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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 01.03.2001
Aktenzeichen: 1 U 2399/00
Rechtsgebiete: BGB, GG, BayStrWG
Vorschriften:
BGB § 426 | |
BGB § 839 | |
GG Art. 34 | |
GG Art. 90 II | |
BayStrWG Art. 72 |
2. Das Land ist verplichtet, an der Autobahn geeignete und normgerechte Leitplanken anbringen zu lassen und dies durch eine aufmerksame und fachkundige Sichtprüfung vor Ort zu kontrollieren.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen: 1 U 2399/00
Verkündet am 01.03.2001
In dem Rechtsstreit
wegen Forderung
erläßt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.02.2001 folgendes
Endurteil:
Tenor:
I. Auf die Berufung des Beklagten hin wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 21.01.2000 in Ziffern I und II wie folgt abgeändert:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.345,47 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 29.01.1998 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger 1/3 der materiellen und immateriellen Schadensersatzleistungen zu erstatten, die der Kläger aufgrund des klagegegenständlichen Unfalls vom 24.12.1994 an die Geschädigten oder an Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte, auf die Schadensersatzansprüche übergegangen sind, leisten muss.
3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/3 und der Beklagte 2/3.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistungen in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Beschwer des Klägers beträgt 41.386,-- DM, die des Beklagten 82.772,-- DM.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt als Versicherer eines Unfallbeteiligten vom Beklagten für von ihm erbrachte und noch zu erbringende Schadensersatzleistungen den Gesamtschuldnerausgleich.
Am 24.12.1994 befuhr Gabriele R mit ihrem Pkw Golf GTI, amtl. Kennzeichen, der beim Kläger haftpflichtversichert war, auf der Autobahn München-Nürnberg die linke von drei Fahrspuren. Gegen 16:35 Uhr verlor sie bei Kilometer 472, 550 die Herrschaft über ihr Fahrzeug und schleuderte von der linken auf die äußere rechte Fahrspur, wo es zur Kollision mit dem von R V geführten Pkw Ford Sierra, amtl. Kennzeichen kam, der dort mit einer Geschwindigkeit von ca. 90 Stundenkilometern fuhr. In Folge der Kollision wurde der Ford Sierra nach rechts gegen die Leitplanke gedrückt. Die Leitplanke riss ab und drang in den Ford Sierra ein, wobei drei Insassen tödliche Verletzungen und die vierte Insassin A V schwere Verletzungen erlitt. Die Leitplanke war mangelhaft befestigt und öffnete sich infolgedessen schon bei einer untergeordneten Krafteinwirkung. Insbesondere waren an der Verbindung nur vier statt sechs Schrauben angebracht, wobei die zu großen, teilweise u-förmig offenen Bohrlöcher vorschriftswidrig mit dem Schweißbrenner aufgebracht worden waren. Der Abstand der Bohrlöcher zu den Leitplankenenden war nicht normgerecht. Die Mangelhaftigkeit der Leitplankenverbindung war für einen vor- bzw. hinter der Leitplanke stehenden Beobachter erkennbar.
Mit seit 22.08.1995 rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts P, Az: Cs Js wurde G R wegen ihrer vorgenannten Unfallbeteiligung wegen fahrlässiger Tötung in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt.
Der Kläger hat bisher als Haftpflichtversicherer des Pkws der Gabriele R an Geschädigte bzw. Hinterbliebene und an Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte Schadensersatzzahlungen in Höhe von 49.036,42 DM geleistet.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug die Auffassung vertreten, dass der Beklagte, da er den Schaden durch die mangelhafte Leitplanke mitverursacht habe, ihm 50 % seiner Aufwendungen erstatten müsse.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt:
1. Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger DM 24.836,99 nebst 7 % Zinsen hieraus seit 26.05.1995 zu bezahlen.
2. Festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger 50 % der materiellen und immateriellen Schadensersatzleistungen zu erstatten, die dieser aufgrund des Schadensfalles vom 24.12.1994 gegen 16:35 Uhr auf der BAB 9 München-Nürnberg bei Kilometer 472, 550 an die Geschädigten oder an Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte, auf die Schadensersatzansprüche übergegangen sind, leisten muss.
Der Beklagte hat im ersten Rechtszug Klageabweisung beantragt.
Er hat die Ansicht vertreten, dass er seine Verkehrssicherungspflichten nicht verletzt habe. Noch weniger käme ein Verschulden in Betracht. Der Zustand der Leitplanke sei auch nicht ursächlich für die Unfallfolgen gewesen.
Das Landgericht München I hat Beweis erhoben durch Erholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten Dr. P vom 05.10.1998 (Bl. 67 ff. d. A.) verwiesen.
Mit dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 04.02.2000 zugestelltem Urteil vom 21.01.2000 hat das Landgericht München I der Klage weitgehend stattgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil (Bl. 152 ff.) verwiesen.
Hiergegen richtet sich die am 6.03.2000 eingegangene und nach Fristverlängerung am 06.06.2000 begründete Berufung des Beklagten.
Der Beklagte macht geltend, dass Gabriele R wegen einer wesentlich überhöhten Geschwindigkeit von weit über 160 Stundenkilometern ins Schleudern geraten sei. Die Bundesautobahn München-Nürnberg sei in den Jahren 1980 bis 1982 auf sechs Spuren ausgebaut worden. Die Montage der Leitplanken sei ordnungsgemäß ausgeschrieben, von Fachfirmen durchgeführt und durch die Bauaufsicht der Autobahndirektion überwacht worden. Die Leitplanken hätten sich nach dem Ausbau am 06.11.1982 in einwandfreiem Zustand befunden. Sie seien ordnungsgemäß abgenommen worden und hätten keinen Anlass zu Beanstandungen gegeben. Mitarbeiter der Autobahnmeisterei würden die Autobahn arbeitstäglich, bei besonderen Umständen sogar täglich aus dem fahrenden Fahrzeug heraus kontrollieren. Es habe nach Kenntnis der Autobahndirektion an der streitgegenständlichen Unfallstelle seit dem Ausbau bis zum Unfall vom 24.12.1994 keinen Unfall mit einer Beschädigung der Leitplanke gegeben. Der verfahrensgegenständliche Zustand der Leitplanke sei der Autobahndirektion nicht bekannt gewesen. Dieser sei bei den Streckenkontrollen aus dem fahrenden Auto heraus nicht erkennbar gewesen.
Das Landgericht habe die Strafakten der Staatsanwaltschaft Ingolstadt zu Unrecht verwertet und im Zusammenhang mit einer Änderung des Beweisbeschlusses vom 03.06.1998 den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt. Das Landgericht habe wesentliche Beweisangebote des Beklagten außer Acht gelassen. Ein Feststellungsinteresse habe der Kläger nicht dargetan.
Die Zinsentscheidung sei sowohl bezüglich des Verzugszeitpunktes als auch im Hinblick auf die Höhe der zugesprochenen Zinsen fehlerhaft.
Der Beklagte beantragt, das Endurteil des Landgerichts München I vom 21.01.2000, Az: 17 O 23671/97, aufzuheben soweit es zum Nachteil des Beklagten erkennt.
Der Kläger beantragt die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger macht geltend, dass Gabriele R aus ungeklärten Gründen mit ihrem Pkw ins Schleudern geraten sei. Die von ihr gefahrene Geschwindigkeit habe 110 bis 120 Stundenkilometer betragen. Das Mitverschulden der Versicherungsnehmerin des Klägers betrage folglich lediglich 50 %. Die Leitplankenverbindung sei extrem mangelhaft ausgeführt gewesen: Die schweren Verletzungen der Insassen des Ford Sierra seien allein durch die Mägel der Leitplanke bedingt. Das Landgericht habe zurecht die Strafakten verwertet. Der Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör sei nicht verletzt worden. Der Beklagte befinde sich spätestens seit 26.05.1995 in Zahlungsverzug. Bei rechtzeitiger Zahlung habe der Kläger den Klagebetrag auf dem Geldmarkt anlegen und mindestens 7 % Zinsen erzielen können. Das Feststellungsinteresse sei gegeben.
