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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 30.05.2006
Aktenzeichen: 1 U 2950/06
Rechtsgebiete: ZPO, StVO
Vorschriften:
ZPO § 522 Abs. 2 | |
StVO § 2 Abs. 2 |
Aktenzeichen: 1 U 2950/06
In dem Rechtsstreit
wegen Schadensersatzes
erlässt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichnenden Richter ohne mündliche Verhandlung am 30.5.2006 folgenden
Beschluss:
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe:
I.
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.
Das Landgericht hat nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage Ansprüche der Klägerin verneint. Dem schließt sich der Senat unter teilweiser Bezugnahme auf die ausführlichen Gründe des landgerichtlichen Urteils im Ergebnis an.
Der Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung ist nicht geeignet, ein anderes Ergebnis zu tragen.
Ergänzend ist auszuführen:
Einer Beweiserhebung durch Einvernahme der klägerseits angebotenen Zeugen sowie durch Erholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte und bedarf es nicht.
In Abweichung von den üblichen Fallgestaltungen im Rahmen der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, bei denen ein zum Räum- und Streudienst Pflichtiger seinen Aufgaben durch behaupteten mangelhaften Winterdienst nur ungenügend nachkommt und es infolge deswegen bestehender Glätte zu Unfällen kommt, spielt dieser Aspekt vorliegend keine Rolle.
Es kann sogar dahingestellt bleiben, ob die Beklagte an der Straße, auf der sich der Unfall des Sattelzugfahrers der Klägerin ereignete, überhaupt eine Verkehrssicherungspflicht traf.
Einzig die Beantwortung der Fragen ist entscheidend, ob die hier zumindest faktisch einen Räumdienst durchführende Beklagte durch die Art und Weise, wie sie diesen versah, für Verkehrsteilnehmer einen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen hat, dass der gesamte von der Beklagten geräumte Bereich auch einen in jeder Hinsicht befahrbaren Straßengrund darstellt und - bejahendenfalls - ob sie aufgrund eines solchermaßen gesetzten Vertrauenstatbestandes für den Fall, dass nicht der gesamte Bereich befahrbar sein würde, zu anderweitigen sichernden Maßnahmen (Setzen von Schneestangen etc.) verpflichtet war.
Bereits die erste Frage ist zu verneinen, wozu es auch keiner weiteren Beweiserhebung bedarf.
Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 24.10.1991 (kurzer Leitsatz in VersR 1992, 1491) erkannte, der der Fall zugrunde lag, dass ein Milchtankwagen von der winterlichen Fahrbahn abgekommen war, die der Schneepflug noch ca. 40-50 cm neben der Teerdecke mitgeräumt hatte, stellt es beim Schneeräumen keinen Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht dar, wenn der Pflug auch teilweise den Bankettbereich freiräumt, so dass ein Lkw beim Befahren des Fahrbahnrands (Bankett) beschädigt werden kann. Schneestangen, so der Senat damals, sollen den Straßenverlauf auch nur im großen und ganzen wiedergeben, nicht den genauen Fahrbahnverlauf.
Hieran wird festgehalten, wobei es im Hinblick auf die konkrete Fallgestaltung folgender, zum Teil schon vom Landgericht vorgenommener Präzisierung bedarf:
Ungeachtet der zwischen den Parteien streitig gebliebenen und nicht entscheidungserheblichen Details im einzelnen (wie weit über den Fahrbahnrand hinaus geräumt wurde und welche Spuren jeweils wie erkennbar waren), konnte angesichts der Beschaffenheit und des Umfeldes der streitgegenständlichen Straße, bei der es sich, was auch dem Fahrer der Klägerin erkennbar sein musste, um eine eher untergeordnete Straße handelte, bei der nicht zu erwarten war, dass ggf. auch Bankette für Schwerlastverkehr ausgelegt sein würden, und dem verschneiten Straßenzustand, der, wie bereits in der Klage ausgeführt wurde, die Fahrbahndecke wegen starken Schneefalls nicht erkennen ließ, aus dem Umstand, dass ein Schneepflug eine bestimmte Spur geräumt hatte, für einen ver-antwortungbewussten Kraftfahrer, auf den abzustellen ist, kein geschütztes Vertrauen darauf bestehen, dass die geräumte Spur auch der befahrbaren Fläche entsprechen würde.
