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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 27.03.2003
Aktenzeichen: 1 U 4449/02
Rechtsgebiete: VVG, BGB, KfzPflVV, SGB X, PflVG, StVG, ZPO


Vorschriften:

VVG § 155
VVG § 156 Abs. 3
BGB § 823
BGB § 831
BGB § 847
KfzPflVV § 8
SGB X § 116 Abs. 2
PflVG § 3 Nr. 1
StVG § 7
ZPO § 304
ZPO § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
ZPO § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7
ZPO § 538 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz
1. Ein in den Kausalverlauf eingreifendes Fehlverhalten Dritter unterbricht den Zurechnungszusammenhang nur, wenn es so völlig ungewöhnlich oder in außerordentlichem Umfang pflichtwidrig ist, dass bei wertender Betrachtung nur noch ein äußerlicher, gleichsam zufälliger Zusammenhang besteht.

2. Das Kürzungs- und Verteilungsverfahren nach §§ 155, 156 Abs. 3 VVG ist dem Betragsverfahren und nicht der Entscheidung über den Anspruchsgrund zuzurechnen.

3. Es ist, soweit Ansprüche auf Leistung und Feststellung aus dem gleichen tatsächlichen Vorgang abgeleitet werden und einen einheitlichen Klagegrund bilden, unzulässig, durch Teilurteil lediglich über den Leistungsantrag zu entscheiden.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 1 U 4449/02

Verkündet am 27.03.2003

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung u.a.

erlässt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Kreitmair und die Richter am Oberlandesgericht Schneider und Ramm aufgrund mündlicher Verhandlung vom 30.01.2003 folgendes

Teilendurteil:

Tenor:

I. Die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 30.07.2002 wird zurückgewiesen.

II. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1), beschränkt auf die vertraglich vereinbarte Haftpflichtdeckungssumme von 1,5 Millionen DM und nach Maßgabe des Kürzungs- und Verteilungsverfahrens gemäß §§ 155, 156 Abs. 3 VVG, verpflichtet ist, dem Kläger dessen gesamten künftigen immateriellen und materiellen Schaden aus dem Unfall vom 09.12.1995 zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger übergeht.

III. Der Rechtsstreit zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Anspruchs an das Landgericht München II zurückverwiesen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 06.08.1964 geborene Kläger erlitt am 09.12.1995 gegen 02.15 Uhr in 85661 Forstinning auf der Spange BAB A 94 zur B 12 bei Kilometer 28 schuldlos einen Verkehrsunfall, bei dem er schwer verletzt wurde. Das Fahrzeug des Unfallverursachers ... war auf die Gegenfahrbahn geraten und dort mit dem Pkw des Klägers zusammengestoßen.

Der Kläger nimmt den Beklagten zu 1) als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers in Anspruchs. Der Beklagte zu 2) hat den Kläger als Notarzt versorgt. Der Beklagte zu 3) ist Träger des Kreiskrankenhaus ... in dem der Beklagte zu 2) beschäftigt ist. Der Beklagte zu 4) war Rettungssanitäter und Fahrer des Rettungswagens. Der Beklagte zu 5) assistierte dem Beklagten zu 2) im Rettungswagen als Rettungsassistent. Die Beklagten zu 4) und 5) waren im Auftrag des Beklagten zu 6) tätig.

Gegen 02.44 Uhr trafen die Beklagten zu 4) und 5) mit dem Rettungswagen aus ... am Unfallort ein. Wegen sinkenden Sauerstoffspiegels im Blut des Klägers wurde eine Intubation vorbereitet. Währenddessen traf der Beklagte zu 2) mit dem Notarzteinsatzfahrzeug aus ... um 02.52 Uhr am Unfallort ein. Der Beklagte zu 2) hörte den Kläger ab und führte die Intubation durch.

Anschließend wurde der Kläger mit dem Rettungswagen in das Krankenhaus ... verbracht. Während der Fahrt verschlechterte sich der zunächst gebesserte Zustand des Klägers erheblich. Insbesondere waren die Sauerstoffsättigungswerte zu niedrig.

