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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 13.10.2005
Aktenzeichen: 1 U 2864/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 530
ZPO § 531
ZPO § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
BGB § 823 Abs. 1
Bei einer dislozierten, instabilen Humeruskopffraktur muss nicht über die Möglichkeit einer konservativen Behandlung aufgeklärt werden.
Aktenzeichen: 1 U 2864/05

Verkündet am 13.10.2005

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erlässt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts M. durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht K. und die Richter am Oberlandesgericht S. und N. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.09.2005 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts M. I vom 16.03.2005, Az.: 9 O 907/02, wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls die Beklagten nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 03.03.1963 geborene Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche wegen der seiner Behauptung nach fehlerhaften Behandlung einer Oberarmfraktur geltend.

Die Beklagte zu 1) ist Trägerin des Städtischen Krankenhauses M.-N., die Beklagte zu 2) ist die Witwe und Erbin des verstorbenen Oberarztes Dr. D. R., der den Kläger im Jahr 1991 im Krankenhaus als Privatpatienten behandelte.

Der Kläger erlitt am Montag, den 03.06.1991, bei einem Autounfall in Italien eine subkapitale Oberarmfraktur links. Der Oberarmkopf war disloziert und abgekippt. In einer Klinik in Rimini erfolgte eine Schmerzbehandlung und Ruhigstellung des Armes in einem Stützverband. Sofort anschließend reiste der Kläger nach M..

Um 2.00 Uhr früh am 04.06.1991 stellte der Kläger sich in der Nothilfeversorgung des Städtischen Krankenhauses M.-N. vor. Der behandelnde Arzt beließ den Desault-Verband und vermerkte:

"Weiterer Behandlungsvorschlag:

Wiedervorstellung Di Vormittag, Klärung der Operationsindikation nach Abschwellung des Frakturhämatoms. ..."

Am Morgen des 04.06.1991 machten die Parteien einen Operationstermin für den 06.06.1991 aus.

Am 05.06.1991 unterzeichnete der Kläger ein Aufklärungsformular für eine "geschlossene, evtl. offene Osteosynthese des li Oberarmes". Ein Arzt vermerkte handschriftlich als besondere Risiken "Infektion, Nerven-, Blutgefäßverletzung."

Am 06.06.1991 versorgte Dr. R., der als leitender Oberarzt der Unfallchirurgie an der Klinik tätig war, den Bruch mit einer Spickdrahtosteosynthese. Im Operationsbericht vermerkte er:

"Unter Bildwandler wird axial die Fraktur in beiden Ebenen eingestellt und 5 Steinmann-Nägel 2,5 eingebracht. Zwei Nägel schienen parakolisch, die übrigen sind intraossär, die gesamte Montage ist soweit fest, dass beim Drehen des Oberarmkopfes der Oberarmkopf mitgeht. Verband.

PS: Die Nachbehandlung soll mit Abduktionsschiene für 6 Wochen erfolgen, dann Entfernung der Steinmann-Nägel."

Postoperativ kam es zu einer Dislokation der Bohrdrähte.

Am 08.06.1991 setzte Dr. R. statt der Bohrdrähte eine Kleeblattplatte ein. In der Folge kam es zu einer Infektion der Operationswunde.

Der Kläger hat vorgebracht, der Versuch einer Spickdrahtosteosynthese sei von vorneherein kontraindiziert gewesen.

Nach der Operation vom 06.06.1991 hätte der Arm mittels eines Verbandes fixiert werden müssen. Aufgrund fehlender Fixierung sei es durch unwillkürliche Bewegungen in der Nacht vom 07. auf den 08.06.1991 zu einem Herunterhängen des Armes gekommen, woraufhin die Spickdrähte ausgebrochen seien.

Aufgrund der deshalb erforderlichen Versorgung mit einer Kleeblattplatte sei es zu der Infektion gekommen, die über 9 Monate angedauert habe.

Wegen der Fehlbehandlung leide er an schweren Gebrauchseinschränkungen des linken Armes. Es liege eine Fehlstellung des Humeruskopfes vor.

Wäre der Bruch bei der ersten Operation fachgerecht und unter Wahl der richtigen Operationsmethode versorgt worden, wären sämtliche Komplikationen nicht eingetreten.

Im Übrigen sei er nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden.

Es sei ihm nicht mehr möglich gewesen, seinen Beruf als Heizungsmonteur auszuüben. Dadurch sei ihm ein Schaden von 264.842,23 € entstanden.

