und dass es im hinteren Bereich nicht mehr goldfarbig, sondern platinfarbig aussehe, was er jedem Patienten sage. Obwohl der Kläger all dies bestritten hat und im übrigen bei seinem Vortrag geblieben ist, vom Beklagten auf einen Materialwechsel in keiner Weise hingewiesen worden zu sein, hat der Beklagte sich hinsichtlich des Materialwechsels lediglich dazu geäußert, dass er dem Patienten den Unterschied zwischen Kunststoff und Keramik zeige. Erstmals in einem späteren Schriftsatz der Beklagtenseite hat diese schließlich die Zeugin dafür angeboten, dass der Beklagte auch auf den Materialwechsel hingewiesen habe. Die ladungsfähige Anschrift dieser Zeugin hat der Beklagte jedoch nicht benannt.
Unabhängig hiervon brauchte die Zeugin letztlich auch deshalb nicht gehört zu werden, da es nach den vom Senat erholten Gutachten hierauf nicht mehr ankam.
cc) Der Kläger hat dem Senat überzeugend vermittelt, dass er bei einem Hinweis nicht in den Materialwechsel eingewilligt sondern auf der Versorgung mit Goldkronen bestanden hätte, mit denen er bereits Erfahrung hatte und die er jedenfalls bis zur Behandlung durch den Beklagten in jeder Hinsicht gut vertragen habe. Dies erscheint auch insoweit plausibel, als der Kläger den Eindruck hinterließ, ein eher ängstlicher und vorsichtiger Mensch zu sein, der gerne an Bewährtem festhält.
3.
Ansprüche aus dem fehlenden Hinweis des Beklagten auf den Materialwechsel kann der Kläger jedoch nicht herleiten.
a) Keinerlei Ansprüche ergeben sich für ihn zunächst daraus, dass die fragliche Zahnbehandlung, das Einsetzen von Kronen und die damit zusammenhängenden zahnärztlichen Arbeiten, im Rahmen derer der Kläger Schmerzen und Beeinträchtigungen erdulden musste, erfolgt ist.
Die Alternative für den Kläger bei richtiger Aufklärung war nicht die, die Behandlung gar nicht, sondern sie lediglich unter Verwendung einer anderen Legierung vornehmen zu lassen.
Der Behandlungsaufwand und eventuell dabei erlittene Schmerzen des Klägers wären dieselben gewesen.
b) Ansprüche aus dem fehlenden Hinweis auf den Materialwechsel könnten dem Kläger nur entstehen, wenn sie sich gerade aus der Materialbeschaffenheit ergäben.
Dies als kausale Folge der Behandlung durch den Beklagten nachzuweisen oblag dem Kläger. Der Nachweis ist jedoch nicht gelungen. Ansprüche des Klägers bestehen weder infolge zahnärztlicher Maßnahmen und den dabei entstandenen Kosten im Zusammenhang mit der späteren Entfernung der Kronen und deren Ersetzung durch andere aus einer anderen Legierung, noch aufgrund etwaiger Schäden und Folgeschäden, die durch die Palladiumkronen verursacht worden wären.
aa) Auch wenn sich der Kläger bei umfassender Aufklärung für Goldkronen entschieden hätte, erwächst ihm daraus, dass der Beklagte Palladiumkronen eingesetzt hat, nicht ohne weiteres das Recht, ohne relevanten Anlass einen Austausch der Kronen zu fordern.
Ein dahin gerichteter vertraglicher Anspruch scheitert bereits daran, dass zwischen den Parteien darüber, welches Material verwendet werden sollte, keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wurde. Der Beklagte durfte davon ausgehen, mit dem von den Krankenkassen empfohlenen Palladiummaterial seinen vertraglichen Verpflichtungen zu genügen. Selbst der vom Kläger als Privatgutachter herangezogene Sachverständige stellt hierzu in seinem Gutachten vom 15.9.1997 (Anlage K 1) fest, dass aufgrund der 1988 geltenden Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen dem Beklagten hinsichtlich seiner Wahl des Legierungsmaterials für die Versorgung des Klägers keinerlei Vorwurf gemacht werden kann.
Für den Fall, dass der Kläger eine vertragliche und gegebenenfalls einklagbare Verpflichtung des Beklagten dahingehend sieht, ihn unter Entfernung der Palladiumkronen mit Goldkronen zu versorgen, wäre es an ihm gelegen, dies bei Vertragsschluss entsprechend zu artikulieren, was der Kläger jedoch nicht getan hat.
bb) Wenn der Beklagte auch eine aus zahnarztvertraglicher Sicht zwar ordnungsgemäße Legierung eingebracht hat, hat sein Verhalten in haftungsrechtlicher Hinsicht jedoch gleichwohl insoweit Folgen, als er für Schäden des Klägers materieller und immaterieller Art einzustehen hat, die diesem aufgrund der von ihm ohne Hinweis vorgenommenen Materialauswahl entstanden sind.