Nach einer etwa 30-minütigen Fahrzeit wurde der Kläger im Krankenhaus ... in den Schockraum gebracht. Der Tubus wurde dort in der Speiseröhre und nicht in der Luftröhre vorgefunden. Der Kläger konnte zwar reanimiert werden, erlitt jedoch in Folge von Sauerstoffunterversorgung einen irreversiblen Hirnschaden und liegt seither im Wachkoma.

Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren behauptet, dass es bei entweder ordnungsgemäßer primärer Platzierung des Tubus oder rechtzeitiger und zuverlässiger Überprüfung der Tubuslage durch den Beklagten zu 2) nicht zu dem Gehirnschaden gekommen wäre. Der Kläger sei an der Unfallstelle voll ansprechbar gewesen. Anzeichen für ein Schädelhirntrauma hätten nicht vorgelegen. Unfallbedingt sei es nicht zu einem Atemstillstand gekommen. Die Fehlintubation sei auch nicht durch die Reanimationsmaßnahmen im Krankenhaus ... verursacht worden.

Der Beklagte zu 3) könne sich nicht gemäß § 831 BGB entlasten, da der Beklagte zu 2) als Berufsanfänger nicht über das erforderliche Wissen und die zu fordernde Erfahrung für den streitgegenständlichen Notarzteinsatz verfügt habe.

Die Beklagten zu 4) und 5) könnten sich nicht mit dem Hinweis auf die Verantwortung des Notarztes entlasten. Dieser habe ersichtlich hilfslos agiert.

Der Beklagte zu 6) müsse für die Fehler der Beklagten zu 4) und 5) einstehen.

Der Beklagte zu 1) müsse als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners auch für Behandlungsfehler des Notarztes einstehen. Es liege nach der allgemeinen Lebenserfahrung nahe, dass es bei einem Notarzteinsatz zu Behandlungsfehlern wie einer Fehlintubation kommen könne.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt:

I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger DM 310.808,00 nebst 4 % Zinsen hieraus seit Klagezustellung zu zahlen.

II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ab 01.01.1999 eine monatlich vorauszahlbare Rente in Höhe von DM 9.210,00 jeweils im Voraus zum 01. eines Monats zu bezahlen.

III. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe ins Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu bezahlen.

IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind - und zwar der Beklagte zu 1) unter Berücksichtigung seiner à conto-Zahlung sowie seiner Leistungen gemäß vorstehende I. bis III. nur bis zur Höhe ihrer Deckungssumme - dem Kläger den gesamten künftigen materiellen Schaden, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergeht, sowie einen etwaigen weiteren immateriellen Schaden aus dem Unfall vom 09.12.1995 zu ersetzen.

Die Beklagten haben

Klageabweisung

beantragt.

Der Beklagte zu 1) hat geltend gemacht, dass sich der Beklagte zu 2) derart ungewöhnlich und unsachgemäß verhalten habe, dass der Beklagte zu 1) für die Folgen der dem Beklagten zu 2) unterlaufenen Fehlintubation nicht einstehen müsse. Da der Kläger am Unfallort wach, orientiert und ansprechbar gewesen sei, sei eine Intubation kontraindiziert gewesen. Darüberhinaus habe der Beklagte zu 2) den Tubus fehlerhaft in die Speiseröhre anstatt in die Luftröhre eingeführt. Selbst wenn wegen Bewußtlosigkeit des Klägers eine Indikation zur Intubation unterstellt werde, sei es schlechterdings nicht nachvollziehbar, dass die Fehlintubation während der gesamten Fahrt vom Unfallort ins Krankenhaus ... nicht bemerkt wurde. Der Kläger habe beim Unfall kein Schädelhirntrauma erlitten. Folglich sei der Hirnschaden, den der Kläger erlitten hat, ausschließlich auf die Behandlungsfehler des Beklagten zu 2) zurückzuführen.