Der Kläger hat beantragt:

1. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger den Betrag von 264.842,23 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten samtverbindlich verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen materiellen Schaden, den dieser durch die in der Zeit vom 06.06.1991 bis zum Ende des Jahres 1991 in dem Städtischen Krankenhaus M. N. durchgeführte Behandlung seit dem 01.01.1999 erlitten hat und in Zukunft erleiden wird, zu ersetzen.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.

Die Beklagten haben vorgebracht, die perkutane Kirschnerdraht-Spickung sei die Methode der Wahl gewesen. Die unterlassene Ruhigstellung des Armes sei wegen dessen Anschwellens nicht fehlerhaft gewesen.

Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 16.03.2005, auf dessen Entscheidungsgründe der Senat Bezug nimmt, nach der Erholung mehrerer schriftlicher Gutachten und der mündlichen Anhörung des Unfallchirurgen Prof. Dr. D. vom Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf abgewiesen.

Im Wege der Berufung verfolgt der Kläger, der am 30.05.2005 ein Privatgutachten des Unfallchirurgen Dr. Klein (Anlage zum Schriftsatz vom 11.07.2005 Bl. 150/156 d. A.) erholte, sein Begehren weiter.

Der Kläger bringt vor, die Annahme des Sachverständigen Prof. Dr. D., bereits bei der Operation vom 06.06.2001 habe eine massive Schwellung des rechten Arms vorgelegen, sei eine Spekulation zugunsten der Beklagten. Die im Arztbrief vom 01.07.2002 wiedergegebene Bekundung seiner, des Klägers, Ehefrau, alles sei nass gewesen, stelle eine denkbar vage Aussage dar.

Schwellungen nach einer Fraktur stellten keine Kontraindikation für die Ruhigstellung des Armes mit einem Stützverband nach Osteosynthese dar.

Es treffe nicht zu, dass Lasix und Humanalbumin nur bei einer exorbitanten Schwellung des Armes angewandt werde.

Die absolut zu fordernde postoperative Röntgendokumentation sei unterlassen worden. Deshalb sei nicht feststellbar, ob die Kirschnerdrähte bereits bei der Operation fehlerhaft fixiert worden seien.

Ein späteres Herausbrechen hätte durch Überwachung verhindert werden müssen.

Es handele sich um keinen schicksalhaften Verlauf.

Über die Möglichkeit einer konservativen Behandlung sei er nicht aufgeklärt worden. Bei einer Aufklärung darüber hätte er sich gegen eine Operation entschieden.

Rund zehn Jahre vor dem streitgegenständlichen Eingriff habe er sich einer Operation wegen eines Außenbandrisses unterzogen, deren Ergebnis unbefriedigend gewesen sei. Nach jener Operation habe er einen Kreislaufkollaps erlitten.

Nach einem weiteren Außenbandriss im Jahr 1990 habe er eine Operation abgelehnt.

Darüber und über den Tod seines Vaters im Alter von 44 Jahren nach mehreren Krebsoperationen habe er seinem Anwalt aus psychischen Gründen erst am 28.07.2005 berichten können.

Die Erholung eines Obergutachtens sei erforderlich.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 16.03.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts M. I, Az. 9 O 907/02, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger den Betrag von 264.842,23 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu bezahlen, ferner festzustellen, dass die Beklagten samtverbindlich verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen materiellen Schaden, den dieser durch die in der Zeit vom 06.06.1991 bis zum Ende des Jahres 1991 in dem städtischen Krankenhaus M.-N. durchgeführten Behandlungen seit dem 01.09.1999 erlitten hat und in Zukunft erleiden wird, zu ersetzen.

Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen des Landgerichts bestünden.

Die Ausführungen von Prof. Dr. D. in erster Instanz seien überzeugend.

Bewegungseinschränkungen bei einer Schulterverletzung seien schicksalhaft.

Die Stellungnahme des Dr. Klein sei als neues Angriffsmittel nach § 530 ZPO präkludiert. Bei einem Privatgutachten, mit welchem in der Berufung ein im ersten Rechtszug eingeholtes gerichtliches Gutachten angegriffen werde, handele es sich um ein neues, nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht zulassungsfähiges Angriffsmittel, wenn das Gutachten wie im vorliegenden Fall bereits im ersten Rechtszug hätte eingeholt werden können. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH NJW 2004, 2825).

Präkludiert sei auch das Vorbringen des Klägers zur Aufklärung und zum Entscheidungskonflikt und seiner angeblichen psychischen Beeinträchtigung.