Der Senat hat am 01.02.2001 die Strafakten Js der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Ingolstadt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht (Bl. 221 d. A.).
Im übrigen wird bezüglich des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz auf die Schriftsätze des Klägers vom 01.10. und 06.11.2000 sowie vom 14.02.2001 und die Schriftsätze des Beklagten vom 25.05. und 27.11.2000 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch zwar aus § 839 BGB, An. 34 GG i. V. m. § 426 Abs. II BGB, § 67 Abs. 1 VVG bzw. § 426 Abs. 1 BGB i. V. m. § 3 Nr. 1, 2 u. 9 PflVG dem Grunde nach zu, die Haftungsquote des Beklagten beträgt jedoch nicht 50 % sondern lediglich 1/3.
1. Für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten bezüglich einer in Bayern gelegenen Bundesautobahn haftet nicht die Bundesrepublik Deutschland als Eigentümerin (Art. 90 Abs. 1 GG) der Autobahn, sondern der Freistaat Bayern, da dieser seine Aufgaben im Rahmen der Auftragsverwaltung (Art. 90 Abs. II GG i. V. m. Art. 85 GG) eigenverantwortlich und selbständig wahrnimmt und folglich auch für die Sicherheit auf der Autobahn Sorge zu tragen hat (BGH 16, 95 ff.; Palandt § 823 BGB Rd-Nr. 127). Demzufolge üben die Länder auch gemäß § 20 Abs. 1 S. 2 FStrG die Straßenaufsicht über die Bundesfernstraßen im Auftrag des Bundes aus.
2. Die in Ziffer 1 genannten Aufgaben werden von den Bediensteten des Beklagten gemäß Art. 72 BayStrWG auch bezüglich der Bundesfernstraßen in Ausübung eines öffentlichen Amtes im Sinne von Art. 34 GG wahrgenommen. Zuständige Behörde ist die jeweilige Autobahndirektion (Art. 62 a Abs. 1 Nr. 1 BayStrWG).
3. Die Autobahndirektion S des Beklagten hat ihre Amtspflichten verletzt. Die Autobahndirektion war verpflichtet, die Autobahn im Rahmen des Zumutbaren mit den erforderlichen Verkehrseinrichtungen zu versehen bzw. von Dritten versehen zu lassen. Sie war folglich auch verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass an der Unfallstelle geeignete und normgerechte Leitplanken angebracht werden. Dies war, was zwischen den Parteien auch weitgehend unstreitig ist, ein der Unfallstelle nicht der Fall. Die Verbindung zwischen den verfahrensgegenständlichen Leitplankenstücken war nur mit vier statt wie erforderlich sechs Schrauben durchgeführt worden. Die Bohrlöcher für die Schrauben waren Vorschriftswidrig mit dem Schweißbrenner aufgebracht worden, was zur Folge hatte, dass die Bohrlöcher wegen ihrer Unregelmäßigkeit keine ausreichende Klemmkraft aufbringen. Zwei Schrauben waren ohne jeden Materialsteg zum Leitplankenende hin (offene U-Löcher). Der Abstand der Bohrlöcher zum Leitplankenende war insgesamt nicht normgerecht. Die Leitplankenenden waren nicht flächig miteinander verbunden. Ein Leitplankenende war unzulässig mit dem Schweißbrenner abgetrennt worden (Sachverständiger Dr. P Bl. 115 bis 117, 122/123, 143, 146/147, 161/162 d. A.). Insgesamt hat der Sachverständige die Leitplanke an der Unfallstelle als extrem mangelhafte, in keiner Weise den Vorschriften entsprechende und, mit wesentlichen Mängeln behaftete "Luftmontage" eingestuft (Bl. 119/120, 135, 150, 163 d. A.). Infolgedessen wurde die Leitplanke von einer ganz untergeordneten Krafteinwirkung einfach auseinandergezogen (Sachverständiger Dr. P Bl. 152/153 d. A.).
Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass die Erstellung einer ordnungsgemäßen Leitplanke ohne weiteres möglich und zumutbar, in Anbetracht des Gefährdungspotentials, das der verfahrensgegenständliche Unfall mit aller Deutlichkeit zeigt, sogar unbedingt erforderlich gewesen wäre.
Soweit sich der Beklagte mit der Behauptung verteidigt, dass die Leitplanke seinerzeit beim Ausbau der Autobahn in den Jahren 1980 bis 1982 ordnungsgemäß durch eine von der Bauaufsicht der Autobahndirektion überwachte Fachfirma erstellt und abgenommen wurde und auch seither kein Unfall an dieser Stelle bekannt wurde, der zu einer Beschädigung der Leitplanke geführt hat, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen und konnte der Beklagte dem Senat auch im Termin vom 01.02.2001 nicht erläutern, auf welche andere den Beklagten entlastende Weise der vorgenannte verkehrssicherungspflichtwidrige Zustand der Leitplanke eingetreten sein könnte. Abnutzung durch Zeitablauf kommt ebenfalls nicht in Betracht, da es sich ersichtlich um einen Montagefehler handelt. Folglich wurde entweder die Leitplanke schon ursprünglich fehlerhaft montiert oder später in Folge einer unfall- oder anderweitig bedingten Schädigung nachlässig wieder zusammengesetzt.
Sofern Reparatur- oder sonstige Bau- und Straßenarbeiten auf dem Autobahngelände nicht zur Kenntnis der zuständigen Stelle des Beklagten gelangt sein sollten und aus diesem Grund die erforderliche Kontrolle der Leitplanke nicht erfolgte, müsste der Beklagte für den diesbezüglichen Organisationsmangel ebenfalls einstehen.
Für einen Eingriff Dritter hinter dem Rücken der Autobahndirektion, den der Beklagte nicht Kraft eines Organisationsverschuldens zu vertreten hätte, und den der Beklagte auch nicht behauptet, bestehen keine Anhaltspunkte. Es ist auch kein tragfähiges Motiv für einen diesbezüglichen Eingriff Dritter in die Leitplanke ersichtlich.
Die verfahrensgegenständlichen Mängel waren, was zwischen den Parteien auch weitgehend unstreitig ist, bei einer aufmerksamen Sichtprüfung an der Leitplanke, nicht aus dem fahrenden Kraftfahrzeug, ohne weiteres feststellbar (Sachverständiger Dr. P Bl. 119/120, 122, 135, 139, 151, 163, 164 d. A.). Zu einer aufmerksamen und fachkundigen Sichtprüfung vor Ort war der Beklagte in Anbetracht des Gefahrenpotentials verpflichtet. Eine derartige Prüfung wäre im Rahmen der Abnahme nach der Erstellung der Leitplanke oder im Züge späterer Reparatur- oder sonstiger Straßen- und Bauarbeiten an der Unfallstelle auch ohne wesentlichen Aufwand durchzuführen gewesen. Kontrollfahrten aus dem im Autobahnverkehr mitfahrenden Fahrzeug heraus waren dagegen, da derartige Mängel auf diese Weise jedenfalls nicht zuverlässig feststellbar waren, nicht ausreichend.
Der Senat ist folglich davon überzeugt, dass der ordnungswidrige Zustand der Leitplanke durch eine schuldhafte Amtspflichtverletzung der Bediensteten des Beklagten verursacht wurde. Eines Rückgriffes auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises bedarf es folglich nicht.