Die Beklagten zu 2) und 3) haben vorgetragen, dass der Beklagte zu 2) kunstgerecht gehandelt habe. Insbesondere sei der Tubus lege artis gelegt und überprüft worden. Der Kläger sei zum Zeitpunkt des Eintreffens des Beklagten zu 2) am Unfallort bewußtlos gewesen. Der Beklagte zu 2) habe vor der Abfahrt im Rettungsfahrzeug den Thorax untersucht und beide Lungenflügel abgehört. Damit sei eine Kontrolle der Lage des Tubus verbunden gewesen. Schon nach der Intubation und vor Verbringung des Klägers in den Rettungswagen habe der Beklagte zu 2) die Tubuslage durch Abhören kontrolliert. Während der Fahrt sei es nicht zu einer Fehlintubation gekommen. Die Aussagekraft der Pulsoxymetriewerte sei unter den konkreten Gegebenheiten zu relativieren gewesen. Die Tubusdislokation sei anhand der Pulsoxymetrie nicht erkennbar gewesen. Der Hirnschaden des Klägers gehe nicht auf die Behandlung durch den Beklagten zu 2) zurück. Es könne insbesondere nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Tubusdislokation erst nach dem Eintreffen des Rettungswagens im Krankenhaus ... insbesondere in Folge der dort vorgenommenen Reanimationsmaßnahmen, eingetreten sei. Der im Schockraum des Krankenhauses ... eingetretene Herz-Kreislauf-Stillstand könne auch auf ein allgemeines Schockgeschehen zurückgehen

Der Beklagte zu 2) habe bis zum streitgegenständlichen Notfalleinsatz ca. 20 bis 30 Tuben gelegt, allerdings nicht in allen Fällen in Notfallsituationen. Der Beklagte zu 2) habe während der Zeit seiner Tätigkeit im Kreiskrankenhaus Erding niemals Anlass zu Beanstandungen gegeben. Er sei aufgrund seiner hervorragenden Zeugnisse eingestellt worden.

Die Beklagten zu 4) bis 6) haben behauptet, dass die Sauerstoffunterversorgung des Gehirns des Klägers nicht allein auf die Fehlintubation, sondern vielmehr auch auf unfallbedingte Verletzungen zurückzuführen sei. Es sei auch ungeklärt, ob eine primäre Fehlintubation vorgelegen habe. Diese könne auch erst im Krankenhaus ... etwa beim Umbetten von der Rettungstrage auf den Behandlungstisch im Schockraum oder im Zuge der Reanimationsmaßnahmen, eingetreten sein. Der Beklagte zu 4) hat behauptet, dass er den Tubus vor der Abfahrt des Rettungswagens kontrolliert habe. Er hat die Ansicht vertreten, dass es die Aufgabe des Beklagten zu 2) als Notarzt gewesen wäre, ihn auf eine unangemessene Fahrweise hinzuweisen. Der Beklagte zu 5) hat vorgetragen, er habe im Rettungswagen die Lage des Tubus kontrolliert. Er sei nach den Bestimmungen des Rettungsassistentengesetzes nur verpflichtet und berechtigt gewesen, dem behandelnden Notarzt zu assistieren.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Erholung zweier schriftlicher anästhesiologischer Gutachten des Sachverständigen Dr. ... vom 12.02. und 05.11.2001. Am 11.06.2002 hat das Landgericht den Sachverständigen angehört. Desweiteren hat das Landgericht die Zeugen ..., ..., ..., ..., ..., ... und ... vernommen.

Mit Urteil vom 30.07.2002, auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Klageanspruch dem Grunde nach in Richtung auf die Beklagten zu 1), 2) und 3) für gerechtfertigt erklärt und die Klage gegen die Beklagten zu 4), 5) und 6) abgewiesen. Hiergegen richten sich die Berufungen der Beklagten zu 1), 2) und 3), die Klageabweisung begehren und des Klägers, der in reduziertem Umfang die Klage gegen die Beklagten zu 4) und 5) weiterverfolgt.

Der Beklagte zu 1) macht geltend, das Landgericht habe den Einwand der Durchführung des Kürzungs- und Verteilungsverfahrens gemäß §§ 155, 156 Abs. 3 VVG i.V.m. § 8 KfzPflVV übergangen. Die mit dem Unfallverursacher vereinbarte Deckungssumme von 1,5 Millionen DM reiche keinesfalls aus, um sämtliche in Betracht kommende Ansprüche voll zu befriedigen. Das Landgericht hätte sich mit dem Vorbringen des Beklagten zu 1), dass die Erschöpfung der Deckungssumme zu befürchten sei, und den sich hieraus für die Höhe des Klageanspruchs ergebenden Beschränkungen auseinander setzen müssen. Über eine etwaige Kürzung sei bereits im Grundurteil und nicht erst im Betragsverfahren zu befinden.