Für den Fall der Zulassung des neuen Vorbringens des Klägers und/oder des Schreibens des Dr. Klein werde beantragt, die Revision zuzulassen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren nimmt der Senat Bezug auf die Schriftsätze des Klägers vom 11.07.2005 (Bl. 150/156 d. A. mit Anlagen), vom 10.08.2005 (Bl. 166/167 d. A. mit Attest des Dr. B.), vom 31.08.2005 (Bl. 179/180 d. A.) und vom 27.09.2005 (Bl. 191/192 d. A.) sowie der Beklagten vom 28.07.2005 (Bl. 158/162 d. A.), 04.08.2005 (Bl. 164/165 d. A.) und 19.08.2005 (Bl. 169/170 d. A.).

Der Senat hat Beweis erhoben durch die Erholung eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. D. vom 22.08.2005 (Bl. 171/178 d. A.) und dessen mündliche Anhörung im Termin vom 08.09.2005 (Bl. 183/189 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Ihm stehen gegen die Beklagten keine Schadenersatzansprüche aus positiver Verletzung des Behandlungsvertrags oder § 823 Abs. 1 BGB zu.

Der Senat hat das auf das neu erstellte Privatgutachten gestützte Berufungsvorbringen des Klägers gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2004, 2825) inhaltlich vollständig berücksichtigt. Die Berufungszurückweisung beruht nicht auf den von der Beklagtenseite angestellten Erwägungen zu den §§ 530, 531 ZPO.

1) Ein Behandlungsfehler ist den Beklagten nicht nachzuweisen.

a) Das von Dr. R. gewählte Operationsverfahren der so genannten Kirschnerdrahtspickung wird vom Kläger in der Berufung als "vertretbar" hingenommen. Der Sachverständige Prof. Dr. D. hat wiederholt überzeugend dargelegt, dass es sich um die schonenste, primär anzustrebende Operationsmethode handelte.

b) Der Operationstermin wurde nicht fehlerhaft verzögert

Der Kläger suchte erstmals am frühen Morgen des 04.06.1991 das Krankenhaus N. auf. Eine sofortige Operation war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr indiziert.

Der Sachverständige Prof. Dr. D. führte in seinem Ergänzungsgutachten vom 22.08.2005 zwar aus, die Tatsache, dass der Kläger erst am 06.06.1991 operiert worden sei, habe die Prognose verschlechtert. Regelhaft sei eine notfallmäßige Operation, um sofort mit der Krankengymnastik beginnen zu können. Diese Aussage bezog sich aber, wie er bei seiner Anhörung durch den Senat klarstellte, nur auf eine Operation nach dem Unfall in Italien binnen weniger Stunden. Die sich entwickelnde Schwellung beeinträchtigt, wie Prof. Dr. D. angab, die Gewebsversorgung um die Verletzung herum zunehmend negativ. Wenn der Zustand der Anabolie vorbei sei, wie am frühen Morgen des 04.06.2005, sei eine Notoperation nicht mehr indiziert. Dass die Operation erst am Donnerstag durchgeführt worden sei, stelle keinen Fehler dar.

Die Aussage von Prof. Dr. D. entspricht den Äußerungen anderer vom Senat als Sachverständige in Arzthaftungssachen zur Behandlung von Frakturen gehörter Unfallchirurgen.

c) Ein Fehler bei der Durchführung der Operation vom 06.06.1991 ist nicht nachweisbar.

Zwar haben nur drei von fünf Drähten im Humeruskopffragment und zwei außerhalb gelegen. Dies spricht laut Prof. Dr. D. jedoch, weil die Bohrdrähte schwierig einzubringen sind, da während der Operation über den Bildwandler keine dreidimensionale Betrachtung möglich ist, nicht für ein falsches Vorgehen von Dr. Denneker. Drei Bohrdrähte genügten, wie Prof. Dr. D. bei seiner Anhörung durch den Senat darlegte, für eine übungsstabile Versorgung. Die Bohrdrahtosteosynthese ist sowieso nicht belastungsstabil.

Aus dem späteren Ausbruch der Drähte lässt sich, wie Prof. Dr. D. in seine Gutachten mehrfach erläutert hat, nicht auf eine vorwerfbar ungenügende Fixierung schließen.

d) Ein Dokumentationsversäumnis wegen des Unterlassens einer postoperativen Röntgenkontrolle ist zu verneinen. Wie Prof. Dr. D. in seinem Ergänzungsgutachten vom 22.08.2005 und der mündlichen Verhandlung ausführte, kann der Operateur die Lage der Bohrdrähte intraoperativ im Bildwandler betrachten. Den Bildwandlern fehlte im Jahr 1991 nur die Möglichkeit, das gesehene Bild auszudrucken. Durch eine unmittelbar postoperative Röntgenaufnahme hätte sich kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn ergeben.

