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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 08.03.2001
Aktenzeichen: 1 U 4646/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 254
BGB § 313
ZPO § 315
1. Wird der Verhinderungsvermerk gemäß § 315 Absatz 1 Satz 2 ZPO nicht vom Vorsitzenden sondern von einem anderen Mitglied des Spruchkörpers angebracht, muß zusätzlich auch die Verhinderung des Vorsitzenden entsprechend § 315 Absatz 1 Satz 2 ZPO vermerkt werden.

2. Das Beurkundungserfordernis gemäß § 313 BGB erstreckt sich auch auf Zusatzvereinbarungen der Vertragsparteien, die nicht nur unwesentlich der Ausbalancierung von Leistung und Gegenleistung dienen.

3. Schließen die Vertragsparteien eine beurkundungspflichtige Zusatzvereinbarung, ohne den beurkundenden Notar davon zu unterrichten, kann darin ein die Notarhaftung ausschließendes Mitverschulden im Sinne von § 254 BGB liegen.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 1 U 4646/00

Verkündet am 08.03.2001

in dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erläßt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2001 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München vom 29.6.2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000,-- DM.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche aus Amtspflichtverletzung wegen Nichtvorlage einer Löschungsbewilligung beim Grundbuchamt im Rahmen von dessen Tätigkeit als Notar geltend.

Die Klägerin verkaufte mit Vertrag vom 23.12.1998, wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 verwiesen, der vom Beklagten beurkundet wurde, der Fa. A GmbH das Grundstück Straße in zum Kaufpreis von 3.100.000,-- DM. In Abschnitt 16 sieht der Vertrag ein Rücktrittsrecht der Klägerin für den Fall, daß die Käuferin nach Nachfristsetzung mit der Kaufpreiszahlung in Verzug ist, vor. In diesem Zusammenhang wurde der Beklagte von den Vertragsparteien angewiesen, beim Grundbuchamt gegebenenfalls die Löschung von zugunsten der Käuferin am Vertragsgrundstück eingetragener Rechte zu beantragen. Der Beklagte sollte die von der Käuferin erteilte Löschungsbewilligung nur unter bestimmten Voraussetzungen, die jedenfalls bis zum 6.7.1999 eingetreten waren, dem Grundbuchamt vorlegen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Käuferin eine Auflassungsvormerkung an dem Vertragsgrundstück erlangt.

Unmittelbar vor der Beurkundung des vorgenannten Vertrages durch den Beklagten schlossen die Kaufvertragsparteien im Notariat des Beklagten ohne Beteiligung des Beklagten folgende Vereinbarung, die von einer Sekretärin des Beklagten auf Bitten der Kaufvertragsparteien und auf deren Diktat hin niedergelegt worden war:

"Vereinbarung

zwischen

der Firma Straße mbH mit dem Sitz in

- nachstehend "Verkäufer" genannt -

- vertreten durch Herrn -

und

der Firma A GmbH

mit dem Sitz in

- nachstehend "Käufer" genannt -

- vertreten durch Herrn -.

Zur Abdeckung von Projektierungskosten, Planungskosten und sonstige Vorlaufkosten einschl. Entwicklungskosten übergibt der Käufer dem Verkäufer einen Verrechnungsscheck über DM 425.000,--. Der Verkäufer wird diesen Scheck seiner Bank zum sofortigen Einzug einreichen. Der Verkäufer darf von diesem Betrag in voller Höhe Gebrauch machen, an dem Tage, an welchem Nutzen und Lasten für das Objekt Straße gemäß dem heute beurkundeten Kaufvertrag auf den Käufer übergehen. Vor diesem Tag darf der Verkäufer nur mit schriftlicher Zustimmung des Käufers von diesem Betrag Gebrauch machen.

Der Verkäufer wird den hier in Rede stehenden Betrag auf einem gesonderten Konto seiner Bank getrennt von seinem restlichen Vermögen einbezahlen und wird dieser Bank gleichzeitig von vorstehender Vereinbarung eine Kopie übergeben.

den 23. Dezember

(Käufer) (Verkäufer)"

Die vorgenannte Zusatzvereinbarung vom 23.12.1998 wurde in der Folgezeit von beiden Vertragspartnern erfüllt.