Solche Schäden sind jedoch nicht eingetreten und nachgewiesen, wie sich für den Senat aufgrund der von ihm erholten beiden Gutachten des Toxikologen und des Neurologen zweifelsfrei ergibt.
Beide Sachverständige haben in ihren ausführlich begründeten Gutachten, in denen sie sich mit allen relevanten Aspekten ebenso wie mit anderen Meinungen und den mannigfachen vom Kläger durchgeführten Tests sowie den daraus zu gewinnenden Ergebnissen gewissenhaft auseinandergesetzt haben, dem Senat die sichere Überzeugung vermittelt, dass eine Palladiumunverträglichkeit des Klägers oder gar eine Palladiumintoxikation nicht nachvollziehbar ist und die vom Kläger zur Beseitigung ihm vermeintlich durch die Einbringung von Palladium in seinen Mundraum entstandener Schäden getroffenen Maßnahmen ihre Rechtfertigung allein in der subjektiven Vorstellungswelt des Klägers finden.
Der Sachverständige zieht als Fazit, dass die nach 1988 beim Kläger aufgetretenen Erkrankungen mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nicht durch eine Intoxikation durch paliadiumhaltigen Zahnersatz verursacht wurden.
Dieses Ergebnis hat der Sachverständige im einzelnen überzeugend erläutert.
So lassen sich danach beispielsweise aus den beim Kläger durchgeführten Human-Biomonitoring-Untersuchungen keine Schlussfolgerungen im Sinne des Klägers ziehen.
Blutuntersuchungen des Klägers aus dem Jahr 1994, sechs Jahre nach der Palladiumversorgung durch den Beklagten, würden lediglich den Schluss zulassen, dass beim Kläger zum Untersuchungszeitpunkt ein gegenüber dem Mittelwert der untersuchten Population um den Faktor 2 erhöhter Pd-Gehalt im Blut vorlag. Da keine Obergrenze des Referenzbereiches angegeben ist, würden sich, so der Sachverständige keine weiteren Schlussfolgerungen ziehen lassen. Aus dem Wert, wie er im Befund dargestellt sei, lasse sich keine Aussage zur toxikologischen Bedeutung ableiten. Zum Auffinden von Palladium im Urin des Klägers aufgrund einer Befundung vom 5.10.1996 stellt der Sachverständige fest, dass die damals erhobene Palladiumkonzentration im Bereich der bei nicht beruflich exponierten Personen bestimmten Werte liege. Auch eine Beziehung zwischen dem Palladium in den Zahnkronen des Klägers und dem Palladiumgehalt im Speichel nach Kaugummikauen sei eindeutig nicht aus den Werten ableitbar. Schließlich, so seien auch die Analysen von Metallen in Zähnen, wie sie vom 1.6.1995 und 19.8.1997 vorliegen, in ihrer Aussage fraglich. Auch bei diesen beiden Analysen sei es so gewesen, dass zu einem expositionsnahen Zeitpunkt 1995 der Palladiumgehalt "normal" war, während 1997, also zwei Jahre nach Entfernung des palladiumhaltigen Zahnersatzes, ein "erhöhter" Palladiumgehalt gefunden wurde. Eine weitergehende Interpretation dieser Analysen sei nicht möglich. Der gerichtliche Sachverständige stellt hierzu abschließend fest, dass eine detaillierte Betrachtung der Palladiumwerte im Blut, Urin und Speichel des Klägers mit neueren publizierten Daten zeige, dass seine innere Palladiumbelastung in einem Bereich lag, in dem in mehreren Untersuchungen auch die Werte für nicht exponierte Personen lagen. Anhaltspunkte für eine gegenüber der Normalbevölkerung erhöhte Palladiumbelastung des Klägers ließen sich daher, so aus den Biomonitoring-Untersuchungen nicht ableiten. Insgesamt sei eine toxikologisch relevante Pd-Belastung beim Kläger aus den vorliegenden Daten nicht wahrscheinlich zu machen. Das gleiche gelte für eine akute oder chronische Vergiftungssymptomatik bei den geschilderten Voraussetzungen.