Im Übrigen bringt der Kläger selbst vor, die Bohrdrähte hätten sich erst in der Nacht vom 07. auf den 08.06.1991 gelöst.

e) Nicht nachgewiesen ist, dass es fehlerhaft war, den linken Arm des Klägers am 06. und 07.06.1991 nicht ruhig zu stellen beziehungsweise zu fixieren.

Hinsichtlich dieser bereits in der ersten Instanz ausführlich diskutierten Frage haben sich im Berufungsverfahren keine neuen Erkenntnisse ergeben.

Der Sachverständige Prof. Dr. D. hält das Vorbringen der Beklagten über eine starke Schwellung des Armes angesichts der Tatsache der vorhandenen Unterlagen für plausibel. Seine Darstellung ist überzeugend.

Der Sachverständige erläuterte in seinem Ergänzungsgutachten vom 22.08.2005, die Durchführung einer Phlebographie am zweiten postoperativen Tag beweise, dass der Arm massiv geschwollen gewesen sei. Ein einschnürender Verband habe die Gefahr einer Verschlimmerung der Schwellneigung bis zur Ausbildung eines Kompartmentsyndroms, das im schlimmsten Fall zum Verlust des betroffenen Arms führen könne.

Humanalbumin sei sehr teuer. Dessen Verwendung deute daher auf eine starke Schwellung hin.

Für eine starke Schwellung spricht, wie Prof. Dr. D. darlegte, zudem der Bericht der Ärztin Monica Prinzenberg vom 01.07.2002, gemäß dem der Kläger berichtet habe, dass "alles nass gewesen sei." Der Kläger hat die Aussagekraft dieses Schreibens in Zweifel gezogen, da es nur eine mittelbare, ungenaue Quelle bilde. Daran ist richtig, dass Frau Prinzenberg bei der Behandlung nicht dabei war. Das Schreiben beruht jedoch auf ziemlich plakativen Angaben des Klägers beziehungsweise seiner Ehefrau, die sie machten, bevor bekannt war, dass es auf die Frage einer Schwellung ankommen könnte. Dies stützt die Authentizität der Schilderung.

Wie Prof. Dr. D. bei seiner Anhörung angab, spricht auch die Art der Fraktur, die bei einem jungen Mann nur durch eine starke Krafteinwirkung verursacht werden könne, für die Entwicklung einer großen Schwellung.

Im Übrigen muss der Kläger den behaupteten Behandlungsfehler beweisen, nicht die Beklagten ihn widerlegen.

f) Das Privatgutachten nennt weitere Möglichkeiten von denkbaren Behandlungsfehlern (nicht ausreichende Analgesie, nicht ausreichende postoperative Überwachung). Dr. Klein beziehungsweise der Kläger erklären jedoch nicht, wie sie hierfür Beweis führen wollen.

2) Ein Kausalitätsnachweis ist unabhängig von der Frage eines Behandlungsfehlers nicht zu führen.

a) In seinem Ergänzungsgutachten vom 22.08.2005 erläuterte der Sachverständige anhand der Literatur, dass schon leichtere Schulterverletzungen unabhängig von einer Operation zu posttraumatischen Veränderungen am Gelenk und schmerzhaften Bewegungseinschränkungen führen können. Problematisch an diesem Typ von Fraktur sei nicht der Knochenbruch, sondern der durch das Trauma ausgelöste Weichteilschaden. Schlechte Langzeitergebnisse seien häufig.

Wie Prof. Dr. D. bei seiner mündlichen Anhörung durch den Senat erklärte, handelt es sich bei dem Bruch, den der Kläger erlitten hat, um eine typische Verletzung des alten Menschen. Bei jungen Menschen wie dem Kläger zum Unfallzeitpunkt trete ein derartiger Bruch nur bei ganz exorbitanter Gewalteinwirkung auf. Damit gehe ein großer Weichteilschaden einher.

Mit der ausgeheilten postoperativen Infektion haben, wie der Sachverständige darlegte, weder die Bewegungseinschränkung noch die Schmerzen des Klägers zu tun.

b) Anlass für eine Beweislastumkehr besteht nicht.

Der Sachverständige hat einen Behandlungsfehler verneint.

Ein grober Behandlungsfehler kommt erst Recht nicht in Betracht.

Prof. Dr. D. führte im Übrigen aus, für den Fall, dass die unterlassene Fixierung nicht auf der Schwellung des Armes beruhte, liege hierin trotz der Bezeichnung der Unterlassung der Stützverbandanlage als "unverständlich" (Gutachten vom 13.01.2004 Bl. 79 d. A.) kein grober Fehler (Gutachten vom 29.06.2004 Bl. 104 d. A.)

