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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 16.12.1999
Aktenzeichen: 1 U 2183/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
*Es ist in der Regel nicht fehlerhaft, bei der nach einer schweren Beckenverletzung mit Symphysensprengung und Zerfetzung der Bauchdeckenmuskulatur erfolgten Revisionsoperation zur Entfernung der Symphysenverplattung keinen Urologen hinzuzuziehen.

*Wird vor einer solchen Operation auf die Verletzung benachbarter Strukturen als mögliches Risiko hingewiesen, ist der Patient damit grundsätzlich auch über das Risiko einer Blasenverletzung ausreichend aufgeklärt.

*Aus dem Fehlen eines entsprechenden Vermerks in der ärztlichen Dokumentation zur Operation läßt sich folgern, daß eine kennzeichnungspflichtige unübliche Maßnahme - hier die komplette Ablösung der Ansätze der Rectusmuskulatur bei der Plattenentfernung - nicht durchgeführt wurde.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 1 U 2183/98

Verkündet am 16.12.1999

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes u. a.

erläßt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 1999 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 10. Dezember 1997 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000,-- DM.

Tatbestand:

1) Der Kläger nimmt die Beklagten aus behaupteter fehlerhafter ärztlicher Behandlung und Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflichten auf Schmerzensgeld und Schadensersatz in Anspruch.

Am 19.5.1991 erlitt der damals 52-jährige Kläger anläßlich eines Reitturniers in B einen Reitunfall, bei dem er sich unter anderem eine schwere Beckenverletzung mit einer Symphysensprengung von ca. 15 cm Weite und eine Zerfetzung der Bauchdeckenmuskulatur zuzog. Die Symphysenruptur wurde am selben Tag in den Städtischen Krankenanstalten mittels einer Plattenosteosynthese operativ versorgt. Am 5.6.1991 wurde der Kläger in das Klinikum in München, dessen Träger der Beklagte zu 3) ist, verlegt. Der Beklagte zu 2) ist dort Direktor der Chirurgischen Klinik und Poliklinik.

Im Klinikum erfolgte nach einer zwischengeschalteten Rehabilitationsbehandlung in einem anderen Krankenhaus am 5.11.1991 durch den Beklagten zu 1) die Metallentfernung der Symphysenverplattung. Ein Aufklärungsgespräch zu dieser Operation wurde mit dem Kläger am 4.11.1991 geführt und ist mit einer Einwilligungserklärung des Klägers dokumentiert (vgl. Anl. K 5).

Bei der Operation kam es zu einer 2 cm langen Eröffnung der Blase, die durch Übernähen wieder beseitigt wurde. Am 13.11.1991 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen. Einige Tage später wurden durch einen anderen Arzt die Fäden gezogen.

Im Rahmen der operativen Nachsorge empfahl der Beklagte zu 1) dem Kläger die Durchführung von Krankengymnastik, die der Kläger in der Zeit vom 10.2. bis 11.3.1992 in Anspruch nahm. Das Ausüben des Reitsports gestattete der Beklagte zu 1) dem Kläger zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt im ersten Vierteljahr 1992. Die näheren Einzelheiten sind strittig.

Anläßlich einer Untersuchung des Klägers im Klinikum R durch Prof. Dr. wurde im Juli 1992 ein knöcherner Abriß des Musculus rectus abdominis festgestellt. Am 8.10.1992, 1.12.1992 und 22.11.1993 erfolgten Operationen zur Behebung des ausgedehnten Muskel-Faszien-Defekts, zuletzt durch Einpflanzung eines Kunststoffnetzes.

2) a) Der Kläger hat in erster Instanz vorgetragen, bei der Eröffnung der Blase anläßlich der Operation vom 5.11.1991 handele es sich um einen vermeidbaren operativen Fehleingriff, durch den sich der postoperative Verlauf komplizierter gestaltet und der stationäre Krankenhausaufenthalt um 5 Tage verlängert habe.

Darüberhinaus sei bei der Operation vom 5.11.1991 infolge nicht kunstgerechten Vorgehens die Bauchmuskulatur auf Dauer geschädigt worden.

Der Operationsbericht vom 5.11.1991 sei viel zu kurz und genüge bei weitem nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße ärztliche Dokumentation.

b) Über die Möglichkeit einer Blasenverletzung sei der Kläger darüberhinaus nicht ausdrücklich aufgeklärt worden.

c) Auch das Nachsorgeverhalten des Beklagten zu 1) sei von Fehlern geprägt. So habe der Kläger zwei Tage nach der Entlassung am 13.11.1991 eine 6 bis 7 cm lange Auswölbung im Narbenbereich festgestellt. Daraufhin habe er sich noch im November und Dezember 1991 zum Beklagten zu 1) begeben und diesem die Beschwerden mitgeteilt. Dieser habe die Wulst in den Bereich eines Schönheitsfehlers gerückt, statt, wie es richtig gewesen wäre, darauf hinzuweisen, daß die Muskelpartien noch nicht ausgeheilt gewesen bzw. geschädigt oder abgerissen seien. Weiter hätte der Beklagte zu 1) unbedingt eine sofortige Bauchdeckenentspannungsstellung anordnen und die Frage einer Nachoperation abklären müssen. Auf gar keinen Fall hätte Krankengymnastik verordnet werden dürfen. Durch diese fehlerhafte postoperative Behandlung sei es zu dem Abriß des Musculus rectus abdominis gekommen.

Bei einer richtigen Diagnose des Beklagten zu 1) hätte eine zweite Operation viel früher erfolgen können und es wäre nicht zur Erschlaffung und Rückziehung des Bauchmuskels gekommen. Die späteren Heilungschancen wären wesentlich besser gewesen. Auch hätte der Kläger nicht so viele Nachoperationen über sich ergehen lassen müssen.

d) Durch die fehlerhafte Behandlung des Beklagten zu 1) sei der Kläger heute in seiner gesamten Lebensführung massiv beeinträchtigt. Die Blasenentleerung und die Sexualfunktion des Klägers seien gestört. Auch sei es zu einer morphologischen Veränderung am rechten Hoden gekommen. Hinsichtlich des eingepflanzten Kunststofnetzes bleibe zeitlebens das Risiko einer Implantatlagerinfektion bestehen. Weiter sei der Kläger nunmehr zu 80 % berufsunfähig. Er sei kaum noch in der Lage, Pferde zu führen oder auch nur mittelgradige körperliche Leistungen zur Versorgung seines Reiterhofes zu vollbringen.

