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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 25.03.2004
Aktenzeichen: 1 U 3703/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 278
BGB § 831 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1
BGB a.F. § 847 Abs. 1
Bei der mikrochirurgischen Entfernung eines Bandscheibensequesters ist eine Antibiotikaprophylaxe nicht erforderlich.
IM NAMEN DES VOLKES !

URTEIL

Aktenzeichen 1 U 3703/03

Verkündet am 25.03.2004

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatz

erläßt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht K. und die Richter am Oberlandesgericht S. und N. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.03.2004 folgendes

ENDURTEIL

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 11.06.2003 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls die Beklagten nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, ein Arzt, macht gegen die Beklagten Schadenersatzansprüche wegen behaupteter Kunstfehler bei zwei Bandscheibenoperationen am 20. und 28.07.1997 geltend.

Im Jahr 1981 unterzog sich der Kläger einer Bandscheibenoperation in der Ebene LWK 5/ SWK 1.

Im Juli 1997 verspürte der Kläger starke Rückenschmerzen.

Am 17.07.1997 führte der Radiologe Dr. R. eine Kernspintomographie des Spinalkanals des Klägers im Lendenwirbelbereich durch. Seine Beurteilung lautete: "Hauptbefund ist der kleine, intraforaminale Prolaps bei LWK 3/4 mit geringer kaudaler Sequestration. Nach Lage und Ausdehnung ist eine L 3- und L 4-Kompression möglich."

Bei einer Untersuchung des Klägers notierte der Leiter der Neurochirurgischen Poliklinik des Klinikums G. , Prof. Dr. W., am 18.07.1997 folgenden Befund: "Seit 6 T. KS, seit 4 T Schmerzproj Leiste, Hoden, Oberschenkelvorderseite li. Seit 2 -3 T. Schwäche Kniestrecker u. Taubheit an der Oberschenkelvorderseite u. Tibia li".

Am 18.07.1997 unterzeichnete der Kläger eine Wahlleistungsvereinbarung über eine privatärztliche Behandlung durch die liquidationsberechtigten Ärzte des Klinikums G. (Anlage B 3-1). Diese enthielt folgenden vorgedruckten "Haftungsausschluss": "Der Freistaat Bayern als Träger der Klinik ist lediglich Vertragspartner für die Unterbringung, Verpflegung und pflegerische Betreuung. Vertragspartner für ärztliche Leistung sind nur die liquidationsberechtigten Ärzte. Der Freistaat Bayern haftet daher nicht für Fehler des privaliquidierenden Arztes (weder vertraglich noch deliktisch). Für Fehler der von diesem persönlich geschuldeten ärztlichen Leistungen haftet allein der liquidationsberechtigte Arzt. Dies gilt auch für Fehler von Hilfspersonen (beispielsweise nachgeordneter oder konsiliarisch hinzugezogener Ärzte), derer er sich zur Erfüllung seiner persönlich geschuldeten ärztlichen Leistungen bedient."

Chefarzt der Neurochirurgischen Klinik des Klinikums, in die der Kläger stationär aufgenommen wurde, war der Beklagte zu 2). Träger des Klinikums ist der Beklagte zu 3).

Am Nachmittag des 18.07.1997 unterschrieb der Kläger ein mit "Zusammenfassende Aufklärung" betiteltes Formular, in dem unter anderem handschriftlich vermerkt ist: "Pat will keine Komplikationen genannt bekommen, willigt so ein."

Im vom Kläger am 19.07.1997 unterzeichneten Anästhesieaufklärungsbogen werden unter Ziffer 21 Allergien bejaht. Vermerkt ist: "Kontrastmittel ! Zinacef ! Hautreaktion". Bei Zinacef handelt es sich um ein Antibiotikum.

Am gleichen Tag fuhr der Kläger mit dem Auto zu einem Konzert seines Sohnes in Bad Tölz.

Im abschließenden Befund des Anästhesisten heißt es u. a.: "Allergie Kontrastmittel Zinacef ! (=> Hautreaktion ausgeprägt)".

Am 20.07.1997 operierte der Beklagte zu 1), damals Oberarzt an der Neurochirurgischen Klinik, den Kläger ohne Antibiotikaprophylaxe mikrochirurgisch unter Zuhilfenahme eines Spekulums über einen extraspinalen Zugang, wobei er einen 10 x 8 x 8 mm messenden Bandscheibensequester entfernte. Laut Operationsbericht ging der Beklagte zu 1) von einem extraforaminalen Bandscheibenvorfall LWK 3/4 links aus.