Mit Vereinbarung vom 19.4.1999 gestattete die Käuferin der Klägerin frei über den Betrag von 425.000,-- DM zu verfügen (Anl. K 17).

Nachdem die Klägerin beim Beklagten die Vorlage der Löschungsbewilligung beim Grundbuchamt beantragt und dies der Beklagte der Käuferin mitgeteilt hatte, legte die Käuferin mit Schreiben vom 30.6.1999 (Anl. B 4) dem Beklagten die Zusatzvereinbarung vom 23.12.1998 mit der Behauptung vor, der vom Beklagten beurkundete Kaufvertrag vom 23.12.1998 sei wegen Unterverbriefung nichtig. Folglich sei auch die Klausel über den Vollzug der Löschungsbewilligung hinfällig. Vielmehr kämen die gesetzlichen Rückabwicklungsvorschriften zur Anwendung.

Mit Schreiben vom 7.7.1999 (Anl. K 3) teilte der Beklagte daraufhin der Klägerin mit, daß er, da er sich nicht dem Risiko einer Haftung aussetzen wolle, entweder der Käuferin ankündigen werde, daß er die Löschung der Auflassungsvormerkung beim Grundbuchamt beantragen werde, wenn nicht innerhalb einer noch zu bestimmenden Frist Rechtsmittel beim Landgericht eingereicht werde. Vermutlich werde er aber wohl eher der Klägerin ankündigen, daß er die Löschung nicht beim Grundbuchamt beantragen könne und dieser einheimstellen, hiergegen Beschwerde einzureichen. Der Beklagte wies darauf hin, daß der Kaufvertrag seiner Ansicht nach samt der Klausel über die Verwendung der Löschungsbewilligung nichtig sei. Folglich könnten die allgemeinen Rückabwicklungsvorschriften mit der Folge, daß der Käuferin wegen des bezahlten Betrages von 425.000,-- DM ein Zurückbehaltungsrecht zustehe, zur Anwendung kommen. Desweiteren unterbreitete der Beklagte Vorschläge für eine einvernehmliche Lösung.

Mit Schreiben vom 14.7.1999 (Anl. K 4) forderte die Klägerin den Beklagten auf die Löschungsbewilligung umgehend dem Grundbuchamt vorzulegen. Da die Nachfrist zur Zahlung des Kaufpreises am 5.7.1999 abgelaufen sei, hätte der Beklagte spätestens am 6.7.1999 die Löschungsbewilligung beim Grundbuchamt einreichen müssen. Der Kaufvertrag sei wirksam. Die Zusatzvereinbarung vom 23.12.1998, die nicht in gegenseitiger Abhängigkeit zum Kaufvertrag stehe, habe die Vergütung zusätzlicher Leistungen der Klägerin an die Käuferin betroffen. Diese seien unabhängig vom Kaufvertrag erfolgt. Der Beklagte sei zur Vorlage der Löschungsbewilligung nach § 53 BeurkG verpflichtet. Ein Zurückbehaltungsrecht der Käuferin bestehe nicht. Im übrigen stehe der Klägerin auch bei Nichtigkeit des Kaufvertrages ein Recht auf Löschung der Auflassungsvormerkung zu.

Der Beklagte kündigte mit Schreiben vom 15.7.1999 (Anl. K 5) der Käuferin an, daß er die Löschungsbewilligung dem Grundbuchamt am 23.7.1999 vorlegen werde, wenn die Käuferin ihm nicht bis spätestens 22.7.1999 entweder eine einstweilige Verfügung, die es der Klägerin verbiete, den Vollzug der Löschung der Auflassungsvormerkung zu verlangen oder die Erhebung einer Beschwerde gemäß § 15 BNotO beim Landgericht München I nachweise. Der Beklagte gab zu bedenken, daß die Anweisung, die Löschung zu veranlassen, nicht nur für den Fall der Wirksamkeit des Vertrages Geltung habe. Das Zurückbehaltungsrecht der Käuferin könne wegen der Deponierung der Löschungsbewilligung bei ihm hinfällig sein.

