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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 31.01.2002
Aktenzeichen: 1 U 3145/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 546 Abs. 2
ZPO § 708 Ziff. 10
ZPO § 711
1. Wenn die Operation ein noch in der Facharztausbildung befindlicher Arzt durchführt, wird in der Regel der Facharztstandard durch dessen Überwachung seitens eines Facharztes sichergestellt

2. Einem noch in Ausbildung befindlichen hinreichend qualifizierten Arzt darf unter Aufsicht auch die Durchführung schwieriger Operationen übertragen werden, da dieser ansonsten das Ausbildungsziel nicht erreichen kann.

3. Der Patient muss, da bei Aufsicht durch einen Facharzt der Facharztstandard gewährleistet ist, nicht darüber aufgeklärt werden, dass ein noch in Ausbildung befindlicher Arzt operiert.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 1 U 3145/01

Verkündet am 31.01.2002

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

erläßt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2001 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 19.3.2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Beschwer des Klägers beträgt 80.000,-- DM.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt vom Beklagten Schadenersatz wegen einer behaupteten ärztlichen Fehlbehandlung.

Der Kläger begab sich am 30.3.1993 zur operativen Behandlung einer chronischen Entzündung der Nasennebenhöhlen in die Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten der Universität Klinikum Innenstadt, deren Träger der Beklagte ist.

Am gleichen Tag wurde der Kläger über die mit dem geplanten Eingriff verbundenen Risiken aufgeklärt. Die Beiziehung eines Dolmetschers lehnte der Kläger mit der Begründung ab, daß er über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfüge. In der vom Kläger unterzeichneten Einverständniserklärung vom 30.3.1993 sind folgende operationsspezifische Risiken aufgeführt: "Blutung, Infektion, Rezidiv, Verletzung der Schädelbasis mit Hirnhautentzündung und Abszess, Sehstörungen bis zur Blindheit, Riechstörung, Sensibilitätsstörung der Stirn".

Die Operation am 1.4.1993 wurde von der seinerzeit in der Mitte ihrer HNO-Facharztausbildung befindlichen Ärztin unter Aufsicht des Oberarztes und Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde durchgeführt. und haben bei der Operation abwechselnd in das Okular des HNO-Endoskopes hineingesehen. Eine Monitorüberwachung des Operationsgebietes erfolgte nicht. Nachdem es zu einer Verletzung der Schädelbasis mit Gehirnbeteiligung gekommen war, übernahm von die weitere Durchführung der Operation. Er verschloss auch die Verletzung des Schädeldaches, die in der Folgezeit komplikationslos ausgeheilt ist. Am 14.4.1993 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen.

Ist zwischenzeitlich als HNO-Oberärztin und Privatdozentin tätig. Das dritte medizinische Staatsexamen hatte sie mit der Note 1 abgelegt.

Der Kläger hat in erster Instanz vorgetragen, daß der operative Eingriff fehlerhaft durchgeführt und nicht zu Ende gebracht worden sei. Zudem sei Oberarzt nicht von Anfang an anwesend gewesen. Er leide infolge der Operation an Gleichgewichtsstörungen und Störungen des Geruchssinnes sowie an Kopfschmerzen und verlange deshalb ein Schmerzensgeld von mindestens 50.000,-- DM.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenens Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen hieraus seit 30.3.1993 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, daß der Beklagte die weiteren noch zu beziffernden Auslagen und den Verdienstausfall des Klägers aufgrund des schädigenden Ereignisses vom 1.4.1993 zu erstatten hat.

Der Beklagte hat im ersten Rechtszug

Klageabweisung

beantragt.

Er hat die Ansicht vertreten, daß die Operation fachgerecht durchgeführt worden sei. Es handele sich um eine typische Komplikation, die erkannt und intraoperativ kunstgerecht versorgt worden sei. Die Operation sei auch ordnungsgemäß zu Ende gebracht worden. habe die operierende Ärztin von Beginn des Eingriffs an angeleitet und überwacht. Die vom Kläger behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien nicht eingetreten, jedenfalls nicht durch die verfahrensgegenständliche Operation verursacht. Das verlangte Schmerzensgeld sei überdies ohnehin übersetzt. Bezüglich der Feststellungsklage fehle es am Rechtsschutzbedürfnis.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Erholung schriftlicher Gutachten des Sachverständigen vom 23.2. und 30.7.1998, 19.7., 21.7. und 18.11.1999 sowie vom 7.6. und 10.9.2000, und durch Anhörung des Sachverständigen am 19.3.2001. Desweiteren hat das Landgericht am 20.7.1998 den vernommen.

