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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 19.12.2002
Aktenzeichen: 1 U 4337/02
Rechtsgebiete: GBO, ZPO, BNotO
Vorschriften:
GBO § 15 | |
GBO § 29 | |
ZPO § 92 Abs. 1 | |
ZPO § 308 Abs. 1 | |
ZPO § 311 Abs. 4 | |
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1 | |
ZPO § 543 Abs. 2 n.F. | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 713 | |
BNotO § 19 Abs. 1 Satz 1 | |
BNotO § 19 Abs. 1 Satz 2 | |
BNotO § 24 |
2. Das Verschulden des Beamten oder Notars ist im Regelfall zu verneinen, wenn ein Kollegialgericht (unrichtigerweise) die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung bejaht hat. Dies gilt jedoch nicht, wenn das Kollegialgericht den Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt hat.
3. Wenn der Schuldner Schadensersatz für den Verlust der dinglichen Sicherung einer Forderung zu leisten hat, kann der Gläubiger von ihm gegen Abtretung der Forderung deren Erfüllung verlangen.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN Aktenzeichen: IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 19.12.2002
In dem Rechtsstreit
wegen Schadensersatz
erlässt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14.11.2002 folgendes
Endurteil:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 23.07.2002 aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.591,72 EUR Zug um Zug gegen Abtretung von jeweils 50 % - höchstens jedoch jeweils 1 8.591,72 EUR - der Ansprüche der Klägerin gegen
1. die Firma
2. aus Ziffer III Satz 2 vorletzter Absatz des vom Beklagten am 31.07.2000 unter der Nummer 4281 2/00 beurkundeten Vertrages zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 25.04.2002 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus Notarhaftung in Anspruch.
Die Klägerin finanzierte ein Bauvorhaben der Firma mit 60 Wohneinheiten und erhielt zur Sicherung eine brieflose Gesamtgrundschuld vom 10.04.1996 über 10,71 Millionen DM. Am 10.02.1997 reichte der Notar im Auftrag der Klägerin eine Löschungsbewilligung, die sich auf die gesamte Grundschuld bezog, zum Grundbuch ein. Diese Vorgehensweise sollte die Grundschuldlöschung dahingehend erleichtern, dass jeweils auf diese globale Löschungsbewilligung Bezug genommen werden konnte. Am 02.04.1998 beurkundete der Beklagte den Verkauf von 2 Wohnungseinheiten (Anlage K 2) und teilte dies der Klägerin mit Schreiben vom 03.06.1998 (Anlage K 3) mit. Gleichzeitig übersandte der Beklagte Freigabeerklärungen mit der Bitte um Rücksendung des Originals in grundbuchmäßiger Form. Mit Schreiben vom 07.09.2000 (Anlage K 4) bat die Klägerin den Beklagten um Übernahme eines Treuhandauftrages unter der Anweisung, dass über die Löschungsbewilligung, um deren Übersendung an den Beklagten sie den Notar ersucht habe, nur gegen Überweisung des zur Auszahlung gelangenden Kaufpreises, mindestens jedoch 72.724,48 DM, an die Klägerin verfügt werden dürfe. Der Treuhandauftrag wurde vom Beklagten am 19.09.2000 angenommen (Anlage K 5). Unter dem 19.09.2000, eingegangen beim Beklagten am 20.09.2000, informierte der Notar den Beklagten darüber, dass sich beim Grundbuch eine globale Löschungsbewilligung der Klägerin befindet, auf die der Beklagte zum Zwecke der Löschung Bezug nehmen kann (Anlage K 6). Eine Kopie dieser Löschungsbewilligung war beigefügt. Mit Schreiben vom 22.09.2000 beantragte der Beklagte beim Grundbuchamt - "bei Grundpfandrechten auch im Namen des Gläubigers" - den Vollzug aller gestellten und noch nicht vollzogenen Anträge (Anlage K 7). Am 11.10.2000 wurden die betreffenden Wohneinheiten aus der Mithaftung für die Grundschuld entlassen sowie der Erwerber als Eigentümer und eine Auflassungsvormerkung zu Gunsten des Zweiterwerbers, der Beklagte hatte am 31.07.2000 auch diesen Vertrag beurkundet, eingetragen. Der Kaufpreis wurde weder beim Beklagten hinterlegt noch an die Klägerin überwiesen. Ein auf Anregung der Klägerin eingetragener Amtswiderspruch gegen die Löschung der Grundschuld wurde in der Folgezeit für rechtswidrig erklärt und wieder getilgt.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug behauptet, dass eine Begleichung des mit der Grundschuld ursprünglich gesicherten Restdarlehens nicht mehr zu erwarten sei, da, die Darlehensnehmerin, die Firma, ihren Geschäftsbetrieb eingestellt habe. Der Beklagte habe den Treuhandvertrag dadurch verletzt, dass er die Löschung der Grundschuld ohne Sicherung des Kaufpreises bewirkt habe. Jedenfalls sei der Beklagte verpflichtet gewesen, die Klägerin zu warnen.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 37.183,44 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszins seit 01.12.2001 Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Klägerin gegen die in gleicher Höhe zu bezahlen.