Nach seiner Darstellung wandern Kirschnerdrähte häufig trotz liegendem Stützverband aus (z. B. Gutachten vom 13.01.2004 Bl. 80 d. A., vom 16.04.2003 Bl. 57 d. A.). Im Ergänzungsgutachten vom 22.08.2005 und bei seiner Anhörung gab der Sachverständige an, der Stützverband diene primär nicht dem Schutz der Osteosynthese, sondern der Schmerzbehandlung.

3) Eine Aufklärungspflichtverletzung liegt nicht vor.

a) Das Infektionsrisiko ist sowohl in der Einwilligungserklärung zur Operation vom 06.06.1991 als auch in der Einwilligungserklärung zur Revisionsoperation vom 08.06.1991 enthalten. Es genügt, wenn die Aufklärung durch einen anderen Arzt als den Operateur erfolgt. Dies musste nicht Dr. R. übernehmen.

b) Über die konservative Behandlung der Humeruskopffraktur als Behandlungsalternative mussten die Beklagten nicht aufklären. Es handelte sich im konkreten Fall nicht um eine gleichwertige Behandlung.

(aa) In der Einwilligungserklärung vom 06.06.1991 ist formularmäßig davon die Rede, dass über das "Unterlassen des Eingriffs" informiert wurde. Dies genügt, falls es darauf ankommen sollte, zum Nachweis der Aufklärung über die konservative Behandlungsalternative nicht. Der vorliegende Fall, in dem mehr als zehn Jahre nach der Operation und nach dem Tod des behandelnden Arztes Klage erhoben wurde, illustriert die unverschuldeten Schwierigkeiten der Behandlerseite, bei länger zurückliegenden Eingriffen zur Aufklärung Sachvortrag zu bringen.

bb) Es bestand jedoch eine eindeutige Operationsindikation.

Im Ergänzungsgutachten vom 22.08.2005 legte Prof. D. dar, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine eingestauchte Fraktur gehandelt habe, die regelhaft nicht operiert und konservativ behandelt werde, sondern eine dislozierte und instabile Fraktur. Bei dieser entspreche es der Regel, diese so zu stabilisieren, dass eine frühfunktionelle Übungsbehandlung möglich sei. Etwas kürzer hatte der Sachverständige dies bereits im Ergänzungsgutachten vom 13.01.2004 auf Seite 3/4 (Bl. 81/82 d. A.) dargestellt und damit die Ausführungen auf Seite 2 des Gutachtens vom 16.04.2003 (Bl. 56 d. A.) präzisiert. Im Rahmen der Anhörung wurde die Frage in Anwesenheit des Privatgutachters Dr. K. nochmals diskutiert.

Die Dislokation beziehungsweise Instabilität einer Fraktur sind auch nach den Ausführungen anderer vom Senat als Sachverständigen in Arzthaftungssachen gehörten Unfallchirurgen und Orthopäden das entscheidende Kriterium für eine Operationsindikation. Es ist nachvollziehbar, dass die konservative Behandlung weder Fehlstellungen beheben noch die Frakturbestandteile für eine frühfunktionelle Übungsbehandlung stabilisieren kann. Es besteht kein Anlass, zu dieser Frage ein weiteres Gutachten eines anderen Sachverständigen zu erholen.

cc) Über alternative operative Behandlungsmethoden musste vor dem 06.06.1991 ebenfalls nicht aufgeklärt werden. Aus dem Privatgutachten Dr. Klein ergibt sich nicht, welche andere Operationsmethode gleichwertig gewesen wäre und zugleich andersartige Risiken aufgewiesen hätte. Die Plattenosteosynthese ist es nach den Gutachten von Prof. Dr. D. nicht. Sie wurde allein wegen des Herausbrechens der Bohrdrähte erforderlich.

c) Die Beschwerden des Klägers sind, wie der gerichtliche Sachverständige darlegte, auf den massiven Weichteilschaden beim Unfall, nicht auf die Operationen zurückzuführen. Eine konservative Behandlung hätte, wie Prof. Dr. D. im Rahmen seiner Anhörung erläuterte, am Weichteilschaden nichts geändert. Insofern liegt die Sachlage anders als bei der vom Kläger im Schriftsatz vom 27.09.2005 hervorgehobenen Entscheidung BGH NJW 2005, 1718, bei der offen war, ob eine Operation zu denselben Schäden geführt hätte wie die vom Arzt gewählte konservative Behandlung.

Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils gegen Sicherheitsleistung ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO. Die beantragte Zulassung der Revision der Beklagten kommt schon deshalb nicht in Betracht, da sie durch das Berufungsurteil nicht beschwert werden.

Ende der Entscheidung

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