Mit dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 5.4,2001 zugestellten Urteil vom 19.3.2001, auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht München I die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 3.5.2001 eingegangene und nach Fristverlängerung am 14.8.2001 begründete Berufung des Klägers.

Der Kläger macht geltend, es sei unzulässig gewesen, bei einer so schwierigen Operation einen unerfahrenen Operateur einzusetzen. die zum Zeitpunkt der Operation nicht voll ausgebildete Fachärztin war, habe nicht über die notwendige Erfahrung zu deren Durchführung verfügt. Die Anforderungen an eine zulässige Anfängeroperation seien nicht eingehalten worden. Der Kläger sei nicht mit Facharztstandard operiert worden. Eine kontinuierliche Mitverfolgung der Operation durch den Ausbilder auf einem zugeschalteten Monitor sei unterblieben. Das abwechselnde Hineinsehen in das Okular sei unzureichend, weil dies letztlich dazu führe, daß der Anfänger operiere. Das Hineinrutschen mit dem Endoskop tief in das Frontalhirn sei als Behandlungsfehler und nicht als, schicksalhafte Komplikation zu bewerten. Das Ausmaß der Abweichung habe dem Operateur auffallen müssen. Es hätten Operationsinstrumente verwendet werden müssen, die ein zu tiefes Eindringen verhindern. Eine kritische Kontrolle des entnommenen Gewebes sei unterblieben. Es bestehe sehr wohl die Möglichkeit eines mehrfachen Eindringens mit dem Operationsinstrument in das Schädelinnere. Der Kläger sei nicht über das Risiko einer Verletzung der Gehirnsubstanz und die Gefahr der Erblindung aufgeklärt worden. Der Kläger verlange deshalb insbesondere Schmerzensgeld wie in der ersten Instanz.

Der Kläger beantragt:

1. Das am 19.3.2001 verkündete und am 4.4.2001 zugestellte Urteil des LG München, wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank hieraus seit 30.3.1993 zu bezahlen.

3. Es wird festgestellt, daß der Beklagte die weiteren noch zu beziffernden Auslagen und den Verdienstausfall des Klägers aufgrund des schädigenden Ereignisses vom 1.4.1993 zu erstatten hat.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Beklagte vertritt die Ansicht, daß die Operation entsprechend den Richtlinien zur Ausbildung als HNO-Facharzt unter Wahrung des Facharztstandards unter der Aufsicht von durchgeführt worden sei. Die beim Kläger aufgetretene Verletzung stelle eine schicksalhafte Komplikation dar. Von einem tiefen Hineinrutschen in das Gehirn könne keine Rede sein. Operationsinstrumente, die ein Eindringen in das Gehirn von vornherein verhindern, gäbe es nicht. Der Kläger sei ausreichend aufgeklärt worden. Die vom Kläger behaupteten Gesundheitsbeeinträchtigungen seien zu bestreiten und jedenfalls nicht auf die streitgegenständliche Operation zurückzuführen. Im übrigen könne sich der Beklagte bezüglich des immateriellen Schadens entlasten.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Erholung eines weiteren Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen vom 26.10.2001 sowie durch Anhörung des Sachverständigen am 13.12.2001.

Im übrigen wird bezüglich des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz auf die Schriftsätze des Klägers vom 14.8. und 19.12.2001 sowie vom 5.1.2002 und auf die Schriftsätze des Beklagten vom 15.11.2001 und 9.1.2002 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 19.3.2001 war als unbegründet zurückzuweisen, da dem Beklagten kein Behandlungs-, Organisations- oder Aufklärungsfehler zur Last fällt.

1. a) Der Sachverständige hat in seinen Gutachten mehrfach, was er auch bei der Anhörung durch den Senat am 13.12.2001 bestätigt hat, ausgeführt, daß die Operation vom 1.4.1993 ordnungsgemäß entsprechend den Regeln ärztlicher Kunst durchgeführt wurde. Insbesondere hat der Sachverständige auch erläutert, daß aus dem Umstand der Verletzung des Gehirns des Klägers nicht auf einen Behandlungsfehler zurückgeschlossen werden kann, da der Operateur gezwungen sei, aus den Nasennebenhöhlen, die nur durch eine sehr dünne Knochenschicht vom Gehirn getrennt sind, unter schwierigen Sichtbedingungen mit dem Endoskop krankes Gewebe zu entnehmen. Beim Durchstoßen der sehr dünnen und möglicherweise durch entzündliche Prozesse zusätzlich angegriffenen Knochenschicht zwischen Nasennebenhöhle und Gehirn handelt es sich folglich nicht um einen Behandlungsfehler, sondern um eine statistisch in 0,25 bis 2,5 % aller Fälle zu erwartende schicksalshafte Komplikation, die auch einem sehr erfahrenen und sorgfältigen Operateur unterlaufen kann.