Der Beklagte hat
Klageabweisung
beantragt.
Der Beklagte hat geltend gemacht, dass er nicht damit habe rechnen können, dass die globale Löschungsbewilligung von der Klägerin auflagenfrei zum Grundbuch gegeben wurde. Der Antrag des Beklagten vom 22.09.2000 datiere ursprünglich bereits vom 02.08.2000. Der Beklagte habe den Antrag an diesem Tag unterzeichnet. Wegen einer Weisung der Parteien sei die Versendung bis zum 22.09.2000 unterblieben. Der Beklagte sei nach dem 02.08.2000 nicht mehr mit dem Vorgang befasst worden. Vielmehr habe die Sachbearbeiterin im Notariat des Beklagten lediglich handschriftlich das Datum auf 22.09. korrigiert. Das Schreiben des Notars vom 19.09.2000 sei ihr zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen. Ein Fehlverhalten der Sachbearbeiterin oder ein Organisationsverschulden des Beklagten sei folglich nicht ersichtlich. Der Treuhandauftrag der Klägerin habe sich nicht auf eine Kopie einer Löschungsbewilligung beziehen können, da nach § 29 GBO nur eine Originalurkunde brauchbar gewesen sei. Der Antrag zum Grundbuch sei namens der Kaufvertragsparteien und folglich ausserhalb des Treuhandauftrages der Klägerin gestellt worden. Auf eine Löschungsbewilligung der Klägerin habe sich der Beklagte nicht berufen. Jedenfalls sei in der auflagenfreien Begebung einer Löschungsbewilligung ein überwiegendes Mitverschulden der Klägerin zu sehen.
Mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 06.08.2002 zugestelltem Urteil vom 23.07.2002, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, hat das Landgericht München I die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 27.08.2002 eingegangene und am 02.10.2002 begründete Berufung der Klägerin.
Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe mit dem Schreiben des Notars vom 19.09.2000 Kenntnis vom maßgeblichen Sachverhalt gehabt. Es dürfe nicht auf den Zeitpunkt der Unterzeichnung des Antrages vom 22.09.2000 durch den Beklagten am 02.08.2000 abgestellt werden. Vielmehr komme es einzig und allein auf die Sachlage zum Zeitpunkt von dessen Versendung an. Es sei offenkundig gewesen, dass die Löschungsbewilligung mit keinen Auflagen versehen war. Die vom Notar gewählte Vorgehensweise sei weithin üblich. Der Treuhandauftrag habe sich nicht nur auf die Übersendung einer Originallöschungsbewilligung bezogen. Der Beklagte habe die ihm obliegenden Warn- und Hinweispflichten verletzt. Er habe unzulässigerweise mit Schreiben vom 22.09.2000 auch im Namen der Klägerin die Löschung der Grundschuld beantragt. Von der Gesamtlöschungsbewilligung habe die Klägerin keine Kenntnis gehabt.