Danach war der Kläger nicht beschwerdefrei.

Am 28.07.1997 nahm der Beklagte zu 1) eine Revisionsoperation vor, wobei er denselben Zugang wie acht Tage zuvor wählte. Mit Fasszange und Häkchen entfernte er weiteres Bandscheibenmaterial, das zusammengelegt eine Größe von 15 x 10 x 6 mm ergab.

Ein Antibiotikaprophylaxe erfolgte wiederum nicht.

Am 09.08.1997 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen.

Wegen des Verdachts auf eine beginnende Diszitis im operierten Bandscheibensegment LWK 3/4 erfolgte eine mikrobiologische Untersuchung von am 18.09.1997 durch eine Punktion entnommenem Gewebematerial. Dabei wurden multiresistente Staphylokokken festgestellt.

Im November 1997 wurde eine Spondylodiszitis der LWK 3/4 diagnostiziert.

Der Kläger hat vorgebracht, Ursache für die Entzündung und die sich daraus ergebende Infektion seien die beiden operativen Eingriffe vom 20.07.1997 und 28.07.1997. Zu der Entzündung sei es gekommen, weil beide Operationen entgegen seiner Bitte ohne präventiven Antibiotikaschutz durchgeführt worden seien. Eine Allergie gegen Zinacef habe nicht bestanden. In der Klinik habe eine mangelhafte Hygiene geherrscht. Bei der Operation vom 20.07.1997 seien aufgrund einer fehlerhaften Wahl des Zugangs nicht alle Bandscheibensequester entfernt worden. Zudem entspreche es nicht den Regeln der ärztlichen Kunst, dass der zweite Eingriff über den Operationskanal der ersten Operation geführt worden sei.

Der Kläger hat behauptet, aufgrund der Spondylodiszitis leide er unter ständigen Schmerzen, die längeres Gehen und Sitzen sowie die Durchführung körperlicher Arbeiten unmöglich machten. Nur unter Dauermedikation mit Valoron und anderen starken Analgetika sei er in der Lage, die Schmerzen einigermaßen zu beherrschen.

Die Dauermedikation habe zu Zysten an Leber und Niere geführt. Der Eintritt weiterer Schäden sei zu erwarten. Insbesondere werde er seinen Beruf als Arzt nicht mehr ausüben können. Dies rechtfertige ein Schmerzensgeld von 80.000,00 DM.

Der Kläger hat beantragt:

I. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld für den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung, mindestens jedoch DM 80.000,00 nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, sämtliche materiellen und immateriellen Schäden - letztere, soweit sei nach der letzten mündlichen Verhandlung entstehen - des Klägers aufgrund der durch die Operationen vom 20.07.1997 und 28.07.1997 verursachten Infektion zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagten haben die Abweisung der Klage beantragt.

Sie haben vorgebracht, beide Operationen seien indiziert gewesen und kunstgerecht durchgeführt worden. Die zweite Operation sei wegen der schicksalhaften Entwicklung eines Rezidivs erforderlich geworden. Eine Antibiotikaprophylaxe sei nicht nötig gewesen.

Der Beklagte zu 2) hat sich auf sein Beamtenprivileg und der Beklagte zu 3) auf den in der Wahlleistungsvereinbarung vom 18.07.1997 enthaltenen Haftungsausschluss berufen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 11.06.2003 nach der Erholung dreier Gutachten der Neurochirurgen Prof. Dr. S. und PD. Dr. W. abgewiesen. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

Der Kläger verfolgt sein Begehren im Wege der Berufung weiter.

Der Kläger bringt vor, eine Indikation für die Operation vom 20.07.1997 habe nicht bestanden. Um einen Notfall habe es sich nicht gehandelt.

Eine Lähmung des Musculus quadriceps fermoris sowie Gefühls- und Reflexstörungen hätten nicht vorgelegen. Dies ergebe sich nicht aus dem Untersuchungsbericht von Prof. Dr. W. (Anlage K 11). Es sei nicht erklärlich, dass er bei der von den Sachverständigen Prof. Dr. S. und PD. Dr. W. angenommenen schweren Beeinträchtigung am 19.07.1997 mit dem Auto zu einem Konzert seines Sohnes nach Bad Tölz habe fahren können.