b) Der Sachverständige hat auch überzeugend dargetan, daß entgegen dem Vorbringen des Klägers, das Endoskop nicht so weit vorgeschoben hatte, dass sie daraus entnehmen musste, dass das Instrument bereits in das Gehirn vorgedrungen ist. Als normal ist ein Vorschub von 5 bis 7 cm anzusehen, da der Operationsbereich zwischen vorderem und hinterem Siebbein etwa 5 bis 7 cm vom Naseneingang entfernt ist. Da der Operateur während der Operation nicht ständig den Winkel überprüfen kann, mit dem er das OP-Gerät einführt, kann er nicht jederzeit feststellen, wo genau im Bereich der Siebbeinhöhlen er operiert. Folglich besteht bei einem Vorschub im Bereich bis zu 7 cm ein Spielraum von ca. 2 cm, der noch nicht zum Verdacht Anlaß gibt, daß das Operationsinstrument die Siebbeinhöhlen zum Gehirn hin verlassen hat. Da die Eindringungstiefe in das Gehirn des Klägers etwa 2 cm beträgt, bestehen keine signifikanten Anhaltspunkte dafür, daß schon aufgrund eines überdimensionalen Vorschubes vermuten konnte oder mußte, daß das Instrument das Operationsgebiet verlassen hat und in das Gehirn eingedrungen ist. Allerdings hatte der Sachverständige vor seiner Anhörung durch den Senat am 13.12.2001 in seinen Gutachten mehrfach - z. B. Seite 6 des Gutachtens vom 23.2.1998 und Seite 2 des Gutachtens vom 21.7.1999 - ausgeführt, daß im Gehirn des Klägers eine Blutungsspur von 2 bis 3 cm Länge feststellbar gewesen sei. Nachdem dem Sachverständigen im Termin vom 13.12.2001 der Radiologiebericht vom 5.4.1993 (Bl. 11 der Krankenakte), in dem eine etwa 2 cm x 3 mm messende Blutungsstraße festgestellt ist, vorgelegt wurde, hat der Sachverständige schlüssig und glaubwürdig dargetan, daß es sich, soweit in seinen Gutachten eine 2 bis 3 cm lange Blutungsstraße erwähnt ist, um ein Übertragungsversehen aus dem Radiologiebericht vom 5.4.1993 handelt. Der Senat ist entgegen dem Vorbringen des Klägers davon überzeugt, daß die Erläuterung des Sachverständigen der Wahrheit entspricht, zumal der Sachverständige wörtlich aus dem Radiologiebericht vom 5.4.1993 zitiert und auch nicht ersichtlich ist, woher der Sachverständige ansonsten Angaben über das Ausmaß der Verletzung im Gehirn des Klägers unmittelbar nach der Operation herhaben sollte, wenn nicht aus den in der Klinik vom Radiologen getroffenen Feststellungen. Weiterer Beweis über das Ausmaß der Verletzung im Gehirn des Klägers war folglich entgegen dem Begehren des Klägers nicht zu erheben. Vielmehr steht aufgrund des Radiologieberichtes vom 5.4.1993 fest; daß es sich qm eine Verletzung in der Größe von etwa 2 cm x 3 mm gehandelt hat und dem Sachverständigen insoweit zunächst ein Übertragungsversehen unterlaufen war.

c) Operationsinstrumente, die konstruktionsbedingt von vornherein ein Eindringen in das Gehirn verhindern, gibt es entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht.

d) Der Kläger vermochte auch nicht zu beweisen, daß das Operationsinstrument mehrfach in das Gehirn eingedrungen ist. Die Bewertung des Behandlungsgeschehens durch den Sachverständigen spricht vielmehr gegen die Behauptung des Klägers, da radiologisch nur ein einziger, für eine mehrfache Verletzung zu kleiner Verletzungskanal festgestellt wurde und die Histologie erbracht hat, daß, was nicht zu einem mehrfachen Eindringen mit der endoskopischen Zange paßt, keine Gehirnsubstanz entnommen wurde.

e) Der histologische Befund, der nur chronisch entzündete Nasen- und Nasennebenhöhlenschleimhaut, jedoch keine Gehirnsubstanz ergeben hat, spricht auch gegen die Behauptung des Klägers, daß eine kritische Kontrolle des entnommenen Gewebes unterblieben ist.

f) Es bestehen entgegen dem Vorbringen des Klägers auch keine Anhaltspunkte dafür, daß die operierenden Ärzte den Abfluß von Gehirnflüssigkeit vorübergehend fehlerhaft nicht bemerkt haben. Der Sachverständige geht vielmehr davon aus, daß zeitnah und adäquat auf den Liquorabfluß reagiert wurde.