Die fristgerecht von der Käuferin eingelegte Beschwerde wurde vom Landgericht München I mit Beschluß vom 6.9.1999 (Anl. K 6) zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 9.9.1999 (Anl. K 7), 16.9.1999 (Anl. K 9), 17.9.1999 (Anl. K 10) und 20.9.1999 (Anl. K 12) forderte die Klägerin den Beklagten unter Hinweis auf die Entscheidung des Landgerichts zur unverzüglichen Vorlage der Löschungsbewilligung beim Grundbuchamt auf.

Mit Schreiben vom 20.9.1999 (Anl. K 13) setzte der Beklagte der Käuferin, nachdem diese ihm am 15.9.1999 mitgeteilt hatte, daß sie beabsichtige, gegen die Entscheidung des Landgerichts weitere Beschwerde einzulegen, Frist zum Nachweis von deren Einlegung bis 24.9.1999.

Die weitere Beschwerde wurde von der Käuferin fristgemäß beim Bayerischen Obersten Landesgericht eingelegt. Mit Beschluß vom 27.10.1999 wies das Bayerische Oberste Landesgericht diese zurück. Daraufhin legte der Beklagte die Löschungsbewilligung am 3.11.1999 beim Grundbuchamt vor.

Bereits am 23.9.1999 hatte die Klägerin Klage beim Landgericht München I erhoben. Sie hat dort vorgetragen, der Beklagte habe die Löschungsbewilligung pflichtwidrig verspätet eingereicht. Dadurch sei ihr ein erheblicher Schaden entstanden, da sie zwar einen neuen Käufer gefunden habe, die Zahlung des Kaufpreises aber angesichts des Umstandes, daß die Auflassungsvormerkung zu dessen Gunsten nicht an rangrichtiger Stelle eingetragen werden konnte, nicht erfolgt sei. Das Kreditinstitut der Klägerin habe, solange die Angelegenheit ungeklärt gewesen sei, alle Konten der Klägerin gesperrt. Der Fa. A GmbH habe an der Auflassungsvormerkung kein Zurückbehaltungsrecht zugestanden. Die Nebenvereinbarung vom 23.12.1998 sei vor Abschluß des notariellen Kaufvertrages im Notariat des Beklagten vorbesprochen und auf Weisung des Bürovorstehers des Beklagten und mit Genehmigung des Beklagten diktiert worden. Sie sei dem Beklagten vor Beurkundung des Kaufvertrages inhaltlich bekannt gewesen. Der Beklagte habe wissen müssen, daß das Beschwerdeverfahren keine relevanten Erkenntnisse herbeiführen könne. Aus dem Schreiben vom 19.4.1999 ergebe sich außerdem, daß die Käuferin den Betrag von 425.000,-- DM bedingungslos freigegeben habe und ihr somit kein Zurückbehaltungsrecht zustehe.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug, nachdem sie zunächst in erster Linie die Verurteilung des Beklagten zur Vorlage der Löschungsbewilligung beim Grundbuchamt beantragt hatte, zuletzt folgenden Antrag gestellt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 103.000,-- DM zuzüglich 4 % p.a. Zinsen seit 3.11.1999 zu bezahlen.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, daß der Beklagte der Klägerin für einen Betrag von bis zu DM 103.000,-- zuzüglich 4 % p.a. Zinsen seit 3.11.1999 haftet.

Der Beklagte hat im ersten Rechtszug Klageabweisung beantragt.

Er hat vorgetragen, weder die Einreichung noch die Nichteinreichung der Löschungsbewilligung und erst Recht nicht seine Zwischenlösung könne als Amtspflichtverletzung qualifiziert werden. Die Kaufvertragsparteien hätten ihn durch die Zusatzvereinbarung vom 23.12.1998 in eine Konfliktsituation gebracht, die er pflichtgemäß zu lösen versucht habe. Die Zusatzvereinbarung sei ihm erst mit dem Schreiben der Käuferin vom 30.6.1999 bekannt geworden. Ein Zurückbehaltungsrecht der Käuferin sei im Hinblick auf den von dieser gemäß der Zusatzvereinbarung gezahlten Betrag von 425.000,-- DM wahrscheinlich gewesen. Der beurkundete Kaufvertrag sei nichtig gewesen. Damit sei auch der Weisung zur Vorlage der Löschungsbewilligung die Grundlage entzogen gewesen. Im übrigen habe die Klägerin durch den Abschluß der Zusatzvereinbarung die Situation, aus der sie ihren Schadenersatzanspruch ableite, selbst herbeigeführt.