Die Klägerin beantragt:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des am 23.07.2002 vekündeten Urteils des Landgerichts München I, Az. 28 O 5376/02, verurteilt, an die Klägerin 37.183,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 01.12.2001 Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Klägerin gegen und des unter Ziffer III (Seite 6/7) der Urkunde Nr. 42812/00 des Notars vom 31.07.2000 genannten Anspruches zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte vertritt die Ansicht, dass das Grundbuchamt die globale Löschungsbewilligung nur im Zusammenhang mit Anträgen des Notars hätte verwenden dürfen. Der Beklagte habe nicht mit einer auflagenfreien Löschungsbewilligung rechnen können. Er habe das Schreiben vom 19.09.2000 zum Zeitpunkt des Auslaufens des Schreibens vom 22.09.2000 noch nicht zur Kenntnis genommen gehabt. Der Beklagte habe der Klägerin lediglich zugesagt, über eine ihm zugehende Löschungsbewilligung nur unter Beachtung der Treuhandauflage zu verfügen. Der Beklagte habe jedoch zu keinem Zeitpunkt eine Löschungsbewilligung der Klägerin erhalten. Jedenfalls habe er nicht schuldhaft gehandelt. Ein Kollegialgericht, nämlich das Landgericht München I im ersten Rechtszug, habe festgestellt, dass der Beklagte nicht pflichtwidrig gehandelt habe. Im Übrigen stehe einer Haftung des Beklagten auch der Subsidiaritätsgrundsatz und das überwiegende Eigenverschulden der Klägerin entgegen.
Im Übrigen wird bezüglich des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz auf die Schriftsätze der Klägerin vom 02.10., 08.11. und 10.12.2002 sowie auf die Schriftsätze des Beklagten vom 29.10., 27.11. und 03.12.2002 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Auf die zulässige Berufung der Klägerin hin war das Urteil des Landgerichts vom 23.07,2002 aufzuheben und der Beklagte zur Zahlung der hälftigen Klageforderung Zug um Zug gegen Abtretung von 50 % der Ansprüche der Klägerin gegen die sowie, wie von der Klägerin beantragt, zu verurteilen. Der Beklagte hat amtspflichtwidrig den Treuhandauftrag der Klägerin verletzt. Der Klägerin fällt jedoch ein hälftiges Mitverschulden zur Last.
A) Folgenlos bleibt, da die Entscheidung nicht auf diesem Verfahrensfehler beruht, dass das Urteil des Landgerichts vom 23.07.2002 entgegen § 311 Abs. 4 ZPO nicht vom Vorsitzenden sondern vom berichterstattenden Richter als Einzelrichter verkündet wurde (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; Zöller, 23. Aufl., Randnr. 9 zu § 310 ZPO; Thomas/Putzo, 24. Aufl., Randnrn. 5 u. 6 zu § 310 ZPO).
B) Die Klage ist dem Grunde nach aus §§ 19 Abs. 1 Satz 1, 24 BNotO begründet.
1. Der Beklagte hat amtspflichtwidrig gegen den Treuhandauftrag der Klägerin verstoßen, da er ohne Sicherung des Anspruches der Klägerin auf den (Teil-) Kaufpreis die Löschung der Grundschuld bewirkt hat.
a) Der Beklagte hatte es der Klägerin gegenüber treuhänderisch übernommen, die Löschung der Grundschuld nur gegen Überweisung des der Klägerin zustehenden Anteils am Grundstückskaufpreis herbeizuführen (Anlagen K 4 und K 5).
b) Zum Zeitpunkt der Absendung des Antrages des Beklagten an das Grundbuchamt am 22.09.2000 (Anlagen B 3 bzw. K 7) musste dem Beklagten, da das Schreiben des Notars vom 19.09.2000 am 20.09.2000 beim Beklagten eingegangen war (K 6), bekannt sein, dass dem Grundbuchamt eine Gesamtlöschungsbewilligung der Klägerin vorlag, auf die vom Beklagten Bezug genommen werden konnte. Entgegen der Einschätzung des Landgerichts kommt es insoweit nicht auf den Kenntnisstand des Beklagten zum Zeitpunkt der (ursprünglichen) Unterzeichnung des Antrages an das Grundbuchamt am 02.08.2000, sondern auf den Sachstand zum Zeitpunkt der Absendung des Schreibens am 22.09.2000 an. Erst zum Zeitpunkt der Absendung des Schreibens gibt der Beklagte die Willenserklärung ab. Im Vorfeld lag nur ein unverbindlicher interner Entwurf vor. Es kann nicht angehen, dass der Beklagte, wenn ein Schreiben, aus welchen Gründen auch immer, 1 1/2 Monate zurückgehalten wird, zwischenzeitlich eingehende relevante Informationen nicht berücksichtigt. Zwischen dem 20.09.2000 (Mittwoch) und dem 22.09.2000 wäre auch ausreichend Zeit gewesen, das Schreiben des Notars vom 19.09.2000 einzuarbeiten.