Soweit von dessen Stellungnahme der Kläger zur Stützung seines Vertrages ebenfalls herangezogen hat, und weiteren Ärzten der palladiumihaltige Zahnersatz als Giftquelle beim Kläger angesehen wurde, ist diese Darstellung, wie der Sachverständige erläutert hat, wissenschaftlich nicht fundiert. Die Freisetzung von Palladium aus den Kronen und Brücken des Klägers in akut oder chronisch toxischen Mengen sei nicht wahrscheinlich zu machen. In Blut und Urin des Klägers waren keine Pd-Gehalte vorhanden, die als Hinweis auf eine toxikologisch relevante Belastung angesehen werden könnten. Alleine aus der Tatsache, dass ein Wert um Faktor 2 über einem nicht näher definierten Normalwert liegt, könne nicht geschlossen werden, dass es sich um eine Pd-Konzentration handelte, für die toxische Wirkungen anzunehmen seien. Ein solches Vorgehen sei unseriös und wissenschaftlich nicht vertretbar. Im vorliegenden Fall, so habe dieses Vorgehen sicher zu einer erheblichen Verunsicherung des Klägers beigetragen, der sich in der Folge dann einer Therapie mit Chelatbildnern unterzog, die mit einem nicht unerheblichen Risiko schädlicher Wirkungen behaftet und aus toxikologischer Sicht nicht zu rechtfertigen gewesen sei. Dem tritt der Senat bei.
Da von den Neurologen und in den Jahren 1995 bzw. 96 beim Kläger eine Polyneuropathie sowie eine Encephalopathie diagnostiziert wurden, die von beiden Ärzten in kausalem Zusammenhang mit der Schadstoffbelastung bzw. einer Palladiumintoxikation gesehen wurden, habe man, so der Sachverständige aufgrund dieser Befunde sowie der unklaren Natur der beschriebenen Läsionen im MRT eine neurologische Zusatzbegutachtung des Klägers veranlasst. Auch daraus ergebe sich, wie der Sachverständige näher dargestellt hat, dass beim Kläger im fraglichen Zeitraum anhand der Aktenlage allenfalls eine grenzwertige demyelinisierende Polyneuropathie anzunehmen und zum Untersuchungszeitpunkt im Januar 2001 eine Polyneuropathie mit Sicherheit auszuschließen sei.
Der Sachverständige hat ausgeführt, dass für keine der nachgewiesenen oder verdächtigen Substanzen ein solch "buntes Beschwerdebild", wie dies vom Kläger vorgetragen wurde, bekannt sei. Das Auftreten dieser gesundheitlichen Störungen, so sei zudem altersentsprechend häufig, so dass daraus auch keine Rückschlüsse auf die Verursachung durch toxische Substanzen gezogen werden können, sondern eine zufällige Korrelation anzunehmen ist. Ein neurotoxischer Effekt von Palladium bzw. palladiumassoziierte Polyneuropathien oder Encephalopathien seien im übrigen in der Literatur nicht bekannt.
Da es sich bei Palladium, so der Sachverständige um einen sensibilisierenden Stoff handele, sei eine getrennte Betrachtung hinsichtlich möglicher allergischer Reaktionen erforderlich, weil bei bestehender Sensibilisierung meist sehr geringe Mengen des sensibilisierenden Stoffes ausreichen würden, um allergische Reaktionen auszulösen. Auch insoweit sind die vom Kläger aufgestellten Behauptungen jedoch nicht bestätigt worden.
Ob beim Kläger, so der Sachverständige, eine klinisch relevante Allergie gegen Palladium bestand, lasse sich retrospektiv nicht mehr mit Sicherheit beantworten. Die vielgestaltige Symptomatik des Klägers wäre im übrigen durch eine Palladiumallergie nur zum Teil erklärbar. Die nachvollziehbar begründete Feststellung des gerichtlichen Sachverständigen dass nach allergologischen Kriterien eine Palladiumallergie beim Kläger nicht sicher erwiesen sei, überzeugt den Senat. Ebenso teilt der Senat die ausdrücklich vorgenommene Bewertung des Gutachters, dass die verantwortlichen Ärzte an diesem Punkt insofern nicht korrekt gehandelt hätten, als sie zur Entfernung des palladiumhaltigen Zahnersatzes rieten - immerhin, so der Sachverständige, eine teure und für den Kläger sicher auch unangenehme Prozedur - ohne dass das Vorliegen einer Palladiumallergie tatsächlich gesichert war.
cc) Abgesehen vom fehlenden Nachweis einer Palladiumintoxikation oder auch nur Unverträglichkeit sind nach dem Gutachten des Sachverständigen auch die Behandlungsmaßnahmen, denen sich der Kläger im Hinblick auf die von ihm angenommene Vergiftung unterzog und die nach Darstellung des Klägers als Folge der falschen zahnmedizinischen Behandlung durch den Beklagten notwendig geworden seien, mit zahlreichen, Fragezeichen zu versehen.