Das Landgericht hat aufgrund Beweisbeschlusses vom 23.3.2000 am 25.5.2000 die Zeugen E und H vernommen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 25.5.2000 (Bl. 179 ff.) verwiesen.

Mit Beschluß vom 25.5.2000 (Bl. 185) hat das Landgericht Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 29.6.2000 bestimmt. Am 29.6.2000 verkündete der Vorsitzende Richter am Landgericht in Anwesenheit der Richterinnen am Landgericht und ein klageabweisendes Endurteil, das von den drei vorgenannten Richtern unterzeichnet war. Das Urteil war nicht mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehen. Zu einem späteren, aus der Akte nicht ersichtlichen Zeitpunkt, wurden Tatbestand und Entscheidungsgründe gefertigt und vom Vorsitzenden Richter und der Richterin unterzeichnet. Desweiteren wurde von der Richterin der Vermerk angebracht und unterzeichnet, daß die Richterin, wegen Krankheit an der Unterschrift verhindert ist.

Am 31.7.2000 erfolgte die Zustellung.

Hiergegen richtet sich die am 31.8.2000 eingegangene und am 2.10.2000 begründete Berufung der Klägerin.

Die Klägerin trägt vor, es sei der Zweck von Abschnitt 16 des Kaufvertrages gewesen, daß der Käuferin im Fall der Säumnis keine Buchposition zustehen solle. Die Pflicht des Beklagten zur Vorlage der Löschungsbewilligung ergebe sich nicht nur aus der Anweisung der Kaufvertragsparteien sondern auch aus § 53 BeurkG. Das vom Beklagten betriebene Vorbescheidsverfahren sei ungeeignet gewesen, die vom Beklagten angestrebte Klärung herbeizuführen. Selbst wenn der Kaufvertrag vom 23.12.1998 unwirksam gewesen wäre, sei durch die Nichtvorlage der Löschungsbewilligung die Unrichtigkeit des Grundbuches vom Beklagten perpetuiert worden. Der Notar müsse an der Berichtigung des Grundbuches mitwirken. § 53 BeurkG schütze den Notar ausdrücklich davor, in die Prüfung privatrechtlicher Anspruchsverhältnisse einzutreten. Die Vorschläge des Beklagten zur einvernehmlichen Regelung seien einseitig zugunsten der Käuferin ausgefallen. Es bestehe keine gegenseitige Abhängigkeit zwischen dem notariell beurkundeten Vertrag und der Zusatzvereinbarung. Ein Mitverschulden liege nicht vor. Ihr sei der geltend gemachte Verzögerungsschaden entstanden.

Die Klägerin beantragt:

I. Das Urteil des Landgerichts München I vom 29.6.2000, AZ: 22 O 16658/99, wird aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin DM 103.000,-- zuzüglich 4 % p.a. Zinsen seit 3.11.1999 zu bezahlen.

III. Hilfsweise:

Der Rechtsstreit wird an das Landgericht, jedoch an eine andere Kammer, zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

IV. Weiterhin hilfsweise:

Es wird festgestellt, daß der Beklagte der Klägerin für einen Betrag von bis zu DM 103.000,-- zuzüglich 4 % p.a. Zinsen seit 3.11.1999 haftet.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht geltend, daß es in der verfahrensgegenständlichen Konfliktsituation weder amtspflichtwidrig gewesen wäre, die Löschungsbewilligung einzureichen noch dies zu unterlassen. Erst recht sei der vom Beklagten umsichtig gewählte Mittelweg amtspflichtkonform gewesen. Es sei richtig gewesen, die Frage, ob die Löschungsbewilligung beim Grundbuchamt eingereicht werden darf, einer gerichtlichen Entscheidung zuzuführen. Der notariell beurkundete Vertrag und die Zusatzvereinbarung stünden in innerem Zusammenhang. Ein Verschulden des Beklagten sei ohnehin nicht erkennbar. Auch dürften dessen Bemühungen um eine einvernehmliche Regelung zwischen den Kaufvertragsparteien nicht unberücksichtigt bleiben. Der Klägerin falle ein anspruchsausschließendes Mitverschulden zur Last. Es wäre unangemessen gewesen, wenn der Beklagte in der streitigen verfahrensgegenständlichen Situation durch Vorlage der Löschungsbewilligung Fakten geschaffen hätte, gegen die nachträglich kein Rechtsmittel hätte ergriffen werden können.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 2.10. und 28.12.2000 sowie vom 01.02.2001 und auf die Schriftsätze des Beklagten vom 8.12. und 20.12.2000 sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 25.1.2001 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin war als unbegründet zurückzuweisen, da einem etwaigen Anspruch der Klägerin aus § 19 BNotO jedenfalls gemäß § 254 BGB die maßgebliche Verursachung des geltend gemachten Schadens durch die Klägerin selbst entgegensteht.