4. Die Amtspflichtverletzung des Beklagten war kausal für den Tod von drei Insassen und die Verletzung einer vierten Insassin des Ford Sierra.
a) Der Sachverständige hat festgestellt (Bl. 102/103, 112; 155, 164/165), dass sich der Ford Sierra an einer haltbaren Leitplanke problemlos entlangbewegt hätte. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Insassen des Ford Sierra bei Halten der Leitplanke schwere Verletzungen erlitten hätten (Bl. 155). Diese wurden durch das Versagen und anschließende Eindringen von Teilen der Leitplanke in das Fahrzeug verursacht.
b) Soweit der Sachverständige nicht ausschließen kann (Bl. 155, 165 d. A.), dass der Pkw Ford Sierra nach Zurückweisung von einer haltbaren Leitplanke mit einem nachfolgenden Fahrzeug mit schwerwiegenden Folgen kollidiert wäre, handelt es sich um eine Frage der sogenannten hypothetischen Kausalität. Insoweit wäre der Beklagte, der sich in der Berufung nicht ausdrücklich auf diesen Gesichtspunkt berufen hat, beweisbelastet (Palandt Rd-Nr. 101 vor § 249 BGB). Eine Beweisführung durch den Beklagten würde auch jedenfalls daran scheitern, dass der weitere hypothetische Unfallhergang nicht rekonstruierbar ist und sich folglich auch keine Feststellungen dazu treffen lassen, was passiert wäre, wenn der Pkw Ford Sierra von einer haltbaren Leitplanke in den Verkehr zurückgestoßen worden wäre.
5. Der Kläger kann vom Beklagten aus übergegangenem Anspruch der Insassen des Pkw Ford Sierra gegen den Beklagten gemäß § 426 Abs. II BGB i. V. m. § 67 Abs. 1 VVG bzw. aus § 426 Abs. 1 BGB i. V. m. § 3 Nr. 1, 2 u. 9 PflVG jeweils i. V. m. § 254 BGB Ersatz von 1/3 der von ihm erbrachten Schadensersatzleistungen verlangen.
a) Die Insassen des Pkw Ford Sierra konnten von der Versicherungsnehmerin des Klägers bzw. vom Kläger aus § 7 Abs. 1 StVG bzw. § 823 Abs. 1 u. II BGB und von dem Beklagten aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG Schadensersatz verlangen.
Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger bisher an Geschädigte bzw. Hinterbliebene und an Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte Schadensersatzleistungen in Hohe von 49.036,42 DM erbracht hat.
b) In Höhe von 1/3 des vorgenannten Betrages sind die Ansprüche der Geschädigten gem. § 426 Abs. 11 BGB i.V.m. § 67 Abs. 1 VVG auf den Kläger übergegangen. Außerdem steht dem Kläger aus § 426 Abs. 1 BGB i. V. m. § 3 Nr. 1, 2 u. 9 PflVG in gleicher Höhe ein orginärer Ausgleichsanspruch gegen den Beklagten zu.
aa) Der Forderungsübergang ist nicht gem. § 426 Abs. 1 letzter Halbsatz BGB i. V. m. § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen, da das Verweisungsprivileg im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht an öffentlichen Straßen grundsätzlich nicht Platz greift (BGH VersR 94, 618 ff.). Die Verkehrssicherungspflicht ist ein Rechtsinstitut des Zivilrechts. Der Staat kann folglich durch die zulässige Zuweisung an das öffentliche Recht gem. Art. 72 BayStrWG nicht über das Verweisungsprivileg gem. § 839 Abs. 1 S. 2 BGB auch die Haftung auf andere Gesamtschuldner abwälzen. Aus dem gleichen Grund steht das Verweisungsprivileg auch dem Anspruch des Klägers aus § 426 Abs. 1 BGB nicht entgegen.
bb) Da die Versicherungsnehmerin des Klägers den Schaden zu 2/3 und die Bediensteten des Beklagten zu 1/3 im Sinne von § 254 BGB (vgl. Palandt Rd-Nr. 10 zu § 426 BGB) verursacht haben, dieser jedoch für den Fahrer des Pkws Sierra ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 7 Abs. II StVG war (vgl. auch Sachverständiger Dr. P Bl. 165 d. A.), kann, der Kläger aus den vorgenannten Vorschriften zu 1/3 Ausgleich vom, Beklagten verlangen.