Bei kunstgerechtem Vorgehen hätte der verbliebene Bandscheibensequester nicht übersehen werden können. Der Beklagte zu 1) hätte nicht mikrochirurgisch und über einen extraspinalen Zugang operieren dürfen, da er durch das Spekulum nur einen begrenzten Blick auf das Operationsfeld gehabt habe. Erforderlich wäre eine konventionelle Operation mit einem größeren Zugang gewesen.

Die präoperativen Befunde des Radiologen Dr. R. und von Prof. Dr. W. hätten nämlich auf einen intraforaminalen Bandscheibenprolaps von komplexer Art und großer Ausdehnung hingewiesen.

Es sei angesichts der Seltenheit eines Rezidivs nicht nachvollziehbar, dass ein derartiger Fall gerade bei ihm sofort nach der ersten Operation eingetreten sei, obwohl er in diesem Zeitraum ausnahmslos bettlägerig gewesen sei und wegen erheblicher, unaufhörlicher Schmerzen nicht habe aufstehen können.

Der Kläger bringt vor, er habe eine Antibiotikaprophylaxe ausdrücklich gewünscht. Statt Zinacef hätte auch eine anderes Antibiotikum gewählt werden können.

Eine mangelnde Sterilität von Operationsraum und -geräten habe die Infektion verursacht. Deren Risiko habe sich durch die Wiedereröffnung des Wundkanals signifikant erhöht.

Das Landgericht habe die Sachverständigen trotz seiner mehrfach, auch in der letzten mündlichen Verhandlung wiederholten Anträge nicht mündlich angehört. Im Arzthaftungsprozess treffe das Gericht die verstärkte Pflicht, vorhandene Aufklärungsmöglichkeiten auszuschöpfen.

Der Kläger beantragt:

I. Das Endurteil des Landgerichts München I vom 11.06.2003, GN: 9 O 14882/00, wird aufgehoben.

II. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld für den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung, mindestens jedoch DM 80.000,00 nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, sämtliche materiellen und immateriellen Schäden - letztere, soweit sie nach der letzten mündlichen Verhandlung entstehen - des Klägers aufgrund der durch die Operationen vom 20.07.1997 und 28.07.1997 verursachten Infektion zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Berufung.

Der Beklagte zu 1) bestreitet weiter einen Behandlungsfehler. Er beruft sich auf die Ausführungen der Sachverständigen in erster Instanz. Die Berufungsbegründung stelle nur eine Wiederholung des klägerischen Vorbringens in erster Instanz dar.

Der Beklagte zu 2) schließt sich diesem Vorbringen an.

Der Beklagte zu 3) bestreitet, das die Operationsumgebung nicht steril gewesen sei. Das entsprechende Vorbringen des Klägers sei völlig unspezifiziert.

Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien im übrigen wird verwiesen auf die Schriftsätze des Klägers vom 13.10.2003 (Bl. 204/216 d. A.) und 20.01.2004 (Bl. 223/229 d. A.), des Beklagten zu 1) vom 29.01.2004 (Bl. 231/235 d. A.), des Beklagten zu 2) vom 16.02.2004 (Bl. 239/240 d. A.) sowie des Beklagten zu 3) vom 12.02.2004 (Bl. 237/238 d. A.).

Der Senat hat Beweis erhoben durch die mündliche Anhörung des Sachverständigen PD Dr. W. im Termin vom 04.03.2004 (Bl. 246/250 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1) Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten zu 1) nach den §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB a. F. bestehen nicht.

Das Landgericht hat in seinem auf einer sorgfältigen Beweisaufnahme beruhenden Urteil Behandlungsfehler mit zutreffender Begründung verneint. Der Senat hat nur deshalb von einer Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO abgesehen, weil der Kläger auf den Hinweisbeschluss vom 20.11.2003 vorbrachte, seinen Antrag, den Sachverständigen anzuhören, in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht aufrecht erhalten zu haben. Die Beklagten haben dies bestritten, doch erschien es dem Senat sachgerecht, statt weitere Erhebungen über die Prozessgeschichte vorzunehmen, die Anhörung nachzuholen. Die Befragung des Sachverständigen PD Dr. W. war zur Illustration der Streitpunkte für die Parteien und das Gericht sinnvoll und vertiefte Teilaspekte. Zu einem Nachweis von Behandlungsfehlern führte sie nicht.