I.

Die Berufung ist zulässig. Das am 29.6.2000 verkündete Urteil des Landgerichts wurde mit der Verkündung existent und wirksam (§§ 310 Abs. 1, 311 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO). Damit ist das Urteil vom 29.6.2000, obwohl es nicht wirksam mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehen ist (vgl. unten unter 11.1.) und trotz des Verstoßes gegen § 310 Abs. 2 ZPO tauglicher Gegenstand von Berufung und Berufungsverfahren.

II.

Das landgerichtliche Urteil vom 29.6.2000 ist nicht wirksam mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehen. Der Senat sieht jedoch von einer Zurückverweisung ab und entscheidet selbst gemäß § 540 ZPO, da der Rechtsstreit entscheidungsreif ist. Den Parteien entsteht dadurch, daß der Senat selbst entscheidet, kein Nachteil, insbesondere ist den Parteien, da dem landgerichtlichen Urteil ein formaler Fehler anhaftet, keine Tatsacheninstanz im eigentlichen Sinne entgangen. Vielmehr würde eine Zurückverweisung an das Landgericht den Rechtsstreit unter Verursachung von Verfahrenskosten unnötig verzögern.

1. Das in vollständiger Form abgefasste landgerichtliche Urteil ist nicht ordnungsgemäß gemäß § 315 Abs. 1 ZPO unterschrieben, da der Verhinderungsvermerk für die erkrankte Richterin, sofern eine Ersetzung der Unterschrift, nachdem das Landgericht gegen § 310 Abs. 2 ZPO verstoßen hatte, überhaupt noch zulässig sein sollte, vom Vorsitzenden Richter und nicht von der beisitzenden Richterin anzubringen war. Die Anbringung des Verhinderungsvermerks durch die Richterin wäre nur bei Verhinderung des Vorsitzenden Richters zulässig gewesen. Diese wäre ebenfalls auf dem Urteil zu vermerken und zu unterschreiben gewesen. Dies folgt, wenn auch in § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht ausdrücklich geregelt, aus einer sinngemäßen Anwendung dieser Vorschrift. Im übrigen wäre, wenn die Verhinderung des zunächst berufenen Richters nicht ebenfalls auf dem Urteil zu vermerken wäre, aus dem Urteil selbst nicht mehr ersichtlich, ob § 315 Abs. 1 ZPO korrekt gehandhabt wurde. Im übrigen ergibt sich auch aus den Akten keine Verhinderung des Vorsitzenden Richters.

Folglich sind Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils vom 29.6.2000 nicht ordnungsgemäß unterschrieben. Dies hat zur Folge, daß der am 29.6.2000 verkündete Tenor ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe ist, da es sich insoweit mangels ordnungsgemäßer Unterschriften nur um einen Entwurf handelt (vgl. auch BGH VersR 84, 586).

2. Da der Senat selbst gemäß § 540 ZPO entscheidet, läßt er es dahingestellt sein, ob der vorgenannte Mangel, nachdem die 5-Monats-Frist gemäß §§ 551 Nr. 7, 552, 516 ZPO zwischenzeitlich abgelaufen ist, vom Landgericht noch behoben werden könnte. Eine Unterzeichnung durch die Richterin nach Ablauf der 5-Monats-Frist dürfte allerdings ausgeschlossen sein. Ebenso fraglich könnte es sein, ob sich nach Ablauf der 5-Monats-Frist in Anbetracht des vom Landgericht gewählten Procederes das Datum einer etwaigen Verhinderung der Richterin und des Vorsitzenden Richters noch mit der erforderlichen Sicherheit feststellen läßt.