2. a) Die Behandlungsseite muß, wenn die Operation wie hier durch einen noch in der Facharztausbildung befindlichen Arzt durchgeführt wird, durch Überwachung seitens eines Facharztes sicherstellen, daß bei der Behandlung des Patienten der Facharztstandard stets gewährleistet ist.

b) Der vom Landgericht einvernommene Zeuge der Oberarzt und HNO-Facharzt ist, hat glaubwürdig angegeben, daß er während des Eingriffs ständig anwesend war und er und die operierende Ärztin jeweils abwechselnd durch das Okular des HNO-Endoskopes hindurchgesehen haben. Sobald Komplikationen aufgetreten sind, hat er die weitere Durchführung der Operation übernommen.

c) Während der Operation war der Facharztstandard im Rahmen des möglichen stets gewährleistet. Die Durchführung der Operation durfte unter den vorgenannten Bedingungen einem noch in der Ausbildung befindlichen Arzt übertragen werden.

Frau befand sich zeitlich bereits in der Mitte der Facharztausbildung, sie hatte das dritte medizinische Staatsexamen mit der Note 1 abgelegt und ist zwischenzeitlich als Oberärztin und Privatdozentin tätig. Gegen die Kompetenz von bestehen im Hinblick auf ihren beruflichen Werdegang folglich keine Bedenken.

Im übrigen kann und darf, wie der Sachverständige im Termin vom 13.12.2001 überzeugend erläutert hat, einem in Ausbildung befindlichen Arzt die Durchführung einer Operation unter Aufsicht dann übertragen Werden, wenn dieser nach der Beurteilung seiner Vorgesetzten für die Operation ausreichend geschickt und verantwortungsbewußt erscheint. Abgesehen davon, daß gegen die Kompetenz der Operateurin wie ausgeführt, keine Bedenken bestehen, sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Einschätzung der vorgesetzten Ärzte, die für hinreichend qualifiziert angesehen haben, fehlerhaft gewesen sein könnte. Der Umstand, daß es bei der Operation zu einer Verletzung des Gehirnes des Klägers gekommen ist, läßt aus den unter 1. a) genannten Gründen keinen Rückschluß auf einen Behandlungsfehler bzw. eine unzureichende Qualifikation von zu.

d) Da 1993 nach Auskunft des Sachverständigen die Möglichkeit einer Monitorüberwachung des Operationsgebietes noch nicht möglich bzw. jedenfalls nicht fachärztlicher Standard war, ist auch nicht zu beanstanden, daß die Operation dadurch überwacht hat, daß er abwechselnd mit in das Okular des HNO-Endoskopes gesehen hat. Vielmehr war dies nach Einschätzung des Sachverständigen die seinerzeit beste Lösung zur Operationsüberwachung.

e) Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist es auch unzutreffend, daß die unstreitig schwierige Operation generell, auch nicht unter fachärztlicher Überwachung, von einem noch in der Ausbildung befindlichen Arzt durchgeführt werden durfte. Vielmehr kann das Facharztniveau, wenn der Arzt in der Ausbildung lediglich leichte oder Routineoperationen durchführt, nicht erreicht werden. Voraussetzung für die Ablegung der Facharztprüfung ist, wie der Sachverständige erläutert hat, daß der Kandidat auch an Eingriffen höheren Schwierigkeitsgrades unter Aufsicht mitgewirkt hat. Es liegt auf der Hand, daß der Facharzt schwierige Operationen nicht eigenverantwortlich durchführen kann, ohne diese zuvor in der Facharztausbildung unter Aufsicht geübt zu haben. Dieser Ausbildungszweck, der auch und gerade im Interesse der Patienten liegt, rechtfertigt in Verbindung mit dem Umstand, daß bei gehöriger Aufsicht durch einen Facharzt der Facharztstandard gewahrt wird, auch die Durchführung schwieriger Operationen durch den in Ausbildung befindlichen Arzt.

3. a) Aufgrund der glaubwürdigen Angaben des vom Landgericht vernommenen Zeugen geht der Senat davon aus, daß der Kläger davon unterrichtet und damit einverstanden war, daß die Operation von einer in Ausbildung befindlichen Ärztin unter fachärztlicher Aufsicht durchgeführt wird.