Auch der Beklagte zu 2) hafte als Vertragspartner des Klägers. Der Beklagte zu 3) habe für eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung seines Organs, des Beklagten zu 2), ohne Entlastungsmöglichkeit einzustehen.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt:

I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld, das in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 100.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit Klageerhebung zu bezahlen.

II. Es wird festgestellt, daß die Beklagten dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die in Zukunft aufgrund der Behandlung am 5.11.1991 entstehen werden, zu ersetzen haben.

3) Sämtliche Beklagte haben Klageabweisung beantragt.

a) Sie haben eine fehlerhafte ärztliche Behandlung des Klägers bestritten. Daß es am 5.11.1991 nicht vermeidbar zu einer Öffnung der Blase kam, sei nicht auf eine ärztliche Sorgfaltspflichtverletzung zurückzuführen, sondern darauf, daß die Blase entgegen ihrer ursprünglichen normalen anatomischen Stelle, trotz sorgfältigen Präparierens nicht erkennbar, über dem oberen Schambeinast nach ventral verzogen gewesen sei. Die Läsion der Blase sei problemlos intraoperativ übernäht worden und diese am Ende des Eingriffs komplikationslos dicht gewesen. Auch die Plattenentfernung sei lege artis erfolgt und ohne hierdurch die Bauchmuskulatur des Klägers zu schädigen. Die Dokumentation der Operation vom 5.11.1991 sei ordnungsgemäß und genüge den Anforderungen an eine sachgerechte Dokumentation.

b) Vor der Operation vom 5.11.1991 sei der Kläger ausführlich und umfassend über Art, Zweck und Hergang des Eingriffs sowie über alle erdenkbaren Risiken aufgeklärt werden.

Der Kläger trage zudem nicht vor, vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden zu sein; eine entsprechende Behauptung wäre auch nicht plausibel.

c) Die ärztliche postoperative Behandlung sei ebenfalls ordnungsgemäß erfolgt. Der Kläger habe den Beklagten zu 1) weder im November noch im Dezember 91 über eine Auswölbung im Narbenbereich unterrichtet. Lediglich am 9.1.1992 habe der Beklagte zu 1) den Kläger zufällig außerhalb der Klinik getroffen, der ihm hierbei erstmals von einer Rectusdehiszenz berichtet habe. Der Beklagte zu 1) habe dem Kläger daraufhin empfohlen, sich umgehend bei ihm in der Klinik vorzustellen, was der Kläger jedoch nicht getan habe. Die Empfehlung einer krankengymnastischen Therapie sei sachgerecht gewesen und deshalb ausgesprochen worden, damit die Muskelmasse möglichst gekräftigt würde, um zu einem späteren Zeitpunkt eine günstige Voraussetzung für eine Revisionsoperation zu erhalten. Eine Schonung oder Bauchdecken-Entspannungsstellung hätte zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Wirkung mehr gehabt. Eine Schädigung der Muskulatur des Klägers sei aufgrund der Empfehlungen des Beklagten zu 1) nicht erfolgt.

Es sei davon auszugehen, daß der Kläger in der Zeit unmittelbar nach der Operation vom 5.11.1991 noch eine Wundschwellung hatte und diese im nachhinein fälschlicherweise bereits der erst später aufgetretenen Hernie zugeordnet habe.

Für die vom Kläger vorgetragene Verletzung bedürfe es eines besonderen, traumatischen Ereignisses im Sinne eines Unfalls. Möglicherweise am 9.1.1992 habe der Kläger dem Beklagten zu T) von einem solchen Ereignis im Zusammenhang mit einem einige Tage zuvor durchgeführten Reittraining berichtet.

d) Die vom Kläger behaupteten Beeinträchtigungen seien ausschließlich auf dessen Unfallverletzungen zurückzuführen. Das verlangte Schmerzensgeld sei erheblich übersetzt.

Sämtliche Beklagte haben die Einrede der Verjährung erhoben.

Der Beklagte zu 2) hat seine Passivlegitimation bestritten.

Der Beklagte zu 3) hat hinsichtlich des Beklagten zu 1) den Entlastungsbeweis angetreten.

4) Das Landgericht hat gemäß Beschluß vom 23.8.1995 (Bl. 61 a d. A.) die Ehefrau des Klägers, Frau W, vernommen sowie den Kläger und den Beklagten zu 1) informatorisch gehört (Bl. 84/90 d. A.). Gemäß Beweisbeschluß vom 6.3.1996 in Verbindung mit Beschlüssen vom 1.7.1996 und 9.7.1997 (Bl. 94/97, 106, 134 d. A.) hat das Landgericht fachunfallchirurgische Gutachten der Sachverständigen Privatdozent (nunmehr: Professor) Dr. P, Prof. Dr. T vom 23.1.1997 und 9.9.1997 (Bl. 109, 138 d. A.) sowie ein fachröntgenologisches Zusatzgutachten vom 9.3.1997 erholt.

Die Klage hat das Landgericht sodann im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, daß es dem Kläger nicht gelungen sei, den Beweis für ärztliche Fehler oder Versäumnisse zu erbringen.

Sachverständig beraten hat das Landgericht festgestellt, daß der Eingriff vom 5.11.1991 nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, die Eröffnung der Blase angesichts der anatomischen Gegebenheiten nicht vorwerfbar und eine Schädigung der Bauchmuskulatur durch die Operation vom 5.11.1991 nicht bestätigt sei.

Die dem Kläger zuteil gewordene Aufklärung vor der Operation hat das Landgericht als ausreichend angesehen, zumal im Aufklärungsformular auch die "Verletzung benachbarter Strukturen" als mögliches Risiko angegeben sei und der Kläger darüberhinaus für den Fall einer umfangreicheren Aufklärung keinen echten Entscheidungskonflikt dargelegt habe.