c) Der Beklagte konnte und musste unter Berücksichtigung des Schreibens des Notars vom 19.09.2000 erkennen, dass sein Antrag vom 22.09.2000, wie der Fortgang in aller Deutlichkeit zeigt, die Gefahr in sich barg, dass die Grundschuld der Klägerin zur Löschung kommt, ohne dass die Klägerin einen Anteil am Kaufpreis erhält. Obendrein hatte der Beklagte den Antrag auch noch im Namen der Klägerin - "bei Grundpfandrechten auch im Namen des Gläubigers" - gestellt.
Der Beklagte konnte und durfte entgegen dem landgerichtlichen Urteil nicht davon ausgehen oder darauf vertrauen, dass die Löschungsbewilligung von der Klägerin mit sichernden Auflagen versehen war. Der Beklagte verfügte insoweit über keine konkreten Anhaltspunkte. Ausserdem wäre zu erwarten gewesen, dass im Schreiben vom 19.09.2000 auf Auflagen, sofern vorhanden, ausdrücklich hingewiesen wird. Im Übrigen war dem Schreiben vom 19.09.2000 eine Kopie der Löschungsbewilligung beigefügt. Auflagen sind dort nicht ansatzweise ersichtlich. Gerade weil die Löschungsbewilligung der, Klägerin nicht mit sichernden Auflagen verbunden war, bedurfte es der treuhänderischen Bindung des Beklagten.
Der Beklagte behauptet ohne Erfolg, dass die Löschungsbewilligung nur für Anträge des Notars von B Verwendung finden durfte. Schließlich hatte der Notar mit Schreiben vom 19.09.2000 dem Beklagten ausdrücklich gestattet, auf die Löschungsbewilligung zu rekurieren. Letztlich käme es darauf ohnehin nicht entscheidend an, da der Beklagte auch für nicht völlig fernliegende Fehler des Grundbuchamtes im Gefolge seiner Pflichtverletzung haften müsste. Dies gilt auch für die Vollmachtsvermutung gemäß § 15 GBO.
Es kommt, was zwischen den Parteien streitig ist, nicht darauf an, ob die Kaufvertragsparteien den Beklagten angewiesen hatten, die Löschung der Grundschuld herbeizuführen. Die Kaufvertragsparteien hatten nämlich, was der treuhänderisch gebundene Beklagte erkennen musste, nicht das Recht, die Löschung der Grundschuld entgegen Wissen und Wollen der berechtigten Klägerin herbeizuführen. Folglich kommt es auch nicht darauf an, ob die Kaufvertragsparteien persönlich Anträge beim Grundbuchamt gestellt hätten.
d) Es kommt nicht entscheidend darauf an, dass dem Beklagten von der Klägerin nicht, wie im Schreiben vom 07.09.2000 avisiert, eine Originallöschungsbewilligung überlassen wurde, sondern ihm vielmehr mit dem Schreiben vom 19.09.2000 an deren Steile die Bezugnahme auf die bereits beim Grundbuchamt hinterlegte Gesamtlöschungsbewiliigung eröffnet wurde. Diese Sachverhalte unterscheiden sich nur in Äusserlichkeiten, nämlich der technischen Abwicklung der Löschung, nicht aber jedoch, worauf es ankäme, substantiell.
Ein Treuhandauftrag an einen Notar setzt entgegen dem Vorbringen des Beklagten nicht voraus, dass dem Notar im engsten Sinne etwas in die Hände - hier eine Originallöschungsbewilligung - gegeben wird, im Übrigen war der Beklagte ohnehin jedenfalls verpflichtet, wovon auch das Landgericht ausgegangen ist, zentrale Interessen des Treugebers zu wahren und die Grundschuld nicht (ungenehmigt) zur Löschung zu bringen.