a) Auf die Operationsindikation und die Dringlichkeit des Eingriffs sind die Sachverständigen Prof. Dr. S. und PD Dr. W. in den Ergänzungsgutachten vom 21.08.2002 und 05.03.2003 ausführlich eingegangen. Dabei haben sie unterstellt, dass der Kläger am 19.07.1997 ein Konzert in T. besucht hat. Die Intensität der Schmerzen und die neurologische Ausfälle in Gestalt einer Quadricepsparese sprachen für eine Operation binnen weniger Tage und gegen eine konservative Behandlung. PD Dr. W. gab in seiner mündlichen Anhörung an, der Aufnahmebefund habe auf eine funktionell relevante Beeinträchtigung des linken Oberschenkels im Sinne einer Lähmung hingewiesen. Es habe ein Parese Grad III bis IV vorgelegen, bei der man seiner Auffassung nach immer operieren müsse. Um so schwerwiegender die Lähmung sei, um so schlechter sei die Rückbildungstendenz. Ohne Operation hätten die Lähmungserscheinungen noch zunehmen können. Hinzu kämen die in der Dokumentation als sehr intensiv beschriebenen Schmerzen.

b) Die unterlassene Antibiotikaprophylaxe ist, wie die Sachverständigen wiederholt und ausführlich schriftlich dargelegt haben, nicht als fehlerhaft anzusehen. Dabei ist PD Dr. W. bei seiner mündlichen Anhörung im Zusammenhang mit seinen Äußerungen auf S. 8 der Sitzungsniederschrift vom 04.03.2004 geblieben (insoweit nicht protokolliert). Hinsichtlich der von Klägerseite vorgelegten Anlage K 14 (Empfehlungen zur perioperativen Antibiotikaprophylaxe vom Juni 2000) führte der Sachverständige aus, dass die dort auf Seite 5 erwähnte Laminektomie ohne Implantat, bei der eine Prophylaxe nicht empfohlen wird, eine vom Infektionsrisiko vergleichbare Bandscheibenoperation darstellt.

Sinngemäß entsprechen die Angaben von PD Dr. W. den in der Entscheidung des OLG Hamm vom 12.01.1998 AHRS II 2620/168 (Diszitis nach Bandscheibenoperation ohne Antibiotikaprophylaxe) wiedergegebenen Ausführungen eines anderen Sachverständigen.

An einem Nachweis für die Behauptung des Klägers, er habe um die präventive Gabe von Antibiotika gebeten, fehlt es.

Festgehalten ist der Wunsch des Klägers in den Behandlungsunterlagen nicht. Zudem steht hierzu die Dokumentation des Anästhesisten, nach der der Kläger eine Allergie gegen Zinacef erwähnt hat, zumindest mittelbar in Widerspruch. Dass diese Eintragungen durch ein Versehen oder gar bewusst unwahr erfolgten, ist sehr unwahrscheinlich.

Dass intraoperative allergische Reaktionen zu schwersten, im Einzelfall katastrophalen Komplikationen führen können, ist dem Senat aus anderen Arzthaftungsprozessen ebenso bekannt wie die Tatsache, dass es zur Frage der Indikation einer Antibiose einen beträchtlichen Spielraum an vertretbaren Auffassungen gibt.

Da eine Infektion nach den Angaben der Sachverständigen auch bei Durchführung einer Antibiotikaprophylaxe auftreten kann, was den Ausführungen eines anderen Gutachters in dem ähnlichen Fall OLG Hamm AHRS II 2620/168 entspricht, hätte die Klage nur dann Erfolg, wenn dem Kläger Beweiserleichterungen hinsichtlich der Kausalität zu Gute kämen. Die unterlassene Behandlung müsste einen groben Fehler im Sinne der Rechtsprechung darstellen. Hiervon kann erst recht keine Rede sein.

c) Die technische Durchführung der Operation 20.07.1997 haben die Sachverständigen in ihren schriftlichen Gutachten unter Berücksichtigung der Einwendungen des Klägers ausführlich diskutiert, bei der Frage des Zugangs einen Fehler verneint und bei der Frage, ob der Beklagte zu 1) vorwerfbar Teile des Bandscheibensequesters übersehen hat, einen Fehler als nicht nachgewiesen angesehen.

Dass das, was der Chirurg bei seinem Eingriff vorfindet, nicht immer exakt mit den bildgebenden Befunden übereinstimmt, haben nicht nur die Sachverständigen eingehend dargestellt. Dies entspricht auch der Erfahrung des Senats.

PD Dr. W. erläuterte anhand der Aufnahmen vom 17.07.1997 im Termin die Lage des Bandscheibenvorfalls, wobei er intra- und extraforaminale Teile zeigte. Dabei schilderte er die Schwierigkeit, auf den genauen Umfang eines Prolapses allein aus Kernspinaufnahmen zu schließen.