3. Die Berufungs- und die Berufungsbegründungsfrist sind zwischenzeitlich abgelaufen. Zwar war die Zustellung des Urteils vom 29.6.2000 unwirksam, da das Urteil nicht ordnungsgemäß unterschrieben war (BGH NJW 61, 782). Die Berufungsfrist und mittelbar die Berufungsbegründungsfrist wurden jedoch mit Ablauf der 5-Monats-Frist gemäß § 516 letzter Halbsatz ZPO in Lauf gesetzt.

III.

Der Senat läßt es dahingestellt sein, ob der Beklagte seine Amtspflichten verletzt hat, da die Klage jedenfalls wegen anspruchsausschließenden Mitverschuldens {§ 254 BGB) keinen Erfolg haben kann.

1. Es ist in hohem Maße wahrscheinlich, daß der vom Beklagten beurkundete Grundstückskaufvertrag gemäß §§ 313 Satz 1, 139, 125 Satz 1 BGB nichtig ist.

Der Formzwang und damit die Pflicht zur notariellen Beurkundung erstreckt sich auf das gesamte Geschäft, wenn die beurkundete Vereinbarung nicht für sich allein gelten soll, sondern die Vereinbarungen miteinander stehen und fallen (Palandt § 313 BGB RdNr. 32). Das Beurkundungserfordernis erstreckt sich insoweit nicht nur auf die Veräußerungs- und Erwerbspflicht, sondern auf alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Parteien das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt (Palandt a.a.O. RdNr. 25). Die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Kaufvertrag und Zusatzvereinbarung im vorgenannten Sinne liegt auf der Hand. Sofern der Käuferin aufgrund der Zusatzvereinbarung überhaupt Leistungen zugeflossen sein sollten, waren diese jedenfalls nur unter der Prämisse, daß die Käuferin Eigentümerin des Grundstückes wird und dieses verwerten kann, für die Käuferin von Interesse. In Anbetracht des relativ hohen Betrages von 425.000,-- DM, der ca. 13 % des beurkundeten Kaufpreises von 3,1 Mio. DM ausmacht, der der Klägerin aus der Zusatzvereinbarung zugeflossen ist, ist davon auszugehen, daß die Zusatzvereinbarung aus Sicht der Kaufvertragsparteien ein nicht unwesentlicher Gesichtspunkt zur Ausbalancierung von Leistung und Gegenleistung war und folglich auch der beurkundete Vertrag nicht ohne die Zusatzvereinbarung geschlossen worden wäre. Auch der enge zeitliche und räumliche Zusammenhang und insbesondere der Umstand, daß die Zusatzvereinbarung vor der Beurkundung abgeschlossen wurde, unterstreicht diese Einschätzung. Im übrigen ist die Zusatzvereinbarung auch insoweit mit dem beurkundeten Vertrag verknüpft, als die Klägerin über den Betrag von 425.000,-- DM laut Zusatzvereinbarung nur nach Maßgabe des Vollzuges des beurkundeten Vertrages verfügen durfte.

Angesichts dieser Sachlage dürfte auch eine Aufrechterhaltung des beurkundeten Vertrages über § 139 BGB kaum in Betracht kommen.