Eine Räumung allein der Teerdecke bzw. des befestigten Straßengrunds ist weder exakt möglich noch praktisch sinnvoll, da der zur Seite geschobene Schnee, wenn er teilweise zurückfällt oder bei Schneeverwehungen dann wieder die Fahrbahn selbst verlegen würde. Vielmehr ist im Winter erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass die geräumte Fläche sich am Rand auch auf einen Teil des Banketts erstreckt
Gerade bei wenig befahrenen und im wesentlichen nur dem Anliegerverkehr dienenden Straßen, zumal wenn diese, wie hier, auch teilweise durch freies Feld, teilweise an Baum- und Strauchwerk entlang führen, kann auch nicht erwartet werden, dass, soweit dort überhaupt eine Räumung erfolgt, diese in der geräumten Fläche exakt den Verlauf der befestigten Straße abbildet. Ausweichnotwendigkeiten aufgrund übermäßig zugeschneiter Bäume und Sträucher, durch vormaliges Räumen angehäufter Schnee, das Erfordernis zu verhindern, dass die (hier mit 3,30 m ohnehin nicht sehr breite) Straße durch Schneewälle nicht zusätzlich eingeengt wird, sowie eine durch die winterlichen Verhältnisse auch für den Räumenden zuweilen sich verlierende Übersichtlichkeit des Straßenverlaufs können es mit sich bringen, dass die geräumte Spur nicht zwingend der für alle Fahrzeuge gefahrlos zu befahrenden Fahrbahn entspricht.
Vertraut der Fahrer eines Schwerlastfahrzeugs in einer solchen Situation darauf, dass er die gesamte, für ihn als geräumt erkennbare Fläche bis zum Rand befahren und sich ggf. in erkennbaren Fahrspuren bewegen dürfe, handelt er insoweit auf eigenes Risiko. Insbesondere vom Fahrer eines derartigen Fahrzeugs ist eine entsprechende Umsicht einzufordern. Diese hätte den Bediensteten der Klägerin veranlassen müssen, die vermeintlich gesichert zu befahrende Straßenfläche nicht bis zum äußersten rechten Rand auszunutzen, zumal das Gelände an dieser Seite auch sich als leicht abschüssig zeigte. Hierfür bestand auch unter Geltung des Rechtsfahrgebots keine Notwendigkeit, da dieses Gebot nicht besagt, unabhängig von den konkreten örtlichen Verhältnissen zwingend und zu jeder Zeit ganz rechts zu fahren. § 2 Abs. 2 StVO spricht nur davon, dass "möglichst" weit rechts zu fahren sei. Die Möglichkeit, sich mittig zu orientieren, hätte vorliegend auch problemlos bestanden.
Hätte der Fahrer der Klägerin hierauf Bedacht genommen, wäre der Unfall vermieden worden.
Da kein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, bedurfte es auch keiner weiteren sichernden Maßnahmen seitens der Beklagten, um etwaige Gefahren des Ausweichens auf unbefestigten Grund zu entschärfen.
Insbesondere war es nicht erforderlich, Schneestangen zu setzen, die, wie der Senat bereits früher ausgeführt hat, ohnedies nicht der exakten Fahrbahngrenze zu folgen hätten, sondern allenfalls in einiger Entfernung vom Straßenrand gesteckt zu werden pflegen und damit nur einen groben Orientierungsrahmen darstellen könnten.
Mangels Vertrauenstatbestands bedurfte es auch keiner sonstigen Warnhinweise.
II.
Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Berufungsgerichts auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, liegen auch die weiteren Voraussetzungen für einen Zurückweisungsbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vor.
Der Klägerin wird angeraten, zur Vermeidung weiterer Kosten ihre Berufung zurückzunehmen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, bis zum 23.6.2006 Stellung zu nehmen.
Ende der Entscheidung
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