Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 25.01.2001
Aktenzeichen: 1 U 4873/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
Kommt ein Kraftfahrzeuglenker durch ein ursprünglich gemäß den Richtlinien an der Decke eines Autobahntunnels verlegtes, gleichwohl heruntergerissenes Brandmeldekabel zu Schaden, kann dem Verkehrssicherungspflichtigen ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht zum Vorwurf gemacht werden, er habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen, um andere vor den von dem Kabel ausgehenden Gefahren zu schützen.

Auch wenn die etwaige Unzulänglichkeit der Kabelverlegung dem Verkehrssicherungspflichtigen bekannt ist, ist ihm ein gewisser Spielraum für die Planung einer anderen Montageart zuzubilligen.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 1 U 4873/00

Verkündet am 25.01.2001

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erläßt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2000 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 27.04.2000 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Wert der Beschwer beträgt 2.506,30 DM

Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gem. § 823 BGB i. V. m. § 20 BFStrG.

1. Klarzustellen ist, gegenüber den Feststellungen des Landgerichts, dass es sich bei dem am 25.01.1999 durch das herabhängende Brandmeldekabel beschädigten Fahrzeug des Klägers nicht um einen Lkw, sondern um einen Pkw gehandelt hat.

In der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2000 haben die Parteien ferner klargestellt, dass das Brandmeldekabel im E Tunnel der Bundesautobahn A 96 durch an der Tunneldecke außen befestigte sogenannte Schellen verläuft.

Der Umstand, dass es am Unfalltag, wie sich aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Augsburg (Az.: 613 UJs ergibt, auf eine Länge von ca. 150 Meter - vermutlich durch einen Lkw mit Überhöhe - herabgerissen war, führt noch nicht zu einer Haftung des Beklagten. Dabei kann unterstellt werden, dass dies schon öfters vorgekommen ist, wie der Kläger durch Vernehmung seiner Ehefrau, der gegenüber eine entsprechende Aussage von Herrn G von der Autobahnmeisterei I gemacht worden sein soll, unter Beweis stellt. Immerhin ist auch in den Ermittlungsakten vermerkt, dass Herr G gegenüber dem ermittelnden Polizeibeamten angegeben hatte, dass es einen ähnlichen Vorfall im gleichen Tunnel schon einmal gegeben habe.

Es kann auch unterstellt werden, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens ergeben würde, dass die Befestigung des Kabels an der Außenseite der Tunneldecke in Schellen nicht ausreichend ist, weil dadurch kein ausreichender Schutz gegen ein Herunterreissen durch lose flatternde Planen oder herausstehende Teile von Lkws gewährt ist. Es kann zugunsten des Klägers auch unterstellt werden, dass das Kabel in einer sogenannten Nut innerhalb der Tunneldecke verlegt oder in einem Kabelschacht montiert werden könnte, ohne dass es, wie der Beklagte behauptet, seine Funktion verlieren würde. Auch dann könnte aber im vorliegenden Fall eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten noch nicht festgestellt werden.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach den Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln (RABT) der Ausgabe 1994, Ziffer 2.5, 3.2, die Temperaturfühler oberhalb des lichten Raumes an der Tunneldecke zu befestigen sind. Nach den vom Beklagten vorgelegten Richtlinien für Planung und Einbau (MüTEC) gilt generell, dass das Sensorkabel an einer Deckenfläche montiert sein soll. Für die Montage ist die Kabelverlegung mittels Schnellbefestigungsschellen mit Verriegelung beschrieben.

Der Kläger, dem dies zumutbar wäre, weil er sich über die Art der Verlegung selbst durch Augenschein Kenntnis verschaffen konnte, stellt nicht unter Beweis, dass die Verlegung des Kabels damals nicht diesen Richtlinien entsprochen hat. Wenn aber das Kabel entsprechend den Richtlinien verlegt wurde, kann dem Verkehrssicherungspflichtigen ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht zum Vorwurf gemacht werden, er habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, um andere vor den von dem Kabel ausgehenden Gefahren zu schützen, wenn es heruntergerissen wird.

Diese besonderen Umstände könnten vorliegend allerdings in dem - unterstellten - Umstand gesehen werden, dass das Kabel schon vor dem streitgegenständlichen Unfall möglicherweise mehrfach heruntergerissen worden ist.

Der Kläger, der für die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich beweispflichtig ist, hat jedoch nicht vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass dies in einem zeitlichen Zusammenhang geschah, in welchem dem Beklagten ein früheres Reagieren und die Veranlassung einer anderen Montage zumutbar gewesen wäre. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Autobahnabschnitt mit dem streitgegenständlichen Tunnel, wie in der mündlichen Verhandlung besprochen wurde, erst vor wenigen Jahren eröffnet worden ist, etwaige Erkenntnisse beim Beklagten über die etwaige Unzulänglichkeit der Kabelverlegung daher relativ kurzzeitig sein müssen. Angesichts der hohen Bedeutung von Brandmeldekabeln in Tunneln, wie insbesondere die verheerenden Tunnelbrände der letzten Zeit gezeigt haben, hätte der Beklagte dieses nicht einfach entfernen dürfen. Es wäre ihm daher auch dann, wenn es früher schon ähnliche Vorfälle gegeben haben sollte, ein gewisser Zeitraum für die Planung einer anderen Montageart zuzubilligen, zumal derartige Maßnahmen mit erheblichen Eingriffen in den Verkehr und der Sperrung der Autobahn verbunden sein dürften.

Bei dieser Sachlage kann der Senat nicht feststellen, dass der Beklagte bereits zu einem ausreichend lange zurückliegenden Zeitpunkt hätte erkennen müssen, dass die vorgenommene Montage mit Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer verbunden sein könnte und dass ihm ausreichend Zeit zur Verfügung stand, vor dem streitgegenständlichen Unfall auf geeignete und den Brandschutz nicht beeinträchtigende Weise Abhilfe zu schaffen.

Da nach dem Klagevortrag und den Beweisangeboten des Klägers ein Nachweis für ein Verschulden des Beklagten nicht geführt werden kann, war das vom Kläger angebotene Sachverständigengutachten nicht zu erholen. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob das Kabel früher lediglich einmal oder mehrfach heruntergerissen wurde, kommt es wegen der Wahrunterstellung zugunsten des Klägers über ein mehrfaches Herunterreißen nicht mehr an. Von der Vernehmung der Zeugen W und G konnte daher abgesehen werden.

Hinsichtlich der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob das Tunnelbauwerk durch Mitarbeiter der Autobahnmeisterei am Unfalltag zwischen 11:30 Uhr und 11:45 Uhr zuletzt kontrolliert wurde, waren die vom Beklagten angebotenen Zeugen nicht zu vernehmen, da diese Frage im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich ist. Beim Herabreissen des Kabels handelte es sich um ein plötzliches Ereignis, das durch Kontrollen nicht verhindert oder zu einem früheren Zeitpunkt festgestellt werden hätte können.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus Gefährdungshaftung gem. 836 BGB, wie der Senat zunächst erwogen hatte. Denn hierfür wäre Voraussetzung, dass der Schaden durch die typischen Gefahren des Einsturzes oder der Ablösung verursacht wird, also gerade durch die bewegend wirkende Kraft des Einsturzes oder der Ablösung (BGH VersR 83, 588). Dieser Tatbestand ist vorliegend nicht erfüllt, da der Pkw des Klägers nicht bei der Ablösung des Kabels beschädigt wurde, sondern gegen das bereits gelöste Kabel fuhr.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO. Gem. § 546 Abs. II ZPO war der Wert der Beschwer festzusetzen.

Ende der Entscheidung

Zurück