2. Der Beklagte geriet durch die Zusatzvereinbarung in eine Konfliktsituation. Die Unwirksamkeit des beurkundeten Vertrages hätte zur Folge gehabt, daß die rechtsgrundlosen Leistungen der Parteien, nämlich der von der Käuferin gezahlte Betrag von 425.000,-- DM einerseits sowie die Auflassungsvormerkung, die die Käuferin erlangt hatte und etwaige Leistungen der Klägerin aus der Zusatzvereinbarung andererseits, nach der Saldotheorie einheitlich rückabzuwickeln waren, d. h. die Klägerin hätte ihre Leistung nur unter gleichzeitigem Angebot der Rückgewähr der Gegenleistung der Käuferin verlangen können (Palandt § 818 BGB RdNr. 48 und 50, BGH WM 2000, 2108). Daran ändert auch das Schreiben vom 19.4.1999 nichts, da dieses die Klägerin lediglich von den Restriktionen aus der Zusatzvereinbarung freistellt, aber keine Regelung zur Rückabwicklung trifft. Auf Abschnitt 16 des Vertrages hätte die Klägerin ihr Verlangen auf Vorlage der Löschungsbewilligung beim Grundbuchamt nicht stützen können, da der gesamte Vertrag und somit auch Abschnitt 16 unwirksam gewesen wäre. Im vorgenannten Zusammenhang darf auch nicht übersehen werden, daß ex ante aus Sicht des Beklagten nicht auszuschließen war, daß er, sofern er im Widerspruch zur Käuferin die Löschungsbewilligung beim Grundbuchamt vorlegt, von dieser in Haftung genommen werden könnte, sofern die Käuferin von der Klägerin die von ihr bezahlten 425.000,-- DM nicht zurückzuerlangen vermag.

Andererseits hatte der Beklagte das Interesse der Klägerin an einer alsbaldigen Löschung der Auflassungsvormerkung nebst eines etwaigen diesbezüglichen Verzögerungsschadens zu bedenken.

Die Klägerin hat zu Recht darauf hingewiesen, daß, insofern ist der Rechtsstreit atypisch gelagert, durch den vom Beklagten verlangten Vollzug das Grundbuch auch für den Fall, daß der beurkundete Vertrag unwirksam war, nicht unrichtig sondern gerade richtig gestellt worden wäre. Dieser Gesichtspunkt ändert jedoch letztlich nichts daran, daß der Beklagte, wie ausgeführt, einem Konflikt zwischen den Interessen der Kaufvertragsparteien mit möglichen haftungsrechtlichen Konsequenzen für ihn in jeder Richtung ausgesetzt war.

3. In dieser Konfliktsituation war es auch unter dem Blickwinkel des § 53 BeurkG nicht zu beanstanden, jedenfalls nicht schülerhaft, wenn der Beklagte über den Erlaß eines Vorbescheides und Fristsetzung zur Beschwerde eine gerichtliche Entscheidung über den Vollzug der Löschung der Auflassungsvorbemerkung herbeigeführt hat (so auch Keidel/Winkler, BeurkG, 14. Aufl. RdNrn. 24 ff. zu § 53 BeurkG mit ausführlicher Begründung). Vielmehr war die vom Beklagten gewählte Lösung ein vernünftiger und abgewogener Mittelweg zwischen den divergierenden Interessen der Kaufvertragsparteien, die der Verpflichtung des Beklagten zur Unparteilichkeit entspricht.

Allenfalls könnte zu beanstanden sein, daß es der Beklagte nicht beim Beschluß des Landgerichts vom 6.9.1999 bewenden ließ, sondern er vielmehr sein weiteres Vorgehen von einer Beschwerdeentscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts abhängig gemacht hat. Dagegen könnte insbesondere sprechen, daß das verbleibende Haftungsrisiko des Beklagten angesichts einer sorgfältig begründeten Entscheidung eines Kollegialgerichtes gering und das Interesse der Klägerin an einer umgehenden Entscheidung offenkundig war. Für das Vorgehen des Beklagten könnte sprechen, daß die Herbeiführung einer letztinstanzlichen Entscheidung zuverlässig verhindert, daß die Kaufvertragsparteien vom Beklagten auf der Basis einer anfechtbaren Entscheidung vor vollendete Tatsachen gestellt werden, zumal der Beklagte der Käuferin eine knapp bemessene Frist zur Einlegung der weiteren Beschwerde gestellt und das Bayerische Oberste Landesgericht kurzfristig entschieden hat.

Der Senat läßt es dahingestellt sein, ob dem Beklagten insoweit eine schuldhafte Amtspflichtverletzung unterlaufen ist, da, wie noch auszuführen ist, diese in Relation zum Verschulden der Klägerin jedenfalls nicht ins Gewicht fiele.