Im übrigen muß der Patient von Rechts wegen nicht darüber aufgeklärt werden, daß eine Operation von einem in Ausbildung befindlichen Arzt unter fachärztlicher Aufsicht durchgeführt wird, da bei zureichender fachärztlicher Aufsicht der Facharztstandard bei der Operation gewahrt ist (Steffen 8. Aufl. RdNr. B 254 m.w.N.; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, RdNr. 180).

b) Der Kläger, der seinen erstinstanzlichen Einwand, er habe dem Aufklärungsgespräch infolge unzureichender deutscher Sprachkenntnisse nur unvollständig folgen können, in zweiter Instanz augenscheinlich nicht weiterverfolgt, macht zu Unrecht geltend, daß er über das Risiko einer mechanischen Verletzung der Hirnsubstanz nicht hinreichend aufgeklärt wurde. Der vom Kläger unterzeichnete Aufklärungsbogen vom 30.3.1993 weist u.a. auf die Gefahr der "Verletzung der Schädelbasis mit Hirnhautentzündung und Abszess" hin.

Zwar zielen diese Komplikationen eher darauf, daß infolge der Verletzung der Schädelbasis Krankheitserreger mit lebensbedrohlichen Folgen in das Gehirn aufsteigen und weniger7 auf die stattgehabte mechanische Verletzung des Gehirns durch das Operationsinstrument ab. Dennoch war der Kläger ausreichend darüber aufgeklärt, daß der Eingriff mit schwerwiegenden Komplikationen für das Gehirn verbunden sein kann. Ein durch aufsteigende Erreger verursachter Gehirnabszess, der in 20 bis 40 % der Fälle zum Tode führt, und über den der Kläger explizit aufgeklärt wurde, ist für den Patienten bei vergleichbarem Hergang wesentlich gefährlicher wie eine räumlich eng umschriebene mechanische Verletzung von Hirngewebe.

Im übrigen hätte der Beklagte ohnehin die Voraussetzungen einer hypothetischen Einwilligung des Klägers hinreichend «dargetan. Der Kläger, der über die Gefahr der "Verletzung der Schädelbasis mit Hirnhautentzündung und Abszess" und "Sehstörungen bis zur Blindheit" aufgeklärt worden war, hat in Kenntnis und unter Berücksichtigung dieser Risiken der Operation zugestimmt. Abgesehen davon, daß der Kläger dies in der Berufung auch nicht ausdrücklich behauptet, wäre es für den Senat nicht nachvollziehbar, daß der Kläger zwar in Kenntnis der vorgenannten Risiken der Operation zugestimmt hat, ihn aber die Gefahr einer weniger gefährlichen, ähnlich gelagerten mechanischen Verletzung des Gehirns von der Operation abgehalten hätte.

c) Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist es ausweislich der Einverständniserklärung vom 30.3.1993 unzutreffend, daß der Kläger über das Risiko von Sehstörungen bis hin zur Erblindung nicht aufgeklärt wurde.

4. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß nach den Feststellungen des Sachverständigen auch nicht ersichtlich ist, daß die verfahrensgegenständliche Operation, es wurde eine sogenannte stumme Hirnregion verletzt, zu bleibenden Gesundheitsschäden geführt hat.

5. Der Senat schließt sich den Feststellungen des Sachverständigen die dieser nach sorgfältiger Auswertung aller Befunde unter Zugrundelegung zutreffender Anknüpfungstatsachen nachvollziehbar, widerspruchsfrei und alle vorgetragenen Argumente gewissenhaft abwägend in jeder Hinsicht überzeugend begründet hat, an. Soweit der Sachverständige die Längenausdehnung der Gehirnläsion zunächst fehlerhaft aus dem radiologischen Befund vom 5.4.1993 entnommen hatte, stellt ein derartiges vereinzeltes Versehen, da es auch einem sorgfältigen Sachverständigen jederzeit unterlaufen kann, die Sachkunde und Sorgfalt des Sachverständigen nicht in Frage. Zur Erholung eines weiteren Gutachtens besteht kein Anlaß. Der Sachverständige hat sich in zwei Instanzen über 8 Gutachten und 2 gerichtliche Anhörungen so ausführlich wie umfassend mit dem streitgegenständlichen Behandlungsgeschehen auseinandergesetzt. Der Sachverständige ist dabei auch detailliert auf die Position des Parteigutachters eingegangen (z. B. Blatt 123 ff., 151 ff., 167 ff., 184 ff.).

6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Gemäß § 546 Abs. 2 ZPO war der Wert der Beschwer festzusetzen.

7. Der Schriftsatz des Klägers vom 16.01.2002 gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Ende der Entscheidung

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