2. Ohne den pflichtwidrigen Antrag des Beklagten wäre es nicht zur Löschung der Grundschuld gekommen.
Auf die Frage, ob der Beklagte auch haftbar wäre, wenn der Antrag bereits am 02.08.2000 zur Versendung gekommen wäre, kommt es entgegen der Einschätzung des Beklagten nicht an, da der Senat nicht ein theoretisch hypothetisches Tun des Beklagten, sondern dessen tatsächliches Verhalten zu bewerten hat. Insoweit ist entscheidend, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Versendung des Schreibens am 22.09.2000, wie unter 1. b) ausgeführt, pflichtwidrig gehandelt hat. Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass er zu einem früheren Zeitpunkt, zu dem er vom Schreiben vom 19.09.2000 noch keine Kenntnis hatte oder haben musste, nicht pflichtwidrig gehandelt hatte. Dies würde jeglichen Informationsfluss ad absurdum führen. Ausserdem hat der Beklagte den haftungsbegründenden Treuhandauftrag ohnehin erst am 19.09.2000 angenommen.
Die Klägerin hätte die Löschungsbewilligung auch nachträglich mit den vom Beklagten vermissten sichernden Auflagen versehen können. Der Beklagte war subsidiär verpflichtet, ihr durch geeignete Maßnahmen gegebenenfalls diese Option zu eröffnen.
3. Der Beklagte hat schuldhaft gehandelt. Er konnte nicht im Zweifel darüber sein, dass er mangels Sicherung der Ansprüche der Klägerin auf den Kaufpreis nicht die Gefahr der Löschung der Grundschuld heraufbeschwören durfte.
Dieser Feststellung steht entgegen der Einschätzung des Beklagten die Entscheidung des Landgerichts München I im ersten Rechtszug nicht entgegen. Zwar ist, sofern ein Kollegialgericht (unrichtigerweise) die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung bejaht hat, im allgemeinen ein Verschulden des Beamten oder Notars zu verneinen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn, wie hier, das Kollegialgericht den Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt hat (BGH NJW 1990, 3206 m.w.N.). Das Landgericht begründet seine Auffassung, dass der Beklagte davon habe ausgehen dürfen, dass die Löschungsbewilligung der Klägerin mit sichernden Auflagen versehen sei, nicht. Es lässt die unter Ziffer 1 c genannten Umstände ausser Acht. Im Hinblick auf das Schreiben des Beklagten vom 22.09.2000 ist das Landgericht zu seiner Ansicht gelangt, ohne sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob sich der Beklagte den Inhalt des zuvor eingegangenen Schreibens vom 19.09.2000 zurechnen lassen muss. Vielmehr hebt das Landgericht diesbezüglich entscheidend auf einen nach dem erstinstanzlichen Parteivorbringen wenig plausiblen "Zufall" ab.
Der Senat hält im übrigen an seiner Auffassung fest, dass die Kollegialgerichtsrechtsprechung nicht den Zweck hat, den Rechtsmittelzug in Amtshaftungssachen faktisch (teilweise) abzuschaffen.
4. Der Beklagte hat der Klägerin für den Verlust der Grundschuld Schadenersatz zu leisten. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht auf die zwischen den Parteien jedenfalls in erster Instanz streitige Frage an, ob die Kreditschuldnerin, die Firma zahlungsunfähig ist. Vielmehr ist der Verlust der dinglichen Sicherheit als solcher ein Schaden, den die Klägerin, wie geschehen, dahingehend liquidieren kann, dass sie den Beklagten gegen Abtretung der gesicherten Forderung in Haftung nimmt (vgl. § 255 BGB). Der Beklagte hat den Untergang der Sicherheit verursacht und muss folglich das Risiko der Bonität des Schuldners auf sich nehmen. Es bleibt ihm unbenommen diesen in Anspruch zu nehmen, wenn er dies tatsächlich für erfolgversprechend ansieht.