Der Beklagte zu 1) müsse nicht für die Folgen der dem Beklagten zu 2) unterlaufenen Fehlintubation einstehen. Die primären Unfallverletzungen des Klägers wären bei adäquater Behandlung binnen weniger Monate weitgehend folgenlos ausgeheilt. Der Kläger habe sich beim Unfall kein Schädelhirntrauma zugezogen. Der Hirnschaden des Klägers sei einzig und allein auf die vom Beklagten zu 2) zu verantwortende Fehlintubation zurückzuführen. Dem Beklagten zu 2) seien grobe und unverständliche Behandlungsfehler unterlaufen, für deren Folgen der Versicherungsnehmer des Beklagten zu 1) und der Beklagte zu 1) haftungsrechtlich nicht einzustehen hätten.

Der Beklagte zu 1) beantragt:

1. Das Grund- und Teilurteil des Landgerichts München II vom 30.07.2002 wird in Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als eine Haftung des Beklagten zu 1) dem Grunde nach für gerechtfertig erklärt wurde.

2. Die Klagen zu Ziffern I bis III werden abgewiesen.

3. Die Feststellungsklage Ziffer IV wird insoweit abgewiesen, als der Kläger die Feststellung begehrt, dass der Beklagte zu 1) auch für die Folgen der von dem Beklagten zu 2) vorgenommenen Fehlintubation einzustehen hat, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind, beschränkt auf die Versicherungssumme und unter dem Vorbehalt möglicher Korrekturen aufgrund der Durchführung des Kürzungs- und Verteilungsverfahrens.

Vorsorglich beantragt der Beklagte zu 1) die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht zur Höhe des Anspruchs.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zu 1) kostenpflichtig abzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass sich der Beklagte zu 1) die Folgen der Fehlintubation haftungsrechtlich zurechnen lassen müsse.

Der Durchführung des Kürzungs- und Verteilungsverfahrens gemäß §§ 155, 156 Abs. 3 VVG stehe entgegen, dass wegen § 116 Abs. 2 SGB X ein Forderungsübergang auf Sozialversicherungsträger allenfalls in geringem Umfang in Betracht komme.

Im Übrigen wird bezüglich des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz auf die Schriftsätze des Klägers vom 07.10.2002 und vom 03.01., 10.01. sowie 13.03.2003 und auf die Schriftsätze des Beklagten zu 1) vom 11.11.2002 sowie vom 23.01. und 27.02.2003 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Landgericht hat zu Recht die Haftung des Beklagten zu 1) dem Grunde nach uneingeschränkt für gerechtfertigt erklärt. Folglich war die Berufung des Beklagten zu 1) zurückzuweisen. Der Beklagte muss aus § 3 Nr.1 PflVG i.V.m. §§ 823, 847 BGB, § 7 StVG dem Grunde nach für den gesamten materiellen und immateriellen Schaden des Klägers aus dem Unfall vom 09.12.1995 einstehen.

1) Dies gilt entgegen dem Berufungsvorbringen auch für Schäden, die auf einen etwaigen Behandlungsfehler des Beklagten zu 2) zurückgehen.

Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass ein in den Kausalverlauf eingreifendes Fehlverhalten Dritter, insbesondere bei der Schadensbeseitigung, den Zurechnungszusammenhang regelmäßig nicht unterbricht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der weitere Schaden durch ein so völlig ungewöhnliches und unsachgemäßes Verhalten des Dritten ausgelöst worden ist, dass bei wertender Betrachtung zwischen den beiden Schadensbeiträgen nur noch ein äußerlicher, gleichsam zufälliger Zusammenhang besteht und dem Erstschädiger ein Einstehenmüssen auch für diese Folgen deshalb billigerweise nicht mehr zugemutet werden kann. Der die Zweitschädigung herbeiführende Arzt muss in so außergewöhnlich hohem Maße die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer Acht gelassen und derart gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen verstoßen haben, dass der eingetretene Schaden seinem Handeln haftungsrechtlich wertend allein zugeordnet werden muss (BGH NJW 1989, 768; NJW 2000, 948).

Eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs nach den vorgenannten Grundsätzen kommt nicht in Betracht. Selbst wenn der Senat unterstellt, dass dem Beklagten zu 2) eine primäre oder sekundäre Fehlintubation unterlaufen ist. und der Beklagte zu 2) auf diese hinweisende Alarmzeichen nicht beachtet und erforderliche Untersuchungen - Laryngoskopie - unterlassen hat, und, was der Sachverständige bisher jedenfalls nicht ausdrücklich festgestellt hat, das Verhalten des Beklagten zu 2) als grob fehlerhaft einzustufen wäre, müssten sich der Unfallverursacher und der Beklagte zu 1) dessen Folgen dennoch zurechnen lassen. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass unter Berücksichtigung der erschwerten Behandlungsbedingungen, die der Notarzt regelmäßig antrifft, und in Anbetracht des Umstandes, dass sich eine Fehlintubation bzw. das Übersehen des Herausrutschens des Tubus aus der Luftröhre als ein nicht ganz seltenes Risiko derartiger Behandlungen darstellt, der Unfallverursacher solche Komplikationen herausfordert. Folglich kann keine Rede davon sein, dass zwischen der Unfallverursachung und den streitgegenständlichen Komplikationen bei der Notfallbehandlung nur noch ein äußerlicher, gleichsam zufälliger Zusammenhang besteht.

2. Das vom Beklagten zu 1) ins Feld geführte Kürzungs- und Verteilungsverfahren gemäß §§ 155, 156 Abs. 3 VVG ist dem Betragsverfahren und nicht dem Verfahren über den Anspruchsgrund zuzurechnen. Es betrifft Umstände, die den Anspruch des Klägers nicht dem Grunde sondern nur der Höhe nach berühren. In das Verfahren zum Grund gehören jedoch nur die den Anspruch in vollem Umfang leugnenden Einwendungen (Zöller, 23. Auflage, § 304 ZPO Randnr. 7 a). Soweit der Beklagte zu 1) für seine Auffassung, das Kürzungs- und Verteilungsverfahren sei der Entscheidung über den Anspruchsgrund zuzuordnen, auf BGHVersR 79, 272 abhebt, übersieht der Beklagte zu 1), dass sich diese Entscheidung mit dem Umfang der materiellen Rechtskraft eines haftungsbejahenden Feststellungsurteils und nicht mit einem Grundurteil beschäftigt. Während ein Feststellungsurteil die unbegrenzte Haftung des Beklagten ausspricht, setzt der Erlass eines Grundurteils gemäß § 304 ZPO lediglich voraus, dass der Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht. Nur insoweit entfalte das Grundurteil Bindungswirkung (§ 318 ZPO), nicht materielle Rechtskraft, für das weitere Verfahren.

Das Landgericht wird das Kürzungs- und Verteilungsverfahren gemäß §§ 155, 156 Abs.3 VVG jedoch im Betragsverfahren zu beachten haben (BGH, VersR 82, 791 ff).

Entgegen dem Vorbringen des Klägers steht § 116 Abs. 2 SGB X einem Forderungsübergang auf Sozialversicherungsträger (und einem Verteilungsverfahren) nicht entgegen, da die Vorschrift nur anwendbar ist, wenn sich die Haftung ausschließlich auf Bestimmungen gründet, für die eine gesetzliche Summenbegrenzung gilt. Wenn der Schädiger, wie hier, auch unbegrenzt nach §§ 823 ff BGB haftet, findet § 116 Abs. 2 SGB X ebensowenig Anwendung wie. bei unbegrenzt fortbestehender Haftung eines Schädigers, für den ein Haftpflichtversicherer nur mit einer Mindestversicherungssumme einstehen muss (Kassler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 116 SGB X, Randnr. 215).

Das Verteilungs- und Kürzungsverfahren gemäß §§ 155, 156 Abs. 3 VVG unter Berücksichtigung der unstreitig zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Schädiger vereinbarten Deckungssumme von 1,5 Millionen DM greift folglich im Betragsverfahren vor dem Landgericht Platz.

II.1. Das Landgericht hat im Urteil vom 30.07.2002 über den vom Kläger unter Ziffer IV gegen die Beklagten erhobenen Feststellungsantrag - künftiger materieller und immaterieller Schaden - nicht entschieden. Ziffer 1 des Urteils des Landgerichts umfasst den vorgenannten Feststellungsantrag schon deshalb nicht, weil ein Feststellungsantrag, da dort eine Unterscheidung zwischen Grund und Höhe nicht möglich ist, nicht dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt werden kann. Ausserdem finden sich in den Entscheidungsgründen keinerlei Ausführungen zum Feststellungsantrag. Im Übrigen hatte der Kläger, was auch unabweisbar war, den Feststellungsantrag in Richtung auf den Beklagten zu 1) der Höhe nach auf die Deckungssumme beschränkt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht diese Einschränkung ohne jede Begründung übergangen hat.