Hinsichtlich der operativen Nachbehandlung hat das Landgericht wegen der weitestgehend fehlenden schriftlichen Dokumentation die Sachdarstellung des Klägers und seiner Ehefrau zugrundegelegt und auch auf dieser Grundlage den Nachweis einer fehlerhaften Nachbehandlung nicht als erbracht angesehen.

An die festgestellten Dokumentationsmängel hat das Landgericht keine Beweislastumkehr zugunsten des Klägers geknüpft, da die Dokumentationslücke vorliegend keinen groben Behandlungsfehler indiziere, der als solcher die Grundlage einer Beweislastumkehr bilden könne.

5) Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag in vollem Umfang weiter.

Er trägt vor, die Verletzung der Blase hätte vermieden werden können. Mit veränderten anatomischen Bedingungen sei zu rechnen gewesen. Diese hätten durch sorgfältigere diagnostische Maßnahmen und unter Hinzuziehung eines Urologen geklärt werden müssen.

Weiter ist der Kläger der Auffassung, der festgestellte Dokumentationsmangel ziehe eine Beweislastumkehr zu seinen Gunsten nach sich, weshalb die Beklagten nachzuweisen hätten, daß die Bauchwandhernie nicht auf eine Fehlbehandlung zurückzuführen sei. Diesen Nachweis hätten sie nicht erbracht. Darüberhinaus liege eine Kausalität zwischen der Durchtrennung des Rectus-Ansatzes und der späteren Bauchwandhernie geradezu auf der Hand. Der allgemeine Hinweis auf die mögliche Verletzung von benachbarten Strukturen ohne Erklärung der besonderen Risikosituation der Operation hätte als Aufklärung nicht ausgereicht. Bei vollständiger Aufklärung hätte der Kläger mindestens einen weiteren Chirurgen über die Möglichkeit der möglichst schonenden Metallentfernung befragt und auch auf der Hinzuziehung eines Urologen zur Operation bestanden. Diese Entscheidungsmöglichkeit sei ihm genommen worden.

Schließlich wiederholt der Kläger seinen Vortrag, daß er den Beklagten zu 1) allein im November/Dezember 91 vier bis fünf mal und sodann im Januar/Februar 92 weitere vier mal in der Ambulanz des Klinikums aufgesucht habe, wo sich der Beklagte zu 1) bereits 7 Tage nach der stationären Behandlung ein Bild von der sich abzeichnenden Wulst habe machen können, die der Beklagte zu 1) jedoch entgegen den tatsächlichen Gegebenheiten als normal angesehen habe. Die Unterlassung einer differentialdiagnostischen Abklärung sei grob fehlerhaft gewesen.

Krankengymnastik hätte der Beklagte zu 1) angesichts der operationsbedürftigen Bauchwandhernie nicht verordnen dürfen. Auch hätte er dem Kläger nicht gestatten dürfen, daß dieser, wenn er sich dazu in der Lage sehe, wieder reiten möge. Bei der stattdessen gebotenen sofortigen Durchführung der Bruchoperation wäre kein Schaden in Form eines Muskelabrisses eingetreten.

Der Kläger beantragt:

I. Das Urteil des Landgerichts München I vom 10.12.1997 wird aufgehoben.

II. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 100.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit Klageerhebung zu bezahlen.

III. Es wird festgestellt, daß die Beklagten dem Kläger als Gesamtschuldner sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die in Zukunft aufgrund der Behandlung am 5.11.1991 entstehen werden, zu ersetzen haben.

6) Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholen und vertiefen hierzu im wesentlichen ihren Vortrag aus erster Instanz und führen weiter aus:

Selbst bei Kenntnis der Lage der Blase wäre deren Läsion nicht mit Sicherheit vermeidbar gewesen. Neben- oder Folgewirkungen aus dieser ordnungsgemäß behandelten Verletzung bestünden nicht.

Die zum Zwecke der Plattenentfernung an einer Seite kunstgerecht eingekerbte Muskulatur sei mit Nähten ordnungsgemäß refixiert worden. Eine Schädigung des Muskels sei hierdurch nicht erfolgt.

Es habe sich um die übliche Form der Implantatentfernung gehandelt, die mangels außergewöhnlicher Vorgänge ausreichend dokumentiert sei und dem nachbehandelnden Arzt in verständlicher Weise alle erforderlichen Kenntnisse vermittle.

Hinsichtlich der postoperativen Nachsorge betont der Beklagte zu 3), daß der Kläger den Beklagten zu 1) während der Monate November 1991 bis Februar 1992 nicht in seiner Sprechstunde besucht habe, die Diagnose des Bauchwandbruchs am 9.1.1992 bei einem Besuch des Beklagten zu 1) im Geschäft des Klägers gestellt worden sei, wo dieser unter anderem schwere Lasten getragen habe. Die Empfehlung des Beklagten zu 1) an den Kläger, sich in der Klinik vorzustellen, habe dieser nicht befolgt.

Die Beklagten zu 1) und 2) tragen vor, von einer Bauchwandhernie habe der Beklagte zu 1) erstmals anläßlich eines mehrere Monate nach der Operation stattgefundenen zufälligen Treffens im Reitsportgeschäft des Klägers erfahren. Krankengymnastik sei zur Stärkung der Muskulatur empfohlen worden; die Hernie oder der Muskelabriß seien weder dadurch noch durch das Gestatten leichter reitsportlicher Übungen verursacht worden.

Bestritten bleibe, daß der vom Kläger behauptete Schaden behandlungsbedingt eingetreten sei.

7) Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben gemäß Beschluß vom 10.8.1998 (Bl. 221/226 d. A.) durch Einholung einer weiteren schriftlichen gutachterlichen Stellungnahme der Sachverständigen Prof. Dr. T und Prof. Dr. P vom 8.1.1999 (Bl. 247/258 d. A.). Der Sachverständige Prof. Dr. P wurde hierzu im Termin vom 28.10.1999 angehört. Insoweit wird auf Bl. 291/297 d. A. Bezug genommen. Darüberhinaus hat der Senat den Kläger sowie den Beklagten zu 1) persönlich angehört (Bl. 285-296 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Dem Kläger stehen gegen die Beklagten keinerlei Ansprüche zu, da weder ein ärztlicher Behandlungsfehler noch ein Verstoß gegen die ärztliche Aufklärungspflicht erwiesen ist.

1) Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. T und Prof. Dr. P steht fest, daß die Operation am 5.11.1991 nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt wurde.

a) Hinsichtlich der Eröffnung der Blase haben die Sachverständigen bereits in ihrem schriftlichen Gutachten vom 23.1.1997 festgestellt, daß eine Verletzung des Blasendaches auch bei sorgfältigster präparativer Technik, insbesondere wenn, wie es beim Kläger der Fall war, massive Verletzungen vorangegangen sind, nicht immer sicher zu vermeiden ist. Die in den ärztlichen Berichten zu den vorangegangenen Operationen vom 19. bzw. 20. Mai 1991 dokumentierte Symphysendiastase von 15 cm, eine handballgroße Hämatomhöhle sowie das Vorliegen einer völlig zerfetzten Bauchdeckenmuskulatur würden dafür sprechen, daß ausgeprägte Vernarbungen vorgelegen haben.

Ergänzend haben die Sachverständigen T und P ausgeführt, die Komplikation der Blasenöffnung hätte auch durch Zuziehung eines Urologen nicht zwingend vermieden werden können; auch dabei komme es zu Verletzungen von narbig verzogenen Harnblasen. Die fehlende Zuziehung des Urologen könne deshalb ebenfalls nicht als Behandlungsfehler angesehen werden.

Auf weiteren Einwand der Klageseite hat der Sachverständige P in der mündlichen Anhörung ergänzend dargelegt, daß eine Kontrastmitteldarstellung bei Verdacht auf Verlagerung der Blase nicht Standard sei, weil sich auch danach intraoperativ Blasenschädigungen nicht gänzlich ausschließen ließen.

Die Verletzung der Blase wurde nach den überzeugenden Angaben der Sachverständigen T und P nach den Regeln der ärztlichen Kunst versorgt; eine komplikationslose Verheilung dieser Verletzung ist erwiesen.

Etwaige Miktionsstörungen oder eine erektile Dysfunktion könnten, so die Sachverständigen, nicht auf die Verletzung des Blasendachs in der Operation vom 5.11.1991 zurückgeführt werden. Vielmehr seien entsprechende urogenitale Störungen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die originär beim Reitunfall erlittenen Verletzungen des Klägers zurückzuführen. Erklärbar seien sie durch primär nicht erkennbare Zerreißungen von Nervengeflechten.

Nur am Rande sei bemerkt, daß, wie sich dem Operationsbericht zu der von Prof. C durchgeführten Nachoperation vom 8.10.1992 entnehmen läßt, dort ebenfalls die Blase verletzt wurde. Die von den Sachverständigen dargelegte schicksalhafte Unvermeidlichkeit solcher Verletzungen dürfte dadurch eine gewisse Bestätigung erfahren haben.

b) Dafür, daß bei der Operation vom 5.11.1991 die Bauchmuskulatur des Klägers geschädigt worden sei, hat der Kläger ebenfalls nicht den von ihm zu leistenden Nachweis erbracht.

Die Sachverständigen T und P haben hierzu in ihrem ersten Gutachten festgestellt, daß nach vorliegendem Operationsbericht der Eingriff nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt sei. Inwieweit die Ansätze der Rectusmuskulatur zur Entfernung der Platte abgelöst werden mußten, lasse sich anhand des Operationsberichts zwar nicht komplett nachvollziehen. Das Entfernen der Platte selbst werde jedoch als problemlos beschrieben; auch eine bei der kompletten Ablösung der Muskelansätze notwendige, zumindest subperiostale, wenn nicht sogar transossäre Nahtrefixation werde nicht erwähnt, so daß von gutachterliche Seite davon ausgegangen werden müsse, daß keine komplette Ablösung der Rectusansätze erfolgte, vielmehr lediglich, wie üblich, die medial gelegenen Ecken des Rectusansatzes eingekerbt worden seien.

Ausdrücklich bestätigt durch die Sachverständigen T und P wurde, daß beklagtenseits alle derzeit verfügbaren chirurgischen Möglichkeiten ausgeschöpft worden seien, um einen späteren Muskelabriß zu vermeiden. Die Vorgehensweise zur Entfernung des Implantates sei nach den vorliegenden Unterlagen als in chirurgisch üblicher Weise erfolgt anzunehmen.

Hiervon ist auch der Senat überzeugt.

Etwaige Dokumentationsmängel können weder zu Beweiserleichterungen für den Kläger noch gar dazu führen, im Wege einer Umkehr der Beweislast den Beklagten den Nachweis dafür aufzubürden, daß ärztliches Verhalten nicht zu einer Schädigung der Muskelmasse des Klägers geführt habe.

Die Dokumentation zur Operation vom 5.11.1991 ist, wie sich auch der gutachterlichen Äußerung der Sachverständigen T und P entnehmen läßt, wenn auch knapp gefaßt, so doch immerhin ausreichend, um einem medizinisch Kundigen ein klares Bild davon zu verschaffen, was gemacht wurde und was nicht. Das Fehlen eines Vermerkes indiziert in erster Linie, daß eine aufzeichnungspflichtige Maßnahme unterblieben ist. Wenn eine komplette Ablösung der Muskelansätze, die in jedem Fall dokumentationspflichtig gewesen wäre, nicht dokumentiert ist, läßt sich bereits daraus folgern, daß eine solche unübliche Maßnahme eben gerade unterblieben ist. Dies bestätigt auch die Anhörung des Beklagten zu 1) vor dem Senat. Dieser hat, insoweit in Ergänzung zu der vorliegenden schriftlichen Dokumentation, dargelegt, daß bei der Operation vom 5.11.1991 die Platte links so gelegen gewesen sei, daß man die beiden Schrauben problemlos habe ablösen können, ohne den Muskel, der auf einer Länge von 4 cm fest an der Symphyse angewachsen ist, zu berühren. Rechts habe der Muskel auf einer Länge von 1 cm eingekerbt werden müssen; dann habe die, Platte entfernt werden können. Die Einkerbungsstelle sei mit einer kräftigen Naht refixiert worden. Der Operationsbericht, so der Beklagte zu 1), sei deshalb relativ kurz, weil die Operation außer der Blasenöffnung keine weiteren Probleme gemacht habe. Der Muskel selbst sei narbig verändert gewesen. Aus dieser Darstellung in Verbindung mit den Gutachten der Sachverständigen T und P ergibt sich auch, daß eine vollständige Ausheilung der Verletzungsfolgen beim Kläger bereits zum Zeitpunkt der Plattenentfernung vom 5.11.1991 in einem Maße, wie dies der Kläger für sich in Anspruch nehmen und woraus er eine intraoperative Muskelverletzung ableiten will, offensichtlich noch nicht erfolgt war. Bereits in ihrem schriftlichen Gutachten führten die Sachverständigen aus, die knappe Darstellungsweise des OP-Berichts lasse den Eindruck aufkommen, daß vollkommen regelrechte anatomische Verhältnisse vorlagen, eine Annahme, die sich allerdings nicht mit der extraanatomischen Verlagerung der Blase in Einklang bringen lasse. Nach der Anhörung des Beklagten zu 1), an den er selbst auch Fragen richtete, hat der Sachverständige P hierzu ergänzend ausgeführt, das Gewebe im Verletzungsbereich des Klägers sei schon für sich stark geschädigt gewesen. Daß es auch noch zum Zeitpunkt der Operation links geschwächt war, ergebe sich daraus, daß links ohne Einkerbung der Muskulatur die Schrauben entfernt werden konnten. Hinsichtlich der auf der rechten Seite vorgenommenen Einkerbung könne es, so der Sachverständige, auch durchaus vorkommen, daß sich der Einschnitt bei einem solch vorgeschädigten Gewebe etwas erweitere.