5. Der Beklagte beruft sich vergeblich auf die Subsidiarität der Haftung des Notars (§ 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO). Es handelt sich beim verfahrensgegenständlichen Treuhandauftrag der Klägerin um ein Betreuungsgeschäft gemäß § 24 BNotO, für das die Nachrangigkeit der Haftung des Notars nicht gilt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 letzer Halbsatz BNotO). Der Beklagte hat keine beurkundende Tätigkeit entfaltet, an der die Klägerin beteiligt war. Vielmehr hat diese als aussenstehende Dritte den Beklagten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen treuhänderisch ausserhalb der Beurkundung gemäß § 24 BNotO beauftragt. Eine im unmittelbaren Zusammenhang mit der Beurkundung stehende sogenannte unselbständige Betreuungspflicht kommt folglich HTI Verhältnis des Beklagten zur Klägerin nicht in Betracht.
Im Übrigen wäre die Frage, ob die Kreditnehmerin, die Firma zahlungsfähig ist, nicht § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO/sondern, wie unter Ziffer 4. ausgeführt, ohne Relevanz der Schadensproblematik zuzuordnen.
Soweit der Klägerin Ansprüche aus Ziffer III der Verträge vom 02.04.1998 und 31.07.2000 gegen die dortigen Käufer zustehen könnten, wären diese im Rahmen der Subsidiarität, da nicht im selben Tatsachenkreis, der für die Entstehung des Amtshaftungsanspruchs maßgeblich ist, wurzelnd, ohne Belang.
C) Der Anspruch der Klägerin war um 50 % zu kürzen, da der Klägerin ein hälftiges Mitverschulden (§ 254 BGB) zur Last fällt.
Die Klägerin hat im Treuhandauftrag vom 07.09.2000 zumindest unklare Angaben gemacht. Die Klägerin hat dem Beklagten insbesondere nicht mitgeteilt, dass beim, Grundbuchamt eine Gesamtlöschungsbewilligung vorliegt und der Beklagte gegebenenfalls auf diese Bezug nehmen soll. Vielmehr hatte die Klägerin avisiert, dass dem Beklagten eine Löschungsbewilligung zugeht. Das war völlig unzureichend, da die GesamtlöschungsbewJlligung bereits am 10.02.1997 beim Grundbuchamt eingereicht worden war. Die Klägerin kann sich insoweit nicht auf Unkenntnis berufen, da ihr bekannt war, dass sie dem Notar eine von ihr rechtsverbindlich unterzeichnete Gesamtlöschungsbewilligung ausgehändigt hatte. Überdies müsste sich die, Klägerin ein etwaiges (Informations-) Verschulden des Notars, der im Rahmen des Treuhandauftrages ihr Erfüllungsgehilfe war, zurechnen lassen.
Durch die unzureichende und unzutreffende Unterrichtung des Beklagten, die erst 2 Tage vor dem Auslaufen des Antrages des Beklagten an das Grundbuchamt richtig gestellt wurde, hat die Klägerin zum Fehlverhalten des Beklagten, der bis zum 20.09.2000 davon ausgehen durfte, dass mangels Löschungsbewilligung der Klägerin eine Löschung der Grundschuld nicht in Betracht kommt, nicht unerheblich beigetragen.
Der Senat sieht das Verschulden der Parteien als in etwa gleichgewichtig an. Folglich war der Klageanspruch um 50 % zu kürzen.
D) Der Klägerin war, da von ihr beantragt (§ 308 Abs. 1 ZPO) Zug um Zug gegen Zahlung auch die (hälftige) Abtretung etwaiger Ansprüche aus Ziffer III des Vertrages voom 31.07.2000 gegen den Käufe aufzugeben, ohne dass zu prüfen war, ob solche Ansprüche tatsächlich bestehen.
E) Da der Anspruch der Klägerin wegen Mitverschuldens um die Hälfte zu kürzen war, muss die Klägerin auch nur 50 % ihrer Ansprüche gegen die Kreditnehmerin und den Zweitkäufer an den Beklagten abtreten.
F) Die Klägerin hat nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass sie dem Beklagten vor Klageerhebung in einer den Annahmeverzug begründenden Weise die von ihr Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung angeboten hat.
Folglich konnten der Klägerin nur Prozesszinsen seit Klagezustellung zugesprochen werden (§§ 291, 258 Abs. 1 Satz 2 BGB).
G) Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n.F. sind nicht gegeben. Insbesondere betrifft auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 17.10.2002, IX ZR 3/01, einen anders gelagerten Fall.
Ende der Entscheidung
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