Die mikrochirurgische Vorgehensweise mit einem möglichst kleinen Zugang war zur Schonung des Gewebes indiziert, wie der Sachverständige PD Dr. W. bei seiner Befragung überzeugend darlegte. Sie ist die Methode der Wahl. Wenn der Operateur nicht genügend sieht, kann er bei ihr den Zugang nach Bedarf erweitern.

Die schon in den schriftlichen Gutachten ausführlich behandelte Abwägung zwischen dem vom Beklagten zu 1) gewählten extraspinalen Zugang und dem Zugang über die Mittellinie hat PD Dr. W. anhand ihm vorgelegter Zeichnungen erläutert. Beide Methoden sind gleichwertig. Ihre Vor- und Nachteile für den Patienten halten sich in Grenzen. Schwierigkeiten, den Operationsraum vollständig zu übersehen, können sich unabhängig vom Zugang ergeben. Wie durch einen Einwurf des Beklagten zu 2) und die Erwiderung des Sachverständigen deutlich wurde, handelt es sich offenbar um verschiedene Schulen der Neurochirugie, wobei der extraspinale Zugang gerade im Klinikum G. gepflegt wird.

Die relative Seltenheit eines Rezidivs im Verhältnis zu allen durchgeführten Bandscheibenoperationen ist kein taugliches Argument dafür, dass es beim Kläger nicht aufgetreten sein kann. Eine gewisse Aussagekraft bezogen auf die Gesamtheit aller Fälle, aber nicht auf den konkreten Einzelfall, hätte allein die Zahl aufgrund operationstechnischer Fehler nicht vollständig entfernter Bandscheibensequester im Verhältnis zu "echten" Rezidiven. Dass sich hierzu keine gesicherten Angaben machen lassen, haben die Sachverständigen ausführlich dargestellt. In seiner mündlichen Anhörung legte PD Dr. W. anhand des Operationsberichts vom 20.07.1997 dar, dass der Beklagte zu 1) das Operationsgebiet sorgsam auf noch vorhandene Sequester abgesucht hatte. Indizien, geschweige denn einen Nachweis dafür, dass der Operationsbericht insoweit eine unrichtige Darstellung enthält, gibt es nicht.

d) Dass die Wahl desselben Zugangs bei der Revisionsoperation vom 28.07.1997 unter keinem Gesichtspunkt einen Fehler darstellte, haben die Sachverständigen Prof. Dr. S. und PD Dr. W. in ihren schriftlichen Gutachten überzeugend dargestellt. Neue Gesichtspunkte haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben.

2) Ansprüche gegen den Beklagten zu 2) wegen positiver Verletzung des Behandlungsvertrags in Verbindung mit § 278 BGB beziehungsweise den §§ 831 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB a. F. bestehen nicht. Sie scheiden aus, weil dem Beklagten zu 1) als Erfüllungs- beziehungsweise Verrichtungsgehilfen des Chefarztes kein Behandlungsfehler nachgewiesen werden kann.

3) Eine Haftung des Beklagten zu 3) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Behandlungsfehler des Beklagten zu 1) sind nicht nachweisbar. Der Beklagte zu 3) müsste für sie zudem aufgrund der vom Kläger abgeschlossenen Wahlleistungsvereinbarung vom 18.07.1997 nicht einstehen. Der Beklagte zu 1) handelte als Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfe des Beklagten zu 2) als liquidationsberechtigter Chefarzt, nicht für den Freistaat Bayern. Der formularmäßige Haftungsausschluss gibt nicht mehr als die Rechtslage wieder. Letztlich kommt es auf ihn nicht an.

Die Behauptung des Klägers, die Hygiene im Operationsraum sei ungenügend gewesen, erscheint ins Blaue aufgestellt, denn Beweis hierfür hat der Kläger nicht angeboten. Ein Schluss von einer postoperativen Infektion auf Versäumnisse bei der Bekämpfung von Krankheitserregern ist nicht möglich. Um ein voll beherrschbares Risiko handelt es sich nicht, wie übereinstimmend nicht nur PD Dr. W., der auf die Unmöglichkeit einer völligen Sterilisierung der Haut des Patienten hinwies, sondern alle bisher vom Senat zu diesem Thema befragten Sachverständigen angegeben haben (ebenso z. B. OLG Hamm AHRS II 6330/106 bezogen auf eine Wirbelsäulenoperation).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).



Ende der Entscheidung

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