2) Auch ein Aufklärungsverschulden liegt nicht vor. Beziehen könnte sich ein solches Aufklärungsverschulden ohnedies nur auf die Frage, inwieweit der Kläger vor der Operation über eine mögliche Blasenverletzung aufgeklärt wurde.

a) Unabhängig davon, daß bereits die beiden Sachverständigen T und P aus ihrer medizinischen Sicht die dokumentierte Aufklärung des Klägers als ausreichend angesehen haben, steht dieses Ergebnis auch nach der eingehenden Prüfung durch den Senat fest.

In dem vom Kläger unterzeichneten Aufklärungsformular ist die "Verletzung benachbarter Strukturen" als mögliches Risiko angegeben. Der Begriff "Strukturen" ist hierbei zwar äußerst allgemein gehalten. Die Vorstellung, daß damit nur kleinere Gewebeteile oder unbedeutende Randstrukturen gemeint gewesen sein könnten, daß der Kläger insoweit nur auf allenfalls vernachlässigbare Blutungen gefaßt sein mußte, die keinen zusätzlichen operativen Mehraufwand verursachen würden, konnte damit jedoch bei verständiger Würdigung nicht verbunden sein. Mochte "der Kläger unter Umständen auch die Verletzung eines Organs nicht sofort unter den Begriff "benachbarte Strukturen" subsumiert haben, hätte er bei näherer Überlegung gleichwohl auch diese Möglichkeit mit einbeziehen müssen. Dies mußte sich ihm bereits deshalb erschließen, da er massivste, mehrfach operativ versorgte Verletzungen in einem Bereich erlitten hatte, dem, wie sich auch bei laienhafter Bewertung ergibt, unschwer auch die Blase aufs engste örtlich zuordenbar ist. Ärztlicherseits konnte angesichts der konkreten Situation ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß dem Kläger mit der ihm erteilten Aufklärung auch das Risiko einer Blasenverletzung bewußt war.

Ein besonderes, erhöhtes Risiko im Hinblick gerade auf die mögliche Verletzung der Blase des Klägers lag nach den Angaben der Sachverständigen T und P nicht vor. Die Risiken von atypischen Organlagen entsprächen den bei sämtlichen Implantatentfernungen auftretenden Risiken. Auch hieraus läßt sich somit keine weitergehende Aufklärungspflicht ableiten.

b) Selbst wenn im übrigen - wie nicht - die Aufklärung unzureichend gewesen sein sollte, würde dies noch nicht bedeuten, daß der Kläger darauf Ansprüche stützen könnte.

Erforderlich wäre weiter, daß der Kläger sich bei vollständiger Aufklärung in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte, der seine Einwilligung zu der Operation als zumindest fraglich erscheinen ließe. Diesen Entscheidungskonflikt müßte der Kläger zudem nicht nur behaupten, sondern dem Gericht auch plausibel machen.

Auch an dieser Voraussetzung fehlt es vorliegend.

Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt und plausibel gemacht, warum er im Fall einer entsprechenden Risikoaufklärung aus seiner Sicht vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte, aus dem heraus eine mögliche Ablehnung der Behandlung, wie beklagtenseits beabsichtigt, nachvollziehbar würde. Der Kläger selbst hat bei seiner Anhörung durch den Senat erklärt, ohne dies näher präzisieren zu können, er wisse nicht, was er getan hätte, hätte man ihm die Möglichkeit einer Blasenverletzung eröffnet. Der Kläger hat somit nicht einmal behauptet, die Operation in der vorgesehenen Weise und zum vorgesehenen Zeitpunkt abgelehnt zu haben, geschweige denn, daß er Gründe für ein etwaiges Zögern genannt hätte. Im Hinblick darauf, daß die Entfernung der Metallplatte wegen bereits vorhandener Schraubenlockerungen indiziert war, der Kläger zu den ihm freundschaftlich verbundenen Beklagten zu 1) besonderes Vertrauen gefaßt hatte und selbst bei einer Blasenverletzung mit deren komplikationsloser Beseitigung zu rechnen war, ist der Senat überzeugt, daß der Kläger selbst bei einem noch intensiveren Hinweis auf die Möglichkeit einer Organverletzung vor keinem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte, sondern auch dann der Operation, so wie sie anschließend durchgeführt wurde, zugestimmt hätte.