2. Das Landgericht hat mit Erlass des Grundurteils ohne gleichzeitige Entscheidung über den Feststellungsantrag gegen das Gebot der Widerspruchsfreiheit von Teil- und Schlussurteil verstoßen. Es ist, soweit die Ansprüche auf Leistung und Feststellung aus dem gleichen tatsächlichen Vorgang abgeleitet werden und einen einheitlichen Klagegrund bilden, unzulässig, durch Teilurteil separiert über den Leistungsantrag per Grundurteil zu entscheiden (Zöller, 23. Auflage, § 301 ZPO Randnr. 7).

3. Der Senat sieht von einer Zurückverweisung des Rechtsstreits gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO ab und zieht den beim Landgericht anhängig gebliebenen Feststellungsantrag in Richtung auf den Beklagten zu 1) an sich und entscheidet über diesen mit (BGH WM 1994, 868; NJW 1960, 340). Der Senat ist dazu berechtigt, weil es jedenfalls insoweit sachdienlich ist, den beim Landgericht anhängig gebliebenen Feststellungsantrag, der lediglich die Fortschreibung des in die Berufung gelangten Streitstoffes in die Zukunft betrifft, mit zu entscheiden. Es liegt im wohlverstandenen Interesse der Parteien, der Unfall liegt über 6 Jahre zurück, überflüssige Verzögerungen auf dem Weg zu einer rechtskräftigen Entscheidung zu vermeiden.

4a) Der Senat hatte aus den unter I.2. genannten Gründen, wie auch vom Kläger im Wesentlichen beantragt, die Feststellung der Haftung des Beklagten zu 1) für den materiellen und immateriellen Zukunftsschaden des Klägers mit der Einschränkung zu versehen, dass dies nur im Rahmen der Haftpflichtdeckungssumme von 1,5 Millionen DM nach Maßgabe des Kürzungs- und Verteilungsverfahrens gemäß §§ 155, 156 Abs. 3 VVG gilt.

b) Eine Einschränkung auch im Hinblick auf die unstreitige Abschlagszahlung des Beklagten zu 1) von 150.000,-- DM war nicht angezeigt, da sich von selbst versteht, dass diese, sofern nicht für den bezifferten Schaden verbraucht, auf den Zukunftsschaden anzurechnen ist.

c) Soweit der Beklagte zu 1) auch die Folgen etwaiger notärztlicher Behandlungsfehler von der Feststellung der Haftung für den Zukunftsschaden ausgenommen haben wollte, kam dies aus den unter I. 1. genannten Gründen nicht in Betracht.

III. Der Senat verweist gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Anspruchs des Klägers gegen den Beklagten zu 1) an das Landgericht München II zurück. Der Rechtsstreit ist insoweit nicht entscheidungsreif. Der Beklagte zu 1) hat im Termin vom 30.01.2003 Zurückverweisungsantrag gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz ZPO gestellt.

IV.1. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

2. Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit war nicht veranlasst, da das Urteil des Senats keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.

3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n.F. sind nicht gegeben.

4. Der Senat hat, da der Unfall, in dessen Folge der Kläger schwer geschädigt wurde, mehr als 6 Jahre zurückliegt, zur Beschleunigung vorab durch Teilurteil über die Klage gegen den Beklagten zu 1) entschieden. Insbesondere die Berufungen der Beklagten zu 2) und 3) sind noch nicht entscheidungsreif. Das Landgericht wird gebeten, umgehend die Akten vollständig zu kopieren, mit der Aktenkopie das Betragsverfahren in Richtung auf den Beklagten zu 1) fortzuführen und die Originalakten zur Entscheidung über die hier noch anhängigen Berufungen der Beklagten zu 2) und 3) und des Klägers in Richtung auf die Beklagten zu 4) und 5) an den Senat zurückzuleiten.

Ende der Entscheidung

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