Die Versicherungsnehmerin des Klägers ist mit ihrem Fahrzeug in den Pkw Ford Sierra geschleudert und hat damit den Unfall ausgelöst (Sachverständiger Dr. P, Bl. 160 d. A.).
Die von der Versicherungsnehmerin des Klägers gefahrene Geschwindigkeit hat der Sachverständige mit tendenziell leicht unter 130 Stundenkilometern bewertet (Bl. 97, 127 d. A.). Auch aus der schriftlichen Zeugenaussage des S H vom 25.12.1994 im Strafverfahren Js (dort Bl. 36), mit deren Verwertung sich der Beklagte im Termin vom 01.02.2001 ausdrücklich einverstanden erklärt hat, lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten, da der Zeuge ausdrücklich angegeben hat, dass er die von der Versicherungsnehmerin des Klägers gefahrene Geschwindigkeit nicht abschätzen kann.
Allerdings entnimmt der Senat der Aussage des Zeugen H dass, wovon im übrigen auch der Sachverständige ausgeht (Bl. 130/131, 159 d. A.), die Versicherungsnehmerin des Klägers den Unfall dadurch verursacht hat, dass sie unter Betätigung der Lichthupe zu schnell auf das vorausfahrende Fahrzeug aufgefahren ist und infolgedessen die Kontrolle über ihren Pkw verloren hat.
Der Senat ist davon überzeugt, dass die Versicherungsnehmerin des Klägers, die im übrigen den Strafbefehl des Amtsgerichts P wegen fahrlässiger Tötung in/drei Fällen in Tateinheit mit Körperverletzung akzeptiert hat, den Unfall durch einen schwerwiegenden Fahrfehler mitverursacht hat. Insbesondere sind auch unfallursächliche technische Defekte am Fahrzeug der Versicherungsnehmerin des Klägers weder behauptet noch ersichtlich, insbesondere vom Sachverständigen auch nicht festgestellt. Im Rahmen von § 254 BGB ist dem Kläger über den Fahrfehler seiner Versicherungsnehmerin hinaus auch die Betriebsgefahr von deren Pkw Golf GTI zuzurechnen.
Demgegenüber hat der Senat bei der Gewichtung der Amtspflichtverletzung des Beklagten einerseits zu dessen Gunsten berücksichtigt, dass die Bediensteten des Beklagten zwangsläufig ein umfangreiches Autobahnnetz mit einer außerordentlich hohen Zahl an Leitplankenverbindungen zu überwachen haben und infolgedessen auch schon leichte Fahrlässigkeit dazu führen kann, daß ein Fehler übersehen wird. Andererseits war zu Lasten des Beklagten zu berücksichtigen, dass die Leitplanke grob ordnungswidrig war.
Der Senat bewertet folglich insgesamt den Verursachungsbeitrag der Versicherungsnehmerin des Klägers in Relation zu demjenigen des Beklagten mit 2/3 zu 1/3.
6. Aus den unter Ziffer 1 bis 5 genannten Gründen ist, allerdings nur zu 1/3, auch der Feststellungsantrag begründet.
Inbesondere ist auch das Feststellungsinteresse des Klägers gem. § 256 Abs. 1 ZPO zu bejahen. Es genügt insoweit, dass spätere Schadensfolgen ernsthaft in Betracht kommen (Baumbach § 256 ZPO Rd-Nr. 37). In Anbetracht der schweren Unfallfolgen - drei Tote, eine Schwerverletzte - liegt es nach der Lebenserfahrung auf der Hand, dass auch in fernerer Zukunft noch Schadensfolgen, etwa im Zusammenhang mit ausfallenden Unterhaltsansprüchen, geltend gemacht werden.