3) Schließlich läßt sich auch für den Bereich der ärztlichen Nachsorge weder ein fehlerhaftes Handeln oder Unterlassen des Beklagten zu 1) - oder eines anderen Beklagten - noch die Kausalität eines solchen Verhaltens für den Eintritt eines bestimmten Schadens beim Kläger feststellen. Es ist vom insoweit beweisbelasteten Kläger weder nachgewiesen, daß der Beklagte zu 1) fehlerhaft die Ausprägung einer Hernie verkannt, noch daß er durch unzureichende Therapieempfehlungen oder -maßnahmen zu einer vermeidbaren Schädigung des Klägers beigetragen habe.

a) Die vom Kläger bereits kurz nach der Entlassung aus dem Krankenhaus festgestellte Wulst, die an keiner Stelle als Hernie dokumentiert ist, konnte, wie dies die Sachverständigen T und P erklärt haben, mehrere Ursachen gehabt haben. Es konnte sich insoweit um eine Hämatombildung, ebenso um eine Ansammlung von Gewebswasser oder auch um die Folge einer Infektion gehandelt haben. Die Möglichkeit, diese Wulst als Hernie zu diagnostizieren, hätte sich nach Angaben des Sachverständigen P in seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat erst nach ca. 2 bis 4 Wochen ergeben, wobei, so der Sachverständige, man hierbei auch beachten müsse, daß eine Hernie nicht plötzlich da sei, sondern es sich um einen sich langsam entwickelnden Vorgang handle, wenn nicht ein erneutes Trauma dazwischenkomme. Daß der Kläger nach Ablauf dieses Zeitraums vom Beklagten zu 1) untersucht worden wäre, ist nicht nachgewiesen.

Unstreitig ist, daß der Kläger nach dem Entfernen der Fäden zwei bis dreimal den Beklagten zu 1) aufgesucht hat und daß es auch zu einem weiteren Treffen im Geschäft des Klägers gekommen ist. Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht vom 29.1.1996 darüberhinaus vorgetragen, daß zusätzliche Besuche beim Beklagten zu 1) stattgefunden hätten, wobei er diese Besuche wie folgt zeitlich fixiert hat: 17./18.11.1991, eine Woche nach diesem Zeitpunkt, drei weitere Besuche in der Zeit bis Ende 1991, 10./11.1.1992, ein Besuch in der zweiten Januarhälfte, ein Besuch nach dem 10.2. sowie ein Besuch in der zweiten Februarhälfte und Anfang März. Die Daten für die Besuche leitet der Kläger zum Teil aus verschiedenen Umständen ab, zum Teil verknüpft er sie mit diversen Begebenheiten.

Keineswegs vermochte der Kläger jedoch nachzuweisen - auch wenn für einige Besuche die Tatsache, daß sie stattgefunden haben, von der Ehefrau des Klägers bestätigt wurde -, daß er gewissermaßen in fortlaufender ärztlicher Behandlung beim Beklagten zu 1) gewesen wäre und sich diesem Beklagten in diesem Zeitraum die Diagnose einer Hernie zu einem bestimmten Zeitpunkt hätte aufdrängen müssen.

Der Senat sieht zwar keine Veranlassung, an der Glaubwürdigkeit des Klägers zu zweifeln, wohl aber - ohne hiermit einen Vorwurf zu verbinden - dazu, die Qualität seines Erinnerungsvermögens etwas in Frage zu stellen. Die Darstellung des Klägers von der Chronologie der Ereignisse zeichnet sich nämlich, wozu die seit 1991 verstrichene lange Zeit beigetragen haben kann, durch mehrfache Ungenauigkeiten und Widersprüche aus. Dies räumt zum Teil auch der Kläger selbst ein, der sich bei seiner Anhörung durch den Senat in mehrfacher Hinsicht unsicher war. Auch der Beklagte zu 1) sieht sich insoweit zu einer präzisen zeitlichen Einordnung von Treffen mit dem Kläger nicht in der Lage.

Verbleibende Zweifel müssen jedoch zu Lasten des Klägers gehen, dem die Darlegungs- und Beweislast für ein ärztliches Fehlverhalten zukommt. Folgende Ungenauigkeiten in der Darstellung des Klägers sind beispielsweise hervorzuheben:

Das Datum des Besuchs des Beklagten zu 1) im Reitsportgeschäft des Klägers, das der Kläger, wie auch der Beklagte zu 1) zunächst auf den 9.1.1992 gelegt hat, ist fraglich. Im Zusammenhang damit soll vom Beklagten zu 1) Krankengymnastik befürwortet worden sein. Diese ist aber unstreitig erst ab 10.2.1992 durchgeführt worden. Der Kläger, auf diese Unstimmigkeit hingewiesen, hat eingeräumt, so wie sich auch der Beklagte zu 1) letztlich nicht mehr festlegen konnte, daß der Besuch auch zu einem anderen Zeitpunkt, unter Umständen erheblich später erfolgt sein könnte. Dieses Datum für den Besuch hätte aber immerhin von einiger Bedeutung sein können, da zu diesem Zeitpunkt vom Beklagten zu 1) möglicherweise eine Hernie diagnostiziert worden sein bzw. dem Beklagten zu 1) sich diese Möglichkeit geboten haben sollte.

Auch zum Zeitpunkt des vom Kläger behaupteten Besuchs zweier befreundeter Tierärzte, die Feststellungen zur Ausprägung der Hernie gemacht haben sollen, finden sich ebenfalls unterschiedliche Darstellungen des Klägers, wobei einmal der November, das andere Mal der Jahreswechsel 91/92, dann wiederum der Zusammenhang mit dem Geburtstag des Klägers genannt wurde. Diese beide Personen, die möglicherweise eine bestimmten Befund hätten bestätigen können, aus denen der Sachverständige unter Umständen Schlußfolgerungen hätte ziehen können, hat der Kläger jedoch nicht zum Beweis angeboten.

Auch der Zeitpunkt, zu dem der Beklagte zu 1) dem Kläger wieder das Reiten erlaubt haben soll, was sich nach Darstellung des Klägers als verhängnisvoller Ratschlag erwiesen habe, läßt sich bereits nach den Ausführungen des Klägers nicht näher einordnen. Hier differieren die Angaben des Klägers ebenfalls um ca. einen Monat. Zunächst legte er bei seiner Anhörung vor dem Landgericht am 29.1.1996 die ihm erteilte Erlaubnis zum Reiten auf Anfang März 1992, bestätigt durch die Zeugin W, die insofern von Ende Februar 1992 sprach. Gegenüber dem Senat erklärte der Kläger im Termin vom 28.10.1999, er habe Ende Januar mit dem Reiten begonnen, als ihm der Beklagte zu 1) das "OK gegeben" habe.