4. Der Beklagte hatte keine Kenntnis von der Zusatzvereinbarung der Kaufvertragsparteien. Es kann ihm folglich nicht zur Last gelegt werden, daß er nicht für eine ordnungsgemäße Beurkundung der Nebenabrede gesorgt bzw. die Beurkundung des Kaufvertrages unter diesen Vorzeichen abgelehnt bzw. die Kaufvertragsparteien über das aus der Nebenabrede entspringende Risiko belehrt hat. Weder die Angaben des Zeugen E und noch weniger diejenigen des Zeugen H, haben konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der Beklagte von der Zusatzvereinbarung der Kaufvertragsparteien Kenntnis hatte oder erhielt, geschweige denn, daß die Klägerin dies beweisen könnte. Dies gilt auch für eine etwaige Kenntnis des Zeugen H des Bürovorstehers des Beklagten. Der Zeuge hat plausibel und glaubwürdig angegeben und begründet, daß er vom Inhalt der Zusatzvereinbarung keine Kenntnis erlangt hat, da er sich, sofern er während des Diktats der Zusatzvereinbarung wiederholt in dem betreffenden Raum aufgehalten haben sollte, jedenfalls nicht für den Inhalt des Diktats interessiert hat. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß sich der Zeuge H für das Diktat der Kaufvertragsparteien interessieren sollte oder gar mußte. Auch der Zeuge E konnte lediglich Umstände bekunden, die es dem Zeugen H theoretisch ermöglicht hätten, jedenfalls teilweise vom Inhalt der Zusatzvereinbarung Kenntnis zu nehmen, wenn er diesen Umständen seine Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Dazu, welche Umstände der Zeuge H tatsächlich wahrgenommen hat, konnte der Zeuge E keine zuverlässigen Angaben machen.

Die Kenntnis der Notariatssekretärin, die die Zusatzvereinbarung auf Diktat der Kaufvertragsparteien niedergelegt hat, muß sich der Beklagte nicht zurechnen lassen, da sich die Kaufvertragsparteien der Sekretärin nicht als Mitarbeiterin des Beklagten, sondern unentgeltlich in eigener Sache bedient hatten, diese also bei Aufnahme der Zusatzvereinbarung nicht für den Beklagten sondern für die Kaufvertragsparteien tätig wurde.

5. Die Klage war jedenfalls wegen anspruchsausschließender maßgeblicher Verursachung des geltend gemachten Schadens durch die Klägerin selbst abzuweisen.

Die Klägerin hat ohne den Beklagten zu unterrichten die Zusatzvereinbarung, die die streitgegenständliche Konflikt- und Problemlage erst geschaffen hat, mit der Käuferin abgeschlossen. Ohne die Zusatzvereinbarung wäre der Kaufvertrag unproblematisch wirksam gewesen. Selbst für eine weniger geschäftserfahrene Partei hätte es mehr als nahegelegen, den beurkundenden Notar spätestens bei der Beurkundung von der Zusatzvereinbarung zu unterrichten. Durch den Abschluß der Zusatzvereinbarung und deren Zurückhaltung gegenüber dem Beklagten hat die Klägerin den von ihr geltend gemachten Schaden in einem so wesentlichen Umfang selbst verursacht und verschuldet, daß eine Haftung des Beklagten wegen § 254 BGB auch dann, da als Verursachungsbeitrag nicht nennenswert ins Gewicht fallend, ausgeschlossen wäre, wenn die Herbeiführung einer Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vor der Vorlage der Löschungsbewilligung beim Grundbuchamt als schuldhafte Amtspflichtverletzung des Beklagten angesehen werden würde. Darauf, ob die Zusatzvereinbarung in erster Linie auf Initiative der Käuferin abgeschlossen wurde, kommt es deshalb nicht entscheidend an.

Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte bei der Beurkundung Kenntnis von der Zusatzvereinbarung hatte, geschweige denn, daß die Klägerin dies bewiesen hat. Die Kenntnis der Notariatssekretärin muß sich der Beklagte nicht zurechnen lassen. Vielmehr haben die Kaufvertragsparteien unter Abschnitt 14 des Vertrages ausdrücklich bestätigt, daß die notarielle Urkunde "die zwischen ihnen getroffene Vereinbarung richtig und vollständig wiedergibt".

6. Aus den vorgenannten Gründen ist auch der von der Klägerin unter IV hilfsweise geltend gemachte Feststellungsantrag unbegründet.

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO. Gemäß § 546 Abs. 2 ZPO war der Wert der Beschwer festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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