So bestand beispielsweise für das Erlernen des autogenen Trainings angesichts der zu diesem Zeitpunkt ungeklärten Ursache der Symptomatik sicher keine Indikation. Die Notwendigkeit zur Durchführung eines DMPS-Tests im Zusammenhang mit den Behandlungen zur Giftausleitung hat der Sachverständige aus toxikologischer Sicht eindeutig verneint. Vorliegend könne, so aus den Ergebnissen der Human-Biomonitoring-Untersuchungen für Palladium auch keine Indikation für eine Chelatbildner-Therapie abgeleitet werden. Eine Ausleitungstherapie sei weder notwendig noch sinnvoll gewesen. Der Kläger sei im Gegenteil durch die wiederholte Verabreichung des Komplexbildners DMPS dem Risiko schädlicher Nebenwirkungen ausgesetzt gewesen.
Auch hinsichtlich zahlreicher Konsultationen von Ärzten, Zahnärzten und Heilpraktikern durch den Kläger hat der Gutachter Zweifel an der Notwendigkeit dieses Vorgehens geäußert, ebenso wie für diverse, vom Kläger durchgeführte weitere Tests, die zumeist keiner wissenschaftlichen Überprüfung standhalten, zum Teil unseriös sind und, so der Sachverständige, zu unsinnigen Ergebnissen führten. All dem tritt der Senat vorbehaltlos bei.
Zu einer Anhörung der Sachverständigen bestand keine Veranlassung. Sie wurde auch vom Kläger nicht begehrt.
Fragen an den Sachverständigen wurden im Anschluss an die Vorlage der schriftlichen Gutachten nicht formuliert.
Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 14.10.2002 eine gutachtliche Stellungnahme des vom 1.10.2002 vorgelegt und diese zum Gegenstand seines Vortrages gemacht hat, ergibt sich auch hieraus kein weiterer Aufklärungsbedarf.
Die vom Kläger aus der Stellungnahme abgeleitete Feststellung, dass bei ihm eine "Fremdstoffsensibilisierung" vorliege, ist nach den Gutachten der Sachverständigen und weder in dieser Pauschalität noch konkret in Bezug auf die Palladiumversorgung durch den Beklagten zu treffen.
Der Sachverständige hat zu den von beim Kläger vorgenommenen Lymphozytentransformationstests ausgeführt, dass im LTT in erster Linie eine starke Sensibilisierung gegen Gold festgestellt habe. Gerade dies mache die Unvollkommenheit dieses Testes deutlich, denn der Kläger habe schließlich die 1993 eingefügten Kronen aus einer Goldlegierung ohne Probleme vertragen, obwohl laut Befund von Unverträglichkeitsreaktionen wahrscheinlich waren. Da, so der gerichtliche Sachverständige der Kläger auch das 1997 eingefügte hochgoldhaltige Material bestens vertrage, liege die Möglichkeit nahe, dass es sich um ein falsch positives Ergebnis im LTT gehandelt hat. Auch weiteren, zum Teil bereits früher geäußerten Auffassungen von ist der Sachverständige fundiert entgegengetreten. Die ergänzende Stellungnahme des vom 1.10.2002 stellt sich für den Senat teilweise als Versuch dar, die seinerzeit beim Kläger durchgeführten Tests (LTT) zu rechtfertigen, so wenn der private Sachverständige ausführt, dass die Anerkennung eines dabei gewonnenen, möglicherweise positiven Testergebnisses (Metallsensibilisierung) als hinreichende Grundlage einer Kostenerstattung bei der Entfernung der Sensibilisierungsquellen ohne Vorbehalt zu empfehlen sei.
Dies wie auch weitere Ausführungen in der Stellungnahme des privaten Sachverständigen vermögen die Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen und jedoch nicht in Frage zu stellen.
Dafür, dass beim Kläger subjektiv übersteigerte, jedoch objektiv nicht verifizierbare Empfindlichkeiten vorliegen bzw. vorgelegen haben, die ihn im Zusammenspiel mit den Meinungen anderer Personen zu der Annahme verleitet haben, von ihm wahrgenommene Beschwerden seien auf eine Palladiumunverträglichkeit oder -intoxikation zurückzuführen, hat der Beklagte nicht einzutreten.
Mangels jedweder im Zusammenhang mit der Palladiumversorgung nachgewiesener Schäden stehen dem Kläger deshalb insoweit weder materielle noch immaterielle Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92, 97 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit regelt sich nach den § 708 Ziff. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Ende der Entscheidung
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