Schließlich konnte der Kläger auch nicht mehr genau angeben, wann Prof. C ihn das erste Mal gesehen habe, wobei die Diagnose einer Hernie erfolgt sei. Er hat insoweit zunächst gemeint, dies sei ca. im März 1992 gewesen, dann aber eingeräumt, daß es auch einige Monate später gewesen sein könne.

All diese Ungenauigkeiten führen dazu, daß dem Senat eine exakte Darstellung der Chronologie der Ereignisse nicht möglich ist. Rechnungsmäßig ist lediglich eine Beratung für den 9.1.1992 dokumentiert, wobei letztlich nicht feststeht, bei wem diese Beratung erfolgt ist, aus welchem Grund sie vorgenommen wurde und zu welchem Ergebnis sie geführt hat.

Bei der Bewertung des klägerischen Vorbringens mußte auch Berücksichtigung finden, daß keineswegs erwiesen ist, daß jeder Besuch beim Beklagten zu 1), selbst wenn es mehr Besuche gewesen sein sollten als vom Beklagten zu 1) eingeräumt wurde, mit einer körperlichen Untersuchung des Klägers durch diesen Beklagten verbunden gewesen sein muß, wenngleich sich der Kläger dergestalt erinnern zu können glaubte. Kläger und Beklagter zu 1) kannten sich, duzten sich und waren zumindest ansatzweise befreundet. Der gemeinsam betriebene Reitsport und insbesondere auch das Interesse des Klägers, als Mitglied der Reiterequipe an der Olympiade teilzunehmen, war Gegenstand mehrerer Gespräche zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Kläger seit dem Unfall des Klägers im Jahr 1991 und vor allem auch nach der Operation vom 5.11.1991. Der Umstand, daß es mit Ausnahme des erwähnten Rechnungsbelegs über eine Beratung vom 9.1.1992 keinerlei Unterlagen über sonstige ärztliche Untersuchungen des Klägers durch den Beklagten zu 1) gibt, stützt eher den Vortrag des Beklagten zu 1), daß die Besuche des Klägers bei ihm nicht nur von geringerer Anzahl waren, als vom Kläger behauptet, sondern dabei auch ohne körperliche Untersuchung des Klägers andere Themen erörtert wurden.

Es ist damit nicht nachgewiesen, daß die Hernie des Klägers vom Beklagten zu 1) fehlerhaft nicht und insbesondere nicht rechtzeitig diagnostiziert worden wäre.

Soweit in Schriftsätzen der Beklagtenseite davon die Rede ist, daß der Beklagte zu 1) am 9.1.1992 eine Hernie diagnostiziert habe, hat dies der Beklagte zu 1) in seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat verneint und richtiggestellt, zum einen dahingehend, daß dieses Datum der Untersuchung nicht gesichert sei - was auch durch den Vortrag des Klägers bestätigt wird -, zum anderen, daß eine entsprechende Diagnose gerade nicht gesteht wurde. Mißverständnisse zwischen dem Beklagten zu 1) und den anwaltlichen Vertretern sind insoweit nicht ausschließbar, zumal der Begriff einer Hernie und die damit zusammenhängenden Fragen des An- und Einreißens des Muskels auch für den Senat erst bei der mündlichen Anhörung des Sachverständigen P klare Konturen annahmen.

Die Sachverständigen T und P haben weiter ausgeführt, daß im Rahmen einer in üblicher Weise erfolgten Implantatentfernung an der Symphyse nicht mit einer Bauchwandhernie zu rechnen sei. Das Unterlassen einer entsprechenden diagnostischen Abklärung durch den Beklagten zu 1) hat der Sachverständige P auch ausdrücklich als aus medizinischer Sicht nicht fehlerhaft bezeichnet.

Dieser Wertung schließt sich der Senat an. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, daß keineswegs gesichert ist, daß die beim Kläger im Juli 92 von Herrn Prof. C diagnostizierte Hernie bei einer Untersuchung 2 bis 4 Wochen nach der Operation vom 5.11.1991 bereits diagnostizierbar gewesen wäre, sich die ursprünglich vorhandene Wulst bereits als Hernie dargestellt hätte oder kontinuierlich in eine solche übergegangen wäre. Nicht ausschließbar ist, daß es aufgrund anderweitiger Umstände zur Hernienbildung kam, wobei auch ein zeitlich nicht näher einordenbares, traumatisierendes Erlebnis beim Kläger ursächlich gewesen sein kann. Dies erscheint im Hinblick auf die Erklärung des Klägers zu seinem Reitverhalten zudem nicht fernliegend.

b) Soweit klageseits gegen den Beklagten zu 1) der Vorwurf erhoben wird, dieser hätte durch Unterlassen einer frühzeitigen Revisionsoperation und durch die Empfehlung von Krankengymnastik sowie das Zulassen der Ausübung des Reitsports durch den Kläger dazu beigetragen, daß sich dessen Zustand verschlechtert habe, hat der Kläger auch insoweit einen Nachweis hierfür nicht erbracht.

Hinsichtlich der Kausalität eines Verhaltens des Beklagten zu 1) für Schäden des Klägers ist dieser darlegungs- und beweispflichtig. An dieser Beweislastverteilung vermag weder eine unterlassene Dokumentation noch eine unterlassene Befunderhebung durch den Beklagten zu 1) etwas zu ändern. Die Frage einer ausreichenden Dokumentation stellt sich in diesem Zusammenhang ohnedies nicht, da der Senat nicht davon ausgehen kann, daß entsprechende Untersuchungen des Klägers durch den Beklagten zu 1) stattgefunden hätten, die in einer Dokumentation festzuhalten gewesen wären. Soweit der Beklagte zu 1) es unterlassen hat, eine diagnostische Abklärung vorzunehmen und Befunde zu erheben, liegt nach den Gutachten der Sachverständigen T und P, wie ausgeführt, kein Fehler vor. Selbst wenn man jedoch von einem Fehler ausginge, wäre dieser jedenfalls keinesfalls als schwerer Behandlungsfehler einzustufen, wie er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. Nur ein schwerer ärztlicher Fehler konnte jedoch auch bei der Kausalitätsfrage zu Beweiserleichterungen für den Patienten führen. Dafür, daß die unterlassene Befunderhebung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem so deutlichen und gravierenden Befund geführt hätte, daß es sich als grob fehlerhaft darstellen müßte, wenn der Beklagte zu 1) hierauf nicht reagiert hätte - womit es dann ebenfalls Sache des Beklagten wäre, die fehlende Ursächlichkeit der unterlassenen Befunderhebung für den eingetretenen Schaden zu beweisen - spricht ebenfalls nichts.