Der Senat hat den Feststellungsantrag entsprechend dem erstinstanzlichen Antrag des Klägers grammatikalisch klargestellt, da insbesondere die vom Landgericht gewählte Formulierung zum Forderungsübergang missverständlich war.
7. Dem Kläger konnten lediglich Prozesszinsen gem. §§ 284 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 a. F., BGB seit der Klageerhebung am 29.01.1998 zugesprochen werden.
Entgegen der Feststellung im landgerichtlichen Urteil (S. 11 unten) waren auch in erster Instanz Verzugszeitpunkt und Zinssatz zwischen den Parteien unter eingehender Begründung (Bl. 12, 27, 32, 57) strittig.
Der Beklagte ist nicht durch sein Ablehnungsschreiben vom 22.05.1995 in Verzug geraten, da, was zwischen den Parteien unstreitig ist, die Förderung des Klägers erst mit der Klage vom 22.12.1997 beziffert und spezifiziert wurde. Eine Mahnung des Klägers an den Beklagten im Sinne von § 284 Abs. 1 S. 1 BGB hätte ein konkretes Leistungsverlangen vorausgesetzt. Zwar kann der Schuldner auch durch eine endgültige Leistungsverweigerung in Verzug geraten (Palandt § 284 Rd-Nr. 35: BGB). Auch dies setzt jedoch voraus, dass der Gläubiger zuvor eine bezifferte Forderung geltend gemacht hat, da ansonsten bei "Verzugseintritt" nicht feststellbar wäre, aus welcher Summe Verzugszinsen geschuldet worden.
7 % Verzugszinsen konnten dem Kläger nicht zugesprochen werden; Ein diesbezügliches substantiiertes Klagevorbringen fehlt. Eine Verzinsung von 7 % ist, jedenfalls bei Wahl einer liquiden und sicheren Anlageform, nicht ohne weiteres erreichbar. Folglich kam mangels hinreichender Anhaltspunkte auch eine Schätzung gem. § 287 ZPO nicht in Betracht.
8. Der Senat kann in den Fällen der §§ 538, 539 ZPO gem. § 540 ZPO selbst entscheiden, wenn er dies für sachdienlich ansieht; Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif, eine Zurückverweisung würde diesen unter Verursachung weiterer Verfahrenskosten lediglich verzögern. Die vom Beklagten gegen das Verfahren erster Instanz vorgebrachten prozessualen Rügen können folglich dahingestellt bleiben.
Im übrigen gilt für das Berufungsverfahren folgendes:
a) Die Beweisanträge des Beklagten zu Errichtung, Zustand und Abnahme der Leitplanke 1982 können dahingestellt bleiben, da es darauf, wie unter 3. ausgeführt, nicht entscheidend ankommt.
b) Ebensowenig kommt es darauf an, ob der Mangel an der Leitplanke von der Fahrbahn aus dem fließenden Verkehr heraus erkennbar war (vgl. unter 3.).
c) Der äußere Sachverhalt des Unfallgeschehens ist zwischen den Parteien, abgesehen insbesondere von der von der Versicherungsnehmerin des Klägers gefahrenen Geschwindigkeit, weitgehend unstreitig. Die Strafakten runden den zwischen den Parteien weitgehend unstrittigen Sachverhalt lediglich ab. Mit der Verwertung der Aussage des Zeugen S H sind die Parteien ausdrücklich einverstanden.
9. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gemäß § 546 Abs. II ZPO war die Beschwer festzusetzen. Der Senat hat insoweit den Feststellungsantrag wie das Landgericht mit 100.000,-- DM bewertet.
Ende der Entscheidung
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