Unstreitig hat der Beklagte zu 1) die Empfehlung zur Krankengymnastik mindestens über zwei, möglicherweise aber auch erst drei Monate nach der Operation vom 5.11.1991 ausgesprochen, wobei nicht geklärt ist, weicher konkrete Befund zu diesem Zeitpunkt vorlag. Denkbar ist es, so die Sachverständigen T und P, daß die Krankengymnastik zu einer Stärkung des klägerischen Muskelapparates hätte beitragen können. Unter Umständen hätte die Durchführung von Krankengymnastik aber auch zu einer Verschlimmerung des Zustands führen können. Daß letzteres der Fall ist, steht nicht fest, zumal da der Kläger selbst nicht davon gesprochen hat, daß sich nach der Krankengymnastik sein Zustand verschlechtert hätte. Daß die Krankengymnastik zu einem Abreißen des Muskels geführt habe, hält der Sachverständige P für ausgeschlossen, eine Verschlechterung des Zustandes durch die Krankengymnastik für wenig wahrscheinlich. Er persönlich sei der Auffassung, so der Sachverständige P bei seiner Anhörung, daß die Verordnung von Krankengymnastik zu diesem Zeitpunkt nichts mehr verschlimmert habe. Entweder sei zu diesem Zeitpunkt die Hernie schon dagewesen, dann könne sie sich allenfalls vergrößert haben, oder sie war noch nicht dagewesen, dann habe auch die Krankengymnastik den Rectusansatz nicht zum Abriß bringen können.

Daß der Beklagte zu 1) dadurch, daß er dem Kläger die Wiederaufnahme des Reitsports zugestanden hat, dessen Zustand verschlechtert hätte, ist ebenfalls nicht erwiesen. Abgesehen davon, daß diese Erklärung des Beklagten zu 1) bereits zeitlich nicht genau eingeordnet werden kann, hat der Sachverständige P ausgeführt, daß das, was für die Krankengymnastik zu gelten habe, in ähnlicher Weise auch für das Ausüben leichter reitsportlicher Übungen gelte. Von gutachterliche Seite her seien, da die Empfehlung zum Reitsport zumindest erst nach ca. 3 Monaten ausgesprochen wurde, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine negativen Auswirkungen zu erwarten gewesen.

Der Vorwurf, durch eine frühere Revisionsoperation hätte der Beklagte zu 1) einem sich verschlimmernden Zustand des Klägers Einhalt gebieten können, das Unterlassen dieser Operation habe somit geschadet, ist ebenfalls nicht bestätigt. Gänzlich ungeklärt ist, zu welchem Zeitpunkt diese Operation hätte erfolgen müssen und ob sie sich überhaupt noch förderlich hätte auswirken können. Die Sachverständigen T und P haben hierzu dargelegt, unter der Annahme, daß ein frühzeitig aufgetretener Bauchwandbruch diagnostiziert wird, sei sicherlich eine frühzeitige operative Revision indiziert. Sei ein derartiger Zustand jedoch nicht nachweisbar, könne eine frühzeitige, unter den Voraussetzungen nicht indizierte operative Revision eine Gefahr für den Patienten bedeuten. Die Chancen für einen günstigeren Ausgang bei frühzeitiger Revisionsoperation wären bei dem Operationsverfahren, das auch bei der Operation vom 8.10.1992 gewählt wurde, nach Angaben des Sachverständigen P keineswegs sicher, allenfalls wahrscheinlich günstiger und im übrigen in jedem Fall mit dem Risiko eines erneuten Abreißens des Muskels verbunden gewesen. Dies belegt, daß eine möglichst umgehende operative Refixation des Muskels zur Verbesserung der Erfolgschancen nicht geboten war.

Festzustellen ist, daß auch nach der Diagnose der Hernie durch Prof. C noch eine Zeit von mehreren Monaten bis zur Operation vom 8.10.1992 verstrich. Genausogut konnte der Beklagte zu 1) bereits bei der unstreitigen Untersuchung des Klägers in dessen Sportschäft einen Zustand vorgefunden haben, der zu diesem Zeitpunkt durch eine sofortige Operation nicht hätte verbessert werden können, wie es auch die Auffassung des hierzu persönlich angehörten Beklagten zu 1) war.

Eine Bauchdeckenentspannungsstellung sei, so die Sachverständigen T und P, allenfalls kurzfristig nach der Operation sinnvoll und während der ambulanten Behandlung nicht zu realisieren. Insoweit weder das Erfordernis einer entsprechenden Behandlung noch irgendeine Kausalität des Unterlassens einer solchen Behandlung für Schäden des Klägers nachgewiesen.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß nach der gutachterlichen Beurteilung der Sachverständigen T und P, der der Senat folgt, weder erwiesen ist, daß die Krankengymnastik oder das Reiten den Muskelabriß bewirkt haben, noch daß eine frühere Operation mit der erforderlichen Sicherheit eine erneute Muskelelongation und die Notwendigkeit einer weiteren Operation hätte vermeiden können.

4) Die weiteren zwischen den Parteien streitig gebliebenen Fragen, insbesondere die nach der Passivlegitimation sowie der möglichen Verjährung, brauchten nicht mehr entschieden zu werden.

Wie bereits das Landgericht geht auch der Senat von der grundsätzlichen Passivlegitimation des Beklagten zu 2) aus, zwischen dem und dem Kläger ein Vertragsverhältnis zustandegekommen sein dürfte.

Auch eine Verjährung deliktischer Ansprüche wird kaum in Betracht zu ziehen sein.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Gemäß § 546 Abs. 2 ZPO war der Wert